William und Joanna - ab 1180 bis 1181

Gerard

Gerard schüttelte den Kopf. "Ich weiß gar nicht, warum du jetzt so reagierst! Das ist doch völlig normal, andere Frauen stillen ihre Kinder gar nicht selber, auch nicht ein paar Tage. Außerdem ast du doch noch ein paar tage Zeit dich daran zu gewöhnen, du sollst sie doch erst mal kennenlernen!", erwiderte Gerard ebenso aufgebracht. Er hatte es doch nur gut gemeint!
"Ich wollte dir nur Arbeit abnehmen! Und wenn du sie dir anschaust und sie dir nicht gefällt, suchen wir eben jemand anders."
Gerard ballte die Hände zu Fäusten. Oh wie wütend sie ihn doch machte mit ihrer zickigen Art! Wie sie mit ihm sprach!
"Du schuldest mir eigentlich Gehorsam, Weib, vergiss das nicht! Wo ist das Problem dabei, es jetzt schon zu tun? Das macht doch keinen Unterschied, du wirst dich in ein paar Wochen ebenso sträuben. Das ist nicht die letzte Gelegenheit, aber ich brauche einen Erben, sobald wie möglich. Mein Vater ist ein alter Mann. Wenn ich seine Nachfolge antrete, muss ich einen Erben haben. Wenn mir etwas passiert, ist sonst niemand mehr da! Warum bist du nur so ein Sturkopf?"
Und dann würde die Grafschaft an die Krone fallen, das konnte er nicht zulassen.

Mary

"Andere Frauen! Ich bin aber ich und keine andere!" erwiderte Mary heftig und atmete dann tief durch. "Versteh das doch, sie ist noch so furchtbar klein und noch dazu unser erstes Kind. Ich möchte in der ersten Zeit einfach selbst für sie da sein. Es ist so eine wichtige Bindung, die zu Beginn ihres Lebens entsteht ..." versuchte Mary ihrem Mann klar zu machen, was sie bewegte. "Wenn du mir Arbeit abnehmen willst, dann frag mich doch vorher erst einmal, was ich davon halte ehe du einfach über meinen Kopf hinweg Pläne machst!"
Marys Augen weiteten sich ein wenig, dann knirschte sie mit den Zähnen, erhob sich eilig vom Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. "Gehorsam?" echote sie. "Ist es das was du willst? Eine Frau, die zu allem Ja und Amen sagt, was du tust? Dann hättest du dir das früher überlegen und eine andere heiraten sollen, du wusstest schließlich wie ich bin!" erwiderte Mary scharf und schüttelte den Kopf. "Ich hätte mich nicht gesträubt, wenn du mit mir vernünftig darüber gesprochen hättest. Zudem habe ich mich darauf vorbereitet, dass du eine Amme holen willst, der ich Leanna in ein paar Wochen überlassen muss. Aber nichts schon jetzt."
Mary verdrehte die Augen. "Ach hör doch auf! Du redest ja so, als würde dein Vater schon fast im Sterben liegen, dabei ist er auch nur ein paar Jahre älter als meiner. Und du bist auch putzmunter, was soll dir bitte schon zustoßen? Himmel, Gerard, du tust wirklich als würde uns die Zeit davon laufen."

Gerard

"Nein, das bist du nicht, manchmal wünschte ich mir, du wärest es! Immer hast du eine andere Meinung zu allem! Warum kannst du nicht völlig normale Dinge als gegeben hinnehmen? Sie ist unser erstes Kind, aber trotzdem ein Mädchen! Wozu sollte sie so eine wichtige Bindung brauchen? Du wirst so oder so ihre Mutter sein, ob du sie nun stillst oder nicht. Ich verstehe nicht, warum du dich so sträubst!"
Gerard knirschte mit den Zähnen. "Das wollte ich doch! Ich wollte jetzt in Ruhe mit dir reden, aber du fährst mich ja gleich an wie eine Furie! Ich habe noch gar nichts fest entschieden, du solltest dir das Mädchen nur mal ansehen!"
Es war wirklich zum aus der Haut fahren. "Nein, verdammt noch mal, das will ich nicht und das weißt du! Aber es wäre wirklich freundlich, wenn du mir dann und wann ein bisschen mehr Respekt entgegen bringen würdest und nicht alles hinterfragst, was ich tue! Ich wolle jetzt mit dir vernünftig reden, aber dir ist mit Vernunft ja nicht beizukommen! Und verdreh gefälligst nicht die Augen, wenn ich etwas sage! Mein Vater ist älter als einer und ein paar Jahre machen einen Unterschied. Ganz gesund ist er auch nicht, das weißt du! Und ich könnte vom Pferd fallen und mir das Genick brechen, das geht schneller als du glaubst. Ich hätte einfach gern so schnell wie möglich alles geregelt."

Mary

"Natürlich habe ich zu allem eine Meinung, ich mag zwar eine Frau sein, aber ich bin immer noch ein Mensch und weiß Gott, Gerard, ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Ich bin vermutlich klüger und besser gebildet als die Mehrheit der Männer, die für deinen Vater und dich arbeiten!" erwiderte Mary und schüttelte den Kopf. "Weil das für mich keine normalen Dinge sind, Gerard! Ich habe nie eine Amme gehabt und auch für meine Geschwister gab es höchstens für kurze Zeit eine, wenn meine Eltern verreisen mussten. Ich habe immer nur meine Mutter und später mein Kindermädchen gehabt." erwiderte sie und zwang sich dabei etwas zur Ruhe.
"Bist du denn nicht auf die Idee gekommen, mich vorher einmal zu fragen? BEVOR du zu suchen beginnst? Dir kam auch nicht in den Sinn, dass mich so etwas verletzen würde, oder?" Mary verengte die Augen und trat einen Schritt auf das Bett zu. "Ich bringe dir den Respekt entgegen, den du verdienst, Gerard." erwiderte sie scharf. "Wenn du mehr davon haben willst, dann denk darüber nach, wie du mir mehr Respekt entgegen bringen könntest." Sie machte noch einen Schritt, so dass sie nun direkt am Bett stand und tippte Gerard mit dem Finger auf die Brust. "Und ich lasse mir von dir nicht verbieten, was ich tue." erklärte Mary leise. "Das wäre ja noch schöner."

Gerard

Gerard gab ein unwirsches Geräusch von sich. "Bilde dir nichts darauf ein. Das hat nichts zu bedeuten. Du hattest nur Glück, dass dein Vater für eine gute Bildung gesorgt hat. Für mich ist es aber normal, Mary! Meine Mutter hat mich nicht selbst gestillt. Meine Schwestern auch nicht. Und geschadet hat es uns nicht, warum also musst du sie unbedingt selber stillen? Ich verstehe es nicht."
Er schüttelte den Kopf. "Nein, das ist mir nicht in den Sinn gekommen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so überempfindlich bist, dazu neigst du für gewöhnlich nicht. So kenne ich dich auch nicht."
Ihr scharfer Tonfall provozierte ihn nur noch weiter. Als sie ihn auf die Brust tippte, stand er auf um ihr Handgelenk zu packen. "Was fällt dir eigentlich ein? Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?! Du hast mir immer noch Respekt entgegen zu bringen ohne eine Gegenleistung! Ich bin dein Mann und ich verbiete dir, was mir passt!"

Mary

"Das hat nichts zu bedeuten? Was redest du denn für einen Unfug!" erwiderte Mary heftig. "Mir und meinen Geschwistern hat es auch nicht geschadet von unserer Mutter gestillt zu werden! Gerard, ich will sie ja nicht die gesamte Zeit über stillen, aber ich will ein paar Wochen Zeit haben bevor wir eine Amme her holen. Mein Kind wird in seiner Zukunft noch genug Zeit bei anderen Leuten verbringen, also lass mir wenigstens die kurze Zeit nach ihrer Geburt!"
Als Gerard ihr Handgelenk packte, starrte sie überrascht auf seine Hand hinab und sah dann mit leicht geweiteten Augen wieder zu ihm auf. "Ohne Gegenleistung? Das ich nicht lache! Erinnerst du dich noch daran, was du vor Gott versprochen hast, als wir geheiratet haben? Du hast also sehr wohl eine Gegenleistung zu erbringen und dann bekommst du auch deinen Respekt. Und tu nicht so, als würde ich dich in aller Öffentlichkeit bloß stellen, nur weil ich hier in unserem Gemach unter vier Augen anderer Meinung bin als du!" Mary schnaubte verärgert und versuchte ihr Handgelenk aus seinem Griff zu befreien. "Ich lasse mir von dir aber nichts verbieten." zischte sie zornig.

Gerard

"Aber warum? Ich begreife dich nicht! Warum? Was machen drei oder vier Wochen für einen Unterschied, wenn du sie danach doch einer Amme übergeben willst? Das ist Unfug.", widersprach Gerard aufgebracht.
"Ich erinnere mich sehr genau daran, vielen Dank für die Erinnerung.", erwiderte er bissig. "Wenn du es hier schon bist, wer sagt mir, dass du es in der Öffentlichkeit nicht tun wirst?" Er hielt ihren Arm fest und zog sie kurz etwas enger zu sich.
"Das werden wir schon noch sehen. Und denke daran, dass ich deinen Augapfel auch gleich in ein Kloster hätte stecken können.", erwiderte er scharf. "Ich hab es dir zuliebe nicht getan, also erzähl du mir nichts von Gegenleistung!"

Mary

"Sie machen für mich einen Unterschied, Gerard! Ich bin ihre Mutter, ich habe sie neun Monate lang in mir getragen. Und sie ist noch so furchtbar winzig, du weißt genau wie viele Kinder noch in der ersten Zeit nach der Geburt sterben und ich will einfach noch etwas voll und ganz für sie da sein." erwiderte Mary und versuchte ihren Standpunkt klar zu machen. Natürlich konnte er das nicht verstehen, aber sie fühlte nun einmal so und es erschien ihr einfach falsch ihr Kind jetzt einer Amme zu geben. "Und ich würde sie nur in ein paar Wochen an eine Amme geben, weil ich weiß, dass du das möchtest und ich mit mir bereits einen Kompromiss in dieser Sache geschlossen habe. Würde es nur nach mir gehen, würde ich gar keine Amme haben wollen!"
Mary knirschte mit den Zähnen. "Ich würde so etwas nie in der Öffentlichkeit tun! Aber ich dachte, dass wir hier unter uns auch verschiedener Meinung sein können."
Mary wehrte sich als er seinen Griff etwas verstärkte und sie an sich zog, erstarrte bei seinen Worten jedoch von einer Sekunde auf die andere. Sie spürte, wie ihr Widerwille einbrach und sie musste schlucken, bevor sie wieder sprechen konnte. "Das würdest du nicht tun." erwiderte sie leise. "Du würdest sie nicht ein ein Kloster geben." brachte sie ein wenig heiser hervor, verengte dann die Augen zu wütenden Schlitzen. "Das ist Erpressung!" zischte Mary zornig.

Gerard

"Aber die Hebamme sagt doch, sie entwickelt sich so gut. Dann brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen! Du übertreibst. Ach, ein Kompromiss, wie schön! Darüber hast du auch nicht mit mir gesprochen! Also wirf mir nicht vor, ich würde Dinge planen ohne dich einzuweihen. Du redest genauso wenig mit mir über deine Pläne!"
Gerard ließ Marys Arm los und funkelte sie wütend an. "Das könnten wir, wenn du eine andere Meinung neben deiner akzeptieren könntest und mich nicht gleich anfahren würdest wie sonstwas! Ach würde ich nicht? Ich würde mich nicht darauf verlassen." Es war im Prinzip eine leere Drohung, aber das konnte Mary ja nicht wissen.
"Erpressung, niedlich....Du hast keine Ahnung vom Leben, Mary. Und ich gehe jetzt besser." Bevor er noch etwas tat, was er hinterher bereute. Diese Frau machte ihn so wütend! Er drehte sich abrupt um und verließ das Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu. Er musste sich erst einmal beruhigen...

Mary

"Das habe ich nicht, das stimmt. Aber ich ging auch davon aus, dass wir das gemeinsam besprechen würden und nicht, dass du irgendwann einfach hier auftauchst und mir sagst, dass du eine Amme gefunden hast, die ich mir gleich Morgen ansehen soll." erwiderte Mary, spürte dabei jedoch wie sich ein leichtes Schuldgefühl in ihr breit machte. Wie gelang es ihm nur, dafür zu sorgen, dass sie sich mit einem Mal in der Schuld sah?
"Ich akzeptiere eine andere Meinung neben meiner, aber -" Sie brach ab und starrte Gerard wortlos an. Obwohl er sie nun losgelassen hatte, war sie nicht in der Lage sich von der Stelle zu rühren. Würde er wirklich Leanna in ein Kloster geben? Würde er ihr ihre Tochter wegnehmen? Und wenn ja, war es dann ihre Schuld? Würde sie das zu verantworten haben, weil sie sich nicht im Griff hatte?
"Gehen? Und dann? Gerard, dass ist doch keine Lösung!" brachte sie schließlich hervor als er sich abwandte und zur Tür ging. "Nur weil du jetzt verschwindest, löst sich das Problem doch nicht in Luft auf!"
Mary spürte den Kloß in ihrem Hals und wusste, dass sie gleich in Tränen ausbrechen würde, als er die Tür öffnete und hinaus trat. Als die Tür laut hinter ihm ins Schloss fiel, zuckte sie erschrocken zusammen und begann dann am ganzen Körper zu beben.
Einen Moment lang blieb sie noch stehen, dann ging sie nach neben an, wo ihre Tochter unberührt von dem Streit in ihrem Bettchen lag und schlief. Während Mary die Tränen über die Wangen liefen, hob sie Leanna vorsichtig hoch und nahm sie in die Arme, drückte ihr kleines Mädchen sanft an sich.
"Oh meine Kleine." murmelte sie leise. "Ich lasse nicht zu, dass du weggegeben wirst ... das wird nicht passieren." flüsterte sie und küsste das Mädchen auf die Stirn. Sie würde es nicht soweit kommen lassen ... auch wenn das bedeutete, dass sie größere Kompromisse eingehen musste, als sie wollte.

Gerard

Gerard hatte lange nachgedacht und sich ein wenig abreagiert. Inzwischen tat ihm leid, wie er reagiert hatte und er wollte sich mit seiner Frau vertragen. Er hatte es ja auch gar nicht so gemeint und wollte ihr ihren Willen lassen. Er war nur einfach so wütend gewesen...
Vorsichtig öffnete er die Tür. Mary lag auf dem Bett, den Rücken ihm zugedreht. Er setzte sich neben sie, wagte aber nicht sie anzufassen.
"Es tut mir leid..."; begann er dann leise. "Ich habe es nicht so gemeint. Natürlich würde ich Leanna nicht in ein Kloster geben und dir wegnehmen."

Mary

Als sich die Tür zu ihrem Gemach öffnete, blieb Mary im Bett liegen und überlegte, ob sie sich lieber schlafend stellen sollte, aber das würde auch nichts lösen. Sie hatte viel nachgedacht und noch einige Tränen vergossen, aber jetzt war ihr klar geworden, dass sie einen Weg finden musste, um das mit Gerard wieder zu bereinigen.
Als er sich setzte und Mary eine Entschuldigung zu hören bekam, biss sie sich kurz auf die Unterlippe, dann setzte sie sich auf und griff nach Gerards Händen. "Mir tut es auch Leid." erwiderte sie. "Ich hätte nicht gleich so heftig reagieren dürfen, du hattest es ja nur gut gemeint." erklärte Mary leise. "Ich hatte nur einfach Angst, dass du so etwas ohne mich beschließen würdest." Sie senkte den Blick und atmete tief durch. "Ich will dir eine gute Frau sein, Gerard, manche Dinge sind für mich nur so schwer begreiflich. Meine Eltern sind in vielen Dingen eher ... unkonventionell." Sie sah wieder auf und blickte in Gerards Augen.

Gerard

Gerard war erleichtert, dass Mary auf ihn einging und ihn nicht mit Abweisung strafte. Das wäre wirklich schlimm gewesen. Er drückte sanft ihre Hände und nickte.
"Ich wollte dich nicht übergehen, Mary. Ich wollte nur, dass du sie dir ansiehst. Ich habe zufällig mitbekommen, dass sie auch ein Kind bekommen hat, daher bot es sich einfach an. Ich weiß, deine Eltern sind unkonventionell. Aber ich vergesse das gern, denn meine waren es nicht. Ich bin anders erzogen worden als du. Du bist mir eine gute Frau, Mary. Ich sollte nicht so schnell die Geduld mit dir verlieren. Ich war einfach so wütend, als du mich so angefahren hast.", erklärte er.
"Von mir aus...still die Kleine noch ein zwei, drei Wochen. Du kannst dir die mögliche Amme doch trotzdem schon einmal ansehen..."

Mary

Mary hörte Gerard aufmerksam zu und als er schließlich vorschlug, dass sie Leanna noch zwei oder drei Wochen selbst stillen sollte, breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. Sie selbst hätte es gerne noch länger getan, doch nach ihrem Streit hatte sie sich schon noch weiter einlenken sehen. Dass er ihr nun entgegen kam, bedeutete ihr eine ganze Menge.
Sie nickte und schlang dann die Arme um Gerards Hals. "Ich werde sie mir ansehen, versprochen. Und dann kann sie die Kleine ja schon ein wenig kennen lernen bis sie dann anfängt sie zu stillen." erklärte sie und gab Gerard einen Kuss auf die Wange. "Danke." murmelte sie leise.

Gerard

Gerard legte die Arme um Mary und lächelte leicht. Er ging diesen Kompromiss hauptsächlich ein, damit Mary ihm nicht mehr böse war, nicht weil er überzeugt war. Aber dann würde er eben noch ein paar Wochen länger warten müssen. Man konnte ohnehin nicht sagen, ob sie gleich wieder schwanger werden würde.
"Das ist eine gute Idee. So weiß die Amme auch, wie Leanna reagiert und zu händeln ist. Es wird schon gut gehen, du wirst sehen. Und das heißt ja auch nicht, dass du nicht mehr ihre Mutter sein darfst."
Er küsste sie sanft auf die Lippen. "Du bist die beste Frau, die ich mir wünschen könnte..."

James

James seufzte leise. Er hatte sich in einen Mantel gehüllt und draußen ein abgelegenes, ruhiges Plätzchen gesucht, wo er seinen Gedanken nachhängen konnte. Hier in Rom wurde es tagsüber im Winter bei Weitem nicht so kalt wie in England, aber immerhin kühl genug, damit er hier seine Ruhe hatte und nicht ständig jemand vorbei kam.
Wie er es Alan versprochen hatte, hatte er sich nun in letzter Zeit von Francesco fern gehalten. Am Tag nach seiner Offenbarung Alan gegenüber, hatte James den jungen Italiener noch ein letztes Mal aufgesucht, um ihm zu sagen, dass es so mit ihnen nicht mehr weiter gehen konnte.
Und seit dem haderte James mit sich und seinem Los und wusste einfach nicht mehr weiter. Es fiel ihm schwer nicht immer wieder an Francesco zu denken und unweigerlich fiel ihm eine Unterhaltung ein, die er mit John geführt hatte als er noch klein gewesen war. Damals hatte John gesagt, dass er vielleicht ja doch irgendwann eine Frau finden würde, die er liebte und dass er sich deshalb sehr gut bewusst sein musste, was es bedeutete, wenn er Priester wurde.
Für James war nun klar, dass es eine solche Frau in seinem Leben nicht geben würde, aber er hatte eine Zuneigung zu Männern in sich entdeckt, die noch weniger mit seinem gewählten Lebensweg konform ging.
James seufzte laut, schlang die Arme um seine Knie und schloss die Augen. Wenn das alles nur nicht so kompliziert wäre.

Alan

Alan hatte den ganzen Nachmittag schon nach James gesucht, war aber nicht fündig geworden. Dabei  machte er sich ziemliche Sorgen. Wie er verlangt hatte, hatte James wohl den Kontakt zu Francesco abgebrochen, doch glücklich war dieser damit nicht. Gerade das war die Wurzel seiner Sorgen. Er fand ihn schließlich in einen dicken Mantel gehüllt an einem ein wenig weiter abgelegenen Plätzchen. Vorsichtig setzte er sich neben ihn und schwieg erst einmal.
"Alles in Ordnung, James? Du siehst nicht glücklich aus. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du nicht auffindbar warst. Du...." Alan schluckte schwer. "Du vermisst den Kerl immer noch, oder? Auch nach der ganzen Zeit noch?"

James

James hörte Schritte näher kommen und wusste bereits dass es Alan war, bevor der sich auch nur neben ihn setzte. Dennoch rührte er sich weder vom Fleck, noch sah er auf, sondern war viel mehr erleichtert, dass Alan eine Weile einfach nur schweigend bei ihm saß.
Als sein Freund dann schließlich doch das Wort ergriff, hob James den Kopf, ließ den Blick aber etwas in die Ferne schweifen, statt Alan anzusehen. "Ich brauchte einfach ein wenig Zeit zum Nachdenken." erwiderte er gedämpft. Bei Alans Frage blinzelte James kurz überrascht und senkte dann den Blick für einen Moment, ehe er nun schließlich doch zu Alan sah.
"Ich weiß nicht. Ich weiß nicht genau, ob ich ihn vermisse oder einfach nur das Gefühl, das er mir gegeben hat." murmelte James und wandte den Blick wieder ab, weil er Angst davor hatte die Ablehnung und das Unverständnis in Alans Augen zu sehen.
Er atmete leise aus und zog den Mantel etwas enger um sich, immerhin saß er schon eine ganze Weile hier draußen und langsam kroch die Kälte zwischen die Stoffschichten an ihn heran. "Und jemand wie ich will Priester werden ... ich gebe einen miserablen Geistlichen ab, Alan. Aber was in aller Welt soll ich denn sonst tun? Das war immer mein Traum. Soweit ich zurück denken kann, wollte ich nie etwas anderes werden und jetzt muss ich fest stellen, dass ich nicht einmal das sein kann. Nur gibt es auch sonst nichts, was ich kann." murmelte James. "Langsam glaube ich, Gott erlaubt sich einen schlechten Scherz mit mir."

Alan

Alan nickte langsam. "Das verstehe ich. Aber ich wünschte, du würdest wenigstens irgendjemandem Bescheid sagen, wohin du gehst. Wenn dir etwas passiert, wissen wir nicht, wo du bist."
Er seufzte leise. "Darüber musst du dir vielleicht noch klar werden. Aber du wirst ein guter Bruder werden, James. Jeder zweifelt ein Mal an sich, das ist völlig normal. Bleib einfach standhaft. Du hast gebeichtet und Buße getan, oder? Und damit ist die Sache erledigt."
Alan strich James über den Rücken. "Gott macht keine Scherze. Darum sorge dich nicht. Du musst jetzt einfach weiter dran bleiben und dich nicht wieder in Versuchung führen lassen."

James

"Und wenn schon." erwiderte James düster. "Sollte mir etwas zustoßen, hat Gott es sicher so gewollt." Er hatte keine Lust darauf, jedes Mal irgendwem Bescheid zu geben, nur weil er einmal seine Ruhe haben wollte. Sollte er nun für jeden seiner Schritte Rechenschaft ablegen?
James seufzte leise. "Das habe ich. Aber wie kann es damit erledigt sein? Ich sitze schließlich trotzdem hier und weiß nicht weiter, weil ich mir etwas wünsche, das ich nicht haben kann." Als Alan ihm über den Rücken strich, schloss James kurz die Augen. Er schwieg einen Moment lang, dann wandte er Alan den Blick zu und sah seinen Freund nachdenklich an. "Hast du jemals bei einer Frau gelegen, Alan?" fragte James dann ein wenig zögerlich.

Alan

Alan schüttelte den Kopf."Rede keinen Unsinn. Dir wird nichts zustoßen und Gott will auch nicht, dass dir etwas zustößt. Ich sorge mich doch einfach nur um dich, du bist mein bester Freund. Du musst dir einfach immer wieder sagen, was du wirklich willst. Und du willst Priester werden. Also musst du Herr über diese Gelüste werden. Manchmal muss man eben seine Wünsche zurückdrängen."
Im nächsten Moment schaute er James entsetzt an und machte eine abwehrende Geste. "Nein! Natürlich habe ich das nicht!"
Wie kam James überhaupt auf den Gedanken? "Warum fragst du?"

James

James grinste matt. "Na siehst du, dann brauchst du dir ja auch keine Sorgen um mich machen." erwiderte er. "Ja, ich will Priester werden, aber wie kann ich das, wenn ich so voller Sünde bin? Ich bin ein Heuchler, wenn ich anderen sagen will, was richtig und was falsch in Gottes Augen ist, wenn ich selbst mich nicht an seine Regeln halten kann."
Allmählich kroch die Kälte unter James' Kleidung und sorgte dafür, dass er leicht erschauderte. Er saß eigentlich schon viel zu lange hier draußen herum, aber er hatte auch keine Lust irgendjemand anderem unter die Augen zu treten. Alan war der Einzige, dessen Anwesenheit er gerade aushalten konnte und der ihm half.
"Ich auch noch nicht." erwiderte James und atmete geräuschvoll aus. "Es gibt in meinem Leben nur zwei Frauen, die für mich wichtig sind und wahrlich, mit keiner von beiden möchte ich das Bett teilen." Nur seine Mutter und Cathie waren für ihn je wichtig gewesen, aber selbst Cathie hatte in ihm nie das Bedürfnis geweckt eine Familie zu gründen. "Alle haben früher gedacht, ich würde irgendwann Cathie heiraten, aber ich wollte immer nur Priester werden." James seufzte. "Wenn Gott nicht will, dass ich Priester werde, weil ich nicht standhaft sein kann, wieso weckt er in mir nicht das Bedürfnis nach Cathie? Nach einer Frau mit der ich eine Familie gründen könnte? Wieso ..." James stockte kurz und legte die Stirn in Falten. "Wieso wecken Männer in mir ein Verlangen?" murmelte er leise und wandte den Blick wieder ab. Er spürte, dass er rot wurde und die Scham, die ihn einmal mehr überkam, war kaum auszuhalten, dabei wollte er Alan nicht auch noch ansehen.

Alan

Alan seufzte. "Ich mache mir trotzdem Sorgen um dich. Du bist nicht voller Sünde. Aber du musst dir darüber klar werden, was du eigentlich willst. Und wenn du dich an seine Regeln hältst, ist ja auch alles gut. Nur musst du dich eben daran halten und darfst nicht wieder mit einem Mann zusammen sein."
Er biss sich auf die Lippe. "Ich weiß es nicht. Vielleicht hat Gott dich einfach nicht für eine Frau geschaffen. Vielleicht ist es auch nur eine Prüfung, die du bestehen musst."
Alan rieb sich ein wenig unbehaglich den Arm. "Aber...nicht alle Männer wecken in dir dieses Verlangen?", wollte er zaghaft wissen. "Du...musst dich nicht vor mir schämen. Ich bin dein Freund."

James

"Ich will Priester werden, Alan." erklärte James und seufzte leise. "Aber ich ... ich habe mich geborgen gefühlt, verstehst du? Es war nicht einfach nur die ... die Lust" murmelte James verlegen, da es ihm immer noch fruchtbar schwer fiel über solche Dinge zu reden. "Es war viel mehr."
Er fuhr sich mit den Fingern durch die dunklen Locken und dachte nach. Eine Prüfung, ja, vermutlich. Nur wusste James gerade nicht, wie er sie bestehen sollte.
Ihm entging nicht, wie Alan sich über den Arm fuhr und bei den nächsten Worten seines Freundes, verzog James die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. "Fragst du, weil du Angst hast, ich könnte über dich herfallen?" gab er bitter zurück und schüttelte dann traurig den Kopf. "Das tue ich aber." erwiderte er und ließ den Blick schweifen. "Ich sehe doch in deinen Augen, was du denkst ... und da glaubst du wirklich, ich würde mich nicht schämen? Ich bin nicht in der Lage meinen Traum zu verfolgen, bin schwach und sitze hier herum und bemitleide mich ... wie kann ich mich dafür nicht schämen? Gerade vor dir. Alan, du ... du bedeutest mir viel, du solltest mich nicht so sehen." erwiderte James und atmete tief durch.
"Vielleicht sollte ich nach England zurück gehen."

Alan

"Aber kannst du dich nicht auch bei Gott geborgen fühlen? Wie du es eigentlich solltest? Was fehlt dir? Kann ich dir nicht weiterhelfen? Ich würde dir so gerne helfen, es ist schwer dich so zu sehen. So verzweifelt."
Alan schaute James ein wenig verletzt an. "Nein! Ich wüsste nur gerne, woran ich bin....Ich will es dir nur nicht noch schwerer machen. Und wenn du dich dafür schämst, dann ändere etwas! Steh auf und hör auf dich zu bemitleiden. Tu etwas! Wenn nicht ich dich so sehen darf, wer dann? Du musst dich nicht schämen, ich bin dein Freund! Und wenn du jetzt nach England gehst, ändert das nichts. Du schmeißt deine große Chance hier weg! Das hier war das, was du immer wolltest! Wenn du jetzt gehst, läufst du nur davon. Dann bist du ein Feigling."