William und Joanna - ab 1171 bis 1172

"Und weil du das dachtest, hast du den Hengst von der Weide geklaut und bist einfach los geritten?" fragte William barsch und stieg wieder auf Uriel, während er darauf wartete, dass Edward sich aufs Pferd bugsierte. 
Dann lenkte er seinen Rappen neben Chouchou und zog diesem kurzer Hand die Zügel über die Ohren, damit er ihn als Handpferd nehmen konnte. "Glaub ja nicht, dass du dir jetzt aus dem Rückweg noch einen Spaß machen kannst." knurrte William wütend. "Langsam weiß ich wirklich nicht mehr, was ich noch mit dir anstellen soll. Wie kommst du nur immer auf so dumme Ideen?"

"Ich habe ihn nicht geklaut!", protestierte Edward. "Ich habe ihn nur ausgeborgt. Ich wäre heut Abend ja wieder da gewesen."
Edward verzog das Gesicht, als sein Vater ihm die Zügel abnahm. Wie sah das denn aus? Als wäre er ein Schwächling. "Ich kann aber selber reiten." Chouchou war das gleich. Er kannte es inzwischen gut, dass William ihn als Handpferd mitnahm und trottete gemächlich neben Uriel her ohne sich nennenswert aus der Ruhe bringen zu lassen. Er schnaubte lediglich Uriel freundlich an, während Edward sich eine Rechtfertigung zurechtlegte.
"Ich wollte dir beweisen, dass ich schon groß genug bin. Wenn ich sogar Chouchou reiten kann und heil nach Hause bringe, hättest du mir bestimmt geglaubt. Ich habe mir die letzte Zeit ganz viel Mühe gegeben dir zu zeigen, dass ich mich zusammenreißen kann, aber du hast mich trotzdem nicht mit nach Oxford genommen.", erklärte Edward dann ein wenig schmollend.

William maß seinen Sohn nur mit einem strafenden Blick und ersparte sich jedoch einen Kommentar dazu.
Erst als Edward versuchte sich zu rechtfertigen, zog William eine Augenbraue in die Höhe. "Und du glaubst, du beweist mir etwas, wenn du ohne zu fragen den Hengst von der Weide nimmst? Noch dazu ein Pferd, das unberechenbar ist? Du musst wirklich noch eine Menge lernen." erwiderte er und schüttelte den Kopf. "Und dabei hatte ich gerade vorhin überlegt, dich mit nach Norfolk zu nehmen, wenn ich dort neue Pferde für unsere Zucht kaufe. Aber jetzt denke ich, sollte ich dich besser hier lassen." William seufzte leise und sah Edward an. "Und ich denke, Cuivre solltest du bis auf weiteres auch nicht mehr reiten."

"Aber er war doch ganz lieb. Ich dachte, wenn ich heil wieder Zuhause ankomme, kann ich ja stolz erzählen dass ich ihn geritten bin.", erklärte Edward leise und sah seinen Vater dann beinahe ein wenig schockiert an. 
"Aber...das ist...das ist nicht fair. Ich habe mit dir ganze Zeit Mühe gegeben und du hast mich trotzdem nicht mitgenommen. Robert war damals viel viel kleiner als ich, als er mit nach Surrrey zu Simon durfte. Alle dürfen weg. Sogar Beatrice darf in die Normandie. Robert darf auch und bekommt dann noch ein Schlachtross geschenkt. Und ich muss immer noch daheim bleiben."
Schock und schließlich tiefe Enttäuschung malten sich auf sein Gesicht, als sein Vater ihm die einzige Aufgabe auch wieder entzog. Als er Cuivre reiten durfte, hatte er sich wenigstens ein bisschen besser gefühlt.
Einen kurzen Moment stiegen die Tränen in ihm auf, dann aber hatte Edward sie wieder erfolgreich niedergekämpft. Er würde jetzt nicht weinen. Er war ja kein Baby mehr. "Mama soll ihn doch jetzt ohnehin öfter reiten.", sagte er leise. Schließlich hatte Cuivre erst kürzlich Espérance gedeckt. Edward war tief enttäuscht. Nichts wollte ihm gelingen und jedes Mal, wenn er wirklich etwas erreichen wollte, ging es schief. Und dann...dann traute ihm sein Vater gar nichts zu. Er hatte ihn mitnehmen wollen? Kurz vorher hätte er doch sowieso wieder einen Grund gefunden ihn hier zu lassen. Die Gelegenheit war jetzt natürlich günstig gewesen. Den Hengst zu nehmen war vielleicht nicht ganz richtig gewesen, aber Chouchou war doch so lieb.

William fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schwieg dann jedoch beharrlich. Es tat ihm in der Seele weh, seinen Sohn so zu sehen und die Vorwürfe, die Edward ihm machte, nagten an seinem Gewissen. Aber dennoch ... als er den jungen Hengst dort am See gesehen hatte, war ihm fast das Herz stehen geblieben vor Sorge.
William schwieg weiterhin bis sie den Burghof erreicht hatten. Dort lenkte er die Pferde in Richtung des Reitplatzes und hielt dort an. Das erste Mal sah er Edward nun wieder an und runzelte die Stirn, ehe er die Zügel von Chouchou wieder über dessen Hals warf.
"Wieso sollte ich dir noch einmal eine Chance geben?" fragte William trocken. "Ich habe dir Cuivre anvertraut und du hast deine Sache gut gemacht, so dass ich dachte, dass du endlich etwas begriffen hättest. Aber dann passiert wieder etwas, was dir nicht passt und schon wirfst du wieder jeden Anstand über Bord."
William seufzte und maß Edward mit ernstem Blick. "Also? Wieso solltest du noch eine Chance verdient haben?"
William war zugegebener Maßen mittlerweile auch ein wenig neugierig geworden, wie es seinem Sohn gelungen war den Hengst ohne Sattel bis zum See zu kriegen. Aber dennoch tobten die unterschiedlichsten Gefühle in ihm und William war hin und her gerissen, wie er nun weiter mit seinem Sohn verfahren sollte.

Edward hatte ebenfalls geschwiegen, bis sie Zuhause waren und sich innerlich selbst bemitleidet, weil er seine Chance vertan hatte. Als sein Vater die Zügel wieder über Chouchous Hals warf, nahm er sie vorsichtig wieder auf und tätschelte dem Hengst trotz allem dankbar den Hals.
"Das war doch nur, damit...damit ich vor den Anderen auch einmal was zu erzählen habe." Immerhin durften seine Freunde oft genug Dinge mit ihren Vätern unternehmen.
Er mochte es nicht, wenn sein Vater ihn nach dem Grund fragte, warum er eine Chance verdient haben sollte, denn damit hatte er immer das Gefühl es für sich selbst nur noch schlimmer zu machen.
"Ich habe mir doch wochenlang Mühe gegeben mich zusammenzureißen, damit ich dir beweisen kann, dass ich es verdient habe. Aber es hat gar nichts gebracht. Vielleicht hast du das nicht einmal mitbekommen. Aber ich hab doch das gemacht, was du wolltest. Ich bin schon zehn, aber ich weiß gar nichts und ich habe noch nicht mehr gesehen als mein Zuhause hier und in der Normandie. Du willst, dass ich eines Tages Oxford übernehme, aber wenn ich nichts davon weiß, kann ich das auch nicht."
Er schwieg einen Moment und senkte beschämt den Kopf. "In meinem Leben passiert gar nichts. Irgendwann werden meine Freunde mich auslachen, weil ich noch..." Seine Stimme wurde immer leiser. "...an Mamas Rockzipfel hänge." Erst vor ein paar Tagen hatte er sich solche Sticheleien anhören müssen und es ärgerte ihn, dass er dem nichts entgegen zu setzen hatte.
"Aber das letzte Mal wolltest du mir auch noch eine Chance geben. Ich habe mich wirklich tadellos benommen, du kannst John und Mama ruhig fragen. Und trotzdem bist du wieder ohne mich nach Oxford gegangen, obwohl du es versprochen hattest.", fügte er dann mit ein wenig brüchiger Stimme hinzu. Er würde jetzt doch nicht anfangen zu flennen wie ein Mädchen, das wäre ja noch schöner.

William hörte seinem Sohn aufmerksam zu und fühlte sich zusehend unwohl in seiner Haut. Genau das, was er Henry immer vorwarf, tat er selbst bei seinen eigenen Kindern auch ...
Er sah Edward einen Moment schweigend an und wog die Möglichkeiten ab, die sich ihm hier boten, dann deutete er mit einem Kopfnicken Richtung Platz.
"Na los, dann zeig mir, wie du mit ihm zurecht kommst." forderte er seinen Sohn dann auf.
Er musste endlich damit aufhören, den Jungen zu Hause behalten zu wollen.  Auch wenn seine Beweggründe andere waren als die Henrys, so war sein Handeln nicht besser als das seines Cousins.
William schluckte leicht und nickte Edward dann noch einmal auffordernd zu. "Du wolltest doch unbedingt davon erzählen können, dass du ihn geritten bist, nicht wahr?"

Edward sah seinen Vater verdutzt an, als dieser ihn aufforderte ihm zu zeigen, wie er mit Chouchou zurecht kam. "Ja, das wollte ich..."
Er war über dieses Einlenken mehr als überrascht, aber er war klug genug der Aufforderung zu folgen und lenkte den jungen Hengst auf den Platz, ließ ihn dann antraben und ein paar Kreise ziehen, die Richtung wechseln und wieder durchparieren. Anfangs war der Rappe recht unwillig bei der Sache und schlug mit dem Schweif, stockte immer wieder, aber nach einem festeren Schenkeldruck gab er nach und ließ das Gelernte zum Vorschein kommen. Er gehorchte dem Jungen und ließ sich dann auch eine Runde über den Platz galoppieren.
Edward tätschelte ihm zufrieden den Hals. Er hatte doch gewusst, dass Chouchou eigentlich ganz lieb war. Natürlich war es nicht perfekt, aber er war brav.

William beobachtete seinen Sohn aufmerksam und gab einem vorbeieilenden Stallburschen ein Zeichen. Der Junge kam erstaunlich gut mit dem Rappen zurecht und William wollte heraus finden, wie gut tatsächlich. 
Als der Stallbursche mit den Trainingslanzen zurück kehrte, nahm William ihm eine ab und ritt mit Uriel zu Edward hinüber. Er bedachte die Lanze in seiner Hand mit nachdenklichem Blick - er musste sich eingestehen, dass er gar nicht wusste, ob und wie gut sein Sohn schon mit einer Lanze umgehen konnte.
"Hier." er hielt Edward die Lanze entgegen, damit dieser sie übernehmen konnte und nickte zu den aufgehängten Ringen in der Mitte des Platzes. "Weißt du, wie du damit umzugehen hast?" fragte er und seine Stimme klang nun wieder deutlich gelassener.

Edward staunte nicht schlecht und warf seinem Vater einen verunsicherten Blick zu. "Ich..." Er nahm die Lanze entgegen und betrachtete sie nachdenklich. "Ich habe noch nicht oft damit geübt. Geoffrey hat das erst zweimal mit mir gemacht. Und noch nie ohne Sattel und mit einem Pferd, das es selbst nicht kennt. Aber...ich kann es versuchen, wenn du willst."
Er wog die Übungslanze in der Hand und seufzte leise. Es würde schwer werden zu treffen, zumal er die Lanze noch nicht gut ausbalancieren konnte Trotzdem wollte er es versuchen und wandte sein Pferd ab, um sich aufzustellen und Chouchou schließlich anzutreiben.
Er traf nicht, aber immerhin gelang es ihm sein Pferd auf gerader Linie zu halten.

William nickte und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen als Edward sein Pferd abwandte. Ehrgeizig war der Junge ohne Zweifel.
Er beobachtete Edward aufmerksam und nickte zufrieden als er zurück kehrte. "Nicht schlecht für den Anfang." erklärte William anerkennend. Dann lehnte er sich im Sattel zu Edward hinüber und korrigierte seine Handhaltung ein wenig. "So hast du mehr Stabilität und versuche dein Pferd ruhig für den Anfang langsamer zu halten. Das Tempo kannst du immer noch erhöhen. Versuch es noch mal." forderte er Edward auf und ließ Uriel zur Seite treten.
Vielleicht hatte sein Sohn ja Recht, er sollte ihm wirklich etwas mehr zugestehen. Aber es fiel William leicht ihn einfach ein wenig zurück zuhalten, um ihn ja nicht in die Welt hinaus schicken zu müssen.

Edward nickte entschlossen und versuchte es noch einmal, diesmal bemüht, Chouchou etwas langsamer zu halten, auch wenn die Temporegulierung sich noch etwas schwierig gestaltete. Und es funktionierte. Er trat den Ring und parierte sein Pferd wieder durch, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Stolz streichelte er Chouchous Hals. "Gut gemacht, mein Junge."
Er lachte und lenkte den Hengst zu seinem Vater hinüber.
"Hast du das gesehen? Ich habe es geschafft! Und er auch, obwohl er das noch nie gemacht hat. So widerspenstig ist er doch gar nicht!"

William konnte nicht anders als zu grinsen und Edwards Lachen erfüllte ihn zusätzlich mit großer Zufriedenheit. "Sehr gut gemacht, Kurzer." lobte er grinsend und lehnte sich im Sattel nach vorne, um den Ring von Edwards Lanze zu fischen. "Hier, den solltest du behalten." er übergab seinen Sohn den Ring und nahm dann die Lanze an sich.
"Und nun sie mal zu ..." wies er ihn an, wendete Uriel auf kleinem Kreis und ließ ihn dann in gestrecktem Galopp auf die restlichen Ringe zu donnern. 
William spießte zunächst einen Ring auf, drehte Uriel rasch herum, um dann auch den zweiten Ring einzusammeln. Dann ritt er grinsend zu Edward zurück. "Ich hoffe, du hast gut zugesehen." begann er lächelnd. "Du hast vier Wochen Zeit. Ich will dich jeden Morgen üben sehen. Zweimal in der Woche werde ich selbst mit dir trainieren, die anderen Tage werde ich Geoffrey oder Brian schicken, um dir beim Training zu helfen." entschied William dann. "Wenn du in vier Wochen alle drei Ringe hinter einander einsammeln kannst, brechen wir beide nach Norfolk auf. Und du wirst Chouchou reiten."
William wusste genau, dass Joanna ihm den Kopf abreißen würde, sobald sie davon hörte, aber er sah es als genau die richtige Herausforderung für seinen Sohn an. Und Edward kam wirklich hervorragend mit Chouchou zurecht, es war beeindruckend.

Edward schien unter dem Lob seines Vaters noch zu wachsen und beobachtete dann fasziniert dessen Vorführung. Einen kurzen Moment war er mehr als überrascht, freute sich dann aber überaus über die Chance, die sein Vater ihm gewährte. Er hatte vier Wochen Zeit mit Chouchou zu trainieren und ein sichtbares Ergebnis zu erzielen. Das sollte eigentlich genügen, zumal der junge Hengst seine Sache gut machte.
"Das habe ich. Und ich freue mich schon sehr auf das Training. Ich werde mein Bestes geben." Er wollte ja so gerne diese Reise mit seinem Vater machen und wenn er sie dann noch auf Chouchou unternahm, würden seine Freunde  überaus neugierig sein. Und beeindruckt.
"Ich werde dich nicht enttäuschen, Papa." erklärte er stolz.

William lächelte und klopfte Edward auf die Schulter. "Etwas anderes erwarte ich auch gar nicht." gab er zurück und übergab die Lanze dann dem Stallburschen, um selbst aus dem Sattel zu steigen. "Ich denke, du solltest Chouchou heute ruhig eine extra Hand voll Hafer geben, so artig, wie er bei deinem Unsinn mitgemacht hat. Und versorg ihn gut, in nächster Zeit wird er voll und ganz in deiner Obhut sein." erklärte William und gab Uriels Zügel dem Stallburschen, damit er selbst sich dem Rest seiner Arbeit widmen konnte. Darüber hinaus sollte er auch wohl besser als erstes bei Joanna ankommen bevor irgendjemand ihr von dieser Sache berichten konnte. Es würde ihn nicht wundern, wenn jemand Edward und ihn beobachtet hatte und nichts besseres zu tun hatte als Joanna davon Bericht zu erstatten.

Joanna summte leise vor sich hin, während sie die Spielsachen der Knder aufsammelte und für ein wenig Ordnung sorgte. William war wohl mit Uriel unterwegs, Edward war sicherlich bei Cuivre und die Anderen waren auch alle beschäftigt, perfekte Bedingungen um ein wenig Ordnung zu schaffen.
Als sie gerade ein paar Sachen in die Küche trug, warf ein überraschter Brian ihr einen Blick zu. "Ich wusste gar nicht, dass Edward sich neuerdings um den jungen Rappen kümmert.", bemerkte er und Joanna erstarrte.
"Wie war das?" Brian hob die Schultern." Naja er reitet doch gerade Chouchou." Sie schüttelte den Kopf. "Nein, nein, das kann nicht sein. Du hast dich sicherlich versehen." Aber eines stand fest: Sollte William ihr mal nach Hause kommen....Dann würde er zuerst einmal Frage und Antwort stehen müssen.

Als William wenig später das Gemach erreichte, zog er leicht die Augenbrauen in die Höhe. "Ah, du hast aufgeräumt ... hoffe ich nur, dass ich auch alle meine Sachen wieder finde. Nicht, dass du sie zu gut weg gepackt hast." scherzte er, ließ den Blick durch den Raum gleiten und ging dann zu Joanna hinüber, um ihr zur Begrüßung einen Kuss zu geben. Besser er stellte sich jetzt schon versöhnlich mit ihr, dann würde er vielleicht wenigstens seinen Kopf behalten können, wenn sie hörte, was vorgefallen war.
Dafür, dass Edward den Rappen von der Wiese geholt hatte, konnte William ja nichts, aber dass er ihn dann auch noch weiter hatte üben lassen und dem Jungen sogar für die nächsten Wochen das Pferd überlassen hatte ... das würde Joanna gar nicht gefallen.

Joanna lächelte und ließ sich zur Begrüßung einen Kuss geben, auch wenn sie eigentlich ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte. Wenn er so war, war es schwer, eine Diskussion anzufangen. "Bisher hast du dich nie beschwert, wenn ich aufgeräumt habe. Du hast noch immer alles gefunden. Allerdings könntest du das nächste Mal auch selbst aufräumen, dann stellst du das sicher.", erklärte sie grinsend, wurde dann aber ein wenig ernster. 
"Aber sag mal..Brian hat mir eben eine merkwürdige Sache erzählt. Er hat mich gefragt, ob Edward sich jetzt um Chouchou kümmert, weil er ihn gerade reiten würde. Du warst doch nicht so absolut dämlich unseren Sohn ausgerechnet auf dieses Pferd zu setzen, oder?"

William runzelte die Stirn und legte den Kopf ein wenig schief. "Ich glaube, das überlasse ich lieber dir. Bisher ist ja immer alles gut gegangen. Wenn ich aufräume, finde ich wahrscheinlich eher nichts wieder." scherzte William lachend und küsste Joanna noch einmal.
Im nächsten Moment hätte er am liebsten laut aufgestöhnt, verzog dann jedoch einfach nur das Gesicht. "Um genau zu sein, war er so dämlich den Hengst von der Weide zu holen und zu reiten. Ich habe ihn mit Chouchou zusammen am See aufgesammelt." erklärte William stirnrunzelnd.
"Ich muss allerdings zugeben, dass ich ihn hier noch einmal auf ihm habe reiten lassen. Ich war neugierig, wie er es bis in den Wald geschafft hat ... Edward kommt wirklich hervorragend mit ihm zu recht. Fast als wären sie beide füreinander geschaffen."

Joanna lächelte. "Das habe ich mir fast gedacht. Und bisher hast du noch alles wiedergefunden. Bei dir würde allerdings das Suchen hinterher wohl länger dauern als das Aufräumen. Dann würde ich nichts mehr finden."
Sie verschränkte die Arme, warf William dann aber einen entsetzten Blick zu. "Er ist ganz allein mit Chouchou in den Wald geritten? Ist er denn wahnsinnig?", fragte sie tonlos. "Aber es geht ihm doch gut, oder? Wie kommt er denn auf diesen Unsinn?"
Einen Moment später hielt sie inne und verengte die Augen zu Schlitzen, während William einen scharfen Blick erntete. "Das ist jetzt nicht wahr. Du unterstützt ihn dabei auch noch? Hast du den Verstand verloren? Ein so junger Hengst ist nichts für einen zehnjährigen Jungen! Du warst neugierig? Und dafür bringst du ihn in Gefahr? Er kommt mit ihm zurecht, ha. Ja, das kam ich am Anfang auch und ich habe mir trotzdem fast den Hals gebrochen! Und du riskiert auch jedes Mal deinen Hals. Wie kannst du Edward solcher Gefahr aussetzen? Ich hatte mehr Vernunft von dir erwartet! Sorg gefälligst dafür, dass er nie wieder auch nur auf die Idee kommt Chouchou zu reiten."

"Daran sieht man es mal wieder, ohne dich wäre ich aufgeschmissen." erwiderte William lächelnd bevor er eine Augenbraue in die Höhe zog als Joanna ihn so scharf ansah.
William lehnte sich gegen den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Es geht ihm bestens." erwiderte er trocken. Warum er das getan hat? Weil seine beiden älteren Geschwister beide außer Haus sind und er noch immer hier herum sitzt. Er hat mir vorgeworfen, dass ich ihm nicht genug zutrauen würde und das Robert in seinem Alter schon längst ein Jahr in Surrey verbracht hatte. Und im Grund hat er Recht. Ich habe ihn bisher immer ausgesprochen nachsichtig behandelt ... aber er ist langsam kein kleiner Junge mehr. Und du siehst ja, er kommt nur auf dumme Ideen, wenn er nichts zu tun hat."
William fuhr sich mit der Hand übers Kinn und sah Joanna einen Moment lang schweigend an. "Er könnte genauso gut auf der Treppe stolpern, wenn er sie hinunter läuft und sich dabei den Hals brechen ..." erwiderte William nüchtern und schüttelte dann den Kopf. "Das werde ich nicht. Im Gegenteil. Er soll die nächsten vier Wochen unter meiner, Geoffreys und Brians Anleitung mit ihm üben, wenn er am Ende gut mit ihm zurecht kommt, habe ich Edward versprochen, dass ich ihn mit nach Norfolk nehme, wenn ich neue Pferde von dort hole."

"Dumme Ideen, in der Tat. Aber statt ihn zu bestrafen belohnst du ihn auch noch für seinen Unfug! So lernt er es nie. Nur weil Robert ein Jahr bei Simon war, muss er das doch nicht auch tun. Bisher war er ja auch zufrieden mit dem, was er hat. Und ja, seine älteren Geschwister...sie sind ein paar Jahre älter als er.", protestierte Joanna schlecht gelaunt. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihr Kind.
"Er könnte die Treppe herunterfallen? Hast du den Verstand verloren? Natürlich könnte er das, aber du weißt wie unberechenbar Chouchou sein kann und das ist ja wohl ein höheres Risiko als eine verdammte Treppe!"
Joanna schüttelte ungläubig den Kopf. "Was willst du tun? Bist du völlig wahnsinnig? Du kannst ihn doch nicht vier Wochen lang diesen verrückten Gaul reiten lassen und das zur Bedingung machen, damit du ihn mit nach Norfolk nimmst! Was, wenn ihm etwas passiert? Verdammt noch mal William, ich habe Angst um mein Kind! Ich prophezeie dir hier und jetzt, wenn ihm irgendetwas zustößt, werde ich dir das niemals verzeihen."

"Ich hätte ihn bestrafen können, in der Tat. Aber das hätte die Ursache seines Verhaltens nicht behoben. Im Gegenteil, er wäre ohne Zweifel nur noch bockiger geworden." erwiderte William. "Und bisher war er auch nicht zufrieden mit dem was er hat. Sein ganzes Verhalten in der letzten Zeit basiert darauf, dass er Aufmerksamkeit sucht. Er will meine Anerkennung haben, aber ich habe meinen Blick entweder auf Robert und Beatrice gerichtet gehabt oder auf die ganz kleinen. Er in der Mitte war in letzter Zeit immer außen vor." William hob die Schultern. "Ich weiß, was mein Vater getan hat, Joanna. Und ich weiß, was Henry mit seinen Söhnen anstellt. Und ich werde nicht zulassen, dass sich auch nur eines meiner Kinder zurückgesetzt fühlt."
William seufzte leise. "Er will sich beweisen und das soll er meinetwegen tun. Und ich werde ihn so oder so mit nach Norfolk nehmen, aber wenn ich ihm das ganze als Belohnung anbiete, wird er sich mehr Mühe geben. Er hat ein Ziel vor Augen, das er erreichen will und genau so etwas braucht er jetzt."
William verlagerte das Gewicht ein wenig und bedachte Joanna mit nachdenklichem Blick. "Ihm wird nichts passieren. Joanna, ich habe ihn reiten sehen ... die beiden passen perfekt zueinander. Er ist ihn ohne Sattel geritten und hatte keinerlei Schwierigkeiten ihn zu kontrollieren. Und glaub mir, ich habe diese Entscheidung sicher nicht leichtfertig getroffen."

"Aber ich habe immer alle Kinder gleich behandelt. Und das hast du auch getan, so gut du konntest. Er hat wahrlich keinen Grund sich zu beschweren und sich zurück gesetzt zu fühlen. Er weiß doch, dass wir ihn genauso lieben wie seine Geschwister."
Sie schüttelte den Kopf. "Und wenn er sich unbedingt beweisen will, muss das sicherlich nicht mit Chouchou sein, das ist unnötig gefährlich. Du hättest ihm das sagen sollen, dann wäre er vielleicht nicht so wild darauf gewesen ihn zu reiten."
Joanna ließ sich völlig schockiert auf den nächsten Stuhl sinken und starrte William fassungslos an. "Du lässt ihn auch noch ohne Sattel reiten? Ausgerechnet Chouchou? Jetzt bist du völlig übergeschnappt. Nicht leichtfertig? Das sieht aber anders aus."

"Joanna, er ist zehn. Er weiß das nicht. Er sieht nur das, was er tatsächlich an Aufmerksamkeit bekommt und vergleicht sich natürlich unweigerlich mit Robert. Und mit diesem konnte er in dem Vergleich nicht mithalten. Kannst du dir nicht vorstellen, dass ihn das frustriert?"
William runzelte die Stirn. Er wusste jetzt schon, dass Joanna ihm wegen dieser Sache nun die nächsten Tage die kalte Schulter zeigen würde, aber da musste er wohl durch.
"Ohne Sattel kann er wenigstens nicht im Steigbügel hängen bleiben." bemerkte er mit trockenem Spott. "Warum soll er es nicht versuchen? Glaub mir, wenn ich merke, dass es Schwierigkeiten gibt, werde ich die Sache umgehend beenden. Oder ... willst du ihm etwa erklären, dass er den Hengst nicht reiten darf? Nur zu, aber stell ja klar, dass das deine Idee war es ihm zu verbieten, nicht meine."