William und Joanna ~ 1170

William lief unruhig wie ein wildes Tier im Käfig auf und ab und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Eins stand fest, er durfte nicht zulassen, dass Joanna abreiste. Würde das passieren, würde es einen Keil zwischen sie treiben von dem er nicht wusste, ob er noch einmal zu entfernen war. Doch genauso wenig konnte er darüber hinweg sehen, dass sein eigen Fleisch und Blut gerade das erste Mal unter seinem Dach verweilte und er seit fast dreizehn Jahren nicht einmal gewusst hatte, dass es diesen Jungen gab.
Er war so vertieft, dass er das Klopfen an der Tür überhaupt nicht wahrnahm und erst bemerkte, dass jemand zu ihm wollte, als sich die Tür leise quietschend öffnete. Zornig fuhr er herum.
"Was ist denn heute so schwer daran zu verstehen, dass ich nicht gestört werden will? Seit ihr alle auf den Kopf gefallen oder was zum -" William stockte als er John erkannte. "Ihr seid es." bemerkte er wenig geistreich und deutetet dann fahrig auf einen Stuhl. "Setzt Euch ... was ... führt Euch zu mir?"

John war ein wenig durcheinander, als er schließlich William aufsuchte. Auf dem Gang war ihm gerade ein unbekannter Junge mit seiner Mutter über den Weg gelaufen. An sich nicht ungewöhnlich, sie konnte ja eine neue Magd sein. Ungewöhnlich und schockierend war, dass der Junge William wie aus dem Gesicht geschnitten war - und daran gab es keinen Zweifel.
Das war auch der Grund, warum er auf dem Weg zu seinem Herrn war. Er musste mit ihm sprechen, ahnte aber schon nichts Gutes, als er eine unwirsche Antwort bekam und William unruhig auf und ab laufen sah.
"Ja, ich bin es. Aber wenn es Euch nicht passt, kann ich auch später wieder kommen.", beschwichtigte er mit sanfter Stimme, setzte sich dann aber auf den Stuhl.
"Das ist nicht so einfach...", begann er schließlich. "Auch wenn es jetzt etwas verrückt klingt, aber...mir ist gerade ein Junge über den Weg gelaufen. Und ich schwöre, er sieht Euch so ähnlich, dass...wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, er sei Euer Sohn. Allerdings wirkt Ihr auch sehr beunruhigt. Hat das etwas damit zu tun? Was ist passiert? Ist etwas mit Joanna? Geht es ihr nicht gut?"

William hielt kurz inne und bedachte John mit nachdenklichem Blick. "Nun, meine Gemahlin würde wohl sagen, dass es ihr schlecht geht, aber zumindest gesundheitlich geht es ihr gut ... aber Ihr könnt sie danach ruhig selbst fragen, wahrscheinlich ist sie gerade dabei ihre Sachen zu packen, um abzureisen.
Und das da draußen ... das ist mein Sohn gewesen, der Euch über den Weg lief." erklärte William und lief dann wieder unruhig auf und ab. William merkte, dass seine Hand zitterte, so unruhig war er wegen dieser ganzen Sache. Er steckte in einer unglaublich riesigen Zwickmühle, denn er konnte und wollte Joanna nicht verlieren, aber ...

John schluckte, als ihm plötzlich so viele Neuigkeiten zuteil wurden. Das klang gar nicht gut... "Sie...reist ab?? Und Ihr haltet sie nicht auf? Was ist denn in Euch gefahren? Ihr wollt sie gehen lassen? Aber...warum?" Das verstand er nun wirklich nicht, die Beiden hatten in letzter Zeit doch so glücklich gewirkt.
"Ihr könnt sie jetzt nicht gehen lassen, Mylord. Sie braucht Ruhe, es ist nicht klug jetzt eine anstrengende Reise anzutreten. Die gefährlichste Zeit für sie ist noch nicht vorüber.", meinte John besorgt. "Der Junge ist also wirklich Euer Sohn...will Joanna deshalb gehen? Der Junge wurde doch vor Euer Ehe gezeugt..."
Das war wieder einmal so typisch für die Beiden. Irgendwie schienen ihnen ein paar Monate Ruhe nicht vergönnt zu sein. "Ihr wisst doch, dass Joanna im Moment leicht überreagiert, das ist auch normal. Ich bin mir sicher, wenn ihr so gestritten habt, hat längst die Verzweiflung bei ihr eingesetzt. Ihr müsst sie aufhalten. Sonst macht Ihr euch Beide unglücklich, Mylord. Und die Kinder brauchen auch einmal ein bisschen Ruhe in ihrem Leben. So schlimm wird es schon nicht sein."

"Ich kann sie nicht gehen lassen?" echote William und klang dabei verächtlich. "John, das letzte was ich tun will, ist sie gehen zu lassen. Ich werde sie mit Freuden daran hindern ... wenn Ihr mir verratet wie. Sie will ja nicht einmal mit mir reden. Ich solle mich zwischen ihr und meiner Hure und meinem Sohn entscheiden.
Wie John, kann ich den Jungen einfach wieder vor die Tür setzen? Er ist nun einmal mein Fleisch und Blut, daran kann ich nun auch nichts mehr ändern. Wie kann sie ihm das Recht absprechen mich kennen zu lernen?" fragte er irritiert und begann wieder auf und ab zu laufen.
"Mir wäre ja ohnehin egal, was sie möchte und ich würde ja sowieso in allem so entscheiden wie ich will, egal, ob sie dagegen ist oder nicht. Sie hat mir quasi vorgeworfen, dass ich keinen Wert auf sie lege." William klang nun beinahe verzweifelt angesichts dessen, was er John erzählte.

John kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe, während er William schweigend lauschte. Wieder einmal eine so vertrackte Situation..."Sie ist aufgebracht und dass sie im Moment recht empfindlich ist, wisst Ihr doch auch. Ich bin sicher, sie hat Vieles nicht so gemeint, wie sie es gesagt hat. Es ist schwer für sie, plötzlich mit einem Eurer Kinder konfrontiert zu werden und noch dazu gleichzeitig noch mit der Mutter. Dass sie die Beiden nicht unbedingt in ihrer direkten Nähe wissen will, ist ja durchaus verständlich. Sie musste doch schon einmal eine uneheliche Tochter von Euch hinnehmen. Dass das nicht leicht für sie ist, wo sie Euch doch in jeder Situation immer absolut treu und loyal war, ist doch klar. Sie wird sich schon wieder beruhigen, aber Ihr müsst sie aufhalten. Vielleicht lässt sie jetzt wieder ein Gespräch zu."
John seufzte. "Warum schafft Ihr es eigentlich immer, Euch so in Schwierigkeiten zu bringen? Redet mit Ihr über den Jungen, wenn sie Euch lässt. Und sagt ihr, was er Euch bedeutet. Sie liebt doch Kinder. Sie wird sich einkriegen...Denn vor allem liebt sie Euch."
Er schaute William auffordernd an. "Wartet nicht zu lange."

William rang nach passenden Worten und schüttelte kurz den Kopf. "Aber warum zum Teufel dreht sie mir einen Strick aus dieser Sache, obwohl ich damals mit Isabel verheiratet war? Natürlich taucht der Junge jetzt auf, aber das konnte ich ja nun wahrlich nicht ahnen. Hätte ich davon gewusst, wäre er schon viel früher hier her gekommen. Sie tut ja gerade so als hätte ich sie betrogen." William fuhr sich angestrengt mit den Fingern über die Augen.
"John, es gibt kein einziges Argument mit dem ich sie in dieser Sache überzeugen könnte ... sie hat damals schon klar gemacht, dass sie ein uneheliches Kind von mir nie in der Nähe haben will. Wenn sie jetzt schon beschließt abzureisen deswegen, wie soll ich ihr da erklären, wie wichtig es für mich ist? Letztlich wirft sie mir doch ohnehin vor, dass ich nur an mich selbst denke und sie mich nicht interessiert."

"In gewisser Weise habt Ihr das doch auch. Natürlich nicht im Sinne von Ehebruch, aber sie hat Euch damals schon über alles geliebt. Sie war im Kloster und dort hat sie absolut enthaltsam gelebt. Sie wusste, dass es da Isabel gab. Damit musste sie ja auch leben. Aber die anderen Frauen passten eben nicht in ihr Bild von Euch. Sie weiß davon zwar schon länger, aber sie konnte das Ganze doch immer gut vergessen. Nun, jetzt geht das nicht mehr. Wie soll sie das verdrängen, wenn sie diesen Jungen und vor allem seine Mutter in der Nähe hat? Manchmal seid Ihr wirklich unsensibel."
John verzog leicht das Gesicht. "Ich schätze, das ist das Problem. Er wäre schon früher hergekommen...und das, obwohl Ihr mir gerade selbst erzählt, dass Joanna Euch vor Jahren schon klar gemacht hat, dass sie das nicht will? Wundert Ihr Euch da, dass sie denkt, dass ihre Meinung Euch nicht interessiert? Ihr verlangt ganz schön viel von ihr."
Er seufzte und legte nachdenklich den Kopf zur Seite. So konnte es nicht weiter gehen. Und natürlich konnte William den Jungen nicht einfach vor die Tür setzen.
"Joanna wird sich wieder beruhigen. Nur dürft Ihr sie nicht gehen lassen, denn dann werdet ihr euch so schnell nicht wieder vertragen. Und Joanna braucht Euch jetzt. Wenn sie jetzt geht und das allein, weiß ich nicht, ob das für sie gut ist." John seufzte schwer und gab sich einen Ruck. "Soll ich mein Glück versuchen und mit ihr sprechen?"

William schüttelte den Kopf. "Ihr missversteht mich. Der Junge wäre umgehend hier her gekommen. Er wäre also schon längst hier gewesen als ich Joanna wieder getroffen habe. Isabel hätte ihn nämlich nicht vor die Tür gesetzt." bemerkte William und stellte fest, dass er fast ein wenig verbittert klang.
Er konnte verstehen, dass Joanna nicht unbedingt glücklich war und dass sie besonders die Mutter des Jungen nicht sehen wollte. Doch dass sie seinem Sohn gegenüber so reagierte ... das widerte ihn fast ein wenig an, schließlich konnte der Junge für all das nichts und hatte sehr wohl ein Recht darauf seinen Vater kennen zu lernen.
"Ich mag einiges von ihr verlangen, aber denkt Ihr nicht auch, dass sie nicht anders ist, wenn sie von mir erwartet den Jungen einfach wegzuschicken?"
William fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die Lippen und nickte schließlich. "Versucht es. Mich will sie ja ohnehin nicht sehen."

John seufzte leise. "Nein, aber Isabel musste auch nie um Euch kämpfen. Sie hätte auch nie gewagt sich dagegen aufzulehnen, dazu war sie doch, soweit ich weiß, viel zu traditionell erzogen. Und viel zu gutherzig. Joanna ist eben anders und das wusstet Ihr. Trotzdem habt Ihr Euch in sie verliebt. Und einen solchen Satz solltet Ihr Joanna gegenüber besser nicht in den Mund nehmen."
Er konnte beide Seiten gut verstehen, das war das Problem. Wieder einmal musste er wohl retten, was zu retten war.
"Sie hat überreagiert, Mylord. Ich bin sicher, dass sie sich beruhigen wird. Aber ein Schock ist es doch...Sie liebt Kinder und deshalb wird sie sich schon damit abfinden. Gibt es keine Möglichkeit den Jungen woanders einzuquartieren als in Joannas direkter Nähe? Aber nun gut, ich werde mein Glück versuchen."

Als John zurückkehrte, trug er eine recht finstere Miene zur Schau. "Sie wird bleiben.", teilte er dann mit und ließ sich seufzend wieder auf den Stuhl sinken. "Ich habe ihr gesagt, dass sie in nächster Zeit besser nicht reisen sollte, weil es für sie und das Kind zu gefährlich wird, gerade, wenn sie sich solchem Stress aussetzt wie jetzt. Ich habe mit ihr geredet, mehr kann ich für Euch nicht tun. Und ich will es auch nicht. Ich habe um Euretwillen schon genug übertrieben. Der Rest liegt bei Euch, also versöhnt Euch gefälligst mit ihr. Und es ist mir egal, wie Ihr das anstellt."
Er fuhr sich über das Gesicht und schloss einen Moment die Augen.
"Sie hat geweint...sie kommt nicht so gut mit der Situation zurecht und ihre Stimmungsschwankungen machen es nicht leichter. Es wird irgendeine Lösung geben. Nur müsst Ihr sie finden...gemeinsam mit Joanna."

William war ausgesprochen froh gewesen, dass John mit Joanna gesprochen hatte. Anders wäre er wahrscheinlich nie in der Lage gewesen noch einmal mit ihr zu sprechen. Nun gerade klopfte er leise an die Tür und trat dann ein - das Klopfen sollte mehr eine Vorwarnung sein als wirklich die Frage nach Erlaubnis.
Er trat zu ihr heran und bedachte Joanna mit nachdenklichem Blick. "Joanna, wir müssen darüber reden." murmelte er dann und hoffte, dass sie ihm auch die Gelegenheit geben würde und nicht direkt wieder abblockte. William konnte an ihren Augen sehen, dass sie geweint hatte und das machte ihm sehr zu schaffen, auch wenn er gerade noch ausgesprochen wütend auf sie gewesen war.

Joanna saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett, als William kam. Lediglich ihr Hund leistete ihr Gesellschaft, weil er ihren Aufruhr gespürt hatte. Sie hatte wirklich gehen wollen...aber John hatte ihr die Reise ausgeredet und ihr Kind wollte sie um keinen Preis in Gefahr bringen, dazu liebte sie es schon zu sehr.
Jetzt allerdings kreisten ihre Gedanken wieder um diesen Jungen und den Streit mit William. Er verstand sie nicht und sie, sie konnte ihn nicht verstehen, dabei waren sie sich doch in so vielen Dingen ähnlich.
"Worüber willst du denn noch reden?", erwiderte sie leise. "Du hast doch alles gesagt." Und ihr klar gemacht, dass er wollte, dass der Junge hier blieb. In diesem Punkt war er auch nicht zu Kompromissen bereit, so wie es aussah. Aber für sie war es ein Schlag ins Gesicht. Sie durfte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Frauen er gehabt hatte, während sie sechs Jahre lang um ihn getrauert hatte. Es war natürlich normal bei Männern seines Standes, aber es tat trotzdem weh.
Der Gedanke an Isabel war schon schlimm gewesen.

William legte den Kopf zur Seite und bedachte Joanna mit einem merkwürdigen Blick. "So siehst du das also?" fragte er ein wenig frustriert. "Das sich alles erledigt hat und ich meinen Kopf durchsetzte?" William schüttelte den Kopf. "Ich wollte vorhin mit dir sprechen und ich will es jetzt auch noch ... ich verstehe deine Position nicht und du die meine nicht, das müssen wir ändern.
Es geht so nicht weiter, es muss doch einen Weg geben mit dem wir beiden zurecht kommen können. Und damit wir diesen finden, bin ich her gekommen. Ich will nicht, dass du gehst und ich dich verliere, hörst du?" erklärte William dann.

"Und wie soll ich das verstehen? Ich will nicht ständig vor Augen haben, dass du viele andere Frauen hattest. Dass nicht einmal du weißt, wie viele Kinder du eigentlich hast. Verstehst du denn nicht, dass mich das schmerzt?"
Joanna seufzte leise. Sie konnte gar nicht recht in Worte fassen, wie sie sich fühlte.
"Du hast kein Wort dazu gesagt. Du hast einfach entschieden, dass der Junge hier bleibt. Du hast entschieden, als wäre es nicht auch mein Zuhause."
Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Es ist schwer für mich. Der Gedanke an Isabel war schon schwierig." Warum konnte denn nicht einfach einmal alles gut laufen?
"Ich kann nicht gehen...", erklärte sie. "Was für einen Weg soll es denn geben? Du bestehst auf ihre Anwesenheit hier, ich will sie nicht hier haben. Was willst du daran denn ändern? Der Junge ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten! Ich dachte immer, unsere gemeinsamen Kinder seien etwas Besonderes. Auch für dich! Und was ist jetzt? Wie viele deiner Bastarde werden noch hier auftauchen, William? Ich will das nicht. Das hier ist unser Zuhause. Das Zuhause unserer Familie. Und wie willst du den Kindern erzählen, dass sie einen Bruder haben, dessen Mutter weder Isabel noch ich bin?"

"Weißt du, das ist nun mal ein Teil von mir, damit wirst du leider leben müssen, denn ich kann es nicht rückgängig machen. Was ich in dieser Sache tun konnte, habe ich getan, nämlich damit aufzuhören. Aber das was während meiner Ehe mit Isabel war, kann ich nicht ändern. Und du wusstest, dass ich kein Heiliger bin." erklärte William nüchtern.
William strich sich die Haare aus der Stirn. "Ich habe lediglich entschieden, sie nicht direkt vor die Tür zu setzen. Ich wollte sie eigentlich nur untergebracht wissen, damit wir das erst einmal besprechen können. Besprechen, wie es weiter gehen könnte. Aber du bist ja sofort davon ausgegangen, dass ich dir in den Rücken falle und sie beide hier behalten will." erwiderte er leicht gereizt.
Im nächsten Augenblick biss er die Zähne aufeinander und starrte Joanna an. "Meine Kinder sind etwas besonderes für mich, aber ich kann nicht verstehen, wie du einen solchen Unterschied machen kannst! Beatrice und Robert sind auch nicht deine leiblichen Kinder, aber weil ich mit ihrer Mutter verheiratet gewesen war und du sie von klein auf kennst, ist es etwas anderes? Du gestattest dem Jungen ja noch nicht einmal zu für eine Nacht hier zu bleiben und zu sehen, wer sein Vater ist. Du gibst ihm nicht einmal eine Chance!" stellte William fest und klang dabei sichtlich enttäuscht. "Wie gut, dass mein Großvater sich anders entschieden hat - für seinen Bastard ... andernfalls würdest du heute sicherlich nicht mit mir verheiratet sein." bemerkte er dann ein wenig ruppig.

"Ja, das wusste ich und das habe ich hingenommen, auch wenn ich es ziemlich geschmacklos finde, dass du dich in den Betten anderer Frauen vergnügt hast, während ich mir die Seele aus dem Leib geweint habe und für jeden sündigen Gedanken an dich gebüßt habe. Aber sei es drum. Ich habe mich damit abgefunden, allerdings wusste ich da noch nicht, dass du jetzt der Meinung bist, mir die Folgen derart vorsetzen zu müssen.", erwiderte Joanna scharf.
"Und deshalb musst du sie gleich hier unterbringen? Es hätte auch genug andere Möglichkeiten gegeben sie zum Beispiel im Dorf unterzubringen. Ich finde es abgesehen davon auch ziemlich unangebracht, hier einfach ohne Vorwarnung aufzutauchen und dir diesen Jungen zu präsentieren. Und dann sagst du erst rein gar nichts dazu, obwohl du weißt, dass es nicht unmöglich ist, nimmst sie dann aber plötzlich in Schutz. Wie soll ich mich dabei denn auch fühlen?"
Warum konnte William sie denn nicht verstehen? So gern hätte sie einfach Augen und Ohren vor seiner Vergangenheit verschlossen, damit sie einfach nur glücklich sein konnten. Aber dieses Kind machte ihr das völlig unmöglich.
"Ich finde durchaus, dass das etwas Anderes ist. Soll ich die Folgen deiner Reise durch die Betten der Frauen in England und der Normandie auch noch freudestrahlend in der Familie willkommen heißen? Ich finde, du verlangst ein bisschen viel von mir. Ich habe sehr lange für meine Familie mit dir kämpfen müssen. Beatrice und Robert gehörten von Anfang an zu dir, als wir uns wiedergesehen haben. Wie kannst du sie mit diesem Jungen vergleichen? Es ist nicht nur dieser Junge. Was ist mit der kleinen Eleonore? Und außerdem...der Junge hat doch jetzt gesehen wer sein Vater ist. Wann kommt das nächste Kind? Morgen, nächste Woche, nächsten Monat? Wie viele noch? Und vor allen Dingen setzt du mir deine Hure vor die Nase. Du warst mit ihr im Bett. Und es ist egal, ob wir damals verheiratet waren oder nicht, du hast mir schon vorher gesagt, dass du mich liebst. Wenn du mehr Großherzigkeit von deiner Frau in solchen Dingen erwartest, hättest du mich vielleicht nicht heiraten sollen. Und du brauchst mir auch nicht zu unterstellen, dass ich etwas gegen Bastarde habe. Falls du dich erinnerst, wäre Edward fast auch nur einer gewesen.", stellte Joanna klar. Sie war auch enttäuscht...enttäuscht, dass er für sie so gar kein Verständnis zu haben schien.
"Was willst du eigentlich von mir? Was erwartest du denn? Soll ich ihn jetzt noch herzlich willkommen heißen oder wie stellst du dir das vor?"

William biss die Zähne aufeinander und schluckte mit Müh und Not hinunter, was ihm auf der Zunge lag. Das waren ohnehin ausgesprochen hässliche Dinge, die er besser nicht aussprach, sonst wäre es zwischen ihnen endgültig vorbei gewesen. Mühsam beherrscht fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht.
"Ich erwarte gar nichts. Ich hoffe, dass du dich damit arrangieren könntest, wenn er - meinetwegen auch im Dorf - für ein paar Tage bleiben kann, wenn er das überhaupt will, so dass ich die Gelegenheit habe mit ihm zu sprechen. Nicht mehr, nicht weniger.
Joanna, das ist mein Fleisch und Blut. Ich weiß, dass er für dich nun der kleine Bastard ist, der dich daran erinnert, dass ich mit anderen Frauen geschlafen hat. Aber für mich ist es mein Kind. Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass es diesen Jungen gibt, hätte ich ihn vermutlich schon im Kleinkindalter her geholt und du hättest ihn genauso wie Beatrice und Robert kennen gelernt ..."

"Ich kann damit leben, dass er im Dorf bleibt und vielleicht auch mal hierher kommt, mit dir spricht. Aber ich will seiner Mutter nicht ständig über den Weg laufen und ich will nicht, dass sie hier wohnen.", gab Joanna dann ein wenig erschöpft nach.
Schon dieses Zugeständnis fiel ihr sehr schwer, aber sie wollte ihn ja nicht verlieren und nur noch streiten. Joanna war müde.
"Habe ich aber nicht. Er taucht jetzt auf und bringt alles durcheinander, wo alles endlich einmal gut war. Wie soll es mit ihm denn weiter gehen, wenn du mit ihm gesprochen hast? Du kannst mir nicht erzählen, dass er einfach wieder gehen soll. So bist du einfach nicht. Und wir sind auch nicht mehr lange hier. Bald sind wir in der Normandie."
Joanna seufzte leise und schloss die Augen.
"Kannst du mich denn so gar nicht verstehen? Ich bin doch nicht dagegen, weil ich dem Jungen keinen Vater gönne."

"So bin ich nicht, das hast du richtig erkannt. Vielleicht verstehst du dann auch, wieso ich ihn nicht einfach wieder wegschicken kann." William begann langsam hin und her zu laufen und blieb dann wieder stehen, schüttelte den Kopf. "Ich versuche es. Ich versuche es wirklich. Aber ich kann nicht darüber hinweg sehen, dass es mein Sohn ist, der da vorhin vor uns stand. Ich kann ihn nicht wegschicken und so tun als wäre er nie dagewesen." stellte er klar.
Die Mutter des Jungen war ihm egal. Zumal Claire in der Tat nicht den Anschein machte, als wollte sie ihm etwas abpressen, immerhin hatte sie damals gewusst auf was sie sich einlässt. William glaubte dem Jungen, dass er alleine der Grund dafür war, dass die zwei hergekommen waren.

"Hör auf damit...ich muss das nicht erkennen, ich wusste das von Anfang an. Und ich weiß, warum du ihn nicht wegschicken willst. Aber was willst du denn tun? Du kannst ihn doch nicht auf ewig bei dir behalten und ihn gar noch mit in die Normandie nehmen. Und vergiss nicht, dass deine Kinder dich auch brauchen. Wie willst du ihnen denn Philippes Anwesenheit erklären? Sei vorsichtig, sonst werden sie eifersüchtig, weil du mit einem fremden Jungen Zeit verbringst."
Joanna fuhr sich müde durch das Gesicht und ließ sich erst einmal zur Seite sinken. "Das ist mir schon wieder alles viel zu viel. Warum können wir denn nicht ein einziges Mal unsere Ruhe haben? Nur ein paar Wochen oder Monate, ist das so viel verlangt? Scheinbar ist es das wirklich."
Joanna seufzte schwer.
"Kannst du mich nicht einfach einmal in den Arm nehmen? Das ist alles nicht leicht für mich. Und ich springe schon über meinen Schatten."

William öffnete den Mund, schloss ihn dann jedoch wieder und folgte schließlich ihrer Bitte, setzte sich und nahm Joanna in den Arm. Er schluckte schwer und hatte das Gefühl, dass ihm gleich furchtbar übel werden würde. "Ich ..." begann er langsam und fuhr sich unbehaglich mit der Zunge über die Lippen. Er wollte das nicht tun, aber wenn er Joanna so sah, plagte ihn das noch wesentlich stärker. "Ich werde ihnen sagen, dass sie morgen abreisen sollen." brachte er dann schließlich über die Lippen.
Es würde ihm schwer fallen, auch wenn er den beiden genügend Mittel zur Verfügung stellen würde, um eine angenehme Reise zu haben ... es fühlte sich einfach falsch an den Jungen weg zu schicken.

Joanna schmiegte sich seufzend an Williams Schulter. Sie brauchte diesen Moment einfach gerade, damit sie wieder zur Ruhe kam. Doch das sollte nicht wirklich von Erfolg gekrönt sein, denn als William ihr schweren Herzens sagte, dass er Claire und Philippe heim schicken würde, brach sie in Tränen aus. Eigentlich hätte sie darüber doch froh sein sollen, aber sie war es nicht, weil sie wusste, wie schwer es William fiel ihr jetzt doch so entgegen zu kommen.
"Nein. Das wirst du nicht tun. Du wirst mich irgendwann dafür hassen, wenn du es tust. Außerdem hätten wir dann völlig umsonst gestritten. Es ist doch in Ordnung, wir haben doch einen Kompromiss gefunden. Der Junge kann bleiben, wenn du ihn vorerst irgendwo anders einquartierst. Nicht hier...Aber wenn dein Herz so daran hängt, dann schick ihn nicht fort."
Es gefiel ihr zwar nicht, aber so war es eindeutig besser, als wenn er ihr das irgendwann vorwarf.

William sah Joanna verdutzt an, als sie in Tränen ausbrach. "Aber du bist doch so unglücklich darüber ... ich kann dich nicht so sehen." erwiderte er bedrückt. "Es hilft doch nichts. Ich weiß, dass du trotzdem unglücklich bist, wenn er in der Nähe ist und dir vielleicht über den Weg läuft. Das kann ich nicht riskieren, die beiden werden abreisen müssen." wiederholte William.
Vielleicht ... er war sich sicher, dass der Junge nicht schreiben und lesen konnte, doch wenn er ihm genug Gold mitgab und ihn anwies es zu lernen, würde er ihm schreiben können. Dann wusste er wenigstens, wie es dem Jungen ging. Und er würde ihn vielleicht irgendwann einmal besuchen können, wenn er ohnehin unterwegs war und sich die Gelegenheit bot.

"Ich habe doch gesagt, es ist gut...Ich bin nicht außer mir vor Freude, aber solange er woanders wohnt, kann ich damit leben. Das ist allemal besser, als wenn du unglücklich wirst. Du willst ihn doch so gerne kennenlernen und ich will nicht die Schuld daran haben, dass du es nicht kannst, weil du meinetwegen verzichtest. Also lass gut sein."
Joanna war jetzt überzeugter denn je, dass es nur schlimmer werden würde, wenn der Junge jetzt abreisen musste. Am Ende verlor sie William und das wiederum wollte sie auf keinen Fall riskieren. Sie brauchte ihn doch!
"Du wünschst es dir doch so sehr...also lern ihn kennen, wenn dir so viel daran liegt. Ich werde dich daran nicht hindern, ich will dich nicht verlieren, William."
Joanna wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte auch nicht, dass sie sich umsonst so gestritten hatten. "Was dann mit dem Jungen geschieht...darüber können wir ja in ein paar Tagen wieder sprechen, wenn du ihn besser einschätzen kannst."

"Aber ich will nicht, dass du meinetwegen schon wieder unglücklich bist. Dafür habe ich dir schon viel zu viel zugemutet." bemerkte er bedrückt. "Ich will, dass du glücklich bist und wenn ich dafür die beiden wegschicken muss, dann ist das so."
William fühlte sich dabei zwar nicht gerade wohl, aber er musste sich entscheiden. Und wenn er wählen musste, so war es immer Joanna für die er sich entscheiden würde. Daran bestand gar kein Zweifel für ihn, auch, wenn es manchmal schwer war.
"Ich liebe dich. Und dein Glück und deine Zufriedenheit sind für mich das wichtigste Maß." er strich ihr zärtlich über den leicht gerundeten Bauch. "Gerade jetzt."