William und Joanna - ab 1183

Wibald

Constance warf sich John förmlich in die Arme und noch bevor sie seine vertraute Wärme überhaupt spürte, liefen ihr bereits die Tränen über die Wange. Hier stand er einfach so vor ihr auf der Straße und lächelte! Und sie hatte sich fast zu Tode gegrämt!
"Du Schuft!" wisperte sie heiser. "Jag mir nie wieder solche Angst ein ..." Sie hatte wirklich zu fürchten begonnen, dass sie ihn nie wieder sehen würde.
Constance schniefte und löste sich nur widerwillig wieder von John als dieser seinen Begleiter herbei winkte. Sie fuhr sich kurz mit dem Handrücken über die Wangen und versuchte sich dann an einem Lächeln. "Bruder Wibald. Habt Dank, dass Ihr meinem Mann geholfen habt, wir waren in größter Sorge um ihn." erklärte sie als Rob zu ihnen trat, der nun ebenfalls aus dem Sattel geglitten war.
"Bei allen Heiligen, John ... wir suchen seit Tagen nach dir." erklärte er zur Begrüßung und legte dem Arzt kurz eine Hand auf die Schulter. "Was ist geschehen? Dein Pferd tauchte in Truro auf und von dir war weit und breit keine Spur ..."

John strich ihr die Tränen von den Wangen. "Es tut mir leid, Liebste...verzeih mir." Er schenkte Rob ein Lächeln und bemerkte amüsiert, dass Wibald unter den Worten seiner Frau errötet war und nur ausweichend etwas murmelte.
Er hob die Schultern.
"Ich bin sehr dankbar, dass Ihr nach mir so eindringlich gesucht habt. Ich war auf dem Rückweg von Dover, als ich überfallen wurde. Sie haben sich nicht mit meiner Börse zufrieden geben wollen."
John seufzte tief.
"Sie haben mich niedergeschlagen, ich dachte einen Moment, sie würden mich töten. Wibald hat mich gefunden und in sein Kloster gebracht. Dort hat er mich zusammen geflickt. Ich bin froh, dass mein Pferd es geschafft hat zu entkommen."

"Ich dachte, ich hätte dich verloren." wisperte sie leise und ließ zu, dass John ihr die Tränen aus dem Gesicht wischte. "Es ... es war ja nicht deine Schuld." erwiderte Constance dann langsam. "Aber versprich mir, dass du solche Reisen in Zukunft nicht noch einmal alleine unternimmst! Es ist so unglaublich gefährlich."
Rob seufzte und schüttelte den Kopf. "Unfassbar. Ich schätze, es sollten in nächster Zeit wieder vermehrt Kontrollritte im Umland erfolgen." murmelte er und sah dann zu dem jungen Mönch, der John begleitet hatte. "Bruder Wibald, Ihr seid natürlich herzlich eingeladen uns noch mit nach Truro zu begleiten. Es würde mich freuen, wenn Ihr ein paar Tage bleibt und wir uns erkenntlich zeigen können für das, was Ihr für John getan habt." erklärte Rob mit einem freundlichen Lächeln.
Wibald fühlte sich reichlich unwohl in seiner Haut, denn er war den Umgang mit solch hohen Herrschaften wahrlich nicht gewohnt. Doch er nahm sich zusammen und verneigte sich leicht. "Gerne würde Euch nach Truro begleiten, Mylord. John hat mir schon so Vieles davon erzählt, dass ich durchaus neugierig geworden bin."

"Aber das hast du nicht, mein Engel. Man konnte uns nicht auseinander reißen." John legte beide Hände an ihr Gesicht und nickte dann. "Ich verspreche es. Es sind unruhige Zeiten...Richards lange Abwesenheit macht sich bemerkbar."
Und er war froh, dass Rob entsprechende Konsequenzen zog und vermehrt Kontrollritte unternehmen wollte. Vielleicht würde anderen Wanderern dann sein Schicksal erspart bleiben.
Er legte Wibald kurz die Hand auf die Schulter.
"Wunderbar. Ihr müsst unbedingt mit uns kommen und das Hospital sehen. Ich werde Euch einige nützliche Dinge für Euer Klosterleben beibringen."
Er war sicher, dem Mönch würde es gefallen. Und John selbst konnte es kaum abwarten nach Hause zu kommen.

Isaac

Liebster Bruder,
als dein Knappe habe ich meine Pflicht versäumt und als dein Bruder den Fehler begangen deinem guten Rat nicht zu folgen. Beides tut mir Leid und doch musste ich diesen Schritt gehen; ich habe mich Richards Heer angeschlossen, um mit dem König auf den Kontinent zu ziehen.
Vergib mir, wenn ich euch in Truro mit meinem Verschwinden in Sorge versetzt habe, auch das war nicht gewollt, aber ich kann dir diesen Brief erst zukommen lassen, wenn ich eines der Schiffe auf den Kontinent besteige, denn sonst würdest du womöglich auf die Idee verfallen nach Portsmouth zu kommen, um mich zurück zu holen und das kann ich nicht riskieren.
Ich weiß, dein Rat war gut gemeint und richtig, trotzdem habe ich mich entschieden zu gehen, in der Hoffnung meinen eigenen Weg zu finden.
Es fällt mir schwer in Worte zu fassen, was in mir vorgeht, aber ich will dennoch versuchen mich zu erklären. Ich weiß wirklich zu schätzen, was du für mich tust und ich bin dankbar dafür, dass auch Vater und Großvater um meine Zukunft bedacht sind, dass sie sich Gedanken darum machen, wie du sagst. Aber ich muss versuchen selbst für meine Zukunft zu sorgen und das kann ich nur, wenn ich den Pfad verlasse, den ihr mir bereiten wollt. Deshalb habe ich mich auf den Weg nach Portsmouth gemacht, sitze nun hier in einer kleinen Hafenschenke und schreibe dir diese Zeilen bevor Richards Schiffe morgen früh hier von Anker gehen - eines davon mit mir an Bord. So werde ich auf dem Festland sein bevor du diesen Brief in den Händen hältst und ich hoffe, dass du nicht trotzdem noch versuchen wirst, mich zu holen oder Vater oder Onkel einen Boten schickst. Trotz dieses Risikos muss ich dir diese Zeilen schreiben, denn mich belastet die Vorstellung, dass du dich wegen meines Verschwindens unnötig um mich sorgst und womöglich nach mir suchst. Außerdem will ich wenigstens versuchen mich zu erklären, auch wenn ich es nicht fertig gebracht habe, dir dabei in die Augen zu sehen.
Also hoffe ich auf deine Vergebung und dass du mich trotz allem in deine Gebete einschließt und verbleibe dein dich liebender Bruder,

Isaac

Rob ließ sich fassungslos auf einen Stuhl sinken. Er hatte Isaacs Brief gefunden und gelesen. Er wusste gar nicht, wie er sich verhalten und seiner Sorge Herr werden sollte.
Isaac hatte sich einfach davon geschlichen und sich unter Richards Truppen gemischt. Wie sollte er seinen Eltern erklären, dass er nicht gut genug auf seinen kleinen Bruder aufgepasst hatte? Was, wenn ihm etwas passierte?
"Oh, Isaac....warum hast du das nur getan..." Er hätte doch auch auf anderem Wege etwa erreichen können.
Und sollte er wirklich keinen Boten an seinen Vater oder seinen Onkel schicken und Isaac decken?

Giselle war bei ihren Söhnen gewesen und hatte sie zusammen mit der Kinderfrau für einen Mittagsschlaf hingelegt. Dem älteren William hatte sie eine kleine Geschichte erzählt und der Junge war bald eingeschlafen, aber Giselle war nicht so Recht mit dem Herzen bei der Sache gewesen. Seit einigen Tagen war Isaac verschwunden, hatte offenbar seine Sachen gepackt, sein Pferd genommen und hatte Truro ohne ein Wort verlassen. Sie alle waren ratlos gewesen, Rob hatte in der Umgebung suchen lassen, hatte gehofft, dass sie irgendeinen Hinweis finden würden wohin Isaac verschwunden war, aber bisher ohne Erfolg.
Der einzige Trost an den sie sich halten mussten, war, dass er offenbar freiwillig gegangen war und ihm nicht irgendetwas zugestoßen war, wie John auf seiner Heimreise noch vor Kurzem.
Als beide Jungen schliefen, ließ Giselle die Kinderfrau mit ihnen alleine und ging langsam zurück in ihre Gemächer. Dort fand sie Rob am Tisch sitzen, mit fassungsloser Miene und einem Brief in der Hand. Sogleich war sie alarmiert.
"Ein Brief? Was ist geschehen?" fragte Giselle angespannt. Sie konnten jetzt nicht noch mehr schlechte Nachrichten ertragen.

Rob hob den Kopf, als Giselle herein kam. Jedes Mal faszinierte es ihn aufs neue, dass sie diese Strecken innerhalb ihrer Gemächer inzwischen ganz allein bewältigen konnte, auf eigenen Beinen. Sie hatten so viel erreicht.
Doch ihre Frage holte ihn zurück in die Gegenwart.
"Wir können aufhören Isaac zu suchen. Er ist ausgerissen....Er hat sich Richards Truppen angeschlossen und ist mit nach Frankreich in den Krieg gesegelt. Er hat mich um Verzeihung und meinen Segen gebeten. Mein Verständnis...Er hat versucht es zu erklären, aber ich soll ihm keine Steine in den Weg legen. Oh, Giselle, was soll ich nur tun? Wie soll ich meinen Eltern das erklären?"

Vorsichtig setzte Giselle sich neben Rob auf den freien Stuhl und atmete leicht durch. Es war wirklich ein Segen, dass sie endlich wieder auf eigenen Beinen stand, dass sie hier in ihren Gemächern es sogar wagen konnte alleine gewisse Strecken zurück zu legen.
"Isaac?" fragte sie und war im ersten Moment nicht sicher, ob sie erleichtert oder besorgt sein sollte, dass Rob offenbar etwas von seinem Bruder gehört hatte. Doch dann wurde sie blass. "Er hat was?" fragte sie entgeistert. Sie wusste natürlich, dass Isaac gerne in diesen Krieg gezogen wäre, dass er sich in die Nähe des Königs wünschte, um irgendetwas zu erreichen. Er hatte mit Rob nicht selten darüber gesprochen und Rob mit ihr. Aber sie hatte immer geglaubt, ihr Mann hätte seinem Bruder immer Vernunft einreden können. Doch nun hatte Isaac plötzlich doch alles über den Haufen geworfen und war verschwunden.
"Was schreibt er denn? Wie kommt er denn jetzt plötzlich auf diese Idee? Ich dachte, ihr hättet oft genug darüber gesprochen ..."

Rob seufzte tief und legte seiner Frau den Arm um die Hüfte. "Er sagt, er konnte nicht anders. Er ist uns sehr dankbar, aber er müsse seine Zukunft selber in die Hand nehmen. Ich kann ihn ja verstehen, dass er selbst etwas erreichen will. Aber warum muss er in den Krieg ziehen?"
Er machte sich wirklich Sorgen.
"Ich hätte es ahnen müssen. Vielleicht hätte ich nochmal mit ihm reden sollen. Ihn ernster nehmen..." Dann hätte er Isaac sicher aufhalten können.
"Vater wird mich umbringen..." Und er selbst würde sich nie verzeihen, wenn seinem Bruder etwas zustoßen sollte.

Giselle musste trotz des ernsten Themas lächeln und strich ihrem Gemahl sanft durch die schwarzen Locken. "Geh in dich, Rob. Wieso musstest du mit fünfzehn mit auf den Kreuzzug?" fragte sie und ließ die Hand zu seinem Nacken gleiten. "Jetzt blickst du mit anderen Augen auf den Krieg, aber Isaac hat diese Erfahrungen noch nicht gemacht und mit euch Männern ist es doch immer das gleiche: ihr könnt kaum Laufen, da bekommt ihr ein Schwert in die Hand gedrückt und werdet genau für diesen Zweck trainiert, um in den Krieg zu ziehen."
Giselle dachte einen Moment nach, dann schüttelte sie langsam den Kopf. "Nein, ich glaube, das hätte nichts geändert. Ihr habt doch ausführlich darüber gesprochen, nicht wahr? Und nichts, was du hättest sagen können, hätte Isaacs Meinung wohl geändert. Dein Bruder ist nicht wie du Rob. Vielleicht ist es wirklich wie er schreibt und es ist etwas, das er einfach tun muss. Und wenn es am Ende nur dazu dient, dass er den Geschmack am Krieg vorzeitig verliert. Letztlich muss jeder seine Erfahrungen selbst machen."
Giselle seufzte leise. "Ich glaube nicht. Was hättest du auch schon tun sollen? Du kannst ihn schwerlich gegen seinen Willen hier festhalten. Lass uns abwarten. Deine Großeltern müssen doch jetzt eigentlich auch jeden Tag zurück kommen. Sprich mit ihnen und dann sehen wir weiter, was meinst du?"

Rob seufzte. "Du hast Recht. Bei dem Vorbild ist es wohl auch natürlich, dass er nacheifern möchte. Soll er seine Erfahrungen machen...Und wenn es seinen Zweck erfüllt und er keine Lust mehr auf den Krieg hat, dann hat es einen Zweck erfüllt."
Giselle hatte immer einen außergewöhnlichen Blick auf die Dinge, der ihm selbst oftmals weiterhalf. "Ich werde mit ihnen reden, das ist eine gute Idee. Sie werden wissen, was zu tun ist."
Er gab seiner Frau einen Kuss auf die Schläfe.
"Was würde ich nur tun ohne dich, mein Engel? Du öffnest mir immer wieder die Augen für neue Blickwinkel. Aber nun sag, was macht unser Nachwuchs, hm?"

"Komm ja nicht auf die Idee, dir allein die Schuld daran zu geben." mahnte sie ihn halb ernst, halb amüsiert. "Isaac ist umgeben von solchen Vorbildern. Er hat in der Familie so viele strahlende Ritter, die er sich zum Vorbild machen kann, ganz gleich, ob du es bist, dein Vater oder Großvater. Oder der König mit dem ihr ja ebenfalls verwandt seid. Und Richard hat eine Gabe, die es ihm ermöglicht, dass ihm die Menschen zu Füßen liegen und ihm bis ans Tor der Hölle folgen, wenn er nur mit den Fingern schnippst. Das macht ihn zu einem großartigen Anführer, aber auch gefährlich."
Giselle lächelte als Rob ihr einen Kuss gab. "Verzweifeln und dich zu Tode grämen?" schlug sie vor und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. "Will und Etienne schlafen wie die reinsten Engel. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie unschuldig sie dann plötzlich aussehen." bemerkte Giselle und griff nach Robs Hand, um sie auf ihren Bauch zu legen. "Und bei diesem hier bin ich mir von Tag zu Tag sicherer, dass wir tatsächlich hoffen können." fügte sie leise hinzu.

Rob lachte leise. "Dann würdest du mir schon den Kopf waschen, ich kenne dich. Und ja, wir haben eine Familie voller großer Namen und Fußstapfen. Wenn man nicht zurückstehen will, muss man wohl etwas erreichen. Aus eigener Kraft. Richard....er ist all das, was du sagst. Man folgt ihm ohne Rücksicht auf das eigene Schicksal. Ich hoffe nur, das wird nicht zu Isaacs Verhängnis werden."
Er lächelte zufrieden.
"Wunderbar. Nun, spätestens wenn sie aufwachen, werden sie uns schon wieder in Atem halten. Also hoffen wir, es wird eine Weile dauern." Sein Blick folgte seiner Hand, die Giselle auf ihren Bauch legte. Dann schaute er seine Frau mit strahlenden Augen an.
"Oh wirklich? Oh, Giselle....das ist ja wundervoll! Vielleicht bekommen wir diesmal ja ein kleines Töchterchen..."

Giselle nickte entschieden, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. "Ganz richtig. Also besser für dich, wenn du es gar nicht erst so weit kommen lässt." erwiderte sie augenzwinkernd.
Dann hauchte sie Rob einen Kuss auf die Wange. "Dein Bruder ist ein kluger Kopf, er wird sich schon gut zurecht finden, da bin ich sicher. Und vielleicht lassen deine Großeltern deinem Vater ja einen Hinweis zukommen, so dass dieser nach Isaac Ausschau halten kann. So kannst du Isaacs Bitte nachkommen und keinen Boten schicken, weißt aber, dass sie nach ihm suchen. Es dürfte ihm schließlich klar sein, dass sein Verschwinden auch deinen Großeltern nicht entgeht und du sie informieren musst. Das ist dann doch eine ganz passable Lösung, oder?" versuchte Giselle ihren Liebsten zu beruhigen und erfreute sich dann an dem Leuchten seiner Augen. "Ja, ich denke schon. Die Zeichen werden immer eindeutiger." Und mittlerweile konnte sie diese immerhin schon besser deuten, war es doch bereits ihre dritte Schwangerschaft. "Ja, gegen ein Mädchen hätte ich auch nichts einzuwenden." stimmte sie vergnügt zu, wenngleich sie ahnte, dass auch eine Tochter sie reichlich in Atem halten würde, vielleicht sogar mehr als ihre Söhne.

"Nein, das möchte ich wirklich nicht." Giselle hatte mit der Zeit wirklich Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gewonnen. Eines Tages würde sie eine ganz hervorragende Gräfin von Cornwall sein. Die Menschen lagen ihr ja jetzt schon zu Füßen, so sehr sie auch am Anfang befremdet gewesen waren.
"Ich kann ihn nicht auf ewig beschützen, da hast du ja Recht. Und wenn meine Großeltern den Hinweis geben, bin ich aus dem Schneider. Das ist eine gute Idee." Er küsste seine Frau innig.
"Ich freue mich wirklich. Besonders, da jetzt alles seinen normalen Weg geht und ich nicht mehr übermäßige Sorge um dich haben muss. Wir werden sehen. Ich denke, Will und Etienne wären tolle große Brüder für eine kleine Schwester. Das ist genau das richtige Alter, sie sind nicht weit auseinander. Und wie immer hast du mich hervorragend von meinen Sorgen abgelenkt."
Auch darin wusste sie ihn wirklich gut zu nehmen.

"So ist es. Vielleicht ist es wirklich schon längst an der Zeit, dass Isaac seine eigenen Wege geht und wir alle haben das bisher übersehen, weil er uns am Herzen liegt." erwiderte sie und ließ sich dann nur zu gern von Rob zu einem innigen Kuss verleiten. Als sie sich wieder voneinander lösten, strich sie ihm zärtlich mit dem Zeigefinger über die Stirn. "Und nun hör auf die Stirn zu runzeln. ich glaube, die Sorgenfalten sind unbegründet." murmelte sie sanft.
Dann lachte sie leise und lehnte sich leicht an ihren Gemahl. "Tja und das ist schließlich eine meiner Aufgaben, nicht wahr? Dich von deinen Sorgen abzulenken." Und Giselle war froh darüber, dass sie dazu in der Lage war. In wie vielen Ehen lebten die Eheleute einfach nur nebeneinander her, weil die Heirat arrangiert gewesen war? Und besonders den Frauen war meist nur eine handvoll Aufgaben zugedacht: eine Schar Kinder austragen und großziehen und den Haushalt führen. Rob hingegen ließ sie ganz nach dem Vorbild seines Vaters und Großvaters wirklich Teil haben an seinem Leben und an den Entscheidungen, die es hier zu treffen galt. Und auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkung konnte sie sich doppelt glücklich schätzen, dass sie ausgerechnet diesen Mann gefunden hatte, das wusste sie genau.

Isaac

Isaac konnte sein Glück kaum fassen, dass er unbemerkt und unbehelligtaus Truro bis ins Lager der Truppen gekommen war. Er hatte die Überfahrt genossen, auch wenn ihm beinahe ein kleines bisschen mulmig gewesen war bei dem Gedanken, jetzt auf eigenen Beinen zu stehen. Aber er musste sich einfach beweisen. Jetzt war die Zeit.
Seit er nun hier war, passierte nichts Spannendes mehr. Man wartete auf die letzten Truppen, organisierte Nachschub und plante Strategien. Er schlenderte durch die Zeltstadt und versuchte sich zu beschäftigen, ohne seinem Vater über den Weg zu laufen. Das wäre nun wirklich fatal, bevor die erste Schlacht geschlagen war. Dann wäre alles umsonst, weil er ihn nach Hause schicken würde.

Manon

Manon stemmte die Hände gegen die Brust des Kolosses, der gerade die Arme um sie geschlungen hatte und sie unerbitterlich fest hielt. "Lass mich los, du Holzklotz!" schimpfte sie und versuchte den Kerl mit ihren Fäusten zu bearbeiten, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören, stattdessen grinste er sie nur herablassend an. "Komm schon, stell dich nicht so an." raunte er ihr zu und Manon gab einen wütenden Prostestlaut von sich. Doch je länger dieser Mistkerl sie festhielt, desto mehr hatte sie das Gefühl, er würde sie einfach zerquetschen.
"Ich habe nein gesagt!" zischte sie etwas atemlos. "Lass mich los!" Sie musste sich nun wirklich nicht mit jedem einlassen, es gab hier im Feldlager wirklich mehr als genug Kundschaft und zwischen durch brauchte sie auch einfach mal etwas Pause. Aber solche Dummköpfe wie dieser hier, wollten das einfach nicht wahr haben. Nur war Manon gegen diesen Kerl schlichtweg machtlos. Sie war von zierlicher Gestalt und der Kerl hatte Arme wie Baumstämme, kein Wunder also, dass ihre Gegenwehr einfach verpuffte.

Isaac

Isaac sah sich mit neugierigen Augen um und schlenderte weiter durch das Lager, als eine heftige Diskussion seine Aufmerksamkeit weckte. Eine junge Frau stritt mit einem ziemlichen Koloss, der sie offenbar einfach nicht zufrieden lassen wollte, sondern ihr ziemlich auf die Pelle rückte. Isaac sah die Chance gekommen sich als Ritter hervor zu tun und seine Tugenden zu beweisen.
Er ging zu den Beiden hinüber und baute sich möglichst groß auf.
"Lass sie los! Du hast doch gehört, dass sie nicht will.", sprach er den Hünen dann an und packte seinen Arm, um den Griff von der jungen Frau zu lösen. Man sollte meinen, er würde sie beinahe zerquetschen in seinen dicken Armen.
"Es gibt doch sicher genug andere Frauen hier, die du belästigen kannst."

Manon

Manon begann zu zweifeln, ob sie den Widerstand noch lange würde aufrecht halten können, da erklang hinter ihr plötzlich eine entschlossene Stimme und im nächsten Moment lockerte sich der Klammergriff um sie. Überrascht riss sie die Augen auf und entdeckte den jungen Burschen, der ihrem Peiniger versuchte Einhalt zu gebieten.
Dieser zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. "Was geht dich das denn an, Kleiner?" brummte er unwillig und versuchte sich mit einem Ruck aus dem Griff des Bengels zu befreien.
"Du solltest lieber hier verschwinden. Hast doch von den Sachen, die hier laufen eh keine Ahnung, so wie du aussiehst." bemerkte er ein wenig spöttisch.
Manon rieb sich währenddessen über die etwas schmerzenden Oberarme und beobachtete die Szene unbehaglich. Sie war dankbar für das Einschreiten des Jungen, aber sie wollte auch nicht, dass er Ärger mit diesem Hünen bekam.

Isaac

Isaac hob die Augenbrauen. "Ist es denn nicht unsere Pflicht die Schwächeren zu beschützen? Und so wie es aussieht, bedrängst du sie und sie kann sich nicht gegen dich zur Wehr setzen. Sie möchte deine Gesellschaft nicht, ist das wirklich so schwer zu verstehen?"
Er wollte schließlich Ritter werden, da musste er sich auch in den entsprechenden Tugenden üben.
"Und woher willst du das wissen? Vielleicht habe ich auch mehr Ahnung als du davon, wie man es richtig macht? Also ich muss zumindest keine Frau zwingen sich mit mir abzugeben.", gab Isaac sich selbstsicher.
Er schmuggelte der jungen Frau ein kleines Lächeln zu. Er wollte, dass sie ihre Ruhe hatte. Der Kerl war ja wirklich grässlich.
"Lass sie doch einfach in Ruhe und geh noch ein Bier trinken, damit tust du allen einen Gefallen. Auch dir selbst."

Manon

"Pah, sie sollte lieber froh sein, dass jemand an ihr Interesse hat, sonst wirds bald sehr leer auf ihrem Teller." brummte der grobschächtige Kerl und bedachte Manons Retter dann mit einem abschätzigen Blick. So ungehobelt der Kerl auch war, er schien nicht daran interessiert zu sein ernsthaften Ärger herauf zu beschwören. Das war sie ihm sicher nicht wert.
Als der junge Bursche ein Lächeln in ihre Richtung schmuggelte, musste sie es unweigerlich erwidern. Es imponierte ihr nicht wenig, dass er so selbstlos eingeschritten war. Und sie hatte schon weitaus schlechter aussehende Männer gehabt, so viel war sicher. Er gefiel ihr sogar gut mit seinem etwas wirren Blondschopf und dem Funkeln in den Augen ...
Ein verächtliches Schnauben riss Manon dann jedoch aus ihrer Betrachtung und sie sah den Widerling noch einmal an, der sich offenbar entschieden hatte und ihr zum Abschied vor die Füße spuckte. "Na dann ... viel Vergnügen mit dem Kindchen, du kleine Schlampe." knurrte er gallig, trollte sich dann aber.
Manon atmete tief durch und schloss kurz erleichtert die Augen, ehe sie vor ihren Retter trat und ihm ein Lächeln schenkte. "Das war sehr mutig von Euch, Sir. Habt vielen Dank." erklärte sie sanft.

Isaac

Isaac hob gleichgültig die Schultern. "Offenbar hat sie keine Not, schließlich hat sie Nein gesagt.", gab er zu bedenken. Er war erfreut, dass die junge Frau sein Lächeln erwiderte. Offenbar hatte er richtig gehandelt. Es schadete nie, eine Verbündete hier zu haben, zumal er immr noch aufpassen musste, nicht seinem Vater vor die Füße zu laufen.
Er war allerdings überrascht, wie leicht sich der Koloss dann doch von seinem Vorhaben abbringen ließ, sodass er das Weite suchte.
"Oh keine Ursache, das habe ich gern getan. Ich dachte, du könntest ein bisschen Hilfe brauchen. Aber du kannst mich Isaac nennen, ich bin kein Ritter. Ich hoffe bald einer zu werden, aber vorerst muss mir das erst verdienen."

Manon

"Oh ja, alleine wäre ich nie gegen ihn angekommen. Gott hat Euch im rechten Moment hier her geführt." bemerkte Manon und lächelte dann ein wenig spitzbübisch als ihr Retter sich vorstellte. "So, noch kein Ritter also? Was wird denn dann dein Dienstherr sagen, wenn du dich am helllichten Tag ausgerechnet hier herum treibst, Isaac?" erwiderte sie amüsiert. Hier her kamen die Männer eigentlich nur aus einem ganz bestimmten Grund, jedenfalls wenn es solche von edler Herkunft waren, wie es Isaac zweifellos war. Seine Kleidung sah zwar ein klein wenig mitgenommen aus, aber das war in einem Feldlager wahrlich nicht verwunderlich, und man erkannte trotzdem mühelos, dass es ausgesprochen gute Sachen waren.
"Ich bin übrigens Manon." stellte sie sich dann endlich vor und schenkte Isaac ein Lächeln. "Und ich bin dir wirklich zu Dank verpflichtet. Gern würde ich mich erkenntlich zeigen, wenn ich kann."