William und Joanna - ab 1175 bis 1176

 

William schnaubte leise, dann packte er Henry am Kragen. Nicht fest und mit dem Vorhaben ihn in Bedrängnis zu bringen, doch so, dass dieser begriff, wie ernst es ihm war. "Wenn du selbst sagst, sie hätte es nicht gewollt, du es aber trotzdem tust ... dann trittst du ihr Andenken umso mehr mit Füßen, ist dir das klar?" erwiderte William mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme.
"Ich weiß, dass es schmerzt, Henry, und ich weiß, wie sehr du dir wünscht, dass das alles ein Ende hat, aber so einfach ist es nicht. Und wenn du willst, dass du Jane nach deinem Tod wieder siehst, dann solltest du besser damit aufhören dich geradewegs in die Hölle hinab zu saufen."

Henry schaute William völlig perplex an, verharrte so und nahm schließlich nur dessen Schimpftirade wahr. Wie grausam es doch war, was er ihm vorwarf. Und schließlich standen ihm die Tränen die Augen.
"Du hast leicht reden! Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll und du hältst mir solch dumme Reden. Du sagst doch selber, dass du nur ahnen kannst, wie ich mich fühle. Also lass mich in Ruhe! Lass mich doch einfach...von ein bisschen Wein wandert man nicht gleich in die Hölle."
Das hatte er Jane schließlich versprochen.
"Kümmer dich um deinen eigenen Kram, William." Henry versuchte sich an einer wegwerfenden Geste und scheiterte kläglich an seiner Koordination.

 

William beobachtete Henry aufmerksam und auch, wenn es ihn Schmerze seinen Cousin so zu sehen, war er dennoch erleichtert, als Henry die Tränen in die Augen stiegen. Immerhin verdrängte er seine Gefühle nicht völlig und ließ zumindest William noch an sich heran.
"Von ein bisschen Wein vielleicht nicht, Henry. Aber sein wir ehrlich, das hier ist nicht mehr nur ein bisschen." erwiderte William mit sanfter Stimme.
William ließ Henrys Kragen los und legte ihm stattdessen den Arm um die Schultern. "Das hier ist mein Kram. Du bist für mich wie ein Bruder, Henry, nichts was du anstellst, geht spurlos an mir vorbei. Außerdem ... habe ich Jane versprochen auf dich Acht zu geben." erklärte er leise. "Und ich habe nicht vor dieses Versprechen zu brechen, hörst du?"

"Doch, immer noch zu wenig, denn ich kann immer noch geradeaus denken." Und das war etwas, was er gern ausschalten wollte.
Als William den Arm um seine Schultern legte, war es um seine papierdünne Beherrschung geschehen und er schluchzte leise auf.
"Jane...wie konnte sie mich hier einfach zurücklassen? Wie konnte sie mich so im Stich lassen? Ihr geht es jetzt gut und ich? Ich muss mich hier allein mit allem herum schlagen. Wie konnte sie mir das antun?" Das war auch eine seiner Stimmungen. Im einen Moment vermisste er sie so sehr, dass er schreien wollte; im anderen Moment war er deswegen furchtbar wütend auf sie.
"Ich kann einfach mein Versprechen nicht erfüllen und für die Kinder da sein. Ich schaffe es einfach nicht. Wie soll ich das denn auch tun, wenn ich selber schon nicht zurecht komme? Wenn ich nichts trinke, schaffe ich es morgens nicht einmal aus dem Bett."

 

Als Henry aufschluchzte, zog William seinen Cousin für einen kurzen Moment in seine Arme. "Du Dummkopf." murmelte er. "Glaubst du wirklich, sie hätte dich alleine gelassen, wenn sie anders gekonnt hätte? Du denkst doch nicht ernsthaft, dass sie so etwas zugelassen hätte! Sie wäre zweifellos noch bis ins hohe Alter an deiner Seite und der der Kinder geblieben, aber das war ihr nicht vergönnt. Gib ihr nicht die Schuld daran, Henry. Niemand hat Schuld daran. Es ging einfach nicht anders."
William sah Henry ernst an. "Das musst du aber, Henry. Harry und Aileen können nichts dafür, dass du dich so miserabel fühlst. Was glaubst du, wie es den beiden wohl gerade geht? Sie haben ihre Mutter verloren und ihr Vater bringt es vor lauter Selbstmitleid auch nicht fertig sich mit ihnen zu beschäftigen und wenn er es doch einmal tut, ist er doch nur halb betrunken. Henry, du musst langsam anfangen dich zusammen zu reißen. Ich weiß, dass es schwer ist und wenn du es zulässt, will ich dir helfen so gut es geht, aber du musst den ersten Schritt machen."

"Doch! Gott ist Schuld daran, dieser vermaledeite Bastard. Offensichtlich hat ihm mein Lebenswandel ja nicht sonderlich gefallen, den ich mit Jane begangen habe. Aber was kann sie denn dafür? Oder die Kinder? Das ist nicht gerecht, William. Das ist einfach nur grausam."
Henry schüttelte den Kopf und blockte ab. "Ich muss gar nichts. Selbstmitleid?! Selbstmitleid nennst du das? Ich habe die Frau verloren, die ich mehr als mich selber liebe und du sagst mir, ich würde im Selbstmitleid versinken? Du hast doch keine Ahnung!", fuhr er William zornig an.
"Wie willst du mir denn helfen? Du kannst sie auch nicht zurück bringen."

 

William seufzte leise und ließ Henry los, lehnte sich selbst ein wenig zurück. "Ja, Selbstmitleid nenne ich das." erwiderte er trocken. "Trauer ist eine Sache, Henry, und die gesteht dir auch jeder zu. Aber das was du hier treibst, geht über jedes Maß hinaus. Denk doch einmal daran, was Jane für dich gewollt hätte ... denkst du, das hier wäre es gewesen? Hat sie dich auf dem Sterbebett gebeten alles wegzuwerfen und dich im Wein zu ertränken?"
William schüttelte den Kopf und griff nach seinem Becher. Er trank allerdings nicht, sondern drehte ihn nur langsam in der Hand herum und betrachtete ihn eingehend. Dann sah er wieder auf. "Wann hast du das letzte Mal ein Schwert in der Hand gehabt?" fragte er dann unvermittelt.

"Vielleicht nicht. Aber immerhin wäre ich dann bald wieder bei ihr. Außerdem kannst du mir nicht erzählen, dass du besser warst, als Isabel gestorben ist. Da warst du auch wochenlang zu nichts zu gebrauchen, William, wenn ich dich daran erinnern darf.", erwiderte Henry trotzig. Er wollte so trauern, wie es ihm passte. Er wollte sich von William keine Vorschriften machen lassen.
Verwirrt sah er William an.
"Ein Schwert? Keine Ahnung. Ich kann mich nicht mehr erinnern..." Solche Dinge waren im Moment völlig unwichtig...

 

"Und genau das ist doch das entscheidende, Henry! Du wärst nicht wieder bei ihr. Das kannst du nur erreichen, wenn du dich wieder zusammen reißt und mit deinem Leben etwas anfängst. Dann wirst du, sobald deine Zeit gekommen ist, wieder bei ihr sein. Aber nicht, wenn du dich zu Tode säufst oder dir sonst etwas antust." erwiderte William eindringlich.
Dann nickte William nachdenklich und stellte seinen Becher schließlich entschlossen zur Seite. "Dann wird es Zeit, dass dein Arm sich mal wieder mit dem Gewicht einer Klinge vertraut macht." entschied er und stand auf. "Na komm. Wolltest du nicht schon immer mal mit einem Schwert auf mich eindreschen? Dann kannst du mir wenigstens zeigen, wie sehr ich dir auf die Nerven gehe."

Henry schüttelte den Kopf. "Du hast leicht reden...", brummte er missmutig. William hatte ja seine Joanna noch. Das war einfach ungerecht. Einmal im Leben liebte er eine Frau aufrichtig, da nahm man sie ihm so früh.
"Bist du verrückt?", fragte Henry misstrauisch. "Oder lebensmüde? Ich habe schon ein paar Becher heute getrunken, ich glaube nicht, dass das so sonderlich gute Bedingungen sind. Außerdem habe ich keine Lust. Ich würde dich lieber ausblenden als dich zu verdreschen..."
Eindeutig...

 

William verzog spöttisch die Lippen. "Verrückt sicherlich. Lebensmüde weniger. Ich denke, der Umstand, dass du schon getrunken hast, macht es für mich eher einfacher. In nüchternem Zustand würdest du mich vielleicht gerade noch so ins Schwitzen bringen können, bevor ich die besiege, aber betrunken ... ich bitte dich."
William zuckte mit den Schultern. "Mir ist es egal, ob du Lust hast oder nicht, du wirst jetzt mitkommen." entgegnete er beiläufig.

"Das sagst du so..ich habe dich früher schon immer besiegt, William." Henry musste bei der Erinnerung ganz leicht grinsen, wurde dann aber wieder ernst.
"Und wenn ich nicht mitkommen will? Was willst du dann tun, hm? Du kannst mich schließlich schlecht hintragen, nicht wahr."
Henry seufzte leise und setzte sich wieder. "Mir ist nicht nach kämpfen. Ich will einfach nur meine Ruhe haben, ist das so schwer zu verstehen? Ich will meine Ruhe, schlafen....dann und wann mit den Kindern spielen..."

 

William schürzte die Lippen. "Das hättest du wohl gern." erwiderte er spöttisch, dann zuckte er mit den Schultern. "Tragen vielleicht nicht, aber wenn ich dich hier heraus zerren muss, ist mir das auch egal. Aber ich hätte nicht gedacht, dass du so ein elender Feigling bist." stellte William fest und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das kannst du aber nun einmal nicht. Damit musst du sich wohl abfinden. Oder du überlässt Henry deine Krone und alles was damit einher geht und ziehst dich zurück wie ein alter, gebrochener Mann und überlässt das Regieren jüngeren Männern, die fähiger dazu sind." provozierte William ihn weiter.

Henrys Hand zuckte verräterisch, als William ihn einen Feigling nannte. Das ließ er sich nicht einfach so gefallen.
"Bevor Henry diese Krone bekommt, wird noch sehr, sehr viel Wasser die Themse hinab fließen.", bemerkte er dann düster, nur um William im nächsten Moment hart am Kragen zu packen.
"Fähigeren? Ich glaube, dir geht es zu gut! Fähigere, jüngere...pah! Ich werd dir schon zeigen, wer hier fähig ist, du Bastard!"
Manchmal hasste er William wirklich dafür, dass dieser ihn so gut kannte und genau zu packen wusste. William wusste genau, dass Henry so eine Bemerkung nicht auf sich sitzen lassen konnte.

 

William war darauf vorbereitet gewesen, dass Henry die Geduld verlieren würde und rührte sich deshalb nicht als dieser ihn grob am Kragen packte. Dann verzog er die Lippen langsam zu einem Grinsen. "Wenn ich mich nicht täusche, war mein Vater der Bastard. Das macht mich nur zum Sohn eines Bastards, nicht wahr?" entgegnete William und legte eine Hand auf Henrys Unterarm.
"Also werte ich das nun als Zustimmung, dass du mich mit nach draußen begleitest?"

"Du bist wirklich ein Aas, Cousin. Manchmal hasse ich dich wirklich." Dabei wollte er doch tatsächlich nur seine Ruhe haben und nichts tun, ein bisschen dösen.
"Du Idiot, natürlich komme ich mit." Wie sah es denn jetzt auch aus, wenn er einen Rückzieher machte? Das war ein Ding der Unmöglichkeit, gerade William gegenüber.
"Dann los, beweg dich..."
Je schneller sie dort waren, desto schneller hatte er es hinter sich und desto schneller würde William ihn damit nicht mehr nerven. Er würde sich einfach wieder ein bisschen hinlegen dürfen....

 

William grinste zufrieden. "Genau dafür bin ich da." erwiderte er und klopfte Henry auf die Schulter, ehe er sich zur Tür umwandte.
Als sie den Trainingsplatz erreichten, tauchte die untergehende Sonne alles gerade in ein warmes, rötliches Licht - ein letzter schöner Augenblick bevor es beginnen würde, düster zu werden. William hielt Henry eines der Beiden Schwerter entgegen, die er auf dem Weg geholt hatte und wartete darauf, dass sie anfangen konnten.
"Dann zeig mir mal, wieso ich nicht in die Normandie reisen sollte, um vor deinem Sohn niederzuknien." stichelte William ein wenig, um Henry herauszufordernd.

Nur widerwillig begleitete Henry William hinaus auf den Trainingsplatz. Als er sein Schwert in der Hand hatte, wog er es erst einmal prüfend in der Handfläche.
Er atmete zischend ein und aus, als William wieder anfing ihn zu provozieren. Und dann, dann ging er einfach auf William los und hoffte, dass dieser mit seiner Abwehr schnell genug war. Denn nun einmal angefangen würde es unheimlich schwer werden wieder aufzuhören, denn jetzt brachen sämtliche Dämme.
Er fing an wie irre auf William einzuschlagen, aber es tat einfach gut, seine ganze Wut einmal hinaus zu lassen.

 

William hatte damit gerechnet, dass Henry einfach blindlings auf ihn los gehen würde. Welche Kraft er dabei trotz seines trunkenen Zustandes jedoch noch entwickelte, überraschte William doch ein wenig. Aber auch wenn er sich abmühen musste, es war eindeutig die richtige Entscheidung gewesen, denn William spürte förmlich, wie die Wut mit jedem Schlag aus Henry heraus trat. So konnte er sich wenigstens endlich einmal an einem greifbaren Ziel auslassen und schluckte Trauer, Wut und Verzweiflung nicht länger stumm hinunter.

Henry tat es unfassbar gut, endlich die aufgestauten Gefühle und die Anspannung hinaus zu lassen. Er konnte nicht mehr wirklich klar denken, er handelte einfach nur.
Er wollte William nicht verletzen, aber er hatte kaum Kontrolle über das, was er gerade tat. Er wollte einfach nur seinen inneren Feind besiegen. Damit dieses Leiden endlich ein Ende hatte... Er vermisste Jane so unfassbar. Aber er wollte doch endlich sein Versprechen wieder wahr machen können und für seine Kinder da sein.
Etwas, das ihm gerade unheimlich schwer fiel...

 

William ließ Henry zunächst einfach machen und beschränkte sich darauf, seine Angriffe abzuwehren. Allerdings merkte er mehr und mehr, dass sie so nicht voran kommen würden. Henry fand einfach kein Ende, so dass er schließlich begann, von der Defensive auch in die Offensive zu gehen und Henry nun seinerseits einmal über den Trainingsplatz zu treiben. Und zugegebener Maßen, es tat wirklich gut. Endlich einmal wieder mit Henry zu trainieren, so wie sie es früher immer getan hatten ... wenn gleich das hier weniger einem Training glich. Wenn William nicht aufpasste, würde er sicher noch den ein oder anderen Treffer einstecken und die ersten blauen Flecke hatte er sich bereits eingehandelt.

Henry erwachte aus seiner Trance, als William begann seine Angriffe zu erwidern. Jetzt erst begriff er, was er gerade tat und so begann er, ein wenig von seiner Aggression zurück zu nehmen. Jetzt wurde es wieder zu einem ihrer Trainingskämpfe, wie sie sie schon oft ausgetragen hatten.
Es tat wirklich sehr gut wieder einmal die Kräfte zu messen. Er konnte gar nicht sagen, wie lange der Kampf dauerte, bis sie sich Beide keuchend gegenüber standen.
"Das war gut...", seufzte Henry.
Seine Anspannung war von ihm abgefallen...

 

William war Henry wirklich dankbar als dieser endlich wieder begann seine Umwelt wahrzunehmen und sich ihr Kampf tatsächlich in eine Art Training verwandelte. Sonderlich lange hätte er das wohl sonst nicht mehr durchgehalten ohne mehr einzustecken oder Henry ernsthaft in die Schranken weisen zu müssen.
Als sie schließlich schwer atmend die Schwerter sinken ließen und William sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht wischte, grinste er breit. "Das habe ich doch gleich gesagt." erwiderte er und nickte dann in Richtung Zaun. "Und wir haben Zuschauer bekommen. Es scheint wohl recht interessant zu sein zu beobachten, wie der König in die Knie gezwungen wird." spottete William sanft.

Henry seufzte leise. Es war klar gewesen, dass die Leute sich das nicht entgehen lassen würden. Wann sah man den König schon einmal so kämpfen?
"Ja, ja...du hast wie meistens recht." Er grinste schief. "Natürlich, so etwas lassen die Leute sich nicht nehmen. Aber von in die Knie gezwungen kann ja wohl keine Rede sein, nicht wahr? Du hattest am Anfang ziemliche Schwierigkeiten dich zu behaupten. Wenn überhaupt lasse ich nur ein unentschieden gelten, mein Lieber.", merkte er an und klopfte William auf die Schulter.
William hatte wirklich recht. So etwas hatte er gebraucht. Es hatte ihm wirklich gut getan.

 

William schürzte die Lippen. "Ich habe am Anfang nur nichts gemacht, damit du dich erst einmal austoben konntest." entgegnete er und lachte dann. "Aber es hat gut getan mal wieder mit dir auf dem Platz zu stehen." Er legte eine Hand auf Henrys Schulter und lächelte.
"Na komm, lass uns rein gehen, uns umziehen und noch etwas zusammen essen, was hältst du davon? Ich werde in der Küche Bescheid sagen, wir haben uns sicher etwas gutes auf dem Teller verdient."
Und vielleicht hatte es nun die richtige Wirkung auf Henry und es würde wieder bergauf gehen.