William und Joanna - bis 1188

Richard seufzte leise. "Ach herrje. Na, ich werde bei Gelegenheit mal mit ihm sprechen und ihm klar machen, dass solche Sorgen völlig unbegründet sind." erwiderte er entschieden. "Und ich denke, damit wäre Stephan durchaus zufrieden. Wenn sich dann noch eine passende Braut für ihn findet, wird er eines Tages zu einem ausgesprochen einflussreichen und mächtigen Mann werden, so viel ist sicher."
Richard legte den Kopf etwas zur Seite und betrachtete Beatrice beinahe spöttisch. "Wieso habe ich geahnt, dass du gegen diesen Vorschlag bist?" Es war zu erwarten gewesen, dass Beatrice ihren Sohn nicht in Paris haben wollte. "Ich bin auch eine Zeit lang dort gewesen und mir hat es auch nicht geschadet. Er muss ja nicht lange bleiben, aber eine Reise dorthin und ein erster Aufenthalt für ... ein paar Wochen vielleicht, würde ihm doch unseren guten Willen beweisen. Und von Philippe kann er einiges lernen, so viel ist sicher."

Beatrice nickte langsam. "Das wird sicher nicht schlecht sein. Wenn er es von dir hört, wird er es glauben und seine Zukunft nicht so schwarz sehen."
Sie lächelte sanft. "Ja. Und ich bin sicher, er wird ein sehr zuvorkommender Ehemann. Eigentlich ist er doch so ganz anders als Guillaume. Viel sensibler, auch wenn er es nicht so sehr zeigt. Er wird seine Sache gut machen. Wir sollten sehen, dass wir Jonathan in die Politik bringen. Er hat auch einmal etwas erwähnt, dass er sich für die Rechtslehre interessiert."
Beatrice seufzte und hob dann eine Augenbraue. "Ja, ja, ich weiß, was er von Philippe so lernen kann..." Sie hatte keine Lust, dass ihr Sohn auch lernte, wie es mit einem Mann so war.
"Aber letztendlich ist es wohl deine Entscheidung."

Richard grinste breit. "Natürlich wird er das. Immerhin ist er mein Sohn und der Apfel fällt ja bekannterweise nicht weit vom Stamm, nicht wahr?" scherzte er munter. "Aber du hast Recht, er und Guillaume sind sehr verschieden. Manchmal frage ich mich wirklich, woher Stephan seine so sanfte Seite hat. Von uns wohl kaum ..." neckte Richard und gab Beatrice einen Kuss auf die Wange. "Rechtslehre?" wiederholte Richard dann verblüfft. Das war eine rechte neue Information, wobei er im Grunde nicht überrascht sein dürfte. Sein Jüngster hatte einen starken Gerechtigkeitssinn, besonders, da er es selbst nicht immer leicht im Leben hatte. Es passte also eigentlich sehr gut zu Jonathan. "Tja, dann sollten wir ihn wohl erst einmal zu deinem Bruder nach London schicken, damit er etwas Italienisch lernt. Wenn er wirklich in diese Richtung möchte, sollten wir ihn nach Bologna schicken, sobald er alt genug ist."
Bei Beatrices nächsten Worten wurde Richards Miene ausdruckslos. Er hatte zahlreiche Erwiderungen parat, von wütend und bissig bis hin zu enttäuschten Worten, doch er schluckte sie alle hinunter, wenngleich ein wenig mühsam. Er sah auf den Weg vor ihnen und mahnte sich dazu, den Mund zu halten, dann hob er leicht die Schultern. "Wieso machen wir es nicht einfach zu seiner Entscheidung? Soll er sich aussuchen, wohin er will." erwiderte Richard dann schließlich.

Beatrice lächelte nachsichtig. "Sicher hast du Recht. Aber Guillaume ist dir ähnlicher als Stephan." Sie lachte. "Nein, von uns nicht. Definitiv nicht. Ich denke, da hat meine leibliche Mutter ein wenig durchgeschlagen. Von deiner Seite her kommt es definitiv nicht."
Sie nickte zustimmend. "Ja, er hat mich einmal über Richter ausgefargt und seitdem beobachtete ich öfter sein Interesse daran. Es ist so viel besser für ihn als Ritter werden zu wollen. James und Alan werden ihm sicher gern Italienisch beibringen und er könnte zudem etwas über das Kirchenrecht lernen. Das ist keine schlechte Idee. Und in dem Fall führt sein Weg nicht an Bologna vorbei."
Beatrice seufzte leise.
"Das sollten wir tun. Möglicherweise sollten wir ihm aber eine Alternative bieten. Eine Idee?

Richard nickte grinsend. "Die einzig mögliche Erklärung. Unter meinen Vorfahren findet sich so schnell nämlich niemand mit sanftem Gemüt. Es muss also irgendwie über dich gekommen sein, wenngleich du selbst diese Ruhe nicht vererben kannst." zog er Beatrice sanft auf.
"Da hast du wohl Recht. Es wäre ein passabler Weg für ihn und er kann beweisen, was er aus eigener Kraft alles zu Stande bekommt." Er sah Beatrice einen kurzen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf. "Ich habe meinen Vorschlag unterbreitet, nun bist du daran jemanden auszusuchen, der dir gefällt." entgegnete er dann. "Aber denk vielleicht daran, dass es Stephan womöglich gut tun würde, irgendwo hin zu kommen, wo er nicht gleich Teil der Familie ist, wo die Menschen ihm nicht seit Jahren vertraut sind. Gerade weil er ein sanftes Gemüt hat. Denk drüber nach bevor du deinen Vater oder deinen Bruder vorschlägst."

Beatrice lachte. "So ist es wohl. Er hat offenbar großes Glück gehabt, nicht mit unserem Temperament gesegnet zu sein. Aber er ist noch jung, ich will den Tag nicht vor dem Abend loben."
Sie nickte leicht und legte den Arm um seine Taille.
"Das wäre wichtig für ihn. Er braucht ein Ziel, das zu erreichen er selbstständig in der Lage ist und er ist ja ein kluger Kopf. Ich würde mir wünschen, dass er seine Bestimmung findet. Ich mache mir schon sein Leben lang Sorgen umseine Zukunft."
Beatrice verzog leicht das Gesicht.
"Das ist schwierig, du hast die besseren Kontakte. Ich gebe dir recht, er sollte sich ein wenig beweisen. Mir fiele ein ihn zum Grafen von Toulouse zu schicken. Dort, wo Robert Unterschlupf gefunden hat. Ansonsten zu Edward....er kennt Edward kaum."

"Für Jonathan wäre es ein Segen. Er muss mehr als alle anderen seinen Platz in der Welt suchen und wenn er bei James einen guten ersten Eindruck von dem bekommt, was er in Bologna lernen kann, wäre das nur hilfreich. Und wenn der Junge dort glücklich wird, umso besser. Zumal es sicher nie schaden kann, einen Rechtsgelehrten in der Familie zu haben." Richard lächelte leicht. Er hing an Jonathan möglicherweise mehr als an jedem anderen seiner Kinder und das, obwohl er sich nach der Geburt des Jungen so unendlich falsch verhalten hatte. Möglicherweise hatte aber auch genau das dazu geführt, dass Richard seinen Sohn umso mehr schätzen und lieben gelernt hatte.
"Toulouse." wiederholte er nachdenklich. "Ja, das könnte man ihm wohl vorschlagen. Für den Grafen wäre es ein guter Gunstbeweis, würden wir unseren Sohn zu ihm schicken, das würde obendrein unsere Beziehungen nach Toulouse verbessern." Bei Beatrices nächstem Vorschlag aber schnellten Richards Augenbrauen förmlich in die Höhe. "Edward?" wiederholte er entgeistert. "Du willst unseren Sohn nicht zu Philippe schicken aus Angst, er könnte dort etwas lasterhaftes lernen, aber du willst ihn zu deinem Bruder Edward schicken? Nicht nur, dass der Bengel dann nach Hause kommen und nur noch 'Henry, Henry' rufen wird, wenn er bei einem der Schoßhunde meines Vaters unter kommt, dein Bruder ist wohl die geeignetste Person, um Stephan beizubringen, wie man sich in Schwierigkeiten bringt."

Beatrice nickte. "Das ist wahr. Er wird einmal ein unschätzbar wertvoller Ratgeber für Guillaume sein, da bin ich sicher. Gerade, weil er so eine andere Sicht auf die Welt hat als sein großer Bruder, dem alles so in den Schoß fällt."
Sie lächelte erleichtert, als Richard ihren Vorschlag für brauchbar hielt. "Dann haben wir zumindest eine Alternative für ihn. Und falls es ihm nicht gefällt, ist Toulouse nicht ganz so weit weg wie Paris." Sie verdrehte leicht die Augen.
"Edward hat sich gebessert. Er ist doch längst kein solcher Unruhestifter mehr, wie er früher war. Aber wir haben ja Toulouse als Alternative, die uns Beiden zusagt."

Bei dem Gedanken, den Beatrice da herauf beschwor, musste Richard lächeln. "Da könntest du durchaus Recht haben. Jonathan hat einen so speziellen Weg im Leben, er ist ein ganz besonderer Charakter. Er sieht Dinge auf eine Art und Weise, die sich auch mir häufig nicht erschließt und wenn er dann davon erzählt, kommt man sich vor als würden einem Schuppen von den Augen fallen."
Richard sah kurz zum Himmel und schüttelte leicht den Kopf. "Wenn Edward sich gebessert hat, heißt dass aber immer noch, dass er für normale Maßstäbe ein völliger Chaot ist. Nicht gerade jemand zu dem ich ausgerechnet Stephan schicken wollen würde. Nachher kommt er noch mit einem Bauernmädchen im Schlepptau nach Hause." bemerkte Richard kopfschüttelnd.

"So ist es. Ich weiß nicht, woher er das hat und warum er die Dinge so ganz anders sieht, ob es nur an seiner Behinderung liegt. Aber es ist unglaublich faszinierend und beruhigt mich ungemein. Er wird seinen Weg finden."
Beatrice grinste spöttisch. "Ja, du hast schon Recht. Er ist ein Chaot. Und mit dieser Französin stand es auch nie zum Besten. Das war nicht gerade meine beste Idee. Aber Edward gibt sich immerhin Mühe sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Aber ein Bauernmädchen als Schwwiegertochter wäre vielleicht wirklich nicht so angemessen."

William war etwas mulmig zu Mute als er Henrys Gemach erreichte. Während der Diener ihn drinnen ankündigte, atmete er noch einmal tief durch, ehe er die Höhle des Löwen betrat. Er wusste schon genau, weshalb Henry ihn hatte rufen lassen und ihm war ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken daran, in welcher Stimmung Henry gerade sein würde.
William trat ein, tauschte einen kurzen, flüchtigen Blick mit Eleonore, die ebenfalls anwesend war und etwas abseits saß, so als wolle sie Henry etwas mehr Raum für seine Flüche und Verwünschungen lassen, die er noch immer ausstieß und dabei in dem Raum auf und ab lief.
William trat vor und verneigte sich leicht vor Henry. "Ich vermute, Richard ist der Grund, weshalb du mich gerufen hast?" begann er sofort gerade heraus. Henry würde sonst vor Wut noch endgültig platzen, also brachten sie es lieber hinter sich.

Henry kochte vor Wut und fluchte vor sich hin, während er im Arbeitszimmer auf und ab lief. Eleonore leistete ihm zwar Gesellschaft, hielt sich aber vornehm zurück. Natürlich, Richard ja auch nach wie vor ihr Liebling.
Endlich kündigte der Diener William an, verschwand bald darauf aber wieder um das Weite zu suchen und ja nicht ins Zentrum von Henrys Aufmerksamkeit zu geraten und dessen Zorn abzubekommen.
"Da bist du ja endlich!Was hat so lange gedauert?" Henry winkte ab und schnaubte verächtlich. "Ja, Richard, dieser unverschämte Bengel!"
Erkonnte es immer noch nicht fassen. "Was fällt ihm eigentlich ein einfach so einen Schwur zur Teilnahme an einem Kreuzzug zu leisten ohne mich um Erlaubnis zu fragen? Er glaubt wohl, er kann sich alles herausnehmen!"

William machte eine beschwichtigende Geste und ließ sich dann auf einem freien Stuhl nieder, um Henry bei seiner unruhigen Wanderung zu beobachten. "Ich war nicht erpicht darauf deine Laune abfangen zu müssen, also habe ich nicht alles gleich stehen und liegen lassen." erwiderte William ruhig. Nachdenklich schlug er die Beine übereinander. "Nun, ein Kreuzzug ist ein ehrbares Unterfangen. Eleonore wird dir da sicher einiges drüber erzählen können, würdest du dir die Zeit nehmen ihr zuzuhören." erwidert William und sah kurz zu Eleonore hinüber. "Ich gebe dir zwar Recht, dass es nicht allzu klug von Richard war, diesen Schwur ohne jegliche Absprachen zu treffen, aber es ist müßig sich darüber aufzuregen. Er hat den Schwur geleistet und er wird ihn zweifelsohne auch erfüllen, also sollten wir lieber sehen, dass wir das Beste aus dieser Sache machen können.

"Meine Laune? Ich habe ja wohl jede Berechtigung schlecht gelaunt zu sein bei dem, was mein Sohn sich da schon wieder geleistet hat. Ein kreuzzug ist ein ehrbars Unterfangen, aber Richard kann nicht einfach tun, was er will. Er muss diese Dige mit mir besprechen! Eleonores Erzählungen können daran nichts ändern, was soll ich mit der Anhörung also Zeit verschwenden?" Henry schnaubte wütend. Richard war so unglaublich arrogant, es war nicht zu fassen.
"Das Beste daraus machen? Und was soll das Beste sein? Dass Richard in der Ferne herum irrt um irgendwelche Mauren abzuschlachten? Dieser Schwur ist mir völlig egal! Er wurde ohne meine Zustimmung geleistet. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um Richard daran zu hindern."

"Vielleicht jedes Recht, ja, aber das heißt dennoch nicht, dass ich mich dir aussetzen muss." erwiderte William ein wenig spöttisch. Er unterdrückte ein Augenrollen und atmete tief durch. "Das bleibt zu überlegen, nicht wahr? Aber irgendwie müssen wir diese Situation doch nutzen. Du kannst Richards Schwur nicht rückgängig machen und du wirst ihn schwerlich hindern können nach Jerusalem zu ziehen, egal was du sagst, Henry." erinnerte William seinen Cousin.
"Alles in deiner Macht stehende?" wiederholte William und erschauderte leicht. "Und was genau schwebte dir da vor, magst du es mir erklären?" Hoffentlich führte diese Sache nicht wieder zu einem kolossalen Streit zwischen Henry und Richard, deren Beziehung ja eh schon so angespannt war.

Henry verengte leicht die Augen. "Du bist mein Lordkanzler. Es ist deine Aufgabe dich dem auszusetzen.", widersprach er missmutig.
"Nutzen? Und wie willst du es nutzen? Oh, mir fällt schon etwas ein ihn daran zu hindern, keine Sorge." Henry überlegte einen Moment lang.
"Ach weißt du, wir müssen einfach nur dafür sorgen, dass Richard anderweitig beschäftigt ist. Wenn er in Aquitanien genug zu tun hat, wird er keinen Gedanken an diesen Kreuzzug mehr verschwenden. Ja, das ist die Lösung für unser Problem."
Es würde nicht allzu schwierig sein, einige Fürsten auf seine Seite zu ziehen. Diese würden Richard schon Druck machen.

William zuckte leicht mit den Schultern. "Vielleicht, aber lass mir doch die Illusion, dass dein Zorn ein wenig verraucht sein könnte bis ich hier bin, wenn ich mir Zeit lasse." entgegnete er und zwinkerte Henry zu. Er kannte die Wutausbrüche seines Cousins mittlerweile zu Genüge und hatte in all der Zeit gelernt sich diese nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen.
"Hm, mal sehen, aber solch ein Vorhaben bringt enormes Ansehen mit sich, Henry. Das könnte für einige Bündnispartner sehr attraktiv sein. Richard kann sich bei einem Kreuzzug beweise und zeigen was in ihm steckt, das wird die Leute beeindrucken." erwiderte William nachdenklich, zog dann jedoch die Augenbrauen in die Höhe und tauschte kurz einen besorgten Blick mit Eleonore.
"Anderweitig beschäftigt?" wiederholte er skeptisch. "Und was bitte, soll ihn so sehr beschäftigen, dass er von seinem Unterfangen absieht? Das wird dir nicht gelingen Henry, du kennst ihn doch ... wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, will er es auch tun."

Henry seufzte leise. "Du weißt doch, dass das nichts ändert. Aber immerhin bist du ja noch rechtzeitig, nicht zu spät." William wusste das schon ziemlich genau einzuschätzen nach all den Jahren, die er nun an seiner Seite verbrachte. Er konnte sich auf seinen Cousin verlassen, immer und überall.
"Eben. Bündnispartner, die sich dann Richard zuwenden. Das kann ich nun wirklich nicht brauchen. Er soll die Leute nicht beeindrucken und noch mehr Unterstützer scharen."
Henry neigte leicht den Kopf und lächelte.
"Es wird gelingen. Ich bekomme immer, was ich will. Wir müssen nur ein klein wenig Unruhe in Aquitanien stiften und schon wird Richard andere Sorgen haben. Das kostet mich nur ein paar Briefe und Boten."

"Henry" begann William halb beschwichtigend, halb beschwörend. "du müsstest einfach nur anfangen in Richard keinen Konkurrenten mehr zu sehen. Er ist dein Sohn, dein Nachfolger ... wenn er Unterstützung findet, bedeutet das, dass dein Lebenswerk Unterstützung findet. Alles, was du aufgebaut hast, wird weiter bestehen bleiben, wenn du mit deiner Familie eine Einheit bildest. Lass nicht zu, dass alles auseinander fällt, weil du nicht von deiner Macht lassen kannst."
Dann wurde William blass und sein Kopf fuhr unweigerlich zu Eleonore hinüber. Diese war auch bereits auf den Beinen und maß ihren Gemahl mit einem wütenden Blick. "Das kannst du nicht tun! Das ist selbst für dich vollkommen irrsinnig! Wieso willst du Krieg in unseren eigenen Gebieten heraufbeschwören?" William schluckte schwer. Er wusste, wie hart diese Eröffnung Eleonore traf, hing sie doch mit ganzem Herzen an Aquitanien, an ihrem Herzogtum, das sie aber schon Jahre nicht mehr hatte aufsuchen dürfen.
William beugte sich ein wenig vor und sah Henry eindringlich an. "Tu das nicht, Henry, ich bitte dich. Dass ist doch verrückt und kostet uns nur unnötige Kraft."

"Richard ist keine Konkurrenz für mich, aber für John. Er akzeptiert einfach nicht, dass John mein Nachfolger wird. Er findet Unterstützung dafür, mein Lebenswerk auseinander zu reißen. Diese Familie kann keine Einheit sein, solange Richard rebelliert. Ich dachte wirklich, er hätte etwas begriffen."
Henry bedachte Eleonore mit einem beiläufigen Blick. "Natürlich kann ich. Ich will keinen Krieg herauf beschwören. Nur ein bisschen Unruhe, um die Richard sich kümmern muss, damit er von diesem Irrsinn lässt. Mein werter Freund, der Graf von Toulouse, wird da sicher gern dabei sein.", erwiderte er gelassen und überging den Protest seiner Gemahlin.
"Mich kostet es nichts. Nur ein paar Briefe. Warum also sollte ich es nicht tun? Richard provoziert doch in einem fort. Er wird sehen, was er davon hat."

Eleonore verengte die Augen zu Schlitzen. "Du weißt, dass meine Boten bei Richard sein werden bevor deine Gelegenheit hatten irgendjemanden aufzuwiegeln. Es wird dir nichts bringen irgendwelche Aufstände heraufzubeschwören! Richard wird vorbereitet sein und sie im Nu niederschlagen." erwiderte Eleonore kalt. Sie glaubte fest an ihren Sohn und wusste, dass er das nötige Geschick besaß, um ein paar versprengte Rebellen in die Schranken zu weisen.
William sah ungläubig zwischen den beiden Eheleuten hin und her. Es war so absurd, was hier geschah ... "Henry, du wirst Männer in den Tod schicken, wenn du das tust! Unschuldige, die sterben müssen, weil du dich ein wenig in deinem Stolz verletzt fühlst? Ich bitte dich, lass davon ab. Schreib diese Briefe nicht." bat William inständig.

"Du würdest mir also in den Rücken fallen, Teuerste? Aber was wundert es mich, Richard war immer dein Liebling.", erwiderte Henry ein wenig missmutig.
Es war in der Tat nicht klug, Eleonore an solchen Gesprächen teilnehmen zu lassen. Es war sicher besser, Einsicht zu heucheln. Keiner von Beiden würde mitbekommen, wenn er wirklich etwas anzettelte.
"Es geht nicht um meinen Stolz! Es geht doch um Johns Zukunft."
Er tat, als würde er nachdenken und nickte dann. "Vielleicht hast du Recht, William. Ich werde erst einmal nichts tun. Wer weiß, ob dieser Kreuzzug überhaupt zustande kommt. Ob Richard überhaupt teilnimmt, ob er zurückkehrt."

Eleonore schnaubte leise. "Wenn du meinem Erben in Aquitanien schaden willst: ja, dann würde ich mich jederzeit wieder gegen dich stellen." erwiderte sie entschlossen. Sie hatte es einmal getan und zu Richards Wohl würde sie es wieder tun, so viel war sicher.
"Natürlich geht es um deinen Stolz. Du willst, dass Richard über jeden seiner Schritte vor dir Rechenschaft ablegt und dich um Rat fragt. Dieses Mal hat er alleine entschieden und das gefällt dir nicht." fasste William die Fakten trocken zusammen. Dann sah er Henry ein wenig misstrauisch an. Sollte er sich wirklich so leicht umentschieden haben? Skeptisch musterte William seinen Cousin, nickte dann aber langsam. "Gut. Glaub mir, es ist besser, wenn wir in dieser Sache nichts überstürzen." Wenngleich William noch nicht gänzlich überzeugt von Henrys Worten war. Doch vielleicht war ja ausnahmsweise mal ein Wunder geschehen und Henry ließ die Vernunft entscheiden.

Henry seufzte theatralisch. "Natürlich. Wenn es um Richard geht, ist deine Loyalität vergessen. Wie konnte mir das entfallen?"
Er warf William einen finsteren Blick zu. "In solch wichtigen Dingen hat er Rechenschaft abzulegen! Er untersteht mir immer noch!"
Er sah William an, dass dieser an seiner Entscheidung zweifelte und wartete ab. Schließlich aber schien William den Stimmungswechsel zuschlucken.
"Dann unterbreite mir deine Vorschläge...was soll ich tun? Einfach nichts?"
Das konnte William doch nicht wollen.

Edwards Verletzungen waren sehr gut am verheilen, so dass er mittlerweile das Bett schon wieder verlassen und durch die Burg laufen konnte. Lucas hatte wirklich ganze Arbeit geleistet und war nun kürzlich wieder zurück nach Truro gereist. Der junge Arzt hatte verschiedene Salben da gelassen, die den letzten Weg der Heilung erleichtern würden Helene wachte penibel darüber, dass Edward sie auch nutzte.
In diesem Punkt war Edward also auf gutem Wege, aber dafür war er dem Opium aufs Neue immer mehr erlegen. Bisher hatte er es vor Helene geheim halten können, nur Eric maß ihn hin und wieder mit einem dieser Blicke ... sein Knappe hatte möglicherweise einen Verdacht, aber das scherte Edward wenig.
Jetzt gerade sowieso nicht.
Er saß in der breiten und mit Kissen gepolsterten Fensterbank, hatte den Kopf gegen den kühlen Stein gelegt, die Augen geschlossen und gab sich ganz seinem Rausch hin. Eigentlich hatte er nur etwas Wein mit ein, zwei Tropfen Opium versetzt trinken wollen, da sich für heute Mittag einer der Grafen aus der Umgebung angekündigt hatte, doch irgendwie hatte er das Maß nicht ganz halten können - und darüber hinweg jegliches Gefühl für die Zeit verloren.
Was kümmerte ihn überhaupt mit was für banalen Sorgen die Leute hier her kamen? Es war doch so viel verlockender all das zu vergessen und sich in seinen Träumen Julia einmal mehr näher zu fühlen. Es war ein so wundervoller Traum, sie beide waren ausgeritten und hatten sich im Wald eine einsame Lichtung gesucht ... mit Julia an seiner Seite war die Welt für Edward wieder in Ordnung.