William und Joanna - ab 1174 bis 1175

Marguerite

Marguerite seufzte schwer. Noch nie hatte sie jemand in dieser Verfassung gesehen, seit sie Henry geheiratet hatte. Am Tage konnte sie ihre fröhliche, gelassene Fassade aufrecht erhalten. Selbstsicherer, als sie eigentlich war. Nachts blieb davon nichts übrig, wenn Henry sie besuchte. Dann war sie nur noch ein Häufchen Elend, nichts erinnerte mehr an die Prinzessin, die sie war. An die Königin.
"Ihr solltet mich nicht so zu Gesicht bekommen. Das beschämt mich." Schließlich waren ihre Augen von den Tränen gerötet, ihre Wange schwoll langsam an und ihre aufgeplatzte Lippe verunstaltete sie noch zusätzlich. Dahin war die Fassade der schönen, jungen Königin.
Dennoch rührte Philippes Einsatz für sie sie sehr. "Es hat sich noch nie jemand so für mich eingesetzt. Und wer sieht mich denn schon als Königin, die ihrer Verehrung würdig ist? Die Königin ist solange sie lebt Eleonore von Aquitanien."
Vorsichtig legte sie die Hand an seine Wange.
"Ich danke Euch trotzdem dafür, dass Ihr mir Mut machen wollt. Ihr habt ja recht. Ich werde mir Mühe geben. Und normalerweise gelingt es mir auch. Nur nicht, wenn er gerade hier war. Seid meine Stütze, indem Ihr da seid, wenn ich Euch brauche und indem Ihr mich ablenkt von all dem hier. Damit helft Ihr mir schon mehr, als ich verlangen dürfte."

Philippe

Philippe sah auf als Marguerite ihre Hand an seine Wange legte und er hatte das Gefühl als würde sein Herz nun endgültig aussetzen. "Ich ..." er stockte und bedachte sie mit einem langen Blick, ehe er die richtigen Worte wieder fand. "Für mich werdet Ihr immer eine Königin sein. Eine große Königin, die ich bis zu meinem letzten Herzschlag mit jeder Faser meines Körpers verehren werde, wie es ihr gebührt." erklärte Philippe und hoffte, dass seine Stimme eher entschlossen als allzu heiser klang.
"Ich will gerne Eure Stütze sein, wenn Ihr es erlaubt."

Marguerite

Marguerite lächelte leicht. "Womit auch immer ich Eure Verehrung verdient habe. Wenigstens kann ich nun sicher sein, dass ich zumindest einen treuen Freund hier habe."
Sie ließ die Hand sinken.
"Seid mir eine Stütze, dann wird es mir sicher leichter fallen das Gesicht zu wahren. Gebt mir einfach in den nächsten Tagen wieder Gelegenheit den Kopf bei einem Ausritt freizubekommen. Und nun solltet Ihr besser gehen. Macht Euch keine Sorgen um mich. Es ist schon in Ordnung."

Philippe

"Ihr habt sie Euch mit Eurem wundervollen Charakter verdient, meine Königin. Niemand wäre geeigneter die Krone Englands zu tragen als Ihr. Auch wenn Euer Gemahl hingegen Euch bei weitem nicht verdient hat." erwiderte Philippe und sah Marguerite einen Moment zweifelnd an. Am liebsten hätte er widersprochen und darauf bestanden zu bleiben bis sie ihre Lippe ein wenig hatte versorgen lassen, aber es gehörte für ihn nun auch einmal dazu, ihre Wünsche zu respektieren. Also erhob Philippe sich und nickte. "Ich begleite Euch jederzeit gern auf einen Ausritt, das wisst Ihr doch." er lächelte leicht und verneigte sich, griff sachte nach ihrer Hand, um einen förmlichen Kuss auf ihren Handrücken zu hauchen. "Wenn irgendetwas sein sollte, lasst es mich wissen. Ansonsten werde ich vor Eurer Tür wachen und dafür sorgen, dass niemand heute Abend mehr Eure Ruhe stört."

 

Es wurde langsam, aber sicher Frühjahr und so war inzwischen ein Hochzeitstermin für Robert und Mathilda festgesetzt worden. Auch Simon sollte eingeladen werden und da Joanna ohnehin vorgehabt hatte, ihn und Alais einmal zu besuchen, wollte sie nun die Einladung persönlich überbringen.
Nun war sie gerade in Surrey angekommen. Sie freute sich auf die Tage mit ihrem besten Freund, den sie immer noch sehr vermisste.
Und sie freute sich darauf Surrey kennenzulernen. Sie war sehr gespannt, was sie hier erwartete. Immerhin hatte es sie sehr viel Überzeugungskraft gekostet, dass sie auch ohne William reisen durfte. Dieser hatte zwar gern auch kommen wollen, aber im Moment hatte er einfach viel zu viel zu tun.

 

Simon trat voller Erwartung in den Hof, ein Lächeln auf den Lippen. Er freute sich ungemein darauf Joanna wieder zu sehen und dass sie ihn hier in Surrey für ein paar Tage besuchen kam, war wirklich etwas besonderes.
Als Joanna von ihrem Pferd stieg, trat Simon auf sie zu, verneigte sich mit verschmitztem Lächeln auf den Lippen und zog sie dann in seine Arme. "Ich freue mich, dich wiederzusehen! Ich hoffe, die Reise war nicht allzu anstrengend? Es gab wenig Regen in letzter Zeit, die Wege dürften recht passabel gewesen sein, nicht wahr?"

 

Joanna lachte freudig auf, als sie vom Pferd stieg und Simon sie in die Arme schloss. "Simon! Es ist so schön dich wiederzusehen, es ist wieder viel zu lange her. Und endlich sehe einmal dein Zuhause. Es wird wirklich Zeit."
Sie löste sich halb von ihm und betrachtete ihn neugierig. "Gut schaust du aus, wirklich. Dir bekommt das Leben hier offenbar wirklich gut. Die Reise war annehmbar, kein Grund zur Sorge. Ein wenig Regen hätte nicht geschadet, dann wären die Wege nicht so staubig gewesen, aber man kann nicht alles haben. Sei froh, dass ich William überredet habe, dass ich trotzdem kommen darf. Er konnte leider nicht, irgendetwas Dringendes für Henry zu erledigen."

 

Simon grinste breit. "So, sehe ich so aus?" fragte Simon lächelnd. "Es ist in der Tat ein angenehmes Leben hier und ich würde es nicht her geben wollen. Umso mehr freut es mich, dass du mich einmal besuchen kommst."
Simon ließ Joanna los und bot ihr den Arm an, um sie nach drinnen zu führen. "Nun, William ist jederzeit willkommen, wenn die Arbeit es erlaubt. Du bringst ihn einfach das nächste Mal mit."

 

Joanna grinste zurück. "Ja, so siehst du aus. Ich bin auch wirklich froh, dass es so ist und dass es dir mit deiner Familie richtig gut geht. Jetzt kann ich endlich sehen, wie die Kinder sich entwickelt haben und wie ihr hier lebt. Wie es Alais geht. Ich glaube, wir werden eine ausgesprochen schöne Zeit miteinander haben."
Lächelnd ergriff sie seinen Arm und ließ sich nach drinnen führen, nickte dann knapp. "Ja, das nächste Mal wird er mich auch sicher begleiten. Es war ein unglücklicher Zufall, dass gerade jetzt etwas so Wichtiges zu erledigen war."

 

Simons Blick wurde sanft und er seufzte zufrieden. "Dass ihr mich damals mit Alais zusammen gebracht habt, werde ich euch beiden nie vergessen. Ich liebe sie und die Kinder mehr als alles andere. Du musst die Kleinen nachher alles sehen, ich bin gespannt, was du von ihnen hältst." erklärte er schmunzelnd. Immerhin kannte Joanna die Jüngsten noch nicht.
Dann lachte er leise und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich freue mich, wenn er das nächste Mal mitkommt, aber so habe ich dich wenigstens für mich allein." scherzte er und führte Joanna zu den Gemächern, die ihr während ihres Aufenthaltes zugeteilt waren. "Richte dich erst einmal etwas ein und ruh dich von der Reise aus. Wenn du willst, kannst du dich auch gerne ein wenig in der Burg und draußen im Garten umsehen. Wenn du etwas brauchst, sag nur Bescheid, ansonsten würde ich vorschlagen, sehen wir uns nachher wieder, sobald du richtig angekommen bist."

 

"Wahrscheinlich werde ich sie absolut hinreißend finden wie deine anderen Kinder auch." Joanna lächelte und blieb schließlich vor ihren Gemächern stehen.
"Das tue ich. Ich richte mich ein bisschen häuslich ein und schaue mir dann einmal den Garten an. Bis nachher."
Und eine Stunde später hatte Joanna sich auch schon auf den Weg in den Garten gemacht. Noch wirkte dieser eher trist, aber das Frühjahr kam ja erst. Trotzdem bekamen langsam die Rosen die ersten Knospen und Joanna erfreute sich daran.
Es war wirklich schön hier.

Josephine

Die Sonne schien heute mit voller Kraft und kündigte eine deutlich schönere Jahreszeit an als den zurückliegenden Winter und da es nicht allzu kühl war, hatte Josephine beschlossen mit Rob in den Garten zu gehen. Der kleine Junge wärmte ihr tagtäglich das Herz und so hatte sie begonnen sich hier allmählich etwas wie zu Hause zu fühlen. Man war gut zu ihr und ihre Arbeit mit den Kindern bereitete ihr ebenfalls Freude, so dass die düsteren Gedanken oft gut in Schach gehalten werden konnten.
Sie hatte sich hingehockt und beobachtete nun lachend ihren Sohn, der angestrengt versuchte auf zu stehen und zu ihr zu laufen. "Gut so, nur noch ein klein wenig." ermunterte sie ihn fröhlich als Rob schwankend auf seine kleinen Beinchen kam. Der Kleine begann seit kurzem seine ersten Schritte zu machen und war noch wackelig auf den Füßen, aber er war ehrgeizig und versuchte es immer und immer wieder.

 

Joanna genoss die Sonne nach dem langen Winter sehr, doch sie hatte nicht erwartet, dass hier noch jemand unterwegs sein würde.
Eine junge Frau schien mit ihrem kleinen Sohn ebenso viel Freude am schönen Wetter zu haben. In solchen Momenten war Joanna fast ein wenig traurig, dass sie wohl nicht mehr Mutter werden würde. Aber sie hatte eine große Familie und darum war sie auch nie lange so wehmütig. Lächelnd trat sie ein Stück näher - und erstarrte.
Sie kannte diese Frau. Und wenn sie das Kind genauer betrachtete, kam es ihr auch mehr als vertraut vor, auch wenn sie es noch nie gesehen hatte. Das Kind sah aus wie Robert als kleines Kind. Und die Frau, die Frau war eindeutig....
"Josephine...." Wie kam denn die einstige Liebste ihres Sohnes hier her? Und vor allem...vor allem hatte sie ein Kind, das änderte viele Dinge.

Josephine

"Noch zwei Schritte, das schaffst du!" motivierte Josephine ihren Sohn und zog ihn lachend in die Arme als der Kleine die letzten Schritte geschafft hatte und sich in ihre Arme fallen ließ. "Wunderbar, mein Spatz! Ich bin so stolz auf dich, Rob." lobte Josephine ihn, gab Rob einen Kuss auf die Wange und strich durch sein dunkles Haar, das langsam immer dichter wurde.
Sie war so vertieft, dass sie überhaupt nicht mitbekommen hatte, dass sich ihnen jemand genährt hatte. Erst als sie plötzlich ihren Namen hörte sah sie auf - und hielt erschrocken inne.
Sie kannte die Frau, die dort vor ihr stand und mit einem Mal begann ihr Herz panisch zu rasen. Das war ganz und gar nicht gut ... Roberts Mutter war eine der letzten Personen, die sie hier hätte sehen dürfen.
Josephine senkte rasch den Blick und zog ihren Sohn enger an sich. "Mylady." begrüßte sie die Joanna of Cornwall und erhob sich langsam, den Blick noch immer nach unten gerichtet, wie es sich gehörte.

 

Joanna war fassungslos. Konnte dieses Kind wirklich ihr Enkelkind sein? "Wie kommst du hierher? Was tust du hier?"
Ob Beatrice wohl wusste, dass Josephine hier war? Das warf alles durcheinander. Ob sie es Robert sagen sollte? Jetzt, wo er kurz vor der Hochzeit mit Mathilda stand und endlich wieder glücklich war? Besser für ihn wäre es, wenn sie schwieg. Aber durfte sie ihm sein Kind verschweigen?
"Ist das....mein Enkel?", fragte sie leise.
Joanna atmete langsam durch. "Du solltest ihn vielleicht ein wenig beschäftigen, wir müssen uns unterhalten."

Josephine

Josephine schluckte leicht. "Der Earl hat mich als Zofe für seine Gemahlin eingestellt." erklärte Josephine den leichteren Part. Alles in ihr schrie danach sich einfach umzudrehen und davon zu laufen, aber das hätte ja auch nichts mehr geändert.
Bei Joannas Frage strich sie Rob über den Rücken und drückte den Jungen saft an sich. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, dann nickte sie langsam und sah Joanna das erste Mal an. "Das ist er, Mylady." erwiderte Josephine heiser. Sie fürchtete sich vor den Konsequenzen, die diese Begegnung haben würde. Wenn Joanna ihrem Sohn berichtete, dass sie hier war ... Robert würde sicher her kommen und das war etwas, was Josephine um jeden Preis hatte verhindern wollen.
"Er ... er ist ein genügsames Kind, wenn er nur bei mir sein kann. Er wird ruhig sein, Mylady." erklärte sie dann. Das letzte was sie jetzt noch tun wollte, war ihren Sohn los zu lassen. Auch wenn sie wusste, wie unsinnig diese Furcht war, aber sie verspürte mit einem Mal panische Angst davor, man könnte ihr Robert wegnehmen.

 

"So, hat er das. Und lass mich raten, Beatrice hat ihre Finger mit im Spiel. Wir wussten, dass sie dir geholfen hat. Aber sie hat keinem von uns gesagt, wo du bist. Weiß sie von dem Kleinen?"
Ihr Enkelkind also, Roberts Sohn. Joanna strich dem kleinen jungen sanft über die Wange. "Er sieht genauso aus wie Robert als er klein war...", murmelte sie.
"Es ging mir nicht um die Sorge, dass er nicht ruhig ist. Es ging mir darum, dass er vielleicht Dinge hört, für die er noch zu klein ist. Aber wahrscheinlich begreift er von alldem ohnehin noch nichts." Sie seufzte leise. "Du weißt, dass Robert erfahren muss, dass er einen Sohn hat?"

Josephine

Josephine presste die Lippen aufeinander. Durfte sie das erzählen? Aber wenn ohnehin bekannt war, dass Beatrice ihr geholfen hatte, machte all das nun sowieso keinen Unterschied mehr. "Ja, sie weiß es. Sie ... wusste von Anfang an, dass ich ein Kind erwartete."
Josephine senkte den Blick und zögerte. Dieses Gespräch wollte sie nicht führen. Es war soweit doch ein guter Tag gewesen und nun das ... nun würde sie all die alten Wunden wieder aufreißen müssen. Sie seufzte leise und schüttelte dann den Kopf. "Er darf es nicht erfahren." widersprach sie leise. "Das würde nur alles kaputt machen, Mylady."
Sie hatte sich immerhin schwer genug getan mit der Entscheidung Robert zu verlassen. Wenn er erfuhr, dass sie ein Kind von ihm hatte, würde alles umsonst gewesen sein. Das Jahr im Kloster und all das Leid, das sie überstanden hatte.

 

Joanna nickte langsam. "Das dachte ich mir fast. Das ist typisch Beatrice. Und sie hat kein Sterbenswort gesagt." Nicht einmal, als Robert auf sie losgegangen war. Ihre Tochter war wirklich standhaft.
"Josephine, du musst es ihm sagen. Du darfst ihm nicht verschweigen, dass er ein Kind hat! Ich verlange nicht, dass du es sofort tust. Du hast ein wenig Zeit. Es wird vielleicht klüger sein zu warten, bis er Mathilda geheiratet hat, dann wird er nicht gleich wieder jegliche Vernunft einbüßen. Aber du musst es ihm sagen. Er hat ein Recht darauf zu erfahren, dass er ein Kind hat. Und wenn du es nicht tust, sobald die Hochzeit gelaufen ist, werde ich es tun."

Josephine

"Ich bin Eurer Tochter auf ewig dankbar, dass sie mir in dieser Sache zur Seite gestanden hat. Ohne sie wäre mir das alles nicht möglich gewesen." erwiderte Josephine. Nie würde sie Beatrice vergessen, was diese alles getan hatte und das ohne irgendetwas von ihr zu erwarten.
Josephine schloss die Augen und unterdrückte ein leises Stöhnen. Warum nur Gott, warum kannst du mir in dieser Sache keinen Frieden gewähren?
"Ich kann nicht, Mylady." flüsterte sie schließlich. "Ich traue weder Eurem Sohn, noch mir in dieser Sache. Ich bin gegangen, weil ich genau wusste, was es für Folgen haben würde, wenn er herausgefunden hätte, dass ich sein Kind erwarte. Und ich wage nicht ihm jetzt gegenüber zu treten, weil ich es dann nicht mehr aushalten werde. Ich liebe ihn heute noch so sehr wie damals und wenn ich ihm nun gegenüber stehe, wird die Stimme der Vernunft nicht mehr so stark sein wie hier mit so vielen Meilen zwischen uns. Ich kann es ihm nicht sagen. Wo sollte uns das auch hinführen? Mein Leben ist mit dadurch schon schwer genug, aber was sollte er davon haben, zu wissen, dass er einen Sohn hat und ihn doch nicht bei sich zu haben?"

 

"Ich bin froh, dass Beatrice sich deiner angenommen hat, gerade mit dem Kind. Trotzdem hätte sie etwas sagen müssen."
Joanna verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. "Das mag sein, darum sage ich, warte bis nach der Hochzeit. Aber es ist sein Recht zu erfahren, dass er einen Sohn hat. Und dann soll er entscheiden, wann er diesen sehen will und wann nicht. Du verrätst das, was du für ihn empfinden willst, wenn du ihm eine Sache von solcher Wichtigkeit verschweigst. Es ist nicht recht dem Jungen seinen Vater vorzuenthalten. Irgendwann wirst du dich den Fragen ausgesetzt sehen und dann? So selbstsüchtig darfst du nicht sein, auch wenn es schwer ist."
Und sie meinte das völlig ernst. "Sag du es ihm kurz nach der Hochzeit, ansonsten werde ich es tun. Ich kann es nicht mit mir vereinbaren, dass er im Dunkeln bleibt. Es ist sein erstes Kind, Josephine..."

Josephine

Du verrätst das, was du für ihn empfinden willst
Josephine hatte das Gefühl als hätte man ihr geradewegs einen Dolch in den Rücke gerammt und würde ihn nun langsam herum drehen. Sie starrte Joanna einen Moment fassungslos an und wusste nicht, ob sie wütend werden sollte oder weinend zusammen brechen. Letztlich passierte weder das eine, noch das andere und sie sah die Frau ihr gegenüber noch ruhig an.
"Wenn der Junge alt genug ist, um diese Fragen zu stellen, werde ich ihm antworten und bei Gott, dann soll er von mir aus auch seinen Vater treffen. Aber ich ... ich will seinen Vater nie wieder sehen." erklärte sie dann. "Denn es ist mein größter Herzenswunsch es doch zu tun und ich weiß, dass ich ihn kein zweites Mal verlassen könnte. Aber genauso wenig ist noch ein Platz für mich in seinem Leben und das würde mich zugrunde richten." Josephine runzelte kurz die Stirn. "Wie könnt Ihr mich egoistisch nennen, nur weil ich mir einen letzten Hauch von Würde behalten möchte? Ich habe mein Leben für Euren Sohn fortgeworfen. Wäre ich egoistisch, wäre ich geblieben, hätte ihm gesagt, dass ich ein Kind erwarte und zugelassen, dass uns irgendein Priester heimlich traut."
Josephine schwieg einen kurzen Moment ehe sie weiter sprach. "Wenn Ihr ihn unbedingt leiden sehen wollt, sagt es ihm. Ich werde es nicht tun. Und ich werde dann auch nicht mehr hier sein, falls er her kommt. Und Ihr solltet lieber zu Gott beten, dass ich dann tatsächlich gegangen bin, denn sollte ich ihn wieder sehen, werde ich womöglich vor ihm auf die Knie fallen und ihn anflehen mich zurück zu nehmen. Und wir wissen beide, dass das das letzte ist, was Ihr wollt ... dass er seine Hure mit unehelichem Kind zu sich holt und seine Ehe dadurch mit Füßen tritt."

 

Joanna schüttelte leicht den Kopf. "Ein Kind braucht einen Vater, Josephine, das weißt du. Und Robert....Robert hat es verdient zu erfahren, dass er ein Kind hat, kannst du das denn nicht verstehen Ich will nicht dich quälen. Aber ich will, dass Robert Verantwortung übernimmt, wenn er schon ein Kind zeugt."
Joanna seufzte und schloss einen Moment die Augen.
"Nein, das will ich nicht. Aber der Kleine...ist doch mein Enkel. Wie soll ich nach Hause gehen und meinen Sohn darüber belügen?"
Sie atmete durch. "Josephine...ich werde es ihm nicht sagen, aber ich flehe dich an, überlege es dir noch einmal. Deinem Sohn zuliebe und auch Robert zuliebe. Die Beiden hätten ein Recht darauf sich kennenzulernen."

Josephine

Nun konnte sie doch nicht mehr verhindern, dass sich ihre Kehle zuschnürte und sich Tränen in ihren Augen sammelten. "Natürlich weiß ich das." erwiderte Josephine. "Rob bräuchte einen Vater und ich einen Mann, der mir zur Seite steht, aber das Schicksal wollte nicht, dass er als eheliches Kind zur Welt kommt." Sie schloss die Augen und atmete durch. Sie durfte jetzt nicht die Fassung verlieren, nicht solange sie ihren Sohn auf dem Arm hatte.
"Euren Sohn zu verlassen, war die schwerste Entscheidung meines Lebens, Mylady. Ich habe ein Jahr im Kloster verbracht und viel über meine Entscheidung nachgedacht. Ich habe noch nie etwas so sehr bereut wie diesen Schritt und doch gleichzeitig gewusst, dass es die einzig richtige Entscheidung gewesen war."
Josephine legte den Kopf zur Seite und betrachtete Joanna einen Augenblick lang. "Er ist euer Enkel, aber wir wissen doch beide, dass Ihr Euch wünscht, er sei es nicht. Das würde vieles für Euch leichter machen. Ihr habt mich nie in seinem Leben haben wollen und wollt es auch jetzt nicht, also gestattet mir auch mich aus seinem Leben heraus zu halten. Wie ich bereits sagte, wenn der Junge alt genug ist, soll er erfahren wer sein Vater ist, aber ich will ihn nicht wieder sehen." Es war schwierig Roberts Namen nicht auszusprechen, doch gleichzeitig fürchtete Josephine sich davor es zu tun, denn das würde die Erinnerung noch lebendiger werden lassen ...
"Fragt Euch doch einmal selbst, Mylady. Ihr seid im Kloster gewesen, nicht wahr? Ihr habt Euch damals so entschieden, weil Euer jetziger Gemahl eine andere geheiratet hatte. Habt Ihr für Euch noch einen Platz in seinem Leben gesehen zu diesem Zeitpunkt? Wie könnt Ihr da von mir erwarten, dass ich es anders handhabe?"

 

"Was ich mir wünsche, ist nicht von Belang. Er ist es nun einmal und ich weiß es. Denkst du nicht, er wird dir irgendwann vorwerfen, dass du ihm wissentlich seinen Vater vorenthalten hast?"
Joanna nickte. "Ich war im Kloster, das ist wahr. Und ich sah keinen Platz für mich in seinem Leben, auch das ist richtig. Aber der Unterschied ist, dass ich kein Kind hatte. Ich denke nicht, dass William seine Frau geheiratet hätte, hätte ich ein Kind erwartet. Es geht mir nicht darum, dass du dich zurück in sein Leben drängen sollst."
Joanna seufzte. "Es geht mir einfach nur um den Kleinen. Ich sagte bereits, ich werde es ihm nicht sagen. Aber ich bitte dich, wenigstens in Ruhe noch einmal darüber zu denken. Versprich mir das..."