William und Joanna - 1193

Als Edward das breite Grinsen seines Bruders sah, wusste er genau, dass er nicht einfach so davon kommen würde. Er rutschte etwas unbehaglich auf seinem Sessel herum als Robert dann so zielsicher seine Schlüssel zog. "Ich ähm ..." Edward senkte den Blick und starrte auf seine Hände hinab. Seine Wangenmuskeln arbeiteten und er rang etwas mit sich, dann zuckte er mit den Schultern und sah wieder auf. "Möglich wäre es." räumte er ein, hob aber auch sogleich abwehrend die Hände. "Aber frag nicht, wer sie ist. Ich sage kein Wort. Das ist alles noch so ... so frisch. Ich kenne sie noch nicht lange und ich habe noch keine Ahnung wohin das führen soll." erklärte Edward. Dabei war er sich in den letzten Tagen immer sicherer geworden, dass er Claire nicht wieder gehen lassen wollte. Er wollte sie an seiner Seite haben, um jeden Preis!

Robert schlug Edward wohlwollend auf die Schulter. "Ed! Das hätte ich ja nie erwartet, so niedergeschlagen wie du bei deiner Rückkehr aus Pembroke warst. Mir ist gleich aufgefallen, dass es dir besser geht, aber dass eine Frau dahinter steckt...Sie muss etwas Besonderes sein."
Er bedachte Edward mit einem bittenden Blick. "Ach komm schon, sag mir wenigstens etwas über sie. Nur eine Kleinigkeit. Dann werde ich auch nicht weiter fragen."
Er schenkte Edward ein Lächeln. "Ich freue mich für dich. Du hast es bitter nötig. Und möglicherweise ist meine Andeutung zu Helene und eurer Ehe nun doch nicht mehr so abwegig. Aber versprich mir, dass du mich auf dem Laufenden hältst, ich will es erfahren, wenn es etwas neues gibt. Und versau es nicht, Ed, ja? Du hast ein Talent für Katastrophen."

Edward grinste etwas verlegen als Robert ihm auf die Schulter klopfte. "Ich hätte es auch nicht erwartet, aber Isabella hatte wohl Recht. Sie hat gesagt, Gott würde noch etwas für mich bereit halten und so ist es tatsächlich." Edward seufzte. "Ja, sie ist wirklich etwas besonderes. Sie ist ... bezaubernd." Bemerkte er lächelnd, warf Robert einen skeptischen Blick zu und gab dann nach. "Sie hat ein wirklich großes Herz. Wir haben uns kennengelernt weil Askan im Garten davon gelaufen ist und sich bei ihr ein paar Streicheleinheiten ergaunert hat. Sie ist eine von Eleonores Hofdamen und ... ich weiß nicht, ich war einfach völlig machtlos." Edward schlug die Beine übereinander und nickte nachdenklich. "Ja, vielleicht. Mal sehen. Womöglich werden Helene und ich so am glücklichsten." Dann schnitt er eine Grimasse. "Ich gebe mir Mühe, versprochen. Ich will sie um keinen Preis wieder gehen lassen."

Robert lächelte sanft. “Oh natürlich, sie hat vollkommen Recht. Gott lässt dich doch nicht ohne Hoffnung auf Besserung durch dieses ewige Jammertal gehen. Dann wäre er kein sehr barmherziger Gott und an einen solchen glaube ich. Du hast genug gelitten, ich gönne es dir.“ Er lauschte aufmerksam und seine Miene wurde zufrieden.
“Junge, Junge, Ed, dich hat es ganz schön erwischt. Und tatsächlich einmal standesgemäß, was? Das freut mich wirklich. Und ich bin umso glücklicher, dass ich dir Askan gegeben habe. Werde ich sie heute Abend sehen, deine Angebetete?“
Edwards Vorsätze in Ehren, er würde ein Auge darauf haben, dass dieser sie auch einhielt und nicht alles verdarb.

"Hm, gut möglich. Mir ist es manchmal schwer gefallen an diese Dinge zu glauben. Es gibt schließlich genügend Menschen, die erst im Jenseits wirklich Frieden finden und ich ... naja, sagen wir mal, es gibt viele Menschen die ein gutes Leben mehr verdient hätten als ich, nicht wahr?" Edward war schließlich nicht gerade über die Maßen tugendhaft.
Edward schnitt eine Grimasse. "Scheint fast so, ja. Und einigermaßen standesgemäß, da hast du Recht. Aber sie ist so anders als die meisten Hohlköpfchen hier am Hofe. Sie ist klug und ausgesprochen gescheit und nicht auf den Mund gefallen, aber ohne dabei respektlos oder gar vulgär zu werden. Sie ist ..." Edward fiel kein passendes Wort mehr ein und hob einfach nur ergeben die Schultern.
Er schwieg einen Moment, dann nickte er. "Sie wird da sein, ja. Aber ich werde dir nicht sagen, wer sie ist. Das musst du schon selbst heraus finden."

Claire hatte ihr neues, mitternachtsblaues Kleid angezogen und sich die Haare hoch gesteckt. Das Fest war eröffnet worden, man hatte gut gegessen und nun bewegten sich immer mehr Paare im Tanz auf der freigewordenen Fläche in der Mitte der Halle. Sie beobachtete das Treiben lächelnd und wartete darauf, dass sie Edward wieder sehen würde, schließlich hatte er ihr einen Tanz versprochen.
Sie hatten sich in den letzten Tagen besser kennengelernt, sich oft getroffen und so manchen Ausritt unternommen.
Es war wundervoll und sie war rettungslos verloren, das war ihr klar. Aber sie hoffte, dass Edward irgendwann seine Angelegenheiten geregelt hatte, sodass sie ein wenig mehr in die Zukunftsplanung einsteigen konnten.
Aber sie hatte versprochen ihm Zeit zu geben, also würde sie ihr Wort halten.

Edward hatte Claire schon früh in dem bunten Treiben heut Abend entdeckt und war hingerissen gewesen. Nur mit Mühe hatte er sich während des Essens davon abgehalten nicht ständig zu ihr hinüber zu sehen, aber jetzt war das Essen vorbei und es wurde zum Tanz aufgespielt. Einen Moment lang plauderte er noch mit Robert und Josephine, dann entschuldigte er sich und bahnte sich seinen Weg durch die Halle. Er hatte Claire sofort entdeckt und trat nun von hinten zu ihr. "Und, Lady Claire ..." wisperte er leise während er vor sie trat und sich dann höflich verbeugte. "Bereit für einen Tanz?" Er lächelte und seine Augen funkelten schelmisch. Er konnte es kaum erwarten mit ihr zu tanzen, aber er wusste auch, dass sie den Anstand wahren mussten, damit nicht gleich der ganze Hof wusste, was vor sich ging.

Claire strahlte, als Edward sich endlich zu ihr gesellte und wartete, bis er vor ihr stand. Sie knickste in perfekter Manier und neigte dann den Kopf.
"Aber natürlich, Mylord, ich habe den ganzen Abend nur auf Euch gewartet. Ich kann es kaum erwarten." Sie reichte ihm bereitwillig den Arm, um sich von ihm zur Tanzfläche führen zu lassen. Den ganzen Tag hatte sie darauf gewartet ihn endlich wiederzusehen.
Und niemand würde etwas einzuwenden haben, wenn sie etwas miteinander tanzten. "Aber seid gewarnt, achtet ein wenig auf Eure Füße, Edward.", fügte sie leise hinzu.
Sie hatte zwar heimlich geübt, aber sie wusste nicht, wie passabel ihr das alles gelingen würde. Besonders unter so vielen Augen.

Edward lächelte als Claire seinen Arm ergriff. "Was für ein Glückspilz ich doch bin, dass ich von einer so wunderschönen Frau den ganzen Abend über erwartet werde." wisperte er leise. "Du siehst traumhaft aus, Claire." fügte er dann noch hinzu ehe sie die Tanzfläche erreicht hatten.
Er lachte leise. "Ich mache mir keine Sorge um meine Füße. So viele Pferde standen schon darauf, da werde ich dich Leichtgewicht wohl kaum bemerkten." erklärte er augenzwinkernd. Dann setzte das neue Lied ein und Claire und er fügten sich mit den anderen Tänzern in die Choreografie ein. Edward fühlte sich wieder wie bezaubert, so wie es bisher immer in ihrer Gegenwart gewesen war. Claire schien einfach wie für ihn geschaffen zu sein und er für sie, sie beide ergänzten sich einfach so gut. Und Edward musste an Roberts Worte denken ... vielleicht war es wirklich an der Zeit an eine Auflösung seiner Ehe zu denken, auch wenn er das bisher nicht wirklich hatte in Erwägung ziehen wollen.

"Da siehst du einmal..." Claire zwinkerte ihm zu. "Ich danke dir. Ich hatte gehofft, dass es dir gefällt, das Kleid ist neu." Und sie mochte es durchaus sich hübsch zu machen und sich Mühe dabei zu geben. Sie hatte mit den anderen Mädchen zusammen gehockt und sich beratschlagt, sie hatte sogar ein duftendes Öl an ihren Hals getupft.
Sie lacchte leise. "Sehr charmant." Sie fügten sich ein und begannen zu tanzen. Es war ein schönes Gefühl und sie vergaß die Welt um sich herum vollkommen, so konzentriert war sie auf Edward und die Tanzschritte.
Robert hatte seinen Bruder im Auge behalten um herauszufinden, wer dessen Angebetete war und grinste matt, als der sich zielstrebig durch die Menge schlängelte und schließlich eine junge Frau auf die Tanzfläche führte.
Als das Licht deren Gesicht beleuchtete, verschluckte Robert sich an seinem Wein und begann jämmerlich zu husten. "Oh Gott, bitte nicht....", brachte er schließlich keuchend hervor. "Das kann nicht Edwards Ernst sein...."

"Es ist wunderschön und es passt hervorragend zu deinen Augen. Und ein wirklich passender Anlass es einzuweihen, nicht wahr?" erwiderte Edward mit zufriedenem Lächeln.
"Ja, charmant wie eh und je." bemerkte er augenzwinkernd. "Aber es ist ja die Wahrheit. So eine zierliche Elfe wie du wird mir kaum die Zehen brechen können." wisperte er sachte und strich mit dem Daumen unauffällig über ihren Rücken. Wie gern wäre er jetzt mit Claire allein ... wie gern wäre er frei von all den Sorgen und könnte sie die Seine nennen ...
Josephine hatte sich durchaus darauf gefreut über Ostern an den Hof der Königinmutter in Westminster zu reisen. Solange sie nicht ständig am Hof war, genoss sie die Zeit hier durchaus und das Osterhochamt war ausgesprochen schön gewesen, so dass man sich jetzt umso mehr dem Fest ergeben konnte. Das Essen war vorzüglich gewesen und nun konnte man die ersten Tänze in der Mitte der Halle bewundern - und Josephine war fest entschlossen auch ihren Gemahl zum Tanz zu bewegen. Aber erst einmal standen sie noch etwas an der Seite und leerten ihren Wein.
Sie war in die Betrachtung der Tänzer vertieft als Robert neben ihr plötzlich zu husten begann. Ein wenig erschrocken drehte sie sich zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. "Robert ... was ist denn?"

"Das ist es. Ich hatte gehofft, dass du das sagst." Claire schmiegte sich ein wenig enger an Edward, ohne dass es viel auffiel und genoss einfach seine Gegenwart. Es versprach ein schöner Abend zu werden und vielleicht konnten sie sich nachher ja noch ein paar ungestörte Momente stehlen. Sie sehnte sich so danach ihn zu küssen...
Robert schaute seine Frau mit leidender Miene, als er wieder zu Atem gekommen war. "Edward....er hat mir heute Mittag erzählt, dass er verliebt ist. Und es hat ihn wirklich schwer erwischt, wenn man ihn so redden hört. Ich habe mich sehr für ihn gefreut...Er...er wollte sie heute Abend sehen und ich glaube, ich habe nun herausgefunden, in wen er sich verliebt hat."
Er fuhr sich beinahe ein wenig zittrig durch das Gesicht. Das durfte nicht sein. "Schau dir das Mädchen an, Josie....es ist Claire....Edward hat sie nicht erkannt."
Wie auch, Edward hatte Philippes Kinder nie wirklich gut gekannt und hatte Claire seit Jahren nicht gesehen...

Edward schenkte Claire ein warmes Lächelnd und führte sie weiter über die Tanzfläche. "Ich finde, du schlägst dich gar nicht schlecht. Meinen Füßen geht es auf jeden Fall noch sehr gut." bemerkte er leise und atmete tief durch als Claire sich ein wenig dichter an ihn schmiegte. Es war so ein wunderbares Gefühl. "Ich glaube, ich werde nach dem Tanzen dringend etwas frische Luft brauchen ..." erklärte er leise mit vielsagendem Lächeln. Vielleicht würden sie sich so etwas ungestörte Zeit gönnen können.
Josephine sah ihren Mann währenddessen besorgt an, ehe dieser wieder vernünftig Luft bekam. "Edward hat sich verliebt?" fragte sie verblüfft, dann wanderte ihr Blick wieder zur Tanzfläche und sie sah, was Robert meinte. Während Edward wohl tatsächlich nicht wusste mit wem er da eigentlich tanzte, erkannte Josephine das Mädchen natürlich sofort. Sie biss auf ihre Unterlippe, dann sah sie Robert wieder an und unterdrückte nicht ganz erfolgreich ein nervöses Kichern. "Es ist dein Bruder, Robert, was hast du erwartet? Er hat ein Talent für Katastrophen, das hast du selbst gesagt." bemerkte sie und schlang einen Arm um die Taille ihres Mannes. "Du wirst mit ihm reden müssen, ihm die Augen öffnen." erklärte Josephine dann besorgt. "Er hat sie seit Ewigkeiten nicht gesehen und schon als sie klein war hatte er kaum Kontakt zu ihr. Er weiß nicht, was er da tut ..." Josephine schluckte leicht. "Herrje, warum nur? Es wird dem Armen endgültig das Herz brechen." wisperte sie unglücklich.

Claire lächelte ihn dankbar an. "Das freut mich sehr zu hören, ich gebe mir auch wirklich Mühe." Ihre Augen leuchteten auf, als er weitersprach.
"Dabei leiste ich dir gern Gesellschaft. Etwas frische Luft tut sicher gut." Das war ihre Möglichkeit ein wenig ungestörte Zeit miteinander zu verbringen, auch am Rande dieser Festlichkeit.
Robert schaute Josephine gequält an. "Das scheint so zu sein, aber ich dachte, Gott hätte ihm erst einmal genug Katastrophen aufgebürdet."
Er schloss einen Moment die Augen. "Mein armer Bruder... Aber...ich werde ihm den Abend noch gönnen. Wenn das Fest vorbei ist oder morgen früh werde ich mich ihm reden. Ich versuche es ihm behutsam beizubringen. Und ich dachte tatsächlich, er könne endlich glücklich werden."

Edward hatte das Gefühl wie auf Wolken zu laufen als er von draußen zurück in die Halle kam. Claire und er hatten sich nach einigen Tänzen unauffällig nach draußen gestohlen und ihre Zweisamkeit genossen. Ihr so nahe zu sein ließ Edwards Herz wie verrückt höher schlagen und die Euphorie hielt auch jetzt noch an. Sie waren bewusst nicht zusammen zurück in die Halle gekommen, sondern Edward hatte draußen gewartet bis Claire einige Minuten voraus war, erst dann war er ihr gefolgt.
Als er nun zurück kam, lief er Robert beinahe in die Arme und klopfte seinem Bruder überschwänglich auf die Schulter. "Brüderchen! Ein wunderbares Fest, nicht wahr? Wo hast du denn deine reizende Gemahlin gelassen? Ich hatte gehofft sie auf einen Tanz entführen zu können, sie ist eine so begnadete Tänzerin."

Robert hatte den ganzen Abend überlegt, wie er Edward das beibringen sollte, aber es half ja nichts. Und nun lief Edward ihm so freudestrahlend in die Arme, es brach ihm fast das Herz, dass er das Glück zerstören musste.
"Oh, sie hat sich zurückgezogen, die Schwangerschaft macht ihr ein wenig zu schaffen.", erklärte er dann. "Aber sie hätte dir sicher gern einen Tanz geschenkt. Jetzt aber Ed, musst du mir etwas Zeit opfern. Ich muss mit dir reden, dringend."
Er zog Edward mit sich, bis sie in einem ungestörten Raum waren, dann sah er ihn ernst an. "Ed, ich habe deine Liebste heute Abend gesehen....du musst das beenden und zwar sofort.", beschwor er ihn. "Ich würde es dir so sehr gönnen, Ed, aber....du darfst das nicht. Ihr Beide dürft das nicht, Bruder...Claire....Claire ist deine Nichte..."

"Oh, schade. Aber vielleicht gelingt es mir ja morgen ihr einen kleinen Tanz zu stehlen. Wichtiger ist aber natürlich, dass es ihr und dem Kleinen gut geht." bemerkte Edward, dann lachte er auf. "Dir Zeit widmen? Tut mir Leid, Rob, aber mit dir will ich wirklich nicht tanzen." entgegnete er ehe ihm auffiel wie ernst Robert mit einem Mal war. Ein wenig unwillig ließ er sich von Robert aus der Halle führen. Als sie einen leeren Raum gefunden hatten, verschränkte Edward die Arme vor der Brust. "Ah ja? Und was -" Edward stockte und sah Robert ungläubig an. "Bist du verrückt geworden, Rob? Ich werde das ganz sicher nicht beenden! Im Gegenteil, ich werde deinen Rat von heute Mittag befolgen." Edward schnaubte verächtlich. "Unsinn, wir müssen nichts dergleichen. Wir müssen -" Edward brach ab und starrte Robert fassungslos an. "Wie bitte?" fragte er heiser und voller Unglauben.
Seine Nichte? "Aber wer ..." Edward stockte als er sich an etwas erinnerte, das Claire ihm erzählt hatte. Ihr Vater züchtete Pferde, sie war damit groß geworden ... Edward schluckte schwer. "Philippe?" fragte er kaum noch hörbar. "Das ... das kann nicht sein! Das ist unmöglich!"

"Bestimmt, sie wird es sich nicht entgehen lassen." Robert war froh, dass Edward irgendwann aufging, dass ihm nicht mehr zum spaßen zu mute war. Es war ihm klar, dass Edward es erst einmal nicht glauben wollte, aber er musste ihm begreiflich machen, wie wichtig diese Sache war.
"Ich wünschte, das könntest du, Edward, ich wünschte es so sehr..." Ein wenig erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass sich Verstehen auf Edwards Gesicht malte.
Er nickte betrübt. "Ja...sie ist Philippes älteste Tochter. Seit einigen Monaten ist sie hier, das war ihr größter Wunsch. Sie ist zu schade um einen Bauern zu heiraten. Natürlich hättet ihr euch unmöglich erkennen können, ihr habt einander kaum gesehen. Aber hast du nie nach ihrem Vater gefragt? Oder sie nach deiner Herkunft?"
Robert schüttelte den Kopf. "Du musst sofort damit aufhören, Edward."

Edward lehnte sich gegen die Tischkante, mit einem Mal waren seine Knie weich. "Ja, dafür ist sie wirklich zu schade." wisperte er und fuhr sich über das Gesicht, ehe er Robert wieder ansah. "Nein. Nein, es spielte überhaupt keine Rolle. Sie hat einmal erzählt, dass ihr Vater Pferde züchtet, aber bei Gott, das tun ja wohl genügend Männer in England. Ich habe mir nichts dabei gedacht und es war auch vollkommen unwichtig." erwiderte Edward.
Betroffen senkte er den Kopf und starrte auf seine Füße hinab. Wenn er geglaubt hätte Helenes Verrat oder Hannas Hochzeit hätten ihn getroffen, so war das nichts im Vergleich zu dem, was er jetzt fühlte. Es zerriss ihn förmlich. "Das kann ich nicht." erwiderte Edward heiser. "Ich kann nicht. Ich kann sie nicht aufgeben, Robert. Sie ist ..." Edwards Stimme versagte einen Moment lang angesichts dieses Schocks, dann räusperte er sich angestrengt. "Ich kann sie nicht aufgeben." wiederholte er mühsam gequält. "Ich ... ich liebe sie." erklärte Edward verzweifelt und sah Robert wieder in die Augen. Er liebte Claire. Es war nicht einfach nur ein romantisches Verhältnis, er war nicht einfach nur verliebt, es war nichts, was sich in Kürze wieder verlaufen würde. Claire aufzugeben würde ihn zerbrechen. Das konnte er nicht.

"Herrje, Ed...was für eine Katastrophe...du scheinst solche Dinge magisch anzuziehen." Robert seufzte leise. "Nein, natürlich nicht...es gibt in England tatsächlich viele Pferdezüchter. Herrje, warum musstest du ausgerechnet sie treffen?"
Robert fuhr sich nachdenklich durch den Bart. "Ich weiß...", murmelte er betroffen. Er hatte es gewusst, als Edward heute Mittag so über das Mädchen gesprochen hatte. Es war keine Liebelei, so ernst war es Edward seit Julia nicht mehr gewesen und das wollte etwas heißen.
"Aber sie ist deine Nichte, Edward, das...das ist Blutschande. Du verdammst euch Beide.... Ich...ich weiß keinen Weg, um euch zu helfen, wirklich nicht."
Robert biss sich auf die Lippe. "Die einzige Möglichkeit wäre, päpstlichen Dispens zu erlangen, weil Philippe eben nur dein Halbbruder ist....aber das geht erst, wenn du nicht mehr verheiratet bist, wenn überhaupt." Das war wirklich zum Mäuse melken...

Edward atmete tief durch. "Ich musste sie treffen, weil sie ... weil wir füreinander bestimmt sind, Rob." erwiderte er leise. "Weil sie mich so nimmt wie ich bin. Weil sie mich ... wieder gesund macht." Sie half ihm dabei wieder glücklich zu werden und Edward hatte das Gefühl, dass Claire ihn auch zu einem besseren Menschen machen würde.
Edward fuhr sich mit der Hand über den Hals und schluckte schwer. "Aber ... Philippe und ich sind nur Halbbrüder, wir ..." Edward rang verzweifelt nach Worten und sah Robert dann hoffnungsvoll an. "Ein Dispens ... ja." Er nickte. Natürlich, er könnte einen Dispens erwirken lassen. "Es ... es ist nicht verrückter als wenn wir Cousin und Cousine wären und solche Ehen werden schließlich oft genug im Adel geschlossen." murmelte er und löste sich dann von dem Tisch, trat vor Robert und legte eine Hand auf die Schulter seines Bruders. "Ich muss es versuchen, Robert. Ich muss einfach."

"Ich...kann es verstehen, Edward. Ich glaube es dir, aber ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich wünsche mir so sehr eine glückliche Zukunft für dich, Brüderchen, aber warum muss es immer solche Hindernosse geben?"
Robert nickte. "Das....das ist deine einzige Chance, weißt du. Aber du musst dich vorher von deinem Großmut Helene gegenüber verabschieden und die Ehe auflösen lassen. Das dürfte kein Problem sein, denn sie hat dich betrogen und einen Bastard bekommen. Aber vorher wirst du gar keine Zukunft haben.", mahnte er. "Du solltest dich an James wenden...er ist der mächtigste Bischof Englands, er kann dir helfen."
Er schloss seinen Bruder schließlich in die Arme.
"Sei nur vorsichtig, Bruder, wirklich, ich bitte dich...Und du musst es ihr sagen. Lass sie nicht ins offene Messer laufen, auf dass jemand ihr diese Sache um die Ohren schlägt."

Edward hob müde die Schultern. "Ich weiß nicht, es muss wohl an mir liegen ... an meinem Charakter vielleicht." Unglücklich kaute er auf der Unterlippe herum, nickte dann aber. Robert hatte ja Recht, das was Edward bisher nicht hatte wahr haben wollen, würde er nun in Angriff nehmen müssen, wenn er auch nur eine Chance darauf wollte, Claire zu heiraten.
"James!" Edward stöhnte leise. "Ich werde mir eine sehr lange Predigt anhören müssen, wenn ich zu ihm gehe." stellte er verdrossen fest. Wenngleich Robert und er nur Halbbrüder waren, James und Edward hingegen auch die gleiche Mutter hatten, hätten die beiden Brüder kaum unterschiedlicher sein können. "Aber ich schätze, du hast wohl recht. James könnte mir helfen. Wenn er sich denn dazu herab lässt mir einen solchen Gefallen zu tun."
Als Robert ihn in die Arme schloss, erwiderte Edward die Umarmung inbrünstig. "Das werde ich. Ich werde später mit ihr sprechen. Vielleicht nicht mehr heute Abend, aber spätestens morgen. Ich ... Gott bewahre mich, ich muss ja auch wissen, ob sie mich jetzt überhaupt noch haben will." murmelte er leise.

Robert lächelte leicht. "Das wirst du. Er wird lamentieren, sich aufregen und sich über deine Lasterhaftigkeit auslassen und dann wird er dir helfen. Ich bin mir mehr als sicher, Edward, er ist unser Bruder und er ist mächtig. Er kann solche Dinge beeinflussen. Er wird sich deiner annehmen. Er hat auch Diana angehört und ihr Trost gespendet...Er hat ihr die Beichte abgenommen."
Robert nickte. "Aber wenn sie so fühlt wie du es tust, wird sie dich wollen, glaub mir. Macht nur keinen Unsinn, bevor der Dispens erteilt ist, ich bitte dich."
Erst einmal musste er alles Andere regeln und seine Ehe auflösen lassen. Helene selbst hatte den Grund geliefert und verdiente daher auch nur bedingt Mitleid.

Edward seufzte schwer. "Vermutlich hast du Recht und unser makelloser Bischof hat doch einen weichen Kern. Es wäre nur leichter, wenn er etwas weniger die Stirn über mich runzeln würde, unser ehrenwerter Bruder. Ich bin nicht gut darin vor jemandem zu Kreuze zu kriechen und einen Gefallen zu erbitten."
Edward schluckte, dann lächelte er leicht. "Oh ja, das tut sie." erwiderte er leise. Er wusste, dass Claire genauso fühlte wie er und er hoffte, dass Robert Recht hatte und dass es sie nicht abschrecken würde, wenn er ihr die neusten Erkenntnisse über ihre Verwandtschaft offenbarte.
Edward grinste. "Keine Sorge, Brüderchen, ich mache keinen Unsinn. Du kennst mich doch." bemerkte er augenzwinkernd und klopfte Robert auf die Schulter.