William und Joanna - ab 1183

Charles

Charles seufzte leise. Er hatte nicht erwartet, so viel Gastfreundschaft in einer ärmlichen Hütte wie dieser zu finden. Höflichkeit und Anstand. Nun, Anstand hatte er offensichtlich beträchtlich weniger zu bieten, als er geglaubt hatte. Wie sollte er Mary nur in die Augen sehen?
Er folgte der Aufforderung, weil es unhöflich gewesen wäre abzulehnen und setzte sich zu ihr. Er konnte deutlich sehen, wie viel Mühe sie sich gegeben hatte und dass solch ein Frühstück wohl eher nicht alltäglich für sie war.
"Du hättest dir keine solchen Umstände machen müssen. Auch wenn ich von Adel bin, etwas Brot hätte mir auch genügt.", erklärte er mit einem leicht verlegenen Lächeln.
Er aß nur maßvoll, allzu viel Hunger hatte er nicht und nach dem Frühstück würde er aufbrechen müssen Richtung Heimat.

Emilia

Emilia beobachtete ihren Gast aufmerksam und war zugegebener Maßen überrascht, wie dieser offenbar mit der letzten Nacht haderte. Aber das zeigte nur einmal mehr, wie anders Charles of Kent offensichtlich war. Bisher war sie noch keinem Mann begegnet, der so reagiert hätte.
Emilia betrachtete bei seinen Worten den Tisch vor ihnen und sah dann wieder zu ihm hinüber. "Tja, vielleicht hat mir mein Stolz verboten Euch nur einen Kanten Brot hinzustellen." gab sie zurück und hoffte, dass sie nicht verletzt klang. Eilig fuhr sie selbst damit fort ein bisschen was zu essen, um sich abzulenken. Das letzte was sie wollte, war als schnippisches Ding dazustehen.

Charles

Charles wusste selbst, dass er sicch wie ein ungehobelter Klotz benahm, aber er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte Emilia nicht verletzen und doch musste er an Mary denken.
Er atmete durch. "Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen. Es ist sehr freundlich von dir, dass du mich hier so nett aufgenommen hast. Ich bin einfach ein wenig überfordert mit dieser Situation, denn ob du es mir glaubst oder nicht, das ist eigentlich nicht meine Art."
Er war kein Mann, der Vergnügen für eine Nacht schätzte. Wenn er früher eine Frau gewollt hatte, hatte er sich eine nette Dirne gesucht.Das Verhältnis war geklärt und keiner von ihnen machte sich Hoffnungen.
"Aber ich bin dir dankbar, dass du dich um mich gekümmert hast. Wer weiß, an wen ich in meinem trunkenen Zustand sonst noch geraten wäre."

Emilia

Emilia schüttelte leicht den Kopf. "Schon in Ordnung. Ihr habt mich nicht beleidigt." erwiderte sie und sah ihn forschend an. "So? Was ist denn dann Eure Art?" fragte sie neugierig und schob sich vorsorglich etwas Käse in den Mund, damit ihr loses Mundwerk nicht dafür sorgte, dass sie noch mehr Unsinn redete.
Dann huschte ein Lächeln über Emilias Lippen und sie nickte leicht. "Gern geschehen. Ohne Zweifel mindestens an einen Beutelschneider, davon gibt es hier genug. So habt Ihr das Glück, dass Eure Börse noch genauso voll ist wie vorher." bemerkte Emilia amüsiert und zwinkerte ihm zu.

Charles

Charles schaute sie forschend an. "Kannst du dir das nicht denken, Emilia?" Er zögerte kurz, gab sich dann aber einen Ruck. Es war nur gerecht, ihr reinen Wein einzuschenken.
"Ich bin verheiratet und ich liebe meine Frau sehr. Ich würde nie auf die Idee kommen sie zu hintergehen, ich bin kein Mann für eine Nacht. Aber gestern....war ich einfach so betrunken, dass ich gar nicht mehr klar denken konnte. Ich war angeschlagen und verzweifelt und es hat gut getan Vergessen zu finden. Versteh mich nicht falsch, du bist ein wundervolles Mädchen, aber dennoch bereue ich, dass ich nicht in der Lage war standhaft zu sein. Ich hoffe, sie wird mir verzeihen." Wenn sie es nicht tat, würde er vermutlich zugrunde gehen.
"Möglicherweise...So kann ich immerhin meine Schulden beim Wirt noch zahlen."

Emilia

Emilia hob leicht die Schultern. "Ehrlich gesagt nicht, denn jemand wie Euch ist mir wirklich noch nicht untergekommen. Ihr seid sehr ... besonders." erwiderte sie, lauschte Charles dann aber aufmerksam. Bei seinen Worten zog sie unwillkürlich eine Augenbraue in die Höhe. Tatsächlich, so etwas hätte sie von keinem anderen Mann zuvor zu hören bekommen.
Sie musste grinsen. "Ein wundervolles Mädchen ... ich danke Euch, Mylord." erwiderte sie und nickte langsam. "Das wird sie, wenn sie Euch so liebt, wie Ihr sie. Sie wird es verstehen, da bin ich sicher." versuchte Emilia ihn ein wenig aufzumuntern.

Charles

"Ich bin anders, da hast du Recht. Und in meiner Welt sehen mich viele nur als Griesgram, weil ich kein Mensch bin, der viele Gefühle zeigt. Zumindest nicht denen gegenüber, die mir nicht nahe stehen. Ich tue meine Pflicht und lebe mein Leben. Mary und die Kinder machen mich glücklich, das genügt mir vollkommen." Und er war nicht so unglücklich mit seinem Ruf als seltsamer Kauz, so ließen sie ihn mit neugierigen Fragen in Ruhe und zerbrachen sich selber die Köpfe.
"Ich hoffe, du behältst Recht. Sie hat keine einfache Ehe hinter sich und ich hoffe, sie verliert nicht das Vertrauen in mich."
Er lächelte schwach.
"Ich sollte gehen, es wird Zeit. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, Emilia. Vielleicht kann ich mich eines Tages revangieren. Solltest du irgendwann meine Hilfe brauchen, weißt du, wo du mich finden kannst..."

Emilia

Emilia unterdrückte ein Seufzen. Welch angenehme Aussichten, eine Familie zu haben, die einen glücklich machte. Vielleicht würde sie ja eines Tages auch noch in den Genuss kommen und wenigstens eine Ehe eingehen können, die sie zufrieden stellte. Das wäre ja schon einmal etwas.
Sie nickte und erhob sich, um ihren Gast zur Tür zu geleiten. "Ich wünsche Euch eine gute Heimreise, Mylord. Und vertraut Eurer Gemahlin. Ich bin sicher, sie tut es auch und sie wird nachsichtig sein." erklärte sie und knickste leicht. "Vielen Dank für das Angebot." erwiderte sie lächelnd, wenngleich sie sich recht sicher war, dass sie es wohl niemals annehmen würde.
"Es war mir eine Freude Euch kennen zu lernen."

Charles

Charles wurde mit jeder Meile, die sie der Heimat näher kamen, nervöser. Sein schlecchtes Gewissen wuchs ins Unermessliche und er hatte keine Ahnung, wie er Mary erklären sollte, dass er sie betrogen hatte. Er wusste selbst nicht, wie es so weit hatte kommen können.
Als erim Innenhof der Burg vom Pferd stieg, wartete sie bereits. Er übergab seinen Rappen an einen wartenden Stallburschen und ging dann gemessen zu ihr hinüber. Er nahm sie in die Arme und küsste ihre Stirn.
"Ich bin froh zurück zu sein....aber ich muss mit dir reden, Liebste." Er konnte nicht schweigen und tun, als wäre alles gut. Er konnte es nicht länger für sich behalten. Was hatte er nur getan?

Zwar war Charles nicht allzu lange fort gewesen, doch Mary wartete dennoch voller Ungeduld im Burghof darauf, dass ihr Mann endlich absaß. Sie konnte sich gerade noch so daran hindern zu ihm zu laufen und kam ihm lediglich die letzten zwei, drei Schritte entgegen, fiel ihm dann aber trotzdem regelrecht in die Arme. "Oh Charles ..." murmelte sie, stockte jedoch als sie seine Miene sah. Ihr Blick glitt rasch an ihm hinauf und hinab, doch er wirkte unversehrt. Beunruhigt sah sie zu seinen Männern hinüber, doch sie konnte auch hier keine Verluste oder Verletzungen ausmachen.
Sie spürte, wie sie eine Spur blasser wurde. "Was ist passiert?" fragte sie und war stolz, dass sie so gefasst klang. Ob er unterwegs einen Boten bekommen hatte? Gab es schlimme Nachrichten? Die Panik wollte in ihr aufsteigen, doch sie riss sich zusammen und versuchte Haltung zu wahren.

Charles

Es schmerzte ihn, wie sie sich freute ihn zu sehen. Wie lange sie sich wohl noch freuen würde? Es tat ihm so leid, dass er so schwach gewesen war. Wie konnte ihm das passieren?
Beruhigend legte er die Hand an ihre Wange.
"Niemandem ist etwas passiert, Mary, keine Sorge. Ich habe...einfach nur einen Fehler gemacht. Aber ich bitte dich, lass uns nicht hier darüber sprechen. Lass uns rein gehen, wo wir ungestört sind." Er musste das hier mit ihr unter vier Augen klären. Er musste ihr beichten, was er getan hatte, bevor sie ihn auch nur wirklich küsste und es nachher bereute, weil er so ein schlechter Ehemann war. Wie sollte sie ihm auch nur weiterhin vertrauen nach all dem?

Mary atmete erleichtert aus und lächelte flüchtig. "Oh gut, ich hatte schon Angst ..." Sie lehnte ihren Kopf kurz an Charles' Schulter, sah dann jedoch wieder auf. "Einen Fehler?" wiederholte sie und klang maßgeblich verblüfft, nicht misstrauisch. "Sicher, lass uns hinein gehen. Und dann erzähl mir, was du angestellt hast, dass du so eine Miene zur Schau trägst." erwiderte sie mit sanfter Stimme und ergriff seinen Arm. Sie überlegte, was für einen Fehler er meinen konnte, aber eine Idee kam ihr nicht wirklich, also führte sie ihn geradewegs in ihr gemeinsames Gemach, damit sie reden konnten.
"Komm, lass mich dir erst einmal aus deinem Mantel helfen." erklärte sie entschlossen. "Und dann setzt dich und trink ein wenig, ich lasse die Diener ein Bad vorbereiten. Das ist doch nach solch einer Reise genau das richtige, denkst du nicht?" Und während das Wasser vorbereitet wurde, würden sie beide genug Zeit zum Reden haben.

Charles

Charles war froh, dass Mary so besonnen reagierte und erst einmal die Dinge in die Hand nahm. Er hätte gar nicht mehr gewusst, was er sagen sollte. Sie würde sicherlich nicht mehr so freundlich sein, wenn sie wusste, was er getan hatte.
"Danke. Du hast recht, das ist sicher gut..." Der Earl of Kent ließ sich auf einen Stuhl sinken und trank sich etwas Mut an, ehe Mary zurückkehrte und die Tür schloss.
"Hör zu, Mary....Wir haben dieses Dorf besucht und wurden überfallen. Alles ging in Flammen auf und da war dieses Kind in einem der Häuser. Ich wollte es retten, ging hinein, aber da begann das Haus über mir zusammen zu fallen und ich musste aufgeben. Ich konnte....ich konnte es nicht retten. Und die Mutter war so verzweifelt, es brach mir das Herz. Ich kam gar nicht zurecht damit, ich komme immer noch nicht zurecht. Ich dachte, ich würde vergessen, wenn ich etwas trinke. Und oh Gott, ich war so betrunken..." Er vergrub kurz das Gesicht in den Händen, dann sah er wieder auf und schaute sie entschuldigend an.
"Da war diese Magd, sie hat mich mitgenommen, damit ich nicht irgendwelchen Dieben zum Opfer falle. Sie wollte mir helfen das Wams auszuziehen und...ich wusste nicht mehr, was ich tat. Ich war so...berauscht, keinen Gedanken konnte ich mehr fassen, auch wenn das natürlich keine Entschuldigung ist. Ich...ich habe mit ihr geschlafen und es tut mir so unfassbar leid, ich wollte dich doch nie hintergehen."

Mary setzte sich Charles gegenüber und hörte zu als er zu erzählen begann und schon nach den ersten Worten legte sie die Hand vor den Mund, um keinen unbedachten Laut von sich zu geben. "Oh Charles, das muss furchtbar gewesen sein." murmelte sie leise. Sie konnte sich vorstellen wie schlimm es gewesen sein musste, wie sehr die Mutter darunter litt, denn Mary kannte das Gefühl ein Kind zu verlieren. Und sie konnte sich vorstellen, wie sehr Charles damit gehadert hatte.
Als Charles das Gesicht in den Händen vergrub, rutschte Mary etwas auf ihrem Stuhl nach vorne und strich ihrem Gemahl zärtlich durch die Haare. "Charles, du konntest das Kind nicht retten ohne dich selbst in Lebensgefahr zu bringen. Du konntest nichts tun." murmelte sie sanft, doch dann musste sie feststellen, dass Charles noch nicht am Ende seines Berichtes angekommen war.
Sie ließ die Hand sinken und richtete sich wieder etwas auf, so dass sie Raum zwischen Charles und sich brachte. Dieses Geständnis löste die verschiedensten Empfindungen in ihr aus und Mary wusste gar nicht so genau, was sie nun denken oder fühlen sollte. Sie war völlig überfordert.
Sie hatte sich in der Ehe mit Gerard damit arrangiert, dass dieser auch mit anderen Frauen das Bett geteilt hatte, wenn er es wieder einmal nicht mehr ausgehalten hatte, aber Charles ...
Mary senkte kurz den Blick und versuchte ihre Gedanken zu sortieren, dann sah sie ihren Gemahl wieder an. "Warum?" fragte sie mit etwas dünner, aber sonst beherrschter Stimme. "Erklär es mir, Charles. Erklär mir, warum du es getan hast." bat sie ihn dann. Sie musste es wissen, um zu verstehen und um zu begreifen, was sie dabei fühlte ... wie tief die Enttäuschung ging und ob sie sich mit den außergewöhnlichen Umständen, die zu der Tat geführt hatten, trösten konnte.

Charles

"Ich hätte einfach nur schneller sein müssen. Schneller diesen miesen Räuber töten müssen, damit ich das Kind retten kann. Aber ich war zu langsam..."
Charles wusste, es war vermutlich Irrsinn und er hätte sich nur selber umgebracht, aber die Schuld blieb. Der Gedanke, ob es nicht doch möglich gewesen wäre.
Er hatte gewusst, Mary würde das nicht gut aufnehmen und er war schon erstaunt darüber, dass sie ihn nicht anschrie und so ruhig und gefasst blieb. Vermutlich wäre ihm lieber gewesen, sie wäre wütend geworden.
Charles senkte den Blick zu Boden. "Ich weiß es nicht....Es war nicht so, dass ich bewusst entschlossen habe das zu tun. Ich wollte vergessen, was passiert war und dass ich Schuld war. Ich hatte getrunken und sie war so nah und bot mir an, mich vergessen zu lassen. Mein Verstand war völlig benebelt, ich weiß nicht mehr, ob ich überhaupt an irgendetwas denken konnte. Ich war so...neben mir. Es tut mir so unendlich leid, Mary. Und ich kann verstehen, wenn du mir nicht mehr vertraust. Ich hätte nie geglaubt, dass mir das passieren könnte. Ich bin deiner Liebe so unwürdig..."

Mary schüttelte den Kopf. "Wärst du schneller gewesen, wärst du in dem Haus gewesen als es zusammen brach und die Kinder und ich hätten jetzt ohne dich auskommen müssen." widersprach sie seinem Einwand.
Dann lauschte sie seiner dürftigen Erklärung und schloss die Augen als er geendet hatte. Sie spürte die Tränen in sich aufsteigen, aber sie wollte jetzt nicht anfangen zu heulen wie ein dummes Ding. Mary schluckte schwer. "Ich -" begann sie, doch ihre Stimme brach schon nach diesem einen Wort wieder und sie musste sich räuspern, um weiter zusprechen. "Ich glaube, ich weiß, was du meinst, aber -" Wieder versagte ihre Stimme und dieses Mal musste Mary aufstehen. Zielstrebig ging sie zum Fenster hinüber, schlang die Arme um ihren Oberkörper und starrte hinaus, während die Tränen ihr nun doch stumm über die Wangen liefen.
Sie hatte unter Gerard so viel erduldet, so viel erlitten, sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr ein solches Bekenntnis noch einmal so viel Schmerz bereiten würde, doch sie hatte auch nie erwartet, so etwas einmal von Charles zu hören.
Schließlich nahm sie sich wieder zusammen, fuhr sich unwillig über die Augen und drehte sich herum. "Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll, Charles." gestand sie leise. Es tat so fürchterlich weh und alle Versuche sich einzureden, dass er es ja nicht so gemeint hatte, scheiterten an ihrem Schmerz, ihrer Enttäuschung, ihrer ... Wut. Wut auf dieses liderliche Weibsstück, das ihren Mann verführt hatte, Wut auf Charles, dass er es zugelassen hatte. Und vor allem Wut auf sich selbst, dass sie nach all der Zeit noch immer so verletzlich war. Sie hätte es doch besser wissen müssen.

Charles

Charles wusste, dass seine Erklärung nicht dazu geeignet war, Mary zu besänftigen. Aber zum einen wollte er das nicht und zum Anderen hatte er es auch nicht verdient. Er konnte es nicht besser erklären. Er wusste nicht, wieso er das getan hatte.
"Ich weiß..." Er hörte an ihrer Stimme, dass sie weinte und es tat ihm so unendlich leid, dass er ihr Schmerzen zufügte. So gern hätte er sie jetzt in die Arme genommen und sie getröstet, aber er wagte es nicht, denn sie würde ihn abweisen.
"Ich weiß, dass das nicht zu verzeihen ist. Vielleicht findest du irgendwann doch die Güte es zu tun, aber ich kann das nicht verlangen. Es tut mir leid....so unendlich leid.", sagte er mit rauer Stimme und musste selbst die Tränen fortblinzeln. Das war alles viel zu viel, mit dem er fertig werden musste.
"Was auch immer ich tun soll, ich werde es tun..Soll ich gehen? Soll ich eins der Gästezimmer beziehen? Ich weiß es nicht..."

"Vielleicht." brachte Mary hervor. Ihre Stimme klang merkwürdig gepresst, das fiel ihr sofort auf. "Vielleicht, ja. Das wird sich zeigen." Sie wusste nicht, ob und wann sie ihm das würde verzeihen können, aber sie wusste auch nicht, wie ihr Leben funktionieren sollte, wenn sie es nicht tat. Das war ebenfalls keine Option.
"Gehen?" fragte Mary entgeistert und starrte Charles einen Moment lang an als hätte er etwas völlig absurdes gesagt - hatte er in ihren Augen ja auch. "Das wirst du schön bleiben lassen. Und du wirst auch nicht in das verfluchte Gästezimmer ziehen! Vier der Kinder wissen, wie es ist, wenn ich mit ihrem Vater im Streit liege und wie es ist ihren Vater zu verlieren. Sie sind nicht auf den Kopf gefallen und sie werden merken, dass irgendetwas nicht stimmt, aber ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass du dich ins Gästezimmer verziehst und ihnen damit Angst machst, hast du verstanden?" erwiderte Mary vehement.

Charles

Charles seufzte tief. "Ich wäre der glücklichste Mann, wenn du mir verzeihen könntest. Aber das ist deine Angelegenheit und ich weiß, dass ich es nicht verdient habe."
Ihre Reaktion überraschte ihn, denn er hatte erwartet, dass es ihr nur recht war, wenn sie ihn nicht mehr sehen musste.
"Das habe ich. Ich will ihnen keine Angst machen. Ich dachte nur, es wäre einfacher für dich, wenn du mich nicht sehen musst. Ich werde den Kindern immer ein Vater sein und sie auch nicht verlassen. Das könnte ich nicht, dazu liebe ich sie viel zu sehr."
Er lehnte sich zurück.
"Denk einfach in Ruhe über all das nach. Ich werde nun mein Bad nehmen und dann....entweder reden wir noch einmal darüber oder ich werde erst einmal Pater Christoph aufsuchen."
Er beichtete nur, wenn es sein musste, aber jetzt hatte er das Gefühl sich befreien zu müssen.

Mary lachte bitter auf. "Einfacher? Und was genau soll daran einfacher sein, wenn ich den Mann, den ich liebe nicht mehr zu sehen bekomme? Und vor allem, wie soll denn alles wieder in Ordnung kommen, wenn wir uns aus dem Weg gehen? Glaubst du, mein Vertrauen in dich bessert sich, wenn ich dich nicht zu Gesicht bekomme und tagein tagaus nicht weiß, was du tust, weil wir nicht mehr miteinander reden?" erwiderte Mary und langsam brach sich ihr berüchtigtes Temperament Bahn.
Mary atmete tief durch und nickte. "Nimm dein Bad und danach geh zu Pater Christopher und sieh, was er dir für eine Buße aufdrückt. Danach ... können wir noch einmal reden, ja. Aber ich brauch jetzt erst einmal ein wenig Zeit für mich. Ich muss nachdenken." Und vielleicht auch ein oder zwei Briefe schreiben. Sie hatte das dringende Bedürfnis mit ihrer Schwester zu sprechen und vielleicht sollte sie Isabella einmal wieder hier her einladen. Und ihre Mutter ... ihre Mutter würde auch Rat wissen.

Charles

"Ich wollte dich nicht drängen, Mary. Ich dachte, du kommst besser damit zurecht, wenn du mich erst einmal nicht sehen musst. Entschuldige, ich wollte es nur einfacher machen für dich. Sicherlich wird es nicht besser, aber es ging mir erst einmal um heute.", erwiderte Charles und hob beschwichtigend die Hände. Doch vielleicht war noch nicht alles verloren. So wie sie klang, wollte sie es zumindest weiter mit ihm versuchen.
"Das werde ich tun." Vielleicht würde ihm die Beichte helfen seine Gedanken zu ordnen und Buße zu tun. Von Alkohol hatte er ohnehin erst einmal genug, den würde er nicht mehr anrühren.
"Wir sehen uns nachher..."

Josephine saß in der breiten Fensterbank, hatte den Brief, den sie von Rob bekommen hatte, in ihren Schoß gelegt und wartete darauf, dass Robert wieder kam. Er war seit heute Morgen im Gestüt und hatte um die Mittagszeit zurück sein wollen, damit sie ein bisschen Zeit zusammen hatten bevor Robert seinem Sohn gegenüber sein Versprechen einlöste und mit Isaac hinunter zum Trainingsplatz ging.
Nachdenklich strich Josephine sich über ihren runden Bauch und legte den Kopf etwas zurück, so dass sie sich an die kühle Mauer lehnen konnte. Das, was Rob in seinem Brief geschrieben hatte, würde seinem Vater zweifelsohne nur bedingt gefallen, da war Josephine sich sicher.

Robert war mit seiner Frau verabredet und so hatte er sich im Gestüt ein wenig beeilt, damit er pünktlich zurückkam. Als er eintrat, fand er seine Frau in der Fensterbank sitzend vor, einen Brief auf dem Schoß. Er lächelte und begrüßte sie ihm einem langen Kuss, ehe er über ihren Bauch streichelte.
"Wie geht es euch Beiden heute Mittag, meine Schöne? Ist alles in Ordnung?"
Er ließ sich ihr gegenüber auf die Fensterbank sinken.
"Wer schreibt? Ist der Brief von Rob? Wurde auch Zeit, dass der Junge mal etwas von sich hören lässt, sie sind schon lange genug unterwegs."
Und er hatte sich lange gefragt, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, ihn seinem Vater mit nach Rouen zu geben.

Josephine lächelte zärtlich als Robert herein kam und erwiderte seinen Begrüßungskuss liebevoll. "Oh, gut geht es uns. Aber ich bin auch froh, wenn sich hier jemand bald dazu entschließen kann, seinen behaglichen Platz in meinem Bauch aufzugeben." So furchtbar lange würde es schließlich nicht mehr dauern und Josephine brannte schon darauf, endlich wieder beweglicher zu sein.
Dann nickte sie und hob den Brief von ihrem Schoß. "Richtig geraten. Er hat sich sogar die Mühe gemacht, recht ausführlich zu schreiben und wie es scheint, geht es ihm in Rouen ausgesprochen gut." erklärte Josephine zunächst. "Allerdings gibt es da auch etwas, das ... nun ja, das dir vielleicht nicht ganz so sehr gefallen könnte." warnte sie Robert vor, ehe sie den Brief an ihren Gemahl weiter gab.
Sie wusste, wie sehr Robert hin und wieder gezweifelt hatte, ob es gut gewesen war, Rob nach Rouen zu lassen. Robert hatte keine gute Meinung von König Henry und dementsprechend würde es ihn nicht gerade erfreuen, was Rob in seinem Brief zum Besten gab.

Robert lachte leise. "Das kann ich mir vorstellen. Aber bald ist es soweit....bald hast du deinen Bauch wieder für dich allein und wir können uns über das neue Familienmitglied freuen." Er hatte sich sehr darüber gefreut, dass sie noch einmal Nachwuchs bekommen würden und so konnte er es kaum erwarten, auch wenn er seine Frau in diesem Zustand wunderschön fand. Sie war das Sinnbild blühenden Lebens für ihn.
"Tatsächlich....dann steckt bestimmt Mutter dahinter, die ihn gedrängt hat, uns doch einmal mehr als zwei Zeilen zukommen zu lassen. Sehr mitteilsam ist Rob nämlich nicht...Wenn es ihm wenigstens gut geht."
Robert hob die Augenbrauen. "So?" Das verhieß ja nun nichts Gutes und so nahm er den Brief eher misstrauisch entgegen, um ihn zu lesen.
"Was?! Henry hat ihm angeboten sein Knappe zu werden und Rob springt auch noch darauf an? Er überlegt, ob es nicht besser wäre in Rouen zu bleiben."
Robert warf den Brief wütend auf den Tisch und begann auf und ab zu laufen. "Was bildet Henry sich eigentlich ein? Es ist abgemacht, dass Richard den Jungen ausbildet! Henry hat sich da nicht einzumischen! Und wo ist eigentlich Vater, wenn man ihn braucht? Er hatte versprochen auf Rob aufzupassen, das verstehe ich darunter sicherlich nicht. Ich hätte ihm den Jungen nicht mitgeben sollen.... Ich werde Vater einen Brief schreiben. Und wenn das nichts nutzt, werde ich persönlich nach Rouen gehen, Rob einsammeln und ihn eigenhändig in Bordeaux abliefern. Henry wird Rob nicht in die Finger bekommen. Das ist nur, was er will. Ihn für sich einnehmen und einen Keil zwischen uns treiben."