William und Joanna - bis 1188

Robert nickte und legte den Arm um seine große Schwester. Beatrice war ihm von Kindesbeinen an so vertraut gewesen, diese enge Bindung bestand bis heute ungebrochen. Deshalb schmerzte es ihn unfassbar sie so leiden zu sehen, so abgrundtief unglücklich. Was sie nicht alles erduldete für diesen Mann...
"Oh ja, ich habe Verständnis für dich. Ich schätze, ich sollte Richard einmal daran erinnern, von wessen Wohlwollen er abhängig ist. Er kann nur froh sein, dass Vater davon nichts weiß. Er hätte ihn schon kastriert. Philippe von Frankreich...das ist unser Untergang. Aber ich werde mit ihm sprechen..."

Gegen ihren Willen musste Beatrice lachen und schmiegte sich etwas mehr an Robert. "In manchen Dingen würde es das Leben mit Richard leichter machen. Allerdings würde ich mir dann auch gewissen Freuden vorenthalten, also erzählen wir es Vater lieber nicht." erwiderte sie und strich ihrem Bruder über die Wange. "Ich danke dir. Dafür, dass du immer für mich da bist, wenn ich dich brauche." erklärte Beatrice leise und legte den Kopf an Roberts Schulter. Früher war sie es gewesen, die auf ihren kleinen Bruder aufgepasst hatte, jetzt hatten sich die Rollen geändert. Es war ein Geben und Nehmen zwischen ihnen und nach wie vor war ihre Bindung zueinander außerordentlich fest. Beatrice war wirklich froh darüber, dass sie ihren Bruder hatte.

Am Abend nach dem Essen saß Robert mit Richard bei einem Becher gutem Wein zusammen. Er wusste noch nicht so recht, wie er das heikle Thema ansprechen sollte, aber es half ja nichts. Irgendwie musste er es tun.
"Ich bin froh, dass Rob nun hier ist. Mit ihm in Henrys Obhut hätte ich keine ruhige Minute mehr gehabt. Besonders, wenn es irgendwann einen wirklichen Konflikt gibt. Wie willst du weiter vorgehen? Mein Vater und auch Edward lassen dir ausrichten, du sollst dich möglichst ruhig verhalten, um Henry nicht noch mehr gegen dich einzunehmen. Sie sind nicht die Einzigen, die versuchen ihn von der Idee John zum Nachfolger zu machen abzubringen."
Er zögerte leicht.
"Bea sagte, du hättest regen Kontakt mit Philippe von Frankreich. Hältst du das für eine gute Idee?"

Richard nippte an seinem Wein und nickte dann lächelnd. "Ich ebenso. Der Junge ist wirklich großartig und Stephan lag mir schon seit Wochen damit in den Ohren, wann Rob denn wohl endlich kommt." berichtete Richard amüsiert.
Dann schnaubte er leise und beugte sich etwas vor. "Ich bitte dich Robert, du kennst Henry doch ebenfalls. Wenn der sture Bock sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bringt ihn niemand einfach so davon ab. Du hast es doch auch schon am eigenen Leib erfahren." erinnerte Richard seinen Schwager. "Wie es weitergeht hängt von Henry ab, wenn er nicht bald einlenkt, werde ich ihm vor Augen führen müssen, dass er auf verlorenem Posten steht. Und ich scheue mich keineswegs davor, dies auch mit dem Schwert in der Hand zu tun." erklärte Richard entschieden.
Er schlug die Beine übereinander und taxierte Robert einen Moment lang nachdenklich. "Ja, für eine ausgesprochen gute Idee sogar. Philippe ist auf meinem Weg zur Krone einer meiner wichtigsten Bündnispartner. Kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Henry und mir, kann Philippes Unterstützung für den einen oder den anderen das Zünglein an der Waage sein und ich bin entschlossen, mir seine Unterstützung zu sichern. Denn dann wird Henry erst Recht keine Chance mehr haben und muss meinen Forderungen einfach zustimmen."

Robert erwiderte das Lächelnn. "Ich bin froh, dass du ihn so zu schätzen weißt. Ich werde ihn Zuhause wirklich vermissen. Immerhin sind die Beiden jetzt wieder vereint. Es wurde Zeit."
Er seufzte leise. "Ja, ich kenne Henry und deshalb mache ich mir ein wenig Sorgen. Er hat es sich in den Kopf gesetzt. Aber normalerweise hört er wenigstens auf Vater, das tut er diesmal nicht. Das beunruhigt mich etwas. Ich glaube eher nicht, dass er einlenken wird. Auch wennes mir lieber wäre, denn ich würde nur ungern der zweiten Hälfte der Familie auf dem Schlachtfeld gegenüber stehen."
Ihm wäre es lieber, sie wären alle auf der selben Seite. Er konnte einfach das Schwert nicht gegen seinen Bruder oder Vater heben.
"Es mag sein, dass er ein wichtiger Bündnispartner sein kann. Unterstützung ist wichtig. Aber Frankreich wäre nun wirklich nicht der Partner, den ich mir ausgesucht hätte" Er lehnte sich etwas vor und verengte die Augen. "Hast du beschlossen, dass er so wichtig ist, bevor oder nachdem du mit ihm ins Bett bist? Du weißt, ich stehe hinter dir als zukünftiger König, aber hältst du es für klug dich deinem Erzfeind so auszuliefern?"

"Du solltest mit dem Rest deiner Familie herkommen, dann brauchst du ihn nicht zu vermissen." schlug Richard augenzwinkernd vor. "Ihr seid uns hier alle jederzeit willkommen."
Richard stieß geräuschvoll den Atem aus. "Ich bin auch nicht erpicht darauf, aber es ist der einzige Weg. Anders werde ich Henry nicht beikommen können, ich muss ihn in die Knie zwingen, wenn wir England nicht dem Untergang überlassen wollen." Richard lächelte ein wenig freudlos. "Siehst du, und weil du ihn dir nicht ausgesucht hättest, bin ich der zukünftige König, nicht du. Es ist notwendig Philippe auf unserer Seite zu haben. Sollte er sich mit Henry zusammen tun, können die beiden uns hier in die Zange nehmen und dann wird es wirklich schwierig."
Richard lehnte sich zurück und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ah ha, ich habe mich schon gefragt, wann du damit rausrückst. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn Beatrice es dir nicht erzählt hätte. Aber um deine Frage zu beantworten: vorher. In politischen Dingen lasse ich mich nicht von solch Dingen wie Gefühlen leiten."

"Ich habe bereits zu Beatrice gesagt, dass ich herkomme, wenn es unruhig wird. Dann ist es für Josie und die Kinder in Truro zu gefährlich. Mein Vater wird sie nicht schützen können, wenn er an Henrys Seite ist und Philippe wird mich begleiten. Doch für den Moment geht es ihnen gut dort."
Robert hob die Augenbrauen. "Keine Sorge, das wollte ich auch niemals werden. Du könntest mir die Krone schenken und ich wollte sie nicht haben."
Viel zu viel hing daran. Zu viele wichtige Entscheidungen, zu viele Menschenleben. "Möglicherweise hast du recht, aber es behagt mir dennoch nicht. Ich fürchte, dass er uns in den Rücken fällt, wenn es ihm gut erscheint."
Er machte eine abwehrende Handbewegung. "Sie hat es mir nicht erzählt. Aber es war nicht schwer zu erraten. Nein, du lässt dich nicht von Gefühlen leiten, du nimmst nicht einmal Rücksicht auf deine Frau. Hast du irgendeine Ahnung davon, wie unglücklich sie ist? Bist du völlig blind oder ist es dir einfach nur egal? Weißt du, ich glaube kaum, dass das viele Frauen so lange mitmachen würden wie sie. Ich glaube, mit deinen Bettgeschichten hat sie sich halbwegs abgefunden, aber ich denke, sie hat den Eindruck, dass du sie nicht mehr wirklich liebst. Sie hat mir gesagt, dass sie...sich nicht sonderlich wohl fühlt, wenn du so überschwänglich auf Philippes Briefe reagierst. Wenn du sie noch liebst, solltest du ihr das vielleicht auch einmal zeigen."

"Er wird uns nicht in den Rücken fallen, Philippe ist ein Ehrenmann, glaub mir." erwiderte Richard entschieden. Ihm gefiel die Richtung nicht, die dieses Gespräch eingeschlagen hatte, aber er wusste, dass er da nun durch musste. "Ich bin weder blind, noch ist es mir egal." entgegnete Richard gereizt. "Aber so einfach ist die Sache nun mal nicht, auch wenn ich weiß, dass du das nicht begreifst. Viele andere Frauen ... wirklich Robert, ich bin ehrlich zu dir, für keine andere hätte ich mir die Mühe gemacht, sie an meiner Seite zu halten. Bei jeder anderen Frau wäre es mir gleichgültig, was sie von dem hält, was ich tue. Sie hätte sich auf irgendeinen Landsitz zurück ziehen können, wir hätten uns ein paar Mal im Jahr zu offiziellen Anlässen zusammen abgegeben und gut." Richard beugte sich vor und verengte die Augen etwas. "Natürlich liebe ich sie noch! Was für eine Frage! Aber was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Es ist ja nicht so, dass ich sie hier jeden Tag links liegen lassen, denkst du nicht? Und ich werde mich doch wohl noch über Briefe von jemandem freuen können, der in der Lage ist eine vernünftige, geistreiche Konversation zu führen - unabhängig davon, dass ich mit ihm das Bett geteilt habe als er hier war!"

Robert nickte. "Wenn du das sagst, vertraue ich dir darin. Ich hoffe wirklich, dass du Recht behältst." Denn wenn nicht...dann war ihre Sache dem Untergang geweiht, das stand unmissverständlich fest. Es behagte ihm nicht eine solche Diskussion mit Richard zu führen, aber sie wussten beide, dass er das nicht als Lehnsmann tat, sondern als Beatrices Bruder.
"Aber bei Bea ist es dir nicht egal. Wenn es dir also nicht egal ist, solltest du etwas mehr Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Kannst du es nicht so tun, dass sie es nicht mitbekommt, wenn du sie schon betrügst?"
Er schüttelte leicht den Kopf. "Nein, das ist es nicht. Aber sogar ich erinnere mich daran, wie es früher war. Früher hast du sie auf Händen getragen. Das Beste war dir gerade genug für sie und sie war dein Ein und Alles. Vielleicht solltest du dir bei Harry einmal anschauen, wie das aussieht, wenn du es vergessen hast. Ich weiß, dass es anders wird, wenn man nicht mehr frisch verliebt ist. Aber ich zeige meiner Frau trotzdem jeden Tag durch kleine Dinge, wie sehr ich sie liebe. Sicher darfst du dich über vernünftigte Briefe freuen, aber vielleicht solltest du darauf achten dich nicht zu benehmen wie ein verliebter Jüngling. Das könnte sie dir wirklich übel nehmen."

Richard verdrehte leicht die Augen. "Es so tun, dass sie es nicht mitbekommt? Ist das dein Ernst? Diese Frau sieht mich einmal an und liest in mir, wie in einem offenen Buch. Ich könnte mich auf den Kopf stellen, sie würde trotzdem wissen, wann irgendetwas gewesen ist. Es ist ja nicht so, dass ich nicht versuche diskret zu sein." Aber Beatrice und er kannten sich einfach viel zu gut als dass sie beide irgendetwas voreinander verheimlichen konnten.
"Ich benehme mich nicht wie ein verliebter Jüngling! Und von meinem Bruder, der gleich versucht sich umzubringen, wenn in seinem Leben nicht gleich alles richtig läuft, brauche ich auch keine Nachhilfe." grollte Richard und wandte den Blick zum Fenster. Er wollte es nicht zugeben, aber natürlich hatten Roberts Worte genau ins Schwarze getroffen und brachten ihn ins Grübeln. Richard fuhr sich durch die roten Locken und starrte nach draußen. "Herrgott nochmal, wir sind seit siebzehn Jahren verheiratet, natürlich liebe ich sie noch." brummte er leise.

Robert seufzte. "Ja, vermutlich. Aber es muss doch möglich sein, dass du es ihr leichter machst. Wenn du es nicht verheimlichen kannst, musst du es sie eben vergessen lassen. Es geht nicht darum, dass Harry überreagiert, wenn ihm etwas nicht passt. Aber schau dir an wie er seine Frau behandelt, dann weißt du, wie man das zu machen hat. Nachhilfe...was für ein Unsinn. Du solltest es dir trotzdem durch den Kopf gehen lassen, ob du nicht ein wenig nachgelassen hast in deinen Bemühungen."
Er beugte sich nach vorn. "Ich weiß. Ich bin mit meiner Fraunur ein paar Jahre weniger verheiratet. Und jedes Mal, wenn ich auf den Markt gehe und etwas sehe, dass mich an sie erinnert, nehme ich es mit. Und sie freut sich darüber, weil sie es nicht erwartet. Sie sagt mir jedes Mal, es sei nicht nötig. Umso mehr freut sie sich. Und jedes Mal, wenn ich sehe, mit wie viel Liebe sie eines meiner Hemden bestickt oder wie liebevoll sie sich um unsere Kinder kümmert, klaglos, auch wenn ich nicht viel Zeit habe...dann gibt sie es mir zurück. Verstehst du nicht, was ich dir sagen will? Du vertraust darauf, dass Bea dir den Rücken stärkt. Aber ich schätze, wenn du es noch lange so strapazierst, wirst du keine Königin an deiner Seite haben. Ich erkenne nicht mehr sehr viel von ihrer Lebensfreude und ihrem aufmüpfigen Charakter."

Richard lief ein leichter Schauer über den Rücken. Wenn du es noch lange so strapazierst, wirst du keine Königin an deiner Seite haben. War er seinem Vater wirklich so ähnlich geworden, dass er die Frau an seiner Seite für selbstverständlich hin nahm? Tat er nun genau die Fehler, die er Henry immer vorgeworfen hatte?
Richard schluckte schwer und sah Robert wieder an. "Und du denkst, dass ich das mit ein paar Aufmerksamkeiten hier und da wieder gut machen kann? Dass ich nicht ohnehin alles wieder einreiße, was ich aufgebaut habe, wenn sie das nächste Mal mitbekommt, dass ich mit einem Mann das Bett geteilt habe?" Er hatte es ja einmal versucht, er hatte versucht damit aufzuhören, aber es hatte nicht funktioniert, es hatte ihn fast um den Verstand gebracht, dabei hatte er es Beatrice zu liebe wirklich aufrichtig versucht.

"Ich denke, dass Bea sich inzwischen damit abgefunden hat, dass sie dich nicht ändern kann, was diese Sache angeht. Sie will so wenig wie möglich davon mitbekommen. Aber das ändert doch nichts daran, dass sie eine Frau ist, die geliebt werden will. Und Frauen muss man dann und wann auch wirklich zeigen, dass man sie liebt. Es sind oft nur Kleinigkeiten, die solche Dinge ausmachen. Du zeigst ihr damit, dass du sie schätzt. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie du es ihr leichter machen kannst. Verreise mit ihr ein paar Tage. Denk dir irgendetwas aus. Wenn du es nicht tust, wird deine Ehe irgendwann vollends den Bach runter gehen.", erklärte Robert ernst.
Das war vermutlich das Beste, was er für Beatrice herausholen konnte. Er musste Richard wach rütteln, bevor dieser seine Ehefrau vollends unglücklich machte.

Richard nickte ein wenig gedankenverloren und starrte auf die dunkle Flüssigkeit in seinem Becher. Er ließ den Wein kreisen und dachte über Roberts Worte nach, dachte an Beatrice und daran wie in letzter Zeit ihr gemeinsames Leben verlaufen war. Geräuschvoll atmete Richard durch und leerte dann mit einem langen Zug seinen Becher. "Es ... tut mir Leid, Robert, ich lasse dich wirklich ungern hier einfach sitzen, aber ich ... ich glaube, ich habe da noch etwas zu erledigen." erklärte er und stand auf.
"Lass uns morgen zusammen ausreiten oder sowas." schlug Richard vor und klopfte Robert kurz auf die Schulter, war jedoch im nächsten Moment schon dabei die Halle zu verlassen. Er hatte einen Entschluss gefasst und er wusste, dass Beatrice jetzt noch nicht im Bett sein würde, die Kinder waren erst seit kurzem im Bett und sie nutzte die Zeit danach meist für ihre eigene Mußestunde, sofern Richard noch nicht bei ihr war.

Robert spürte, dass er Richard zum Nachdenken gebracht hatte und das war nur gut so. Beatrice hatte es einfach verdient von ihrem Mann mehr geschätzt zu werden. Sie war nicht nur Mutter für Richards Kinder, sie war immer auch seine Freundin und seine Liebste gewesen.
"Oh, mach dir um mich keine Gedanken. Ich werde in Ruhe meinen Wein trinken und dann ins Bett gehen. Es war ein langer Tag. Ich freue mich auf unseren Ausritt morgen." Er drückte kurz Richards Arm und lächelte zufrieden in sich hinein.
Das hatte nun wirklich besser gefruchtet, als er gedacht hatte. Er hatte geglaubt, Richard würde sich ewig davor drücken.

Richard nickte nur noch kurz bei Roberts Worten, dann war er auch schon aus der Halle heraus und hastete die Gänge entlang. Wenig später hatte er ihr gemeinsames Gemach erreicht und trat eilig ein. Er hatte nichts vorbereitet, hatte keinen wirklichen Plan ... es war nur so ein Gefühl, eine Eingebung, die er bei Roberts Worten gehabt hatte und er hatte dem Drang einfach nachgeben müssen.
Beatrice saß mit einer Kerze am Fenster und las in einem Buch als Richard eintrat und zu ihr hinüber kam. "Komm, zieh dich an." bat er und griff nach ihrer Hand. "Am besten auch deinen dünnen Mantel, wir müssen noch einmal vor die Tür." forderte er sie auf, gab Beatrice einen raschen Kuss auf die Schläfe, dann ließ er schon wieder von ihr ab, um seinen eigenen Mantel zu holen und kramte eilig in einem Stapel Pergamenten herum, ehe er gefunden hatte, was er suchte und schob das Schriftstück möglichst unauffällig unter sein Wams.

Beatrice nutzte gern die Zeit, wenn die Kinder schon im Bett wahren, es aber noch etwas früh zum schlafen war, für sich allein. Richard war ohnehin eher selten dann bei ihr, also vertrieb sie sich die Zeit mit einem Buch oder einer Handarbeit.
Heute jedoch wurde sie gestört, denn sie hörte eilige Schritte auf dem Gang und schließlich trat Richard hastig ein. Er griff nach ihrer Hand und überrascht ließ sie sich nach oben ziehen, legte das Buch zur Seite. "Ich...in Ordnung, aber warum? Ist irgendetwas passiert?", fragte sie mit gerunzelter Stirn. Das passte so gar nicht zu ihm.
Trotzdem folgte sie der Aufforderung und zog ihr Kleid und die weichen Stiefel wieder an und nahm sich auch den Mantel.
"Was hast du vor?"

"Nein, es ist nichts passiert." beschwichtigte Richard sie. Außer, dass ich ein kolossaler Dummkopf war ...
Als Beatrice sich angezogen hatte, legte Richard einen Arm um sie und führte sie zur Tür. "Das siehst du gleich. Ich dachte mir, wir machen nur einen kleinen Spaziergang." erklärte er lächelnd. Es war zwar schon dunkel draußen, aber die Luft war warm genug und der Himmel sternenklar, aber perfekt für einen nächtlichen Spaziergang durch den Garten. Und sie beide waren viel zu lange nicht mehr gemeinsam an ihrem Lieblingsplatz dort gewesen.
Roberts Worte hatten Richard wach gerüttelt und auch, wenn er nichts hatte vorbereiten können, so hatte er doch den Wunsch gehabt, Beatrice noch heute Abend seine Zeit zu widmen, ihr zu zeigen, dass er sie liebte und dass sie nach wie vor der wichtigste Mensch in seinem Leben war.

Beatrice war ziemlich überrascht, als er sie zur Tür führte und den Arm um sie legte. "Einen Spaziergang? Jetzt?" Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Das war wieder der Richard aus früheren Tagen, der einfach spontan dem folgte, was sein Kopf ihm gerade eingab. Solche Dinge hatten sie früher oft getan. Sich einfach fort gestohlen und sich ein paar schöne Stunde gemacht... Aber schon seit Jahren war dafür kaum Raum. Sie vermisste es mehr, als sie sich wirklich eingestand. Vielleicht war das nach so vielen Ehejahren einfach so, das solche Dinge kaum noch eine Rolle spielten. Richard ließ nun de Erinnerung aufleben und sie freute sich, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was er plante.
Sie lehnte sich leicht an ihn, als sie einen der Kieswege betraten und genoss es, ihn einmal ungestört für sich zu haben.
"Es ist wirklich schön hier draußen..."

"Einen Spaziergang. Jetzt." bestätigte er lächelnd und beglückwünschte sich selbst dazu, diesem Impuls gefolgt zu sein. Als sie den Garten erreicht hatten und Beatrice sich leicht an ihn lehnte, strich er zärtlich über ihre Taille. "Nur halb so schön wie der Anblick meiner Gemahlin." murmelte Richard und schlug den Weg zu dem kleinen Teich ein in dem sie in den letzten Jahren ein paar Fische angesiedelt hatten.
Es war ein wunderschönes Fleckchen, umsäumt von einer Zahl Heckenrosen und einigen ausgewählten Bäumen, die im Sommer angenehmen Schatten spendeten.
"Waren die Kinder artig als sie ins Bett sollten?" erkundigte Richard sich, während sie beide langsam den Weg entlang schlenderten.

Beatrice lächelte zufrieden, als er ihr endlich wieder einmal ein solches Kompliment machte ohne dass er wirklichen Anlass dazu hatte. Früher hatte er das oft getan, doch mittlerweile hatte sie den Eindruck, dass er es oft nur aus Pflichtgefühl ihr gegenüber tat.
Sie wusste, wohin er wollte und freute sich darüber. Das war immer ihr gemeinsames Lieblingsplätzchen im Garten gewesen und sie selbst hatte sehr viel Mühe investiert, damit es so schön und ungestört wurde.
"Oh sicher, sie sind inzwischen ja auch alt genug um kein Theater mehr zu machen. Isabel war ein bisschen missmutig, weil sie gerade irgendetwas Spannendes gespielt hat, aber sie hat sich dann doch gefügt.", erwiderte sie.
"Wie war das Gespräch mit Robert? Seid ihr einig?"

Richard nickte leicht. "Das ist gut. Ja, alt genug sind sie wirklich." pflichtete er ihr bei. Wenn er bedachte, dass Isabel nun schon acht Jahre alt wurde ... wie schnell die Zeit verging. Er wünschte sich wirklich, dass sie beide noch einmal ein Kind bekommen würden. Vermutlich würde das auch ihrer Ehe ausgesprochen gut tun, denn es wäre noch einmal eine Art Bestätigung ihrer Liebe zueinander.
Als Beatrice das Gespräch auf Robert lenkte, atmete Richard tief durch. "Naja, er hat mir Grüße von deinem Vater und Bruder überbracht ... das übliche, nicht wahr? Sie wollen, dass ich die Füße still halte, aber das wird nicht mehr lange funktionieren. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, bringt er Josephine und die Kinder hier her, ich habe ihm gesagt, dass er und seine Familie hier jederzeit willkommen sind." Und dann war da noch der Teil mit Philippe von Frankreich und seinen Problemen mit Beatrice gewesen ... einig ... nein, da waren sie sich sicher nicht einig gewesen, aber Robert hatte ihn zum Nachdenken gebracht.

Beatrice lächelte. "Sie werden so schnell groß. Ich weiß noch so gut, wie ich Guillaume das erste Mal auf dem Arm hatte....und nun ist er ein Mann." Sie war ausgesprochen stolz auf ihren Ältesten, denn dieser war ein kluger, tapferer Bursche und seinem Vater mehr als ähnlich.
"Ja, ich weiß....er erzählte mir davon. Vater und Edward sind ebenso wenig begeistert wie ihr von der Aussicht einen Krieg gegeneinander zu führen, aber was bleibt schon übrig... Vielleicht solltest du ihnen wenigstens ein bisschen Zeit einräumen. Auch wenn ich nicht glaube, dass Henry sich überzeugen lässt. Ich denke auch, dass Robert seine Familie bald her bringen wird. Vermutlich besser für alle....aber wir werden sehen. Es kommt wohl alles so, wie es kommen soll."

"Das werden sie. Und sie entwickeln sich alle fantastisch, wir können wirklich stolz auf sie sein." erwiderte Richard. Tatsächlich spielte er auch mit dem Gedanken, Guillaume in kürze zum Ritter schlagen zu lassen. Sollte es zu einer Auseinandersetzung mit Henry kommen, wäre das für seinen Ältesten die perfekte Gelegenheit sich zu beweisen und Richard wusste genau, dass er den Jungen ohnehin nicht davon abhalten konnte, sich ins Getümmel zu stürzen. Guillaume brannte darauf für Englands Krone einzutreten und Richard erkannte einiges militärisches Geschick in dem Jungen.
"Ja, so kommt es wohl. Gott wird sich bei all dem schon etwas denken." murmelte er als sie den Teich erreichten. Richard lächelte und blieb stehen, um Beatrice an sich zu ziehen. "Aber nun genug von Politik und Krieg, jetzt zählen nur noch wir beide." erklärte er leise und gab ihr einen innigen Kuss.

Beatrice nickte zufrieden und ließ sich dann von Richard ablenken. Es war selten, dass er sich so viel Zeit ganz allein für sie nahm und das nur, weil er mit ihr zusammen sein wollte. So genau begriff sie nicht, was ihn dazu ausgerechnet heute bewog. Ob Robert seine Finger im Spiel hatte?
Es war letztendlich auch egal...sie genoss es viel zu sehr, um dieser Frage jetzt auf den Grund zu gehen. Beatrice erwiderte seinen Kuss und legte die Arme um seinen Nacken.
"Wir beide ganz allein...das klingt fast zu schön, um wahr zu sein.", wisperte sie leise und küsste ihn erneut. Egal, wie oft sie verletzt war von seinem Verhalten, sie liebte ihn immer noch so sehr wie am ersten Tag und er brauchte sie nur einmal richtig anzusehen, da wurde sie weich.