William und Joanna - ab 1172 bis 1173

Josephine

Josephine schloss die Augen und begann leicht zu zittern. Er glaubte ihr nicht. Genau so wie Henry es ihr prophezeit hatte, geschah es nun auch ... er sah in ihr nur das, was sie gewesen war als sie sich kennen gelernt hatten und vertraute darauf, dass sie sich nicht hatte ändern können.
Die Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor und rannen über ihre Wange. "Nein." flüsterte sie dann entsetzt und riss die Augen wieder auf. "Nein, bitte, tu das nicht." flehte sie ihn an und überbrückte dann den Abstand zwischen ihnen und warf Robert die Arme um den Hals. "Bitte, schick mich nicht fort." flehte sie verzweifelt. "Sieh mich an Robert! Sieh mich an und sag mir, warum ich so um dich kämpfen sollte, wenn ich doch nur auf dein Gold aus wäre! Das könnte Henry mir genauso gut geben, aber das was zwischen uns ist, nur du! Ich liebe dich, bitte schick mich nicht weg! Wo soll ich denn hin, wenn du mich fortschickst?" fragte sie heiser während die Tränen nun unaufhaltsam über ihre Wangen liefen.
Sie war ihr Leben lang abhängig von Männern gewesen, denen es gefallen hatte sie in ihr Bett zu holen und ihr dann ein wenig Silber zugestanden. Aber noch nie in ihrem Leben war ihre Seele so abhängig gewesen wie sie es von Robert war.

 

Robert schluckte schwer und löste dann ihre Arme um seinen Hals. "Glaubst du, deine Tränen ändern etwas?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich wüsste doch ohnehin nicht, ob sie echt sind. Und du hast mich betrogen. Warum also sollte ich dich nicht wegschicken? Wohin du sollst? Ja, das ist dein einziges Problem, oder? Geh doch zu Henry, der nimmt dich sicher sofort auf.", erklärte Robert gekränkt und unterdrückte mühsam die Tränen.
Doch so herzlos war er dann doch nicht. "Meinetwegen bleib hier. Aber dann gehe ich..."

Josephine

Ihre Knie zitterten leicht und als Robert ihre Arme von sich löste, gaben sie nach und Josephine sank schluchzend auf die Knie. "Er hat mich dazu gezwungen ... ich wollte das doch nicht. Robert, wieso glaubst du mir denn nicht?" schluchzte sie leise und vergrub das Gesicht erneut in ihren Händen. "Ich will nicht zu ihm zurück, ich will bei dir bleiben. Ich will dich!" erklärte sie und sah zu Robert auf. Dieser schien allerdings fest entschlossen darin zu sein, die Sache zu beenden.
"Wenn ... wenn du es wirklich willst, packe ich meine Sachen." erklärte sie dann leise und resignierte. Sie würde sich nur noch mehr erniedrigen, wenn sie weiter hier vor ihm auf den Knien lag und bettelte während er sich von ihr abwandte. "Gib mir nur ein wenig Zeit sie zusammenzusuchen." bat sie mit heiserer Stimme. Sie musste nachdenken und das in Ruhe. Dann würde sie vielleicht einen Weg finden wieder zu ihm durchzudringen, aber nicht hier und nicht mehr heute Abend, so viel musste sie nun auch erkennen.

 

Robert fiel es sehr schwer sie nicht einfach in die Arme zu nehmen und an sich zu ziehen, ihr zu sagen, dass alles gut war. Doch es war einfach nicht gut. Er wusste, was er gesehen hatte. Zu gut sogar. Und damit konnte er nicht umgehen.
Ihre Bitte quittierte er mit einem Nicken und wandte sich dann wortlos ab. Er konnte und wollte das hier nicht mehr länger ertragen.
Wie benommen wankte er durch die Flure und fand sich schließlich ohne bewusst dorthin gegangen zu sein, vor Beatrices Tür wieder.
Vielleicht war das gar keine schlechte Idee. Er musste mit jemandem reden, sonst würde er verrückt werden. Und wer lag näher als seine Schwester? Er klopfte zaghaft und schon während er an das Gespräch mit ihr dachte, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Hoffentlich öffnete nicht Richard.

Josephine  

Josephine schwieg während Robert den Raum verließ und erst als die Tür hinter ihm wieder zufiel, schluchzte sie laut auf. Er schickte sie tatsächlich fort. Er glaubte ihr nicht und so hatte Henry es tatsächlich geschafft alles zu Nichte zu machen, was Josephine jemals etwas bedeutet hatte.
Es dauerte eine Weile bis sie sich wieder im Griff hatte und langsam aufstand, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Während sie packte überlegte sie fieberhaft wohin sie heute Nacht nur gehen sollte ... sie musste irgendein ruhiges Plätzchen finden, wo sie wenigstens ungestört blieb. Sollte irgendjemandem auffallen, dass Robert sie vor die Tür gesetzt hatte, war das ihr Ende.

Beatrice hatte sich vor Richard aus der Halle zurückgezogen, um ihre beiden Söhne ins Bett zu bringen. Während Will sofort eingeschlafen war, hatte Stephan ihre Aufmerksamkeit noch ein wenig länger gefordert. Der Kleine bekam gerade einen neuen Zahn und war deshalb ein wenig ungehalten von Zeit zu Zeit. Nun schlief er jedoch tief und fest und Beatrice sah lächelnd auf ihren Sohn hinab als es an der Tür klopfte.
Sie zog den Vorhang zu, der die Kammer der Kinder von der großen trennte, die sie hier mit Richard hatte beziehen können und ging zur Tür. Sie hatte eigentlich nur noch mit Richard heute Abend gerechnet, dass nun jemand klopfte überraschte sie doch.
Das Rätsel wurde hingegen nur noch größer als Robert vor der Tür stand - völlig aufgewühlt und mit Tränen in den Augen. "Oh Gott, Robert, komm rein." Sie packte ihren Bruder am Arm und zog ihn in das Gemach, um die Tür hinter ihnen zu schließen und sah ihren Bruder besorgt an. "Was ist passiert?" fragte sie und alles in ihr zog sich panisch zusammen. Wenn ihr Bruder in einem solchen Zustand zu ihr kam, musste irgendetwas geschehen sein ... hoffentlich war nur niemandem etwas passiert ...

 

Robert war froh, dass Beatrice offenbar allein war und gar nicht erst fragte, sondern ihn sofort ins Zimmer zog. Als sie dann begann Fragen zu stellen, war es um seine Beherrschung allerdings geschehen. Die ersten Tränen rollten über seine Wangen.
"Es ist wegen Josie...", brachte er mühsam hervor. "Sie betrügt mich. Ich habe sie mit Henry gesehen. Wahrscheinlich hat sie von Anfang an nur vorgespielt, dass ich ihr etwas bedeute. Sie hat mit ihm gemeinsame Sache gemacht."
Robert biss sich auf die Unterlippe. "Bea, es tut so weh....ich liebe sie doch."

 

Zu ihrer Schande musste Beatrice sich eingestehen, dass ihr ein kleiner Stein vom Herzen fiel als sich herausstellte, dass es um Roberts Beziehung zu Josephine ging. Im ersten Moment hatte sie gefürchtet, dass ihren Eltern oder Geschwistern irgendetwas zugestoßen war.
Trotzdem tat ihr Robert nicht weniger Leid und sie zog ihren Bruder in ihre Arme. "Ach Rob ..." murmelte sie leise und strich ihm beruhigend über den Rücken. "Was meinst du mit, du hast sie mit Henry gesehen?" fragte sie nach einer Weile, auch wenn sie die Antwort schon wusste. Aber ehe sie sich ein Bild machte, musste sie genau wissen was geschehen war. So viel hatte sie mittlerweile an Richards Seite durchaus bereits gelernt.
"Komm, setzt dich erst einmal und trink einen Schluck." entschied sie dann und führte ihren Bruder zum Tisch hinüber, wo sie ihn auf einen Stuhl drückte und ihm dann etwas Wein eingoss.

 

Robert schlang einen Moment die Arme um seine große Schwester und vergrub das Gesicht in ihrem blondem Schopf. Er brauchte jetzt einen Moment Geborgenheit, hatte er doch das Gefühl, sich schutzlos Angriffen auf sein Herz ausgeliefert zu haben.
Er hatte ja nicht hören wollen, als sie ihn alle vor Josephine gewarnt hatten.
Er ließ sich von Beatrice auf einen Stuhl drücken und starrte trübsinnig auf die tiefrote Flüssigkeit im Becher.
"Was glaubst du wohl?", fragte er dann leise. "Ich habe auf sie gewartet, aber sie kam nicht, da habe ich sie gesucht. Und da war sie und hat sich in einer Nische mit Henry vergnügt."

 

Beatrice starrte ihren Bruder an während ein dunkler Schatten über ihr Gesicht huschte. "Dieses kleine Miststück." murmelte sie und goss sich nun ebenfalls einen Becher Wein ein. "Trink." forderte sie Robert auf, da dieser nur stumm auf seinen Becher starrte.
Unbändige Wut kochte in ihr hoch angesichts dessen was er ihr da gerade gesagt hatte, aber gleichzeitig machten sich Zweifel in ihr breit. Hatte sie sich wirklich so sehr getäuscht? Nachdem sie Josephine zur Rede gestellt hatte, hatte sie wirklich den Eindruck gewonnen, dass diese es aufrichtig mit ihrem Bruder meinte. Sollte sich Beatrices Menschenkenntnis sich nun doch als so schlecht herausstellen?
"Hast du schon mit ihr gesprochen?" fragte sie dann und entschied sich, die Lage erst einmal genau abzuklären. Robert tat ihr Leid, auch wenn ihr fast auf der Zunge gelegen hätte, dass sie es ihm ja gesagt hatte.

 

Robert folgte der Aufforderung wie in Trance und leerte den Becher in einem Zug. Vielleicht half das ja ein wenig gegen dieses Gefühl der Ohnmacht, das sich seiner bemächtigte.
"Natürlich habe ich das. Sie sagt, Henry hätte sie gezwungen. Aber sie hat weder Gegenwahr gezeigt noch irgendwie um Hilfe gerufen oder sich sonst irgendwie bemerkbar gemacht. Was also soll ich denn bitte glauben? Warum sollte Henry sie dazu zwingen? Das ist absurd."
Robert schlang fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper.
"Ich hätte auf dich hören sollen..."

 

Beatrice griff nach Roberts Hand und drückte sie leicht. "Ja, das hättest du, aber solche Gedanken ändern nun auch nichts mehr." erwiderte sie sanft.
Dann runzelte sie nachdenklich die Stirn. "Wie hat sie denn auf dich gewirkt? Wenn sie sich wirklich wieder mit Henry abgibt, was hätte sie für einen Grund dich vom Gegenteil überzeugen zu wollen?" fragte Beatrice nachdenklich und hob dann leicht die Schultern. "Andererseits wissen wir beiden was für einem Beruf sie nachgegangen ist ..." Das war nicht unbedingt etwas, das Josephine zum Vorteil gereichte.
Aber eins stand für Beatrice fest, sollte dieses Weib ihr noch einmal unter die Augen kommen, würde sie sich eine Menge Ärger einhandeln.

 

"Ich weiß...Aber was für einen Grund wird sie wohl haben, Bea. Vater bezahlt ihr ihren Lebensunterhalt, ohne dass sie etwas dafür tun muss und ohne dass sie Henry auf der Tasche liegt. Braucht sie mehr Grund?"
Er schüttelte seufzend den Kopf. "Ich dachte wirklich, sie hätte sich geändert. Es tut nur so weh, weil ich einfach alles für sie getan hätte. Ich habe mich mit meiner Familie fast überworfen ihretwegen. Und sie dankt es mir so? Ich dachte, für sie wäre das auch etwas Besonderes. Aber offenbar habe ich mich getäuscht."
Robert stützte das Gesicht in die Hände. "Was soll ich nur machen?"

 

Beatrice seufzte leise. "Nein, vermutlich nicht." stimmte sie ihrem Bruder zu. So war es für Josephine zweifelsohne am bequemsten und sie brauchte sich keine Gedanken machen, ob Henry sie wieder für längere Zeit haben wollte oder ob sie sich nur kurz mit ihm vergnügte, wenn sie sich Robert warm hielt.
"Heute tust du gar nichts mehr." entschied Beatrice und strich ihrem Bruder über die Wange. "Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass die Welt morgen anders aussieht, aber das tut sie nicht. Aber heute wirst du so oder so nichts mehr ändern können. Versuch ein wenig zur Ruhe zu kommen. Ich weiß, wie schwer es für dich ist und du wirst noch einige schwere Tage vor dir haben, aber irgendwann wird es leichter, glaub mir."

 

"Zur Ruhe kommen, das sagst du so leicht. Wie soll ich das denn tun, wenn ich ständig dieses Bild vor Augen habe?"
Er hatte sich so auf den Abend mit Josie gefreut und nun das. Warum tat sie ihm das nur an?
"Wie soll es denn leichter werden? Das kann ich mir nicht vorstellen."
Er legte kurz die Hand über die Augen.
"Bitte, Bea, erzähl es keinem. Sie werden sich ohnehin nur über mich lustig machen. Sie werden mir alle nur wieder sagen, dass sie es mir ja gesagt hätten, aber das will ich nicht hören. Also bitte..."

 

"Ach Brüderchen." murmelte Beatrice und stand auf. Kurzerhand setzte sie sich auf Roberts Schoß und legte die Arme um ihn in der Hoffnung ihm wenigstens ein wenig Trost spenden zu können.
Robert war den Winter über ein gutes Stück gewachsen und überragte sie nun mühelos, so dass es sie fast ein wenig an früher erinnerte, als sie beide noch kleiner gewesen waren und sie oft auf seinem Schoß gesessen hatte.
"Kein Wort davon wird über meine Lippen kommen. Nicht einmal Richard wird etwas erfahren." versprach sie ihm dann und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Aber eines verspreche ich dir, sollte dieses Miststück mir unter die Augen kommen, wird sie es bereuen."

 

Robert legte die Arme um Beatrices Hüften und fand in ihrer Fürsorglichkeit und ihrer Wärme tatsächlich ein wenig Trost. Er war immer dankbar dafür gewesen, dass er eine große Schwester hatte, zu der er immer kommen konnte, wenn ihn etwas bedrückte, auch wenn er nicht zu seinen Eltern gehen wollte. Er hatte immer eine gute Beziehung zu seiner Schwester gehabt und darüber war er nun umso mehr froh.
"Ich danke dir, Schwesterchen. Und ich bin froh, dass ich dich habe.", flüsterte er. "Danke, dass ich immer zu dir kommen kann. ich weiß, du hast genug eigene Sorgen mit den beiden Kleinen und mit Richards Beschäftigung hier."

 

"Und ich bin froh darüber, dich zu haben." erwiderte sie ruhig und lächelte leicht. "Ach, meine Sorgen beschränken sich bei den Kleinen darauf, ob Wills Spielzeugpferd auch schnell genug eine passende Satteldecke bekommt, die aussieht wie die, die sein Vater für sein Schlachtross hat und auf Stephans neusten Zahn, der ihn ein wenig plagt. Es hält sich also in Grenzen." erwiderte sie und schmunzelte. "Und was Richard angeht ..." Sie seufzte leise und hob die Schultern. "Ich habe nun einmal einen ehrgeizigen Mann geheiratet, das war mir von Anfang an klar und ich lerne mich damit zu arrangieren und ihn wann immer es mir möglich ist, ein wenig auszubremsen, wenn er über das Ziel hinaus schießen will."
Sie legte die Stirn an Roberts und sah ihren Bruder einen Moment lang schweigend an. "Du erinnerst mich immer wieder daran, dass das Leben nicht nur aus kleinen Jungen und meinem Mann und seinem Kampf, um sein Herzogtum besteht und dafür bin ich dir überaus dankbar."

 

Robert musste unwillkürlich leicht lächeln. Seine Neffen waren wirklich zu niedlich und vereinnahmten auch ihn regelmäßig. Doch er passte gern ab und zu auf sie auf.
"Du bist eine kluge Frau. Ich bin froh, dass du mit deiner kleinen Familie so glücklich bist. Du hattest mehr Glück damit als ich, deinen Kopf durchzusetzen und deinen Weg zu gehen. Ich bin auf die Nase gefallen..."
Er seufzte leise und küsste Beatrice auf die Stirn.
"Nun, wenn ich das tue, umso besser. Aber ich hoffe, dass du nicht den Eindruck hast, dass ich nur zu dir komme, wenn ich Probleme habe."

 

Beatrice war erleichtert, dass sie Robert wenigstens ein wenig hatte aufmuntern können und sich sogar kurz ein Lächeln auf seinen Lippen zeigte. "Für den Moment vielleicht, Robert. Aber dein Leben ist doch noch lange nicht zu Ende. Du musst einfach daran denken, dass es einen Grund hatte, wieso alles so gelaufen ist. Denk doch nur einmal an Joanna ... sechs Jahre hat sie auf unseren Vater gewartet, aber letztlich hat er sie doch noch geheiratet. Die beiden haben zusammen gehört. Und dass es bei dir und Josephine nicht funktioniert hat, wird auch seinen Grund haben. Irgendwo wartet auf dich die Frau, die dein Leben heller scheinen lassen wird, du musst nur leider noch Geduld haben."
Dann musste sie lachen und gab Robert einen leichten Klaps. "So oft wie du kommst, um mich für eine kleine Weile von meinen Söhnen zu befreien, kann ich auf so eine Idee gar nicht kommen." neckte sie ihn sanft.

 

"Ja, du hast ja Recht. Ich dachte einfach nur...dass sie es ist, verstehst du? Ich dachte, wir würden zusammen gehören und dass es meine Bestimmung ist, sie aus ihrem Leid zu erlösen. Aber sie will das gar nicht."
Robert seufzte leise und verzog das Gesicht. "Geduld haben ist nur leider so schwer...Ich sollte jetzt gehen. Richard wird bald kommen und ihr wollt sicher noch ein wenig eure Ruhe haben. Ich hoffe einfach, dass sie ihre Sachen gepackt hat."

Josephine

Josephine hatte die Nacht über kein Auge zu gemacht. Sie hatte ihre Sachen gepackt und war zum Glück fertig gewesen bevor Robert zurück kam. Ihn noch einmal zu sehen, hätte ihr den Rest gegeben. Sie hatte die Nacht über in einem kleinen, ruhigen und entlegenen Winkel der Burg verbracht, um ja von niemanden gesehen zu werden.
Als der Morgen angebrochen war, war ihr klar geworden, dass sie alleine nichts ausrichten konnte. Robert war fest von ihrer Schuld überzeugt und egal was sie sagte oder tat, sie konnte einfach nicht zu ihm durchdringen. Sie musste also jemanden finden, dem Robert Gehör schenkte. Und die Tatsache, dass sie deshalb gerade vor dem Gemach seiner Schwester stand, verdeutlichte, wie verzweifelt sie war.
Sie kämpfte die Tränen zurück - es überraschte sie, dass sie überhaupt noch welche übrig hatte, so viel wie sie die Nacht über schon vergossen hatte - und klopfte an die Tür. Beatrice war ihre letzte Hoffnung, auch wenn es sicher nicht leicht werden würde, sie zu überzeugen.

 

Beatrice öffnete überrascht die Tür, als es klopfte, denn sie erwartete niemanden und Robert war beschäftigt, das wusste sie.
Ihre Miene verfinsterte sich schlagartig, als sie Josephine erkannte. Dass diese Frau sich hierher wagte...
"Was willst du hier?", fragte sie unfreundlich. "Ich glaube, es ist etwas unpassend hier aufzutauchen."
Und sie hatte keine Ahnung, was sie sich von ihr erhoffte. Sollte sie nun etwa Robert umstimmen? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.

Josephine

Josephine schloss kurz die Augen als Beatrice die Tür öffnete. Wie sie befürchtet hatte, war Robert schon bei seiner Schwester gewesen. Das ließ ihre Hoffnungen enorm zusammen schmelzen, aber sie musste es einfach versuchen, das war die einzige Möglichkeit Robert zurückzubekommen.
Sie knickste tief und senkte ehrerbietig den Kopf. "Verzeiht, Mylady, aber ich musste einfach herkommen. Ich bitte Euch, geb mir die Möglichkeit mich zu erklären." Sie zögerte einen Moment, wagte es dann jedoch aufzusehen und begegnete Beatrices Blick. "Ich flehe Euch an, Ihr seid meine letzte Hoffnung alles wieder in Ordnung bringen zu können." bat sie leise.

 

Beatrice verschränkte die Arme. Eigentlich wollte sie der Anderen kein Gehör schenken, aber vielleicht hatte sie ja noch etwas Interessantes zu sagen.
"Gut, meinetwegen. Komm rein. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen, ich werde dir höchstwahrscheinlich auch nicht helfen können. Das ist eine Sache zwischen meinem Bruder und dir, also. Ich höre dir meinetwegen zu, aber fass dich kurz."
Sie hatte nicht vergessen, dass Robert am Abend zuvor wie ein Häufchen Elend hier gesessen hatte.

Josephine

Josephine atmete erleichtert auf als Beatrice sie herein ließ und nickte dankbar. "Vielen Dank, Mylady. Ich weiß es zu schätzen, dass Ihr mir wenigstens die Gelegenheit gebt." erklärte sie und trat dann ein.
Ihr Blick glitt kurz zu den beiden kleinen Jungen hinüber, die auf einer Lammfelldecke vor dem Kamin saßen und andächtig miteinander spielten. Ein Lächeln trat kurz auf ihre Lippen, auch wenn der Anblick ihrem Herz einen kleinen Stich versetzte. Wie gern würde sie auch eine solche Familie mit Robert haben ... aber das sollte ihr wohl nie vergönnt sein, selbst wenn Robert sich ihr wieder zuwenden sollte.
"Mylady, Ihr erinnert Euch an unser erstes Gespräch? Ich habe damals die Wahrheit gesagt, Euer Bruder ist etwas besonderes für mich. Ich liebe ihn über alles und würde alles für ihn tun." begann sie langsam. "Ihr wisst sicherlich, was gestern Abend geschehen ist, aber ich sage Euch, es ist nicht so gewesen, wie Euer Bruder denkt. Ich wünschte, ich hätte es verhindern können, aber ich konnte Henry einfach nichts entgegen setzen." Ihre Stimme war immer leiser geworden und als sie geendet hatte, senkte Josephine betreten den Blick. Sie kam sich fürchterlich vor, nicht nur, dass Henry sie so erniedrigt hatte, auch glaubten alle, sie hätte sich ihm wieder freiwillig hingegeben.