William und Joanna - ab 1172 bis 1173

 

"Ja, das denke ich auch." Robert lächelte leicht. "Das nächste Turnier gewinne ich dann für dich. Es sei denn, Richard wird dann eifersüchtig."
Er rieb energisch über den Sattel und warf dann missmutig den Lappen darauf. "Denkst du, ich mache mir nicht ständig Gedanken darüber, was sie ist und wie ich das ändern könnte? Du hast leicht reden. Und ich kann gut auf mich selbst aufpassen."
Die Frage nach dem Silber war ihm unangenehm und deshalb reagierte er auch so gereizt. Er wusste selber, das all das nur so lange gut ging, bis der König entweder seine Frau schwängerte oder beschloss, das nicht mehr länger zu finanzieren.
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Beatrice. Aber wenn du es unbedingt wissen musst, Henry bezahlt sie."
Aber so bald wie möglich wollte er das auch können. damit sie bei ihm blieb, wenn sie schon ihren Lebensunterhalt verdienen musste.

 

Beatrice musste kurz lachen. "Ich glaube, auf meinen Bruder wird er wohl kaum eifersüchtig werden." bemerkte sie grinsend. "Ich würde mich freuen, wenn du für mich ein Turnier gewinnst."
Beatrice beobachtete ihren Bruder aufmerksam und zog dann überrascht die Augenbrauen in die Höhe. "Henry bezahlt sie?" fragte sie mit einer Mischung aus Überraschung und Unglauben. Das gefiel ihr nun sogar noch weniger als die Tatsache, dass Robert sich mit einer Dirne vergnügte und ganz offensichtlich viel zu viel in diese Beziehung hinein interpretierte.
"Robert ... das wird nie lange gut gehen. Henry wird sicher nicht mehr lange Silber hergeben, um dein Vergnügen zu finanzieren, egal wie großzügig er ist. Und dann wird sie sich wieder anderen zuwenden, das weißt du doch genauso gut wie ich. Und wenn unsere Eltern das herausfinden, werden sie dir die Hölle heiß machen." murmelte sie und machte einen Schritt auf ihn zu, um die Hand auf seinen Unterarm zu legen. "Brüderchen, ich will dir wirklich keinen Ärger machen. Ich möchte nur nicht, dass du dich damit unglücklich machst."

 

"Man weiß ja nie, dein Mann wird gern eifersüchtig. Geht es William eigentlich gut?"
Robert verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich gänzlich zu Beatrice um. "Glaubst du, das weiß ich nicht? Für wie dumm hältst du mich denn? Und ich weiß auch, dass vor allem Vater nicht allzu begeistert sein wird.", erklärte er ungehalten, seufzte dann aber und sah Beatrice verzweifelt an. "Ich will sie nicht verlieren, Beatrice. Ich bin so gern mit ihr zusammen. Ich werde schon irgendeinen Weg finden sie zu bezahlen. Es ist mir nur noch keiner eingefallen..."
Er wusste ganz genau, dass Beatrice ihn für verrückt hielt. Aber was konnte er denn tun? Der Gedanke Josie wieder mit anderen Männern zu sehen gefiel ihm gar nicht.
"Ich weiß, Beatrice. Du meinst es nur gut. Aber ich fürchte, du kannst mir nicht helfen."

 

Beatrice schnitt eine Grimasse. "So schlimm wie du tust, ist er gar nicht." protestierte sie, lächelte dann aber. "Er wächst und gedeiht prächtig. Willst du nicht heute Abend mit uns zusammen Abendessen? William wird sich sicher freuen, dich zu sehen. Er schläft gerade und ich habe ihn deshalb bei seiner Kinderfrau gelassen ... nun wo Richard endlich seinen Willen durchgesetzt und eine für uns eingestellt hat." bemerkte sie spöttisch. Letztlich war sie aber ganz froh darum. Die Frau, die sie ausgesucht hatten, war perfekt und Beatrice wusste ihren Sohn in guten Händen. Und so konnte sie wenigstens auch hin und wieder mal ohne ihn einen Schritt machen ohne sich zu sorgen.
"Ich halte dich nicht für dumm, ich weiß nur, wie schnell die Gefühle einem einen Streich spielen. Robert, du klingst fast so als wärst du verliebt in sie. Und das macht mir Sorgen. Selbst wenn du sie irgendwann selbst bezahlen kannst, das wird nicht ewig halten und ich will einfach nicht, dass sie dir das Herz bricht." Beatrice seufzte und schlang dann die Arme um ihren Bruder. "Ja, vermutlich hast du recht." murmelte sie leise. "Aber bitte, versprich mir, dass du auf dich aufpasst."

 

Robert überlegte kurz und nickte dann. "Naja, ob er sich freut...ich glaube, er ist zu klein um mich überhaupt zu erkennen, aber sei es drum. Ich werde gerne kommen. Aber nur, wenn du Richard hiervon nichts erzählst. Und von Josie.", verlangte er. "Und du weißt auch, dass er mit der Kinderfrau schon recht hatte, nicht wahr? Sonst wärst du jetzt nicht hier und würdest dich unterhalten."
Robert legte den Kopf zur Seite. "Verliebt? Ach was..." Das war nun wirklich...oder doch nicht? Hatte sie am Ende recht? Darüber würde er nachdenken müssen.
"Ich weiß, dass es kompliziert ist, Beatrice. Aber was soll ich denn machen? Ich kann jetzt nicht einfach sagen, dass ich sie nicht mehr sehen will. Denn ich vermisse ihre Gesellschaft, wenn ich nicht bei ihr bin." Er erwiderte ihre Umarmung.
"Ich versuche es, Beatrice. Wirklich..."

 

"Selbst wenn er dich nicht erkennt, wird er sich freuen ... jeder, der mit ihm spielt wird sofort in sein kleines Herz geschlossen." erklärte Beatrice lachend und schnitt erneut eine Grimasse. "Ich erzähle Richard nichts von unserem Gespräch und dem was du treibst und du erzählst ihm nicht, dass ich dir gegenüber zugegeben habe, dass seine Idee mit der Kinderfrau gut war." sie hob mahnend den Finger und gab Robert dann einen Kuss auf die Wange.
"Robert ... einen Gefallen musst du mir noch tun ... bitte komm immer zu mir, wenn dich irgendwas beschäftigt. Nicht nur was deine Geliebte angeht ... du kannst mit allem zu mir kommen, das weißt du doch, oder? Wir müssen einfach zusammen halten." sie drückte leicht seine Hand und löste sich dann von ihm. "Und nun werde ich wieder zurück ... ich vermisse den Kleinen immer noch viel zu schnell." bemerkte sie mit leichtem Grinsen.

 

"Ja, da hast du Recht. Aber wir waren als Kinder wohl genauso." Robert lächelte und stimmte dann zu. "Gut. Wir haben eine Vereinbarung." Und ihm war doch wohler, wenn Richard nichts davon wusste.
Er hörte Beatrice zu und strich ihr dann eine Strähne hinter das Ohr.
"Das werde ich tun, Schwesterchen. Du bist hier doch die Einzige, mit der ich über Josie reden kann. Und wenn ich das nicht kann, werde ich irgendwann wahnsinnig. Es ist einfach so viel Neues für mich, weißt du. Du hast doch etwas Lebenserfahrung mehr."
Und bei Beatrice konnte er auch sicher sein, dass sie ihn nicht verraten würde, nicht einmal an ihre Eltern. Auf seine große Schwester konnte er sich verlassen.

Josie

Josephine saß auf einer Bank im Garten und genoss das schöne Wetter. Robert musste seinen Dienst für Henry erfüllen und sie vertrieb sich während dessen ein wenig die Zeit und dachte nach. Dieser junge Mann brachte sie noch um den Verstand. Sie war ihm unglaublich dankbar, dass er so offen mit ihr umging und gerne Zeit mit ihr verbrachte ohne dass er sie nur im Bett sehen wollte.
Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung war und sah kurz auf. Allerdings widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Wolken, die über den Himmel zogen. Zwar hatte sie die junge Frau erkannt, die dort den Weg entlang kam, allerdings kannte sie die Gemahlin von Prinz Richard nur vom Sehen her, so dass ein leichter Knicks ausreichen würde, wenn sie vorbei kam, um ihr Respekt zu zollen. Zwar wusste Josephine auch, dass Beatrice Roberts Schwester war, doch das änderte ja nichts ... für sie zumindest, dachte sie.

 

Beatrice hatte nach dem Gespräch mit ihrem Bruder eine ganze Weile überlegt, sich dann aber doch dazu entschlossen dieser Josie noch einmal ins Gewissen zu reden. Robert war immerhin ihr kleiner Bruder und sie wollte nicht, dass er bei dem ersten Anflug von Verliebtheit gleich das Herz gebrochen bekam.
Als die Dirne sie bemerkte und knickste, nickte Beatrice knapp, ging dann aber schnurstracks zu ihr hinüber.
"Bist du Josie?", fragte sie ernst. "Falls ja, haben wir miteinander zu reden und da du hier herum sitzt, wirst du dazu sicher Zeit haben."

Josephine

Josephine war überrascht als Beatrice so direkt auf sie zu hielt und sie dann sogar ansprach. Verwundert hob sie die Augenbrauen. "Josephine, Mylady." erklärte sie und ahnte, was nun kommen würde. Außer Robert nannte sie niemand Josie und seine Schwester konnte nur mit Robert gesprochen haben. Sie runzelte verärgert die Stirn und hatte bereits einen entsprechenden Kommentar auf den Lippen, erinnerte sich dann jedoch noch rechtzeitig an ihre Manieren. "In der Tat, ich denke, ich habe wohl Zeit für Euch. Womit kann ich Euch dienen, Mylady?" fragte sie dann freundlich.

 

"Nun gut, Josephine..." Beatrice ließ sich neben sie auf die Bank sinken und sah sie eindringlich an. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass du neuerdings eine...berufliche Beziehung zu meinem Bruder unterhältst.", begann sie schließlich.
"Und ich glaube, mein Bruder interpretiert da etwas mehr hinein als gut für ihn ist. Ich weiß nicht, was du in dieser Beziehung siehst und was du über Robert denkst. Aber wir wissen Beide, dass es vorbei sein wird, sobald Henry seine Großzügigkeit einstellt. In jedem Fall, Josephine...sei gewarnt. Wenn du meinen Bruder unglücklich machst und ihm das Herz brichst, bekommst du es mit mir zu tun. Und du weißt, welchen Einfluss ich mittlerweile habe."

Josephine

Josephine lächelte unverbindlich. "Mit Verlaub, Mylady, aber ich denke, das liegt nicht weiter in Eurem Interesse." erklärte sie ruhig. Sie sprach nicht über die Männer mit denen sie das Bett teilte. Das gehörte zu ihren Prinzipien und nur weil sie nun Beatrice direkt darauf ansprach, würde sie das nicht ändern.
Im nächsten Augenblick weiteten sich jedoch ihre Augen ein wenig. "Ihr droht mir." stellte sie fest und musste sich bemühen nicht allzu heiser zu klingen. "Mylady, ich kenne Euch nicht und Ihr mich nicht. Und trotzdem urteilt Ihr über mich ohne zu wissen von was Ihr das redet. Zudem denke ich, dass Euer Bruder alt genug ist, um zu wissen, was er mit seinem Leben anfängt." erklärte sie entschlossen und erhob sich dann. "Verzeiht, Mylady, aber ich denke, dass ich mir das nicht länger anhören muss." sie knickste leicht, um sich dann abzuwenden.

 

"Und ob es in meinem Interesse liegt. Ich werde nicht zusehen, wie du meinen Bruder unglücklich machst. Warum machst du ihm Hoffnungen? Du weißt genau, dass du nicht bei ihm bleiben wirst, wenn Henry nicht mehr zahlt. Weil er es auch nicht kann und du ja von irgendetwas leben musst. Ja, ich drohe dir. Weil das wohl die einzige Möglichkeit ist dir klar zu machen, wie ernst es mir ist. Und im Moment ist mein Bruder auch kaum in der Lage das objektiv zu beurteilen. Merkst du nicht, dass er Hals über Kopf in dich verliebt ist? Was soll das werden, wenn es fertig ist? Ihr werdet nie eine Zukunft haben. Also spiele nicht mit ihm."
Als Josephine sich abwandte, wurde Beatrice erst recht wütend. "Das muss ich mir von einer Hure nicht bieten lassen! Du bist eine Hure und glaubst du im Ernst, du könntest jemals wieder irgendetwas Anderes sein? Robert ist der Erbe des Lordkanzlers von England...selbst, wenn du keine Spielchen mit ihm spielst - was ich nicht glaube - werdet ihr niemals zusammen sein. Und ich rate dir gut dir zu überlegen, was du tust. Ich habe dich im Auge. Wehe dir, du machst ihn unglücklich."

Josephine

"Ich mache ihm keine Hoffnungen, Mylady. Er weiß, dass ich so meinen Lebensunterhalt verdienen muss, das wusste er von Anfang an. Und ich bin ihm dankbar dafür, dass er mich nicht nur darauf reduziert und auch das weiß er genau. Ich ..." Josephine stockte. Verliebt? Nein, das war es nicht. Dessen war sie sich sicher. "Ich spiele nicht mit ihm. Wir beide kennen unsere Grenzen und genießen innerhalb dieser die Zeit, die wir im Moment miteinander verbringen können. Nicht mehr und nicht weniger." erklärte sie erstaunlich ruhig.
Im nächsten Augenblick fühlte Josephine sich als hätte Beatrice ihr direkt in das Gesicht geschlagen. Sie erstarrte und schluckte leicht als sich ihre Augen ein wenig weiteten. Josephine schlang die Arme um ihren Oberkörper, bemühte sich jedoch den Blick nicht abzuwenden. "Es tut mir Leid, dass Ihr ganz offensichtlich schon so mit Hass und Verachtung mir gegenüber angefüllt seid, obwohl Ihr mich doch gar nicht kennt." Josephine lächelte traurig und schüttelte leicht den Kopf. "Ich habe nicht vor ihn unglücklich zu machen, Mylady, nichts läge mir ferner. Euer Bruder ist der einzige Mensch, der mir nicht mit Vorurteilen entgegen tritt und Ihr könnt gar nicht ermessen, wie dankbar ich ihm dafür auf ewig sein werde."

 

"Natürlich weiß er das. Aber auch, wenn du es nicht wahrhaben willst, weil du selber nicht so fühlst. Ich habe gehört, wie er von dir spricht und ich habe in seine Augen gesehen. Er ist hoffnungslos verliebt, Josephine. Und ich will nicht, dass man ihm gleich bei der ersten Liebe das Herz bricht. Das hat er nicht verdient. Ich glaube nicht, dass Robert seine Grenzen schon kennt.", erklärte Beatrice ebenfalls etwas ruhiger.
"Ich verachte nicht dich sondern das, was du tust. Das ist einfach gegen die göttliche Ordnung. Auch, wenn ich weiß, dass das viele nicht so eng sehen...es gibt immer einen anderen Weg. Ich sorge mich um meinen kleinen Bruder, der noch so wenig von der Welt weiß. Auch wenn du ihn nicht unglücklich machen willst, Josephine. Du wirst es tun. Spätestens, wenn er nicht die Mittel aufbringen kann um dich weiter bei sich zu halten weil Henry nicht zahlt. Dann ist es vorbei, das weißt du. Und dann nutzt ihm auch deine Dankbarkeit nichts mehr, weißt du."

Josephine

Josephine schloss für einen Augenblick die Augen, um sich zu sammeln. "Gegen die göttliche Ordnung?" wiederholte sie. "Wenn Ihr wüsstet, was dort draußen alles geschieht, was gegen die göttliche Ordnung verstößt. Einen anderen Weg? Mylady, ich glaube nicht nur Euer Bruder weiß wenig von der Welt da draußen. Man kann Euch nicht einmal einen Vorwurf daraus machen, so behütet wie Ihr aufgewachsen seid. Wenn Ihr auch nur die leiseste Ahnung von dem hättet, was ich habe durchmachen müssen, dann würdet Ihr nicht so vorschnell mit Euren Worten sein, glaubt mir." erwiderte sie und atmete geräuschvoll aus und neigte den Kopf, um den Blick auf den Boden zu richten. Sie musste vorsichtig sein mit dem was sie hier sagte. "Ich bitte Euch, um Verzeihung, Mylady. Es steht mir weder zu so mit Euch zu sprechen, noch wollte ich Euch verärgern. Ich werde über Eure Worte nachdenken."

 

"Ich habe schon mehr gesehen, als du denkst. Ich bin dennoch der Meinung, dass es immer einen zweiten Weg gibt, aber sei es drum. Das ist nun wirklich nicht mein Problem und ich möchte auch nicht darüber streiten. Ich beurteile, was ich hier sehe. Und ich mache mir ernsthaft Sorgen. Wenn du ihm das Herz brichst, beabsichtigt oder nicht, wird er das nicht so leicht verkraften. Ich liebe meinen Bruder und darum will ich ihn davor bewahren."
Beatrice seufzte schwer, lächelte dann aber matt und erhob sich. "Wenn ich wenigstens das erreicht habe, ist mir das schon genug Erfolg. Wenn du darüber nachdenkst, was ich dir gesagt habe."

Josephine

Josephine biss die Zähne aufeinander und rang mit sich, redete sich ein, dass es besser war, wenn sie jetzt einfach den Mund hielt. Aber sie konnte einfach nicht anders. Diese herablassende, arrogante Art machte sie einfach krank. "Ihr irrt Euch, Mylady." erwiderte sie. "Es klebt an einem, wisst Ihr? Es ist als ... als würden sie es riechen. Sie sehen dich an und wissen genau, dass du keine einfach Magd bist, auch wenn du versuchst genau das zu sein. Sie wissen, dass dich schon irgendwer gehabt hat und es ist ihnen gleich, ob du dich freiwillig hingegeben hast oder ob du geschändet wurdest. Und es ist ihnen auch egal, dass du nein sagst, wenn sie dich bei Seite zerren. In einer Sache habt Ihr jedoch Recht, Mylady. Einmal eine Hure, immer eine Hure. Egal, ob man es will oder nicht." erklärte Josephine bitter und ließ damit tiefer in sich blicken als sie je vorgehabt hatte. Aber dieses Gerede davon, dass man ja immer eine Wahl hat widerte sie so dermaßen an.

 

Beatrice hob eine Augenbraue hoch und lauschte Josephine dann schweigend, aber zunehmend betroffen. Natürlich hatte sie keine Ahnung, wie der Alltag einer Hure aussah. Aber sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass man am Anfang keine Wahl hatte. Und Constance...Constance hatte auch eine Wahl gehabt.
"Dennoch gibt es einen Unterschied, wenn man sich freiwillig hingibt für Geld oder wenn man geschändet wird. Du verdienst schließlich dein Geld damit. Und da hätte es wirklich andere Möglichkeiten gegeben. Ich weiß mehr darüber, als du denkst. Eine gute Freundin hätte fast das selbe Schicksal ereilt. Ihr Herr hat sich regelmäßig an ihr gütlich getan. Aber sie ist geblieben - und hat sich nicht dadurch zur Hure machen lassen. Und dann, dann traf sie einen Mann, der seine Berufung für sie aufgegeben hat und sie geheiratet hat, allem zum Trotz. Er war Priester..ein sehr guter Priester, der sich an sein Gelübde streng gehalten hat. Bis er sie traf und sich für sie entschieden hat. Sie sind bis heute glücklich, haben inzwischen vier Kinder miteinander. Es gibt immer Hoffnung, Josephine. Du musst nur den Richtigen finden. Aber dieser Mann ist nicht mein Bruder. Selbst wenn er wollte, könnte er nicht alles aufgeben. Also sei vorsichtig. Tu ihm nicht weh, das hat er wirklich nicht verdient."

Josephine

Josephine sah Beatrice einen Moment lang schweigend an. "Was würdet Ihr tun, wenn Ihr wieder und wieder gegen Euren Willen genommen werdet? Würdet Ihr stark genug sein, das hinzunehmen, das Silber abzulehnen und stattdessen Euch den Tag über zusätzlich bis zur Erschöpfung abzuarbeiten, um Euch etwas zu Essen kaufen zu können?" fragte Josephine und hasste sich dafür, dass sie so schwach war und nicht einfach ihren Mund hatte halten können. "Eure Freundin scheint eine starke Frau zu sein und glücklich obendrein. Ich wünsche Ihr, dass dies für immer so bleiben wird." fügte sie dann noch hinzu und wandte sich ab als sie spürte, wie ihr die Tränen langsam in die Augen stiegen. Das war nun wirklich das letzte was sie wollte. Jetzt hier in Tränen ausbrechen und noch mehr schwäche zeigen.
Nein, er konnte nicht alles für sie aufgeben. Und vielleicht war es nicht nur Robert, der sich etwas vormachte, sondern sie viel mehr ohne dass es ihr bewusst gewesen war.

 

"Ich weiß nicht, was ich tun würde, denn in dieser Situation habe ich mich nie befunden. Beides ist erniedrigend, keine Frage. Aber ich glaube, ich wäre eher bereit mein Geld mit harter Arbeit zu verdienen, als mich schänden zu lassen. Und ich würde versuchen zu lernen, wie man sich verteidigt."
Beatrice lächelte leicht. "Ja, das ist sie. Ich glaube, nur meine Mutter kann ihr in dieser Hinsicht das Wasser reichen, was Stärke und Willenskraft angeht."
Beatrice sah ganz genau, wie aufgewühlt die Andere war und wie sehr sie das belastete. Vielleicht hätte sie doch nicht ganz so harsch sein sollen.
"Es....tut mir leid, dass ich vorhin so unfreundlich war. Aber versteh, ich mache mir einfach Sorgen. Er ist noch so jung...Bring ihn nicht in einen Konflikt mit der Wahl zwischen seinem Erbe und dir. Das wird niemals gut gehen."

Josephine

"Ich wünsche Euch aus tiefstem Herzen, dass Ihr nie auch nur vor einer im Ansatz ähnlichen Wahl steht. Auch wenn Ihr nicht so über mich denkt, ich halte Euch für eine gute Frau. Ihr macht Euch Sorgen um Eure Familie und das ist ein guter Charakterzug."
Josephine hielt inne als Beatrice sich zögernd entschuldigte und drehte sich noch einmal um. "Könnt Ihr ... einer Hure einen einzigen Gefallen tun?" fragte sie leise. "Erzählt niemandem von diesem Gespräch, ja? Und ich ... ich verspreche, dass ich die Sache mit Eurem Bruder ... klären werde." Wenn irgendjemand von diesem demütigenden Gespräch erfuhr, würde das fatale Folgen haben.

 

"Weißt du, mein Bruder hält viel von dir, also musst du es zumindest geschafft haben ihn für dich einzunehmen. Was ich sehe, lässt nicht auf einen schlechten Charakter schließen. Aber trotzdem hoffe ich, dass ich dir etwas die Augen öffnen konnte. Manche Träume können nicht wahr werden, so gerne man das auch hätte."
Sie sah Josephine musternd an und nickte schließlich. "Ich werde alles, was heute hier geschehen ist für mich behalten. Das verspreche ich dir. Wenn du meinem Wort Glauben schenken möchtest...Und Wenn du die Sache klärst, bin ich zufrieden."

Josephine

"Ich halte ebenfalls viel von ihm. Und vermutlich war das auch bereits mein Fehler, ich dummes Ding hätte es schließlich besser wissen können." Sie hatte es sich nicht eingestehen wollen, aber nach ihrem Ausritt und nun dieser Unterhaltung mit seiner Schwester ... die Vorstellung einen Strich unter diese Sache zu ziehen, schmerzte mehr als sie es erwartet hatte. Aber Beatrice hatte Recht, es war unsinnig auch nur daran zu denken, dass es länger dauern würde als einen Wimpernschlag und sie hätte sich dem ganzen gar nicht so hingeben dürfen. Sie hätten tun sollen, was Henry von ihr verlangt hatte und danach Robert wieder den Rücken kehren müssen. Aber er war gut zu ihr gewesen ...
Josephine nickte ein wenig erleichtert, auch wenn ihr das Herz schwer wurde. "Ich danke Euch, Mylady."

 

Robert hatte seinen Dienst beendet und war nun beschwingt auf der Suche nach Josie. Er hatte über Beatrices Worte nachgedacht und vielleicht hatte sie recht und er war verliebt. Aber selbst wenn es so wäre, machte das ja nichts. Es änderte sich gar nichts.
Als er sie schließlich in der Sonne sitzen sah, setzte er sich hinter sie und zog sie in seine Arme und hauchte ihr einen Kuss in den Nacken.
"Josie, da bist du da. Ich habe dich schon gesucht. Bist du die ganze Zeit schon hier?"