William und Joanna - 1194

Ben


Charles schüttelte nachsichtig den Kopf, als er Leannas Ungeduld spürte. Es konnte ihr kaum schnell genug gehen. "Du wirst ein bisschen warten müssen, mit deinem jugendlichen Überschwang kann ich nicht mehr mithalten.", neckte er seine Stieftochter. Sie hatten von Anfang an ein gutes Verhältnis gehabt und längst hatte sie ihn als Vater akzeptiert. Er liebte die Kinder wie seine eigenen sehr innig.
Als sie schließlich Ben erreichten, wandte dieser sich zu ihnen um.
Ben schaute ein wenig zerknirscht seinem Dienstherren und Leanna entgegen. Er lächelte schief und schüttelte den Kopf. "Naja, großartig würde ich das nicht nennen. Ich war unkonzentriert, deshalb habe ich verloren. Und das Quentchen Glück hat mich im letzten Moment verlassen. Tut mir leid."
Er hatte unbedingt gewinnen wollen, das hier ärgerte ihn wirklich. Außerdem hatte er so einige Prellungen davon getragen.

Leanna

Leanna senkte kurz den Blick, schenkte ihrem Stiefvater dann jedoch ein gewinnendes Lächeln. "In Ordnung, für dich warte ich noch ein bisschen." willigte sie augenzwinkernd ein und hakte sich bei ihm ein bis Ben in Sichtweite kam.
Leanna strahlte trotz allem. "Doch natürlich! Ein Sieg ist doch letztlich nicht alles. Es waren schwere Gegner und du bist immerhin Zweiter geworden, Ben!" erklärte sie mit leuchtenden Augen. "Ich fand dich wunderbar." beschied sie, musterte ihn dann jedoch kritisch und ließ schließlich auch die Arme wieder sinken als ihr bewusst wurde, dass diese Umarmung vielleicht nicht wirklich schicklich war.
"Du blutest ein wenig. Wir sollten hinein gehen, damit du die Verletzungen versorgen kannst ..." schlug sie vor und deutete auf einen Kratzer an seiner Stirn.

Ben


Ben lächelte sanft, als Leanna versuchte ihn aufzubauen. "Danke. Das ist wirklich lieb von dir, ich freue mich, dass du das so siehst."
Leanna war in gewisser Weise eben doch noch ein junges Mädchen. Wie sehr ihre Augen leuchteten, das verunsicherte ihn fast ein wenig. Aber Leanna lag ihm sehr am Herzen. Er erwiderte die Umarmung flüchtig und nickte dann.
"Ja, aber es ist nicht schlimm. Wirklich nur ein Kratzer, nicht der Rede wert. Meine Schulter wird etwas blau werden, wie diverse andere Stellen auch, aber es ist nichts weiter. Mach dir keine Sorgen."
Ben schaute flüchtig zu Charles hinüber.
"Ich hoffe, Ihr seid nicht ganz unzufrieden mit mir."

Leanna

Leanna nickte leicht. "Trotzdem solltest du ihn versorgen. Auch kleine Kratzer können sich schnell entzünden." Erwiderte Leanna ernst, denn Bens Wohl lag ihr sehr am Herzen.
Charles hatte die Szene nachdenklich beobachtet und winkte nun ab. "Unsinn. Du hast dich hervorragend geschlagen, bist gut geritten und hast deine Lanze geschickt geführt. Ich bin sehr zufrieden mit dir. Ein bisschen mehr Turniererfahrung und dann wirst du bald einen Sieg nach dem anderen holen." zeigte Charles sich zuversichtlich. In gewisser Weise hatte Leanna Recht mit ihrer Aussage, dass ein Sieg nicht alles war. Ben War noch jung und ein solches Turnier war letztlich doch noch einmal etwas anderes als ihr Training zu Hause.

Ben


Ben hob die Schultern und nickte knapp. "Das werde ich keine Sorge." Wie sehr sie sich doch um ihn sorgte, das war in diesem Ausmaß nicht so gewesen bisher. Aber es war ein angenehmes Gefühl. Sie wurde wirklich reifer und erwachsener.
Ben lauschte seinem Dienstherrn und lächelte leicht. "Danke, Mylord. Das hoffe ich wirklich sehr. Aber so ein großes Turnier ist eine völlig neue Erfahrung. Eine gute Erfahrung. Ich wäre nur wirklich zufrieden mit mir gewesen, wenn ich diesen Sieg geholt hätte. Aber was soll es schon...Beim nächsten Mal werde ich besser sein.", versprach er.
"Remus hat gute Arbeit geleistet, er ist in ausgezeichneter Form. Ein besseres Pferd könnte ich mir nicht wünschen. Ich muss also nur noch ein wenig an mir arbeiten. Und jetzt lasst uns hinein gehen."

Leanna

Charles zeigte eines seiner mehr angedeuteten Lächeln. "Du kannst auch so wirklich zufrieden sein. Ich weiß, wenn man dem Sieg so nahe war, ist es besonders ärgerlich ihn nicht errungen zu haben, aber wenn du die Sache mit etwas Abstand betrachtest, wirst du feststellen, dass deine Leistung wirklich hervorragend war. Du hattest teilweise sehr erfahrene Gegner."
Leanna schenkte dem Gespräch nur halbherzig Beachtung, sondern beschränkte sich lieber darauf Ben ein wenig anzusehen. Im Moment hatte sie schließlich einen guten Vorwand ohne dass sich am Ende jemand über ihre Unschicklichkeit beschweren würde.
Erst Bens Vorschlag holte sie ganz in die Wirklichkeit zurück und sie nickte, begleitete die Männer dann zur Burg hinüber und hielt dort den ersten Diener an, der ihnen über den Weg lief und befahl ihm frisches Wasser und saubere Tücher zu bringen.
Sie warf Ben einen Blick zu und zwinkerte grinsend. "Damit du es auch wirklich tust und nicht nur sagst, du würdest den Kratzer später versorgen." verriet sie.

Ben


Ben nickte. "Ihr habt sicher Recht, Mylord. Im Moment bin ich gerade ein wenig enttäuscht, aber ich denke, wenn ich einmal eine Nacht darüber geschlafen habe und das mit Abstand betrachten kann."
Als sie die Burg erreichten, ergriff Leanna erneut die Initiative. Das war ungewöhnlich und zeigte ihm erneut, dass sie reifer wurde. Trotzdem hatten sie seit jeher ein recht unkompliziertes Verhältnis, daher hielt  ihn auch jetzt nichts davon ab, sie etwas zu necken.
"Sehr liebenswürdig, du wirst ja eine richtige Glucke.", bemerkte er amüsiert, zwinkerte ihr aber zu. Er war ja dankbar, dass sie sich so kümmerte.
"Dann kannst du dich ja gleich ausgiebig darum kümmern, dann weißt du auch, dass es gemacht worden ist, was?"

Leanna

Leanna warf Ben einen finsteren Blick zu und schnaubte leise. "Ich bin keine Glucke! Aber ich weiß, wie unvernünftig ihr Männer sein könnt, wenn ihr nur einen Kratzer habt. Und ich will nicht, dass du unseren Aufenthalt damit vermiest, dass du Wundfieber bekommst." bemerkte sie, ließ sich aber schon allein durch sein Augenzwinkern besänftigen.
Sie warf den Kopf etwas zurück und sah Ben herausfordernd an. "Sicher, wieso auch nicht?" hielt sie dagegen und ihre Augen funkelten mutwillig. Wenn er sie aufziehen wollte, bitte. Sie scheute sich keineswegs davor so ein bisschen Blut wegzuwischen.

Ben


Ben lachte leise. "Wie kratzbürtig zu sein kannst. Du weißt, wie unvernünftig Männer sein können? Bei deiner reichhaltigen Männererfahrung, was?", neckte er, schüttelte den Kopf dann aber. "Schon gut, Leanna, ich weiß, du meinst es nur gut."
Ben hob die Augenbrauen. "Na, wenn du meinst....Ich hindere dich nicht. Mein Knappe wird froh sein, wenn er es nicht tun muss. Aber überleg es dir, du musst nicht.", hielt er sich dann doch noch einmal zurück. Er wollte ja nicht, dass sie sich blamierte und er wollte ihren Stiefvater nicht verärgern.

Sie gingen gemeinsam in die Gemächer der Familie, Ben würde ihnen noch kurz Gesellschaft leisten, bevor er sich zurückzog.
Am Abend würden sie alle dem Fest beiwohnen.

Leanna

Leanna presste fest die Lippen aufeinander und hinderte sich mit großer Mühe daran, den Kopf verlegen zu senken. Trotzdem spürte sie, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen stieg. "Sei nicht so unverschämt! Ich habe oft genug mitbekommen, wie einer von euch zusammen geflickt werden musste, also ja - ich weiß, wie ihr sein könnt." hielt sie dagegen.
Leanna zog eine Augenbraue in die Höhe und lächelte spöttisch. "Hast du etwa Angst, Ben? Willst du dich davor drücken deinen kleinen Kratzer versorgen zu lassen? Oder willst du sagen, dass du mir nicht zutraust, es richtig zu machen?" Sie sah ihn lauernd an und lächelnd dann scheinbar unschuldig. "Überleg dir deine Antwort gut." riet sie dann.

Ben


Ben konnte sehen, wie Leanna errötete und schmunzelte leicht. Sie ließ sich so leicht aus der Fassung bringen, das war beinahe niedlich. "Ist ja schon gut. Es war nicht so gemeint, Leanna...Ich zieh dich doch nur auf.", erklärte er sanfter.
"Angst? Was für ein Unsinn...Ich lege es doch nicht auf Knochenbrüche an um dann Angst vor der Versorgung eines kleinen Kratzers zu haben.", protestierte er. "Aber ich wollte nicht, dass du dich genötigt siehst, wenn du nicht willst. Im Gegensatz zu mir bist zu immerhin zu Höherem geboren, nicht wahr, Lady Leanna?", fuhr er dann fort.
Er war nur ein einfacher Ritter, Sohn eines Landbesitzers ohne große Bedeutung. Sie hingegen stammte aus ziemlich vornehmen Familien.
"Na los, dann demonstrier mir deine Fähigkeiten. Ich verspreche, ich werde still halten und nicht jammern."

Leanna

Leanna nahm seinen Protest mehr als zufrieden zur Kenntnis. Nicht nur er konnte sie in Verlegenheit bringen, ihr gelang es auch ihn aus der Reserve zu locken. Sie lächelte scheinbar unschuldig. "Du mutiger Held." neckte sie sanft und zwinkerte Ben zu. "Dieses Mal wollte ich dich nur ein wenig aufziehen."
Dann verdrehte sie leicht die Augen. "Auch eine Lady kann einen kleinen Kratzer auswaschen, weißt du?"
Sie lächelte leicht und schob ihn zu einem der Stühle hinüber, damit er sich setzte. Mittlerweile war der Diener mit dem Wasser und den Tüchern auch eingetroffen und Leanna bat ihn darum die Sachen neben Ben auf den Tisch zu stellen.
Dann machte sie sich umsichtig an die Arbeit, tauchte das erste Tuch in die Schale und begann zunächst die noch unversehrte Haut um den Kratzer herum zu säubern, ehe sie sich an die Verletzung selbst wagte, um sie zu reinigen.

Ben


Ben hob die Schultern und grinste schief. "Du wirst schlagfertiger, früher warst du immer nur beleidigt.", neckte er dann sanft. Sie war einfach wie eine kleine Schwester, schon seit Jahren, und so behandelte er sie auch.
Er ließ sich folgsam auf den Stuhl sinken. "Daran zweifle ich nicht, aber eine Lady hat in der Regel weniger Erfahrung darin, nicht wahr?"
Ben hielt folgsam ruhig, auch wenn es ein wenig brannte. "Hm, vielleicht doch nicht so viel feine Lady. Du wärst auch eine brauchbare Krankenpflegerin.", murmelte er amüsiert.
"Danke für deine umsichtige Versorgung."

Leanna

Leanna schürzte amüsiert die Lippen. "Ich lerne von dem Besten." gab sie keck zurück, wurde aber ernst als sie an die Versorgung der kleinen Wunde ging, um sich zu konzentrieren. "Mag sein, aber das hier ist gerade noch so im Rahmen meiner Heilkünste."
Als sie fertig war, trat sie einen halben Schritt zurück und lächelte leicht. "Stets zu Diensten. Wobei ich doch sehr hoffe, dass ich nicht allzu oft Anlass habe, dich zu pflegen, Sir Ben." bemerkte sie mit leicht hochgezogenen Brauen.
Allerdings war es auch eine schöne Vorstellung, dass sie an seiner Seite sein könnte, um solche kleinen Blessuren nach jedem Turnier zu versorgen ...

Ben


Ben lachte auf. "Das freut mich zu hören. Man sieht auch deutliche Fortschritte.", bemerkte er und nickte dann. "Ich merke es, du machst das gut."
Als sie schließlich fertig war, nickte er und erhob sich dann. "Ich hoffe doch auch nicht, dass ich deine Dienste zu oft in Anspruch nehmen muss. Wenn ich beim nächsten Mal ein Turnier reite, werde ich ja hoffentlich gewinnen. Dann widme ich dir den Sieg, Lady Leanna."
Ben lächelte zufrieden.
"Und nun werde ich gehen, ich sollte mich umziehen. Wir sehen uns heute Abend beim Fest, ihr müsst ja sicher auch noch Vorbereitungen treffen."

Leanna

Leanna senkte kurz den Blick um sich zu sammeln, dann sah sie Ben jedoch wieder an und lächelte, wenngleich sie das Gefühl hatte, dass alles in ihr herum gewirbelt wurde. "Wenn das so ist, kann ich deinen Sieg kaum noch erwarten. Aber so oder so, ich werde zusehen und dir alles Glück der Welt wünschen." erklärte sie entschlossen.
Leanna nickte und schenkte Ben noch ein letztes Lächeln bevor er ging. "Bis heute Abend." erwiderte sie und sah ihm nach bis die Tür hinter ihm zu fiel. Kurz schloss sie die Augen und atmete tief durch, dann machte sie sich eilig daran, die Schüssel und die Tücher zur Seite zu räumen, damit sie ihrem Stiefvater noch nicht in die Augen sehen musste. Sie konnte sich schon vorstellen, was sie dann zu hören bekam.

Charles hatte die Szene zwischen Ben und Leanna aufmerksam beobachtet, sich aber im Hintergrund gehalten. Er würde darüber unbedingt mit Mary sprechen müssen. Es war so offensichtlich, dass Leanna Ben regelrecht anhimmelte.
Wie sein junger Ritter darüber dachte, war schwer zu deuten. Wirkliche Ambitionen auf Annäherung konnte er nicht sehen, Ben benahm sich eher wie ein großer Bruder.
Als Ben ging, fiel ihm sofort auf, dass Leanna seinen Blick mied und grinste verstohlen. Da würde ihnen noch einiges bevorstehen, da war er sicher.
"Sei ihm nicht gram, ich glaube, er will dich nicht wirklich ärgern, nur ein bisschen aufziehen. Aber vielleicht solltest du versuchen ihn nicht ganz so offensichtlich anzuhimmeln, Lea...", sagte er sanft. Er liebte das Mädchen sehr und er wollte wirklich nicht, dass Ben ihr weh tat, absichtlich oder unabsichtlich.
"Sei nicht enttäuscht, wenn er es nicht begreift."

Leanna

Leanna hob den Kopf und sah zu ihrem Stiefvater hinüber. "Ich weiß, dass er -" Sie brach ab und wurde beinahe knallrot. Mit geweiteten Augen sah sie Charles an. "Ich himmle ihn doch gar nicht an ..." brachte sie ein wenig heiser hervor. Ein bisschen peinlich war es ihr ja doch, dass es scheinbar so offensichtlich war und dass Charles es sogar ansprach. Er war immerhin für sie zum Vater geworden. Vom ersten Tag an hatte sie diesen meist so stillen, ruhigen Mann in ihr Herz geschlossen, denn er hatte sie einfach ohne Vorbehalte angenommen und ihr sofort Sicherheit vermittelt. Außerdem hatte Leanna vom ersten Moment an gespürt, dass Charles auch ihrer Mutter gut tat und wenngleich das damals etwas gewesen war, das sie nicht in Worte hatte fassen können, so war es doch ein Gefühl gewesen, das sie verspürt hatte. Ein gutes Gefühl.
Sie räumte die Schale und die Tücher zur Seite, damit einer der Diener sie später mitnehmen konnte, dann kam sie langsam zurück und blieb etwas zögerlich vor ihrem Stiefvater stehen. "Was ... was sollte er denn nicht begreifen?" fragte sie dann langsam, unsicher, ob sie über diese Sache wirklich mit Charles reden wollte. Eigentlich war das ja eher etwas für ihre Mutter, aber die war zusammen mit Tante Isabella noch etwas zurück geblieben, wenn musste Leanna also warten.

Charles hatte so eine Reaktion beinahe erwartet. Es war eine seltsame Situation, mit Leanna über solche Dinge zu sprechen, aber er war immerhin ihr Stiefvater, oft mehr als das. Er kannte Leanna und auch Ben gut, vielleicht verleitete ihn das dazu, diese Sache nicht Mar zu überlassen. Er hegte sowieso leichte Zweifel, ob Mary so gelassen reagieren würde, wenn ihre Älteste nun damit anfing sich ernsthaft für Männer zu interessieren.
"Ach Kind...ich habe so viel gesehen in meinem Leben, glaubst du, du kannst mich täuschen?", erwiderte er lächelnd. "Für mich ist es offensichtlich, dass du ihn anhimmelst. Man kann es dir nicht verübeln, aber du solltest es ein wenig besser verbergen.", riet er ihr.
Als sie nun so unsicher vor ihm stand, legte er die Hand tröstend an ihre Wange. "Dass er für dich nicht mehr nur der große Bruder und beste Freund ist, der er all die Jahre war. Ist es nicht so?"
Und er hoffte wirklich, dass sich diese Schwärmerei legte oder Ben seine Zuneigung im selben Maße entdeckte, sonst würde das eine sehr große Enttäuschung für Leanna werden. Eine, die er ihr gern ersparen wollte.

Leanna

Leanna rang einen Moment mit sich, dann seufzte sie leise und schüttelte den Kopf. "Nein, vermutlich nicht." räumte sie ein und kaute unruhig auf ihrer Unterlippe herum als Charles eine Hand an ihre Wange legte. Unweigerlich sah sie ihn wieder an. Sie zögerte, war unentschlossen, ob sie sich ihm anvertrauen sollte, aber letztlich ... er war ihr Vater, vielleicht sogar auf gewisse Weise mehr als das, er war ihr Vertrauter, ein Fels in der Brandung und seine Hand an Leannas Wange brachte sie schließlich dazu zu nicken.
"So ist es." stimmte sie ihm leise zu und sah Charles unsicher an. "Bist du ... mir deshalb böse?" fragte sie nachdenklich. Eigentlich wirkte er nicht so, aber Leanna ahnte irgendwie, dass dieses Thema kompliziert war, gerade für Eltern.

Charles konnte Leanna ansehen, wie es in ihr arbeitete und sie überlegte, was sie tun sollte. Doch er stellte zufrieden fest, dass sie ihm tatsächlich vertraute. Das zeigte ihm, dass er bei den Mädchen wohl einiges richtig gemacht hatte.
"Ach, was für ein Unsinn, Liebes..." Charles schüttelte nachsichtig den Kopf. "Ich bin dir doch nicht böse. Solche Dinge gehören zum Leben dazu und du wirst Erfahrungen sammeln müssen. Ich kann es dir nicht übel nehmen, ich sehe ja selbst, was aus Ben für ein stattlicher Kerl geworden ist. Aber ich will einfach nur nicht, dass du unglücklich wirst. Ich will dich vor der Enttäuschung schützen, deshalb warne ich dich. Sei vorsichtig, Lea..."
Er ahnte, dass Leanna Ben einfach zu jung war, um mehr in ihr zu sehen und das würde noch eine harte Zeit für seine Stieftochter werden.

Leanna

Leanna atmete erleichtert aus und ehe sie richtig darüber nachdenken konnte, trat sie zu Charles und setzte sich auf dessen Schoß. Das hatte sie als kleines Kind immer sehr leidenschaftlich getan, wenn er ihnen Geschichten erzählt hatte, aber auch, wenn sie Trost gebraucht oder einfach etwas Geborgenheit gesucht hatte.
Sie legte die Arme locker um den Hals ihres Vaters und bettete ihren Kopf an seine Schulter. "Wieso sollte ich unglücklich werden?" fragte sie ihn dann leise und sah zu ihm auf. "Was für Enttäuschungen meinst du? Glaubst du etwa, er ... mag mich nicht?" Leanna war klar, dass Ben sie gut leiden konnte, sie kannten sich immerhin schon ihr ganzes Leben lang und sie waren immer auf eine gewisse Art Freunde gewesen. Aber für Leanna hatten die Gefühle zu Ben mittlerweile eine andere Ebene erreicht, die für sie so neu war, dass sie noch nicht wirklich damit umzugehen wusste.

Charles legte die Arme um seine Stieftochter, als sie sich vertrauensvoll auf seinen Schoß setzte. Es gefiel ihm, dass sie so ein inniges Verhältnis pflegten, das war keinesfalls selbstverständlich.
"Ich denke schon, dass er dich mag. Aber vielleicht nicht so wie du ihn magst. Du bist noch sehr jung, Leanna, und Ben hat in dir immer eine Art kleine Schwester gesehen. Du könntest sehr enttäuscht sein, wenn er an dieser Vorstellung festhält.", versuchte er zu erklären.
"Ben will dich sicherlich auf keinen Fall kränken, aber so eine Sache braucht eben immer zwei Seiten."  Und Ben war eben schon ein Mann, während Leanna gerade erst erwachsen wurde. Das konnte schon der ausschlaggebende Punkt sein.
"Aber die Erfahrung musst du dann selbst machen..."

Leanna

Leanna schweig einen Moment lang und dachte über das nach, was Charles ihr da sagte. Es war ein merkwürdiger Gedanke, dass Ben sie womöglich noch immer für ein kleines Mädchen hielt, sie wie seine jüngere Schwester betrachtete, während sie ihn doch schon so lange so innig in ihr Herz geschlossen hatte. Aber sie verstand, worauf Charles hinaus wollte.
"Denkst du" begann Leanna dann zögerlich, denn diese Situation war für sie mehr als neu und eigentlich war es ungehörig so etwas zu fragen. "er könnte seine Meinung ändern? Sehen, dass ich nicht seine kleine Schwester bin?" fragte sie und seufzte dann leise. "Wobei ich vielleicht zu erst fragen sollte: hättest du denn etwas dagegen? Ich sollte dich wohl sonst kaum nach Ratschlägen fragen, hm?"

Charles ließ Leanna einen Moment Zeit zum nachdenken. "Hm, das ist eine schwierige Frage. Aber ich schließe das nicht aus. Manchmal dauert es eben länger, bis man erkannt, was man möchte und was gut für einen ist. Ich halte es wirklich nicht für unmöglich, dass er seine Meinung irgendwann ändert. Du wirst schließlich auch älter, reifer und immer schöner.", gab er zu bedenken.
Charles lachte leise und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr.
"Denkst du, ich würde dir Ratschläge geben, wenn ich so dagegen wäre? Ich will, dass du glücklich bist. Wenn es irgendwie möglich ist, will ich, dass du den Mann heiratest, den du liebst. Ich möchte, dass du aber vorsichtig bist und dich nicht blindlings in irgendetwas hinein stürzt. Ben ist manchmal auch ein wenig draufgängerisch."