William und Joanna - ab 1191 bis 1192

Jane

Jane schenkte ihrem Vater ein aufmunterndes Lächeln. "Ich bin ein großes Mädchen, ich kann schon ganz gut auf mich selbst aufpassen." erwiderte sie augenzwinkernd und beschloss nicht auf den Vorwurf in der Stimme ihres Vaters anzuspringen. "Wirklich? Wie schön, Sarah wird überglücklich gewesen sein. Sie hat ihre Eltern so vermisst."
Jane ließ sich auf dem freien Stuhl ihrem Vater gegenüber nieder und seufzte zufrieden. "Hervorragend. Es war ein wundervoller Ausritt. Wir haben im Wald lange Pause gemacht, hatten auch etwas Proviant dabei, um dort zu Essen und ich glaube, es hat uns beiden gut getan einmal einen Tag dort zu verbringen. Stephan besonders, er war so ... gelöst." Jane strich kurz eine Falte in ihrem Rock glatt, dann sah sie ihren Vater wieder an. "Er konnte sogar über all das sprechen, was ihm im Heiligen Land passiert ist." erklärte sie dann ernst und bereitete sich schon einmal auf die Welle der Empörung ihres Vaters vor.

"Ich weiß. Aber du hattest immerhin einen unberechenbaren, jungen Mann dabei. Und das allein. Da darf ich mir doch wohl Sorgen machen, oder? Mir hat es nicht gefallen, dass ihr allein durch die Wälder irrt." John lauschte seiner Tochter aufmerksam und runzelte die Stirn.
"Ja, ich glaube es dir. Für ihn war es sicher schön einmal wieder im Grünen zu sein und nicht an die Zeit im Heiligen Land erinnert zu... Was?!"
John stand ruckartig auf und starrte Jane an. "Du hast ihn danach gefragt? Bist du verrückt geworden? Du hast versprochen, dass du keinen Unsinn machst! Das hätte sehr gefährlich für dich sein können, du weißt, dass er unberechenbar ist, wenn die Erinnerungen ihn überkommen! Du darfst nicht so leichtsinnig sein und solche Dinge provozieren, Jane! Ich hatte mehr Verstand von dir erwartet!"

Jane

Jane lag auf der Zunge, dass Stephan nicht so unberechenbar war wie ihr Vater tat, aber sie wollte nicht jetzt schon Öl ins Feuer gießen, also verkniff sie sich die Bemerkung lieber.
Um ein Haar wäre sie zusammen gezuckt als ihr Vater sich so ruckartig erhob, dann riss sie sich jedoch zusammen und erwiderte gelassener als sie sich fühlte seinen Blick. "Habe ich, nachdem er sein Einverständnis gegeben hatte und nein, ich bin nicht verrückt geworden." entgegnete sie. Jane atmete tief durch und maß ihren Vater mit einem kritischen Blick, die Stirn beinahe missbilligend in Falten gelegt. "Ich war nicht leichtsinnig, ich wusste genau, was ich da tat. Ich habe mir das alles ganz genau überlegt, es war keine unsinnige Idee aus dem Bauch heraus, ich hatte einen Plan dabei! Ich bin überzeugt davon, dass das die Art von Therapie ist, die bei Stephan wirklich hilft, die Fortschritte bringt. Das habe ich schon länger vermutet und jetzt habe ich die Gewissheit. Ich kann ihm helfen, Vater. Ich kann ihn heilen!" erklärte Jane energisch. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts sie so schnell davon abbringen, das war schon immer so gewesen. Schon als kleines Kind hatte sie ihren Sturkopf immer wieder unter Beweis gestellt und sie würde auch jetzt nicht klein bei geben.

John schüttelte den Kopf. "Du hast gesagt, du willst ihm einen Tag Pause verschaffen und ihn nach England zurück holen. Was tust du stattdessen? Du wühlst alles noch mehr auf! Habe ich dir gar nichts beigebracht? Das war sehr unverantwortlich von dir. Man kann so viel kaputt machen bei solchen Patienten." Er schnaubte wütend. "Du hast dir das alles überlegt?! Du hast mich angelogen, Jane! Ich hätte das niemals erlaubt, hätte ich das gewusst. Bist du plötzlich Expertin für solche Geisteskrankheiten? Du kannst ihn heilen? Woher willst du das wissen? Bist du plötzlich Ärztin, Jane? Es ist nicht sehr erwachsen von dir einfach an einem Menschen herum zu experimentieren, der Hilfe braucht."
Er kannte den Sturkopf seiner Tochter und er war sehr nachsichtig mit ihr, nun aber ging sie eindeutig zu weit.

Jane

Jane nickte entschlossen. "Ja und genau das habe ich auch getan! Ich habe ihn nach England zurück geholt. Ich habe ihn zurück geholt und ihm gezeigt, dass seine Erinnerungen an das Heilige Land genau das sind: Erinnerungen. Ich habe nicht alles einfach aufgewühlt! Ich habe ihn kontrolliert erzählen lassen, habe zwischendurch immer wieder eingehakt und ihn daran erinnert wo er ist. Ich war bereit jederzeit abzubrechen, wenn er zu große Schwierigkeiten beim Erzählen hat, aber das musste ich gar nicht."
Kurz zuckte Jane unter den Worten ihres Vaters zusammen und senkte den Kopf. Unbehaglich biss sie sich auf die Unterlippe, doch dann ruckte ihr Kopf wieder in die Höhe und im nächsten Moment stand sie ebenfalls auf ihren Füßen und bedachte ihren Vater mit einem zornigen Blick. "Ich bin genauso viel oder wenig Expertin auf diesem Gebiet wie du!" fuhr sie ihn an. "Ich bin überzeugt davon, dass ich es kann, weil ich mich mit seinem Fall beschäftigt habe und heute gesehen habe, dass es funktioniert. Ich bin sicher, dass ich mit ihm auch weiter Fortschritte machen werde." Jane knirschte leise mit den Zähnen. "Nein, das bin ich nicht plötzlich, aber wäre es verwerflich, wenn ich dabei bin es zu werden? Was spricht dagegen, dass ich mich mit genau solchen Fällen beschäftige? Herumexperimentieren?" Ihre Stimme geriet bei dem letzten Wort einen Tick zu hoch, weil sie so außer sich war vor Wut. "Du willst mir doch nicht weiß machen, dass das, was du in den letzten Tagen mit ihm getan hast auch nur einen Deut besser war!? Während meiner Behandlung ist er nicht ohnmächtig zusammen gebrochen!"

John schüttelte fassungslos den Kopf. "Ich kann kaum glauben, dass du so gegen unsere Absprachen handelst und alles boykottierst, was ich versuche. Was hättest du getan, wenn er so ausgerastet wäre, wie es bei mir passiert ist? Du hättest ihm doch gar nichts entgegen zu setzen!"
Und diese Sorgen um seine Tochter machten ihn wahnsinnig.
"Mit dem Unterschied, dass ich mehr als zwanzig Jahre mehr Erfahrung als du auf diesem Gebiet habe! Solche Fälle sind gefährlich, Jane, nichts für eine junge Frau. Stephan ist harmlos gegen das, was ich schon alles gesehen habe. Du unterschätzt das Risiko vollkommen."
Auch er war wütend auf seine Tochter, die seine Behandlung so in Frage zog.
"Ich habe das getan, was ich für das Beste hielt und es wird helfen, wenn wir die passende Mischung gefunden haben. Wir haben schon Fortschritte erzielt. Eine Ohnmacht kann passieren, es ist genau das, was ihm immer passiert, wenn die Erinnerungen ihn übermannen. Du wirst die Last seiner Erinnerungen mit dir herum tragen, Jane, das ist nicht leicht. Was sagt er eigentlich dazu?"

Jane

Jane war versucht ihrem Vater zu sagen, dass sie sicher die Anzeichen bemerkt hätte, dass sie abgebrochen hätte bevor Stephan so ausgerastet wäre, aber sie kannte die Antwort ihres Vaters darauf schon zu gut also ersparte sie sich diese Diskussion lieber.
Dann schnappte sie kurz nach Luft und wäre aufgesprungen, hätte sie nicht schon längst gestanden. "Natürlich, nichts für eine junge Frau! Das ... das ist so ungerecht!" brach es aus ihr heraus. "Wäre Lucas an meiner Stelle hättest du ihn tadelnd angesehen und gesagt er solle es das nächste Mal lieber hier machen und dann hättest du ihm auf die Schulter geklopft, weil er dabei ist ein hervorragend guter Arzt zu werden und einen guten Fortschritt gemacht hat! Und ich muss mir anhören, dass ich unvernünftig bin, nur weil ich eine Frau bin! Der Gedanke, dass ich gut in diesem Gebiet sein könnte, erscheint ja völlig abwegig."
Jane schluckte und schüttelte den Kopf. "Es wird nicht helfen! Wie lange willst du noch herum probieren? Wie lange willst du ihn noch damit quälen bis vielleicht ein Trank etwas anschlägt? Er geht jedes Mal durch die Hölle damit!" Jane atmete geräuschvoll aus. "Ich trage lieber die Last seiner Erinnerung als noch länger tatenlos mit anzusehen, wie er verzweifelt." erklärte sie entschieden und verengte ganz leicht die Augen. Jetzt wurde es wirklich ernst. "Er sagt, dass er die Tränke nicht mehr nehmen will." erklärte Jane. "Er will, dass ich seine Behandlung übernehme."

"Ich hätte Lucas genauso getadelt wie dich jetzt! Der Geist eines Menschen ist so zerbrechlich. Man kann so viel falsch machen. Lass also deinen Bruder aus dem Spiel. Das hier sehe ich nicht als Fortschritt! Sicher kannst du gut auf diesem Gebiet sein, aber ich weiß, wie gefährlich es sein kann und dabei will ich meinem kleinen Mädchen sicherlich nicht zusehen! Keinem meiner Kinder! Es reicht, wenn ich mich damit einem Risiko aussetze. Sie könnten dir so viel schlimmere Dinge antun als mir, Jane!"
Johns Kiefermuskulatur spannte sich an.
"Ich tue das, um ihm zu helfen. Solche Dinge brauchen eben Zeit, sie gehen nicht schnell. Es wird helfen. Er geht mit oder ohne die Tränke durch die Hölle, Jane! Es macht keinen Unterschied! Wir werden eine Lösung finden."
Dann wurde John ruhig. "Das hast du wunderbar eingefädelt, Töchterchen. Du machst mir meine Patienten abspenstig, indem du ihnen sagst, meine Methoden seien schlecht! Wie kannst du mir so in den Rücken fallen? Ist das der Dank dafür, dass ich dir so freie Hand gelassen habe?"

Jane

"Natürlich ist es ein Fortschritt! Willst du das nur nicht eingestehen, weil ich ihn gemacht habe?" brauste Jane auf und musste an sich halten, um nicht laut zu werden. "Ich bin aber kein kleines Mädchen mehr! Wäre es denn wirklich so verrückt, wenn ich mit solchen Patienten arbeiten will? Du hast immer gesagt, ich dürfe selbst entscheiden, wieso willst du mir das jetzt verwehren? Es ist doch meine Entscheidung was für ein Risiko ich eingehen will oder nicht. Ich kann genauso gut jeden Tag auf der Treppe ausrutschen und mir das Genick brechen."
Jane fuhr sich verzweifelt durch die langen Haare. "Es hilft aber nicht! Natürlich braucht die Behandlung Zeit, aber wieso hältst du es für so abwegig, dass ein anderer Weg für Stephan vielleicht der bessere ist? Sieh es dir doch einmal an! Sieh dir an wie ich ihn behandle bevor du dein Urteil fällst." forderte Jane energisch, ehe sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Diese ruhige Art ihres Vaters war entnervend und wesentlich schwerer als die ärgerlichen Worte zuvor. Jane schüttelte den Kopf und spürte die Tränen in ihren Augen brennen. "So war es doch gar nicht! Ich habe ihn dir nicht abspenstig machen wollen und ich habe auch nicht gesagt, deine Methoden seien schlecht. Lediglich, dass ich denke, dass ein anderer Ansatz für ihn besser sein könnte." Sie blinzelte energisch, um die Tränen zurück zu halten. "Ich bin dir nicht in den Rücken gefallen." brachte sie heiser hervor.

"Nein, aber was für ein Fortschritt es ist, siehst du, wenn er das nächste Mal eine Flamme sieht. Das ist der Moment, indem er zusammen bricht.", erwiderte John seufzend. "Das habe ich gesagt. Aber du hast dein ganzes Leben noch vor dir. Ich will nicht, dass du mit teilweise wirklich gefährlichen Menschen umgehst und dir wirklich etwas passiert. Das würde ich mir nie verzeihen."
John ahnte, dass er mit Jane keine Einigung finden würde und er hasste es mit seiner Tochter zu streiten. "Bei Gott, Kind, du hast den Sturkopf deiner Mutter... Na gut...ich werde es mir ansehen."
Er konnte sehen, dass Jane das Ganze ebenso nah ging. Er sträubte sich so leicht kleinbei zu geben, aber sein Vaterherz war einfach zu groß, als dass er ihr wirklich lange zürnen konnte.
"Jane, wir müssen hier an einem Strang ziehen. Wenn du solche Dinge hinter meinem Rücken tust, ist das nicht förderlich für den Zusammenhalt hier und das Vertrauen der Leute in uns."

Jane

Jane bekam schon Sorge, dass sie in dieser Sache überhaupt nicht voran kämen, da willigte ihr Vater schließlich ein, sich ihre Behandlung wenigstens einmal anzusehen. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihre Lippen, sie schlang die Arme um den Hals ihres Vaters und küsste ihn stürmisch auf die Wange. "Danke! Du wirst es nicht bereuen mir diese Chance zu geben." versicherte sie erleichtert und grinste dann ein wenig. "Ja, manche Dinge muss ich ja von ihr haben."
Sie seufzte leise und nickte dann. "Ich versichere dir, Stephan war eine Ausnahme. Das wird so nicht wieder passieren." Allein schon, weil ihr kein anderer wohl so am Herzen liegen würde. Ihr Herz gehörte dem verstörten Prinzen, den sie nie würde haben können.

John seufzte ergeben. "Das sehen wir dann, wenn es soweit ist. Aber sei um Gottes Willen vorsichtig, Jane. Das ist kein Spaziergang, das wird dir noch so Einiges abverlangen. Ich weiß wirklich nicht, warum du dich ausgerechnet für ihn so sehr aufopfern willst."
Er legte den Arm um die Taille seiner Tochter und nickte. "Das hoffe ich. Denn wenn du mir nochmal in den Rücken fällst, Jane, kannich dir hier keine Freiheiten mehr gewähren. Und nun komm, Töchterchen. Lass uns nach Hause gehen, deine Mutter wartet sicher schon."
Wenigstens gingen sie nicht im Streit auseinander, das hätte ihn ja doch den ganzen Abend verfolgt.

Jane

Jane war ein klein wenig nervös, wenn sie ehrlich war, aber sie ließ sich nichts davon anmerken, denn weder wollte sie sich diese Blöße vor ihrem Vater geben, noch wollte sie Stephan verunsichern, aber von dieser Behandlung hing so viel ab.
Sie hatte ihr Vorgehen gründlich durchdacht und alles genau vorbereitet, blieb zu hoffen, dass sie es schaffte ihren Plan auch so durchzuführen. Jane sah zu Stephan, schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und nickte dann. "Also gut. Wir werden die Behandlung heute draußen im Garten weiterführen." erklärte sie, wieso sie hier vor der Tür nach draußen standen und nicht in einem der Behandlungsräume. "Ich würde dich bitten deine Stiefel auszuziehen und dann die Augen zu schließen. So lange bis ich dir sage, dass du sie wieder öffnen kannst. Alternativ kann ich dir die Augen auch mit einem Tuch erstmal verbinden, wenn dir das lieber ist. Wichtig ist, dass deine Augen erst einmal außen vor bleiben, deine anderen Sinne sind es, die ich zunächst ansprechen will." erklärte Jane und versuchte nicht darüber nachzudenken, was ihr Vater wohl dachte. Sie hatte sich das wohl überlegt und sie hatte mit Stephan im Wald bereits einen Erfolg gehabt, es würde jetzt auch klappen.

Stephan

Stephan war ein wenig unruhig. Diesmal war er nicht mit Jane alleine, wie er gehofft hatte, offenbar wollte John sich die Methode seiner Tochter anschauen. Stephan erwiderte Janes Lächeln dennoch und folgte ihrer Aufforderung. Er zog die Stiefel aus und trat barfuß auf den Rasen.
"Verbinde sie mir. Ich will das hier nicht gefährden, weil ich unbedachterweise die Augen öffne, Jane. Ich will mich auf alles andere konzentrieren."
Er hatte keine Ahnung, was Jane vor hatte. Wahrscheinlich würde es ihm wieder viel abverlangen, aber er wollte es durchziehen und Fortschritte machen. Jane überlegte sich solche Sachen gut, er war gut beraten ihr einfach zu vertrauen.
So lließ er sich auch bereitwillig die Augen verbinden.

Jane

Jane musste bei Stephans Antwort lächeln und nickte dann. "Gut. So wird es sicherlich einfacher, aber ich wollte dir die Entscheidung überlassen." Als sie draußen auf dem Rasen standen, trat Jane hinter Stephan und verband ihm vorsichtig mit einem Tuch, das sie extra dafür mitgenommen hatte, die Augen.
"In Ordnung, ich habe ein bisschen was vorbereitet, aber wir müssen dafür ein Stückchen durch den Garten gehen. Ich werde eine Hand auf deinen Rücken legen und mit der anderen deine rechte nehmen, so kann ich dich am besten durch den Garten führen." erklärte Jane gelassen, wenngleich sich ein wohliges Kribbeln in ihrem Magen ausbreitete als sie Stephan berührte. Wie gut diese Gelegenheit dafür doch war ... aber jetzt musste sie sich erst einmal konzentrieren.
"So ... lass uns gehen. Es ist nicht sonderlich weit, nur bis hinter die Hecken. Und bis dahin möchte ich, dass du mir beschreibst, was du fühlst, hörst und womöglich riechst, in Ordnung?" Jane wollte, dass er seine Umgebung wahrnahm, dass er sie mit all seinen anderen Sinnen erfasste, die ihm zur Verfügung standen, so wie sie es im Wald getan hatte als sie seine Hände zum Gras geführt hatte.

Stephan

Stephan nickte zustimmend. "In Ordnung. Ich vertraue dir." Es war vollkommen ungewohnt sich nicht auf seine Augen zu verlassen. Alles Andere erschien ihm viel intensiver. Er setzte ein wenig unsicher einen Fuß vor den Anderen, als Jane ihn führte. Ihre Nähe elektrisierte ihn regelrecht, aber er musste sich konzentrieren. Das hier war für den Moment wichtiger und John war schließlich auch hier.
"Ich....ich fühle das Gras unter den Füßen, es ist noch ein klein wenig feucht. Man hört die Vögel zwitschern, die Glocken der Kirche läuten." Er runzelte die Stirn. "Der Bauer treibt gerade
die Kühe auf die Weide, ich höre sie....Und ich rieche deine Kräuter. Der ganze Garten duftet nach ihnen....und ich rieche dich. Ich fühle....deine Anwesenheit."

Jane

Jane lächelte sanft als sie Stephan über den Rasen führte und er die Umgebung zu beschreiben begann. Als er auf sie zu sprechen kam, biss sie sich rasch auf die Unterlippe, um nichts unbedachtes zu sagen, dann drückte sie ganz leicht seine Hand, so als wolle sie noch einmal bekräftigen, dass sie wirklich da war.
"Sehr gut. Man merkt, dass wir Herbst haben, hm? Ein Weilchen noch und das Gras wir morgens nicht mehr mit Tau, sondern mit Raureif überzogen sein." griff Jane auf und grinste dann. "Ich werde dich nicht nach einzelnen Kräutern fragen, das ist bei dir hoffnungslos, aber die Vögel ... du bist doch ein passionierter Jäger, kennst du den ein oder anderen Vogel, den du da hörst?" fragte sie nach als sie die Hecke erreichten.
Nur noch um sie herum, dann waren sie da, dann wartete dort ein Tisch mit einer brennenden Kerze auf sie und Jane schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie auch dieses Mal Erfolg haben würde.

Stephan

Stephan erwiderte sachte ihren Händedruck und brummte zustimmend. "Ja. Bald wird es kälter und grauer werden hier in England." Er lächelte amüsiert, nickte aber. "Amsel...Drossel...Fink....Star...hier gibt es viele verschiedene Vögel. Die kleinen Meisen spielen immer im Wasser des kleinen Brunnens.", erklärter er dann und setzte erneut vorsichtig den Fuß vor den anderen.
"Wohin du mich wohl bringst?" Es war schwierig für ihn die Kontrolle so völlig abzugeben und das Gespräch machte die Sache ein wenig einfacher. Das ließ ihn sich nicht so allein fühlen.
Stephan wusste nicht, was sie vor hatte, aber alles war besser als wieder durch die Qualen zu gehen, die er mit den Tränken verspürt hatte.

Jane

"Kälter und grauer, da hast du Recht. Aber hat nicht auch der Winter seine Reize? Hast du als kleiner Junge nicht auch gerne eine Schneeballschlacht veranstaltet?" fragte Jane lächelnd nach und nickte dann, wenngleich Stephan das natürlich nicht sehen konnte. "Nicht schlecht. Wir haben sogar ein Rotkehlchenpärchen hier im Garten, aber ich glaube, die beiden sind gerade ausgeflogen." fuhr sie fort und lächelte dann leicht. "Wir sind gleich da. Nur noch ein paar Schritte."
Vorsichtig führte sie Stephan um die Hecke herum. Von hier waren es nur noch rund drei Schritte bis zu dem Tisch und der Kerze. Wenn man sich sehr konzentrierte, konnte man das Bienenwachs schon riechen.
Jane signalisierte Stephan stehen zu bleiben. "Eine kleine Pause würde ich vorschlagen. Du hast dich schon mal gut geschlagen auf dem Weg hier her. Wie fühlst du dich?" Es war nicht ganz einfach sich die Augen verbinden zu lassen und die Kontrolle abzugeben. Dass er es doch so einfach getan hatte, bedeutete Jane mehr als sie in Worte fassen konnte. Und wahrscheinlich mehr als gut für sie war.

Stephan

Stephan nickte. "Ja, das sicherlich. Und ich habe mit meinen Geschwistern immer gern im Schnee gespielt. Aber der Winter ist trotzdem nicht meine Jahreszeit. Jetzt erst recht nicht mehr. " Im Winter hielt man es ohne Feuer kaum aus, da würde er nun eben frieren müssen, wenn sie seine Probleme nicht in den Griff bekamen.
Er ging die letzten Schritte und blieb auf ihr Geheiß stehen. "Oh eigentlich..." Gut, hatte er sagen wollen. Doch dann hatte sein geschärfter Geruchssinn den Geruch von Bienenwachs aufgenommen und er wusste sofort, was ihn erwartete. Dort brannte irgendwo eine Kerze. Der Gedanke ließ ihm augenblicklich alle Haare zu Berge stehen. Er bekam am ganzen Körper Gänsehaut und erbebte leicht, sein Puls raste.
"Oh Gott, Jane...ich kann das nicht."
Es war so schwierig für ihn...

Jane

Jane wusste was passieren würde noch ehe Stephan mitten im Satz abbrach. "Unsinn, du kannst es sehr wohl. Denk daran wo du bist. Wir bleiben einfach hier stehen." erklärte sie entschlossen. "Ich werde es jetzt wie beim ersten Mal im Wald machen und dir genau sagen, was ich tue." fuhr sie fort. Ich werde nun meine Hand von deinem Rücken nehmen und sie auf deine Schulter legen. Dann lasse ich deine Hand los und lege auch meine andere Hand auf deine Schulter. Dann stehe ich dir genau gegenüber. Ich stehe zwischen dir und deiner Angst, hörst du?" Langsam und bedächtig führte sie durch, was sie gerade angekündigt hatte, so dass sie nun direkt vor Stephan stand, ihre Hände ruhten auf seinen Schultern.
"Wir sind hier draußen im Garten des Hospitals, vergiss das nicht. Was hast du mir vorhin erzählt? Du kannst das feuchte Gras spüren, nicht wahr? Beweg deine Zehen ein wenig, dann spürst du es. Gras zwischen deinen Zehen, kein Sand. Und die Vögel singen immer noch. Sie versuchen extra für uns eine schöne Melodie zu erschaffen. Eine Melodie, die du nur hier in England hörst. Welche Vögel kannst du hören Stephan?" fragte sie ihn entschlossen.

Stephan

Stephan war mehr als skeptisch. Allein das Wissen, dass da eine Kerze brannte, machte ihn unfassbar nervös, erkonnte kaum ruhig stehen bleiben. Trotzdem versuchte er sich auf Jane einzulassen so gut es eben ging.
Er spürte ihre Hände auf seinen Schultern und konnte ihren Atem auf seinem Gesicht spüren. Sie hatte Recht, sie stand da zwischen ihm und dem Sinnbild für sein Leiden. Das hielt seinen Geist und seinen Körper gerade noch so davon ab wieder in das alte Muster zu verfallen. "Ja...ich höre...", wisperte er.
Stephan bebte am ganzen Körper ein wenig, versuchte sich aber auf Janes Stimme zu konzentrieren. "Ja..." Er konnte das Gras fühlen und es ließ ihn ein wenig ruhiger werden. Er war in England.
"Ich...ich weiß nicht..." Es war so schwer sich zu konzentrieren, aber er ließ sich ein wenig ablenken und versuchte es noch einmal.
"Die Amsel....und ich glaube, da sind die Rotkehlchen..."

Jane

"Sehr gut. Und denk immer daran, ich stehe zwischen dir und deiner Angst. Ich werde nicht zulassen, dass sie dich übermannt." erklärte Jane mit sanfter, aber fest entschlossener Stimme.
Geduldig wartete Jane ab, ließ Stephan Zeit sich auf ihre Frage und dann auf die Vogelstimmen zu konzentrieren. Sie nickte leicht und musste dann lachen, ein leises, warmes Lachen, das unbedingt heraus wollte. "Du hast Recht. Sie sitzen dort hinten zwischen den Haselnüssen und machen einen ganz schönen Aufstand. Wer weiß, vielleicht ist ihnen eine wenig langweilig jetzt wo ihre Kleinen flügge sind." Malte Jane ihm das Bild der Rotkehlchen aus. Dann drückte sie leicht seine Schultern. "Komm, einen Schritt weiter. Aber vorsichtig, ich muss rückwärts gehen und wenn ich stolpere fallen wir nachher noch beide auf die Nase und das wollen wir schließlich nicht, oder?" Forderte Jane ihn möglichst heiter auf.

Stephan

"Das tust du." Und je mehr er sich darauf konzentrierte, was Jane ihm so sagte, desto mehr rückte die Angst vor der Kerze, die er riechen konnte, in den Hintergrund.
"Vielleicht ist es das, du hast Recht. Sie sind faszinierende kleine Zeitgenossen.", erwiderte er und lauschte auf das muntere Zwitschern.
Als Jane seine Schultern drückte, folgte er der Aufforderung. Er machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne, voller Vertrauen in seine junge Heilerin. Er vertraute ihr und ihre Nähe war so wundervoll. Selbst diese kleinen Berührungen elektrisierten ihn und konzentrierten einen Teil seiner Wahrnehmung immer wieder auf Jane. Vielleicht funktionierte das hier auch deshalb so gut. Sie stand wirklich zwischen ihm und der Angst, aber anders, als sie vielleicht glaubte.
"Das wollen wir ja nicht riskieren."

Jane

Jane lächelte leicht. "Oh ja, das sind sie. Ich könnte Stunden damit zubringen ihnen zuzusehen. Das solltest du bei Gelegenheit auch einmal machen. Sie sind so faszinierend und ich finde mit ihrem hübschen roten Bauch wirklich mehr als ansehnlich." erzählte Jane und war erleichtert, dass Stephan ihrer Aufforderung so vertrauensvoll folgte.
Sie grinste und schüttelte den Kopf. "Nein, das wollen wir wirklich nicht. Aber so war es wirklich gut. Lass uns noch einen Schritt machen." forderte sie ihn auf. Es waren nur noch zwei Schritte bis zum Tisch, nicht mehr weit ... Jane war versucht zu ihrem Vater hinüber zu sehen, neugierig darauf was er von der Sache hielt, aber sie hielt sich davon ab. Sie wollte sich jetzt nur auf Stephan konzentrieren.
"Wir stehen jetzt noch einen Schritt von dem Tisch entfernt. Deshalb werde ich jetzt meine Hände von deinen Schultern nehmen und mich hinter dich stellen. Ich werde meine Arme von hinten um dich legen, deine Hände ergreifen und sie führen, einverstanden? Und während ich das tue, möchte ich, dass du mir von unserem Ausritt gestern erzählst. Wir sind in den Wald gekommen und sind ein Stück galoppiert, siehst du es vor dir, Stephan? Wie ging es dann weiter? Beschreib mir wo wir waren als wir wieder durchpariert sind."