William und Joanna - 1188 bis 1189

Isabella lächelte, als William sie entdeckte und ihr entgegen kam. Endlich hatte sie ihn wieder und das auch noch unversehrt! Sie erwiderte seinen Kuss mit aller Liebe, die sie aufbringen konnte.
"Ja, wir bekommen wieder Nachwuchs.", bestätigte sie strahlend. "Verzeih mir, dass ich dir nichts gesagt habe. Ich wollte dich nicht beunruhigen, du solltest dir keine Sorgen um mich machen. Im Krieg musst du auf dich selber aufpassen." Und es hätte ihm keine falschen Hoffnungen gemacht, wenn es doch schief gegangen wäre.
Sie schmiegte sich an ihn und genoss das Gefühl seiner Nähe in vollen Zügen.
"Es geht mir gut, wirklich. Besonders jetzt, da du hier bist. Mary war ja bei mir und hat mich unterstützt wie sie nur konnte."

William lachte leise. „Verzeihen? Was gibt es denn da zu verzeihen?“ William gab ihr einen liebevollen Kuss. „Du schenkst mir ein Kind, das ist wohl das wundervollste überhaupt.“ Er war selig. Jetzt, da er wieder hier war und seine Frau auch noch schwanger vorfand … er hätte sich nichts mehr wünschen können. William legte einen Arm um ihre Schultern, damit sie hinein gehen konnten. „Das ist gut. Ich war wirklich erleichtert, dich hier bei ihr zu wissen. So musste ich mir wenigstens keine Gedanken machen, wusste, dass du gut aufgehoben bist.“
Wenigstens konnten sie nun gemeinsam wieder in die Zukunft sehen. So war die Unsicherheit, die Henrys Tod ihm gebracht hatte, leichter zu ertragen. Für William blieb erst noch abzuwarten, was Richards Herrschaft für ihn bedeuten würde. Wenn der junge neue König es zulassen würde, würde er in seinen Dienst treten, aber ob Richard ihn wirklich haben wollen würde? Das würde sich noch zeigen.

"Weil ich nicht ehrlich zu dir war und es dir verschwiegen habe. Aber ich bin froh, dass du mir nicht gram bist deswegen. Ich bin so glücklich und dankbar für dieses Kind. Ich hoffe, alles geht gut. Dann wird Sybil endlich eine große Schwester sein."
So lange schon hatten sie sich nach einem zweiten Kind gesehnt, nun endlich hatte es geklappt. "Das dachte ich mir...du musstest den Kopf frei haben für wichtigere Dinge. Jetzt müssen wir nur noch sehen, wie es mit uns weitergehen wird."
Nach Henrys Tod war alles ein wenig ungewiss. Richard würde gekrönt werden und dann, dann würde sich zeigen, was die Zukunft brachte.
Sie begleitete ihn gern hinein. "Drinnen wartet ein kleines Mahl auf dich und ich werde ein Bad vorbereiten lassen."

"Natürlich nicht, wie könnte ich einer so wundervollen Frau jemals gram sein? Vor allem, wenn sie mein Kind unter dem Herzen trägt?" William lächelte zärtlich. "Ich kann es kaum erwarten. Sybil wird sicher eine hervorragende große Schwester sein. Was treibt die Kleine denn? Hat sie sich gut benommen?" erkundigte William sich, während sie den Hof überquerten.
Er atmete tief durch und nickte langsam. "Ja, das bleibt abzuwarten. Wir werden in jedem Fall zu der Krönung reisen. Dann kann ich im Anschluss Richard die Treue schwören ... wenn er mir nicht übel nimmt, dass ich sein Pferd gepfählt und ihn zu Fall gebracht habe." bemerkte William und schnitt eine leichte Grimasse.
"Ah, das klingt hervorragend. Ein entspanntes, heißes Bad in Gesellschaft meiner Gemahlin habe ich wirklich vermisst."

Isabella lächelte zurück. "Und ich liebe dich für diese Ansichten nur noch umso mehr." Es war schon bei der ersten Schwangerschaft so gewesen, dass William sie regelrecht vergöttert hatte. Sie genoss dieses Gefühl, zeigte es ihr doch, wie sehr dieser Mann sie liebte.
"Sybil geht es gut und sie war artig wie immer. Sie hat alle um den Finger gewickelt und Charles' Ältester Daniel hat sie öfter mit in den Stall genommen. Er hat dann und wann die Bespaßung seiner Geschwister übernommen und Sybil hat da auch keinen Unterschied mehr gemacht.", erklärte sie grinsend.
Sie legte den Arm um Williams Taille.
"Was hast du gesagt? Du hast Richard zu Fall gebracht?" Sie warf ihm einen schockierten Blick zu. "Ich werde Bea schreiben, sie soll ein wenig vorfühlen. Sie hat Einfluss auf ihn. Dann wird es schon gut gehen. Vielleicht bewundert er dich heimlich für diesen Wurf. Und du bist wirklich unverletzt?"
Sie gab einem Diener unterwegs bereits Anweisung ein Bad vorzubereiten, so konnten sie in ruhigem Tempo den Weg fortsetzen.

William lachte vergnügt. "Tapferer Daniel. Da wird er mit der Bande hier vermutlich mehr Aufregung gehabt haben als wäre er als Knappe mit aufs Festland gekommen." scherzte William, der schon oft genug erlebt hatte, wie es hier zuging, wenn die ganze Kinderhorde auf den Beinen war und wieder einmal etwas ausheckte.
William grinste schief. "Du hast richtig gehört. Es war kurz vor dem Ende der Auseinandersetzungen. Wir mussten uns zurückziehen und sicher gehen, dass wir Henry aus der Gefahrenzone heraus bekamen, aber ausgerechnet Richard war uns mit ein paar Männern auf den Fersen und die einzige Chance war, ihn irgendwie aufzuhalten. Also habe ich mich zurück fallen lassen, während dein Vater sich um Henry gekümmert hat und habe die Lanze genommen. Ich hatte eine perfekte Position, obendrein haben sie nicht mit mir gerechnet ... bei Gott, hätte ich gewollt, hätte ich Richard selbst erwischen können, aber ich wollte ihn ja letztlich nur aufhalten ... also musste sein Pferd dran glauben, der arme Gaul." berichtete William und seufzte leise.
Er hauchte Isabella einen Kuss auf die Schläfe. "Das kann sicher nicht schaden, ich danke dir." Dann grinste er breit. "Nur ein paar Kratzer und einige blaue Flecken, nichts was ein bisschen Ruhe nicht im Nu geheilt hat." erwiderte er augenzwinkernd.

"Oh ja, das ist er. Sie haben ihn in Atem gehalten. Aber so hatte er wenigstens nicht viel Zeit zu schmollen, weil sein Vater ihn hier gelassen hat. Allerdings kann ich Charles darin verstehen. Er hätte vermutlich keine ruhige Minute mehr gehabt, wenn er Daniel auf dem Schlachtfeld gewusst hätte. Er hat die Kleinen aber erstaunlich gut im Griff gehabt."
Isabella seufzte. "Gut, dass ich davon nichts wusste. Ich wäre gestorben vor Sorge um dich. Ich schätze, es wäre nicht gut gewesen, hättest du Richard erwischt. Gott bewahre uns vor dem Tag, da England John in die Hände fällt. Und der hätte Guillaume ganz sicher nicht kampflos den Thron überlassen."
Sie schmiegte sich kurz enger an ihn.
"Gott sei Dank...ich könnte es ohne dich nicht ertragen."

Edward war wie die meisten anderen nach Henrys Beisetzung nach Hause aufgebrochen. Bis zu Richards Krönung würde noch etwas Zeit vergehen und da er nicht zu Richards Vertrauten zählte, gab es derzeit nichts weiter für ihn zu tun. Den Treueid würde er dem neuen König nach dessen Krönung leisten, so wie so ziemlich jeder andere, der bisher Henry verpflichtet gewesen war. Aber allein bei dem Gedanken daran wurde Edward ein wenig flau im Magen.
Er wusste, dass Richard ein guter König werden würde und früher oder später würde er sich damit abfinden, schließlich musste er an die Zukunft denken, aber Henrys Tod war für ihn einfach bitter gewesen und er machte sich nach wie vor Vorwürfe, weil er in Gefangenschaft geraten war und so seinem König nicht hatte helfen können.
Doch nun hatte er mit seinem Gefolge Oxford erreicht und hier wartete sicher einiges an Arbeit auf ihn nachdem er so lange weg gewesen war. Zudem war Helene hier und nicht zu vergessen die Kinder ...
Seinen Kindern galten seine Gedanken auch noch als er in den Burghof ritt. Er hatte seinen Jüngsten ja noch gar nicht kennen gelernt. Wie der kleine Raphael wohl aussah?
Edward glitt aus dem Chouchous Sattel und reichte dem Stallburschen die Zügel. "Sieh zu, dass du ihn gut versorgst, er hat anstrengende Wochen hinter sich." mahnte er den jungen Kerl, der verstohlen grinste, aber eilig nickte und dem Hengst sachte über den Hals strich. Man wusste hier nur zu gut, welch eigentümliche Beziehung der Earl of Oxford zu seinem rabenschwarzen Schlachtross hatte und zumindest die Stallburschen schüttelten schon lange nicht mehr die Köpfe darüber.
Edward wandte sich ab und ließ den Blick suchend über die Menge gleiten, um zu sehen ob Helene irgendwo zu finden war, vielleicht sogar mit den Kindern.

Helene

Lange Wochen lagen hinter ihnen. Wochen, in denen sie sich bemüht hatte Oxford gut zu verwalten und in denen sie Edward schmerzlich vermisste hatte. Raphaels Geburt hatte sie ein wenig über seine Abwesenheit hinweggetröstet, aber sie war dennoch trunken vor Freude und Erleichterung gewesen, dass er endlich heim kehrte.
Sie stand im Hof, hatte die Kleinen aber bewusst drin gelassen. Diesen ersten Moment wollte sie für dich haben, so egoistisch das auch war. Sie hatte lange genug gewartet und zurück gesteckt.
Kaum sah sie ihn absteigen, setzte sie sich in Bewegung und als er sich umwandte, um sich nach ihr umzuschauen, schlang sie die Arme um seine Taille.
"Edward, mon dieu. Ich hatte solche Angst um dich, als keine Nachricht von dir kam..."

Edward hatte sich kaum umgedreht und Helene in der Menge ausgemacht, da hatte sie schon das letzte Stück zwischen ihnen zurück gelegt und schloss ihn in die Arme. Die Gefühle, die in Edward tobten, drohten ihn einen Moment lang zu überwältigen, doch er riss sich zusammen, legte kurz die Arme um Helene und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.
"Unkraut vergeht nicht, das weißt du doch." erwiderte er mit schiefem Lächeln. Und da er sich selbst nicht über den Weg traute, fügte er hinzu: "Komm, lass uns hinein gehen, ja? Ich will raus aus diesem Getümmel. Und ich will die Kinder sehen." Er sehnte sich danach seine Kinder wieder zu sehen, wollte besonders Gabriel in die Arme schließen und am liebsten nie wieder los lassen. Und er wollte endlich seinen jüngsten Sohn kennen lernen.
Vor allem aber wollte er endlich Ruhe von all den Menschen, wollte die Tür ihres Gemaches schließen können und die Welt einfach ein wenig aussperren.

Helene

Helene genoss den innigen Moment, sprte aber, dass Edward nicht seine ganze Gefühlswelt preis gab. Das war ihm noch immer schwer gefallen,jetzt vermutlich umso mehr, wo er gerade aus dem Krieg kam. "Trotzdem...es kam einfach kein Brief von dir. Ich dachte schon, du wärst gefallen..."
Helene nickte langsam. "Gut, lass uns gehen. Sie warten schon auf dich. Und ich bin gespannt, was du zu Raphael sagst."
Sie wusste, dass Gabriel insgeheim Edwards Liebling war, aber in ihren Augen sah Raphael in der Tat aus wie ein kleiner Engel, blond und graue Augen, ganz ihr Ebenbild.
"Aber heute Abend soll sich niemand einmischen. Heute Abend gehörst du ganz mir allein, Edward.", stellte sie klar und schob verstohlen die Finger in seine, während sie die Burg betraten.
"Sie haben dich vermisst..."

Edward schüttelte leicht den Kopf. "Es ... war nicht alles so einfach. Ich erzähle es dir später alles genau." erwiderte er. Edward wusste, dass er Helene von der Gefangenschaft erzählen musste und sie würden sicher auch über Henrys Tod sprechen, aber all das wollte er tun, wenn sie alleine waren.
Edward warf Helene einen Blick zu und nickte langsam. "Keine Sorge, so schnell laufe ich dir nicht wieder weg." bemerkte er als sie die Halle durchquerten, um zu den Gemächern zu gelangen. "Bei Gott, ich sie auch." murmelte Edward leise und betrat das Gemach, das die Kinder bewohnten.
Edward ließ Helenes Hand los, begrüßte zuerst seinen Stiefsohn mit einer herzlichen Umarmung und dachte dabei, dass er für Jonah unbedingt eine Aufgabe finden musste. Der Junge war nun zwölf Jahre alt, Edward würde sich etwas Zeit nehmen in den nächsten Tagen und mit Jonah über dessen Wünsche für die Zukunft sprechen. Aber zunächst widmete er sich Aliz, schloss das Mädchen in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe endlich Gabriel an der Reihe war. Edward schloss seinen Erstgeborenen in die Arme und strich zärtlich durch die feuerroten Locken. Dieses Kind hatte ihm schon immer gut getan. Er hatte Edward stets mit allem Unheil versöhnt, hatte ihm geholfen jedes noch so dunkle Tal hinter sich zu lassen und Gabriel würde ihm zweifelsfrei auch jetzt wieder gut tun.
Nachdem er den drei Älteren ein wenig Zeit gewidmet hatte, trat er in die angrenzende Kammer, die Michael, Raphael und der Amme vorbehalten war.
Michael saß auf dem Boden und spielt gerade mit einigen Holztieren, hielt jedoch inne als seine Eltern eintraten und sah mit großen Augen zu Edward auf. Dieser ging in die Hocke und strich Michael durch die zerzausten Haare. "Na Knirps, weißt du überhaupt noch wer ich bin?" fragte er den zweijährigen lächelnd. Michael starrte ihn weiter an, nickte dann aber entschlossen und streckte die Arme nach ihm aus. "Papa!" erklärte er mit zufriedenem Lächeln und Edward hob den Jungen auf den Arm. "Ich habe gehört, du bist jetzt ein großer Bruder geworden, hm? Gefällt dir das?" erkundigte Edward sich und Michael nickte so heftig, dass seine weichen Locken munter auf und ab hüpften. "Und ob! Bin jetzt ganz groß." erklärte der Junge selig und schmiegte sich an die Schulter seines Vaters.
Edward bedachte ihn mit einem Lächeln und trat dann zu der Wiege hinüber in der Raphael trotz all des Trubels selig schlief. Edward sah auf den Jungen hinab, betrachtete ihn versonnen und strich schließlich mit einem Zeigefinger über die kleine Wange. "Was hat er für eine Augenfarbe?" fragte er dann an Helene gewandt, die zu ihm an die Wiege getreten war.

Helene

Helene nickte zustimmend. Sie hatte längst gelernt zu akzeptieren, wenn er nicht reden wollte. Später würde er ihr vielleicht mehr anvertrauen, wenn sie Ruhe hatten. Er musste darüber reden, das würde ihm gut tun.
Sie hielt sich ein bisschen im Hintergrund, während er die Kinder begrüßte und sich mit jedem Einzelnen beschäftigte. Es war sicher ein selbstsüchtiger Gedanke, aber es erfüllte sie mit Freude, dass er nicht ein einziges Mal bisher nach Hanna und der Kleinen Juliana gefragt hatte.
Das zeigte, sie standen für ihn an erster Stelle.
Sie lächelte, als Michael seinen Vater durchaus noch erkannte und gar keine Berührungsängste hatte, trat aber erst wieder an Edwards Seite, als dieser zur Wiege trat.
"Grau. Wie der Himmel Englands so oft. Sieht er nicht in der Tat aus wie ein kleiner Engel? Er macht seinem Namen alle Ehre."

Edward musste lächeln. "Tatsächlich? Nun, Hauptsache er bekommt nicht auch so ein wechselhaftes Gemüt." bemerkte er mit sanftem Spott und setzte Michael dann wieder auf den Boden. "Aber du hast Recht, er ist ein hübsches Kerlchen." pflichtete Edward Helene bei und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. "Danke für diesen zweiten kleinen Engel." murmelte er und griff dann nach ihrer Hand.
Er sah Raphael noch einen Moment lang an, dann wandte er sich um und strich Michael dabei noch einmal durch die Haare. "Benimm dich schön, hörst du, kleiner Mann? Dann spielen wir nachher auch ein bisschen zusammen, aber erst einmal muss ich mir saubere Kleider anziehen und den Straßenstaub abwaschen, denkst du nicht auch?" Michael musterte seinen Vater mit ernster Miene und nickte dann nachdenklich. "Doch, denke ich."
Edward unterdrückte ein Grinsen und nickte. "Gut. Dann bis später." Er hauchte seinem Sohn noch einen Kuss auf die Stirn, dann wandte er sich mit Helene zum Ausgang.
Ihr eigenes Gemach lag nicht weit entfernt von der Kammer der Kinder, so dass sie es nach wenigen Schritten erreicht hatten. Edward ließ seiner Gemahlin den Vortritt und schloss hinter ihnen sorgsam die Tür ab. Kaum hatte er sich wieder umgedreht, schlang er einen Arm um Helenes Taille und zog sie eng an sich, küsste sie mit einer solchen Verzweiflung wie ein Ertrinkender sich an ein Stück Holz klammerte.
Er hatte sie vermisst, ja durchaus. Und vor allem nach Henrys Tod hatte er sich gewünscht, sie wäre bei ihm und könnte ihm wenigstens etwas Trost spenden, den Schmerz ein wenig lindern.

Helene

"Nun, ich hoffe doch nicht...aber man weiß ja nie. Wir sind beide nicht gerade für unser ruhiges Gemüt bekannt, nicht wahr? Und ich habe ihn dir gern geschenkt. Ich bin so froh, dass ich ihn habe." Helene hatte sich so sehr ein zweites Kind gewünscht.
Sie begleitete ihn in ihre Gemächer, damit Edward sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte und war dann doch ein wenig überrascht, als er sie so heftig an sich zog.
Trotzdem ließ sie ihn gewähren, legte die Arme um ihn und erwiderte den Kuss. Sanft fuhren ihre Finger wieder und wieder durch die roten Locken.
"Alles wird gut, Edward...", wisperte sie und küsste ihn erneut. "Du bist hier, in Sicherheit. Hier bei mir..." Sie streichelte seinen Rücken.
"Erzähl mir, was dich bedrückt..."

Edward zog den Kuss in die Länge und schloss die Augen während Helenes Finger durch seine Haare strichen. "Später ..." murmelte er leise. "Später ..." Er wollte jetzt nicht reden, konnte es jetzt noch nicht. Jetzt wollte er einfach nur seine Frau in den Armen halten, sie küssen und lieben, all das nachholen, was sie in dem letzten halben Jahr versäumt hatten und sich daran erinnern, dass er am Leben war und dass es alles irgendwie weiter ging.
Edward hob Helene hoch und trug sie ohne zu Zögern zum Bett hinüber. Dort ließ er sie vorsichtig nieder, zog sich eilig die Stiefel von den Füßen und kniete sich über Helene um ihr einen weiteren Kuss zu geben. Seine Hände glitten über ihren Körper, fuhren jede einzelne Rundung nach und erreichten schließlich wieder die Schnürung ihres Kleides und machten sich daran zu schaffen.

Helene

"In Ordnung...", gab Helene bereitillig nach und konnte nicht verhindern, dass sie wie Wachs in seinen Händen wurde. Sie hatte ihn ja auch vermisst. Er fehlte ihr an allen Ecken und Enden, wenn er fort war. So erwiderte sie nur allzu dankbar seine Küsse und ließ sich zum Bett bringen.
Während er schon ihr Kleid öffnete, machte sie sich an Wams und Hemd zu schaffen.
"So ungeduldig, mon cheri..." Sie lachte leise, ein wenig atemlos. "Mon dieu, ich liebe dich, Edward. Ich kann es kaum erwarten..."
Und sie würden sich einfach alle Zeit der Welt lassen. Niemand sollte stören. Diese Stunden hier gehörten ihnen allein. Niemand würde sich zwischen sie stellen können.

Edward war erleichtert, dass Helene akzeptierte, dass er ihr jetzt nichts von den zurückliegenden Monaten erzählen würde. Mittlerweile konnte sie sich immerhin auch sicher sein, dass er früher oder später trotzdem darüber reden würde, er brauchte einfach etwas Zeit, um sich zu öffnen.
"Wir mussten ja beide lange genug warten, nicht wahr?" erwiderte Edward atemlos und befreite Helene aus ihrem Kleid, sowie dem Unterhemd. "Du weißt, dass ich nicht wirklich geduldig bin." fügte er knapp hinzu. Dann küsste er Helene erneut mit aller Leidenschaft, die er aufbringen konnte und ließ die Hände zu ihren Schenkeln wandern. Einen Moment lang verweilten sie dort bis Helene auch seine Hosen aufgeschnürt hatte, dann schob er ihre Knie auseinander und beugte sich über sie. Edward verschloss ihre Lippen mit den seinen und drang dann entschlossen in sie ein. "Einen Sohn ..." wisperte er heiser während er sich zu bewegen begann. "Schenk mir noch einen Sohn ..." Einen Sohn, den er Henry nennen konnte. Nach dem Mann, der Edward so unglaublich viel bedeutet hatte, der ihm wie ein zweiter Vater gewesen war, ihm manchmal sogar näher gestanden hatte als sein leiblicher Vater und der ihn vor allem zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war.

Helene

Helene nickte. "Du hast Recht. Viel zu lange..." Sie half ihm ein wenig ungeduldig mit dem Kleid und kam ihn dann willig entgegen. "Natürlich weiß ich das...ich bin es jaauch nicht."
Sie stöhnte leise auf und fuhr durch ein Haar, ehe sie die Finger in seinen Rücken grub. "Das werde ich..." Sie würde gern versuchen ihm seineWünsche zu erfüllen, aber letztendlich lag es in Gottes Hand, was es werden würde und ob sie überhaupt noch ein Kind bekommen würden.
Sie schmiegte sich keuchend ein wenig enger an ihn. "Gut, dass du wieder da bist..." Es war einfach nicht dasselbe ohne ihn.
Sie dankte Gott dafür, dass er nicht gefallen war.

Edward ließ sich neben Helene auf die Matratze sinken und zog sie in seine Arme. Sie bei sich zu haben linderte und schürte seinen Schmerz in einem, es war zum Verrückt werden. Gott hatte ihm nun schon zwei so unglaublich wichtige Menschen genommen, was, wenn er Helene auch nahm? Was, wenn Gott entschied, dass auch sie ihm nicht vergönnt war?
Edward vergrub das Gesicht an Helenes Hals und dachte an Henry und an seinen Vater, der unter dem Tod des Königs noch so viel schlimmer litt als er selbst. Und schließlich konnte Edward die Tränen nicht mehr zurück halten. Er weinte lautlos, kein Schluchzen kam über seine Lippen und doch fiel eine Träne nach der anderen auf Helenes weiche Haut.
Es war das erste Mal, dass er um Henry weinte, denn vorher hatte er es sich nie gestattet. In der Öffentlichkeit war es undenkbar gewesen, auch vor den Augen vertrauter Personen und wenn er alleine war, hatte er diese Gefühle nie zugelassen. Erst jetzt wo er Helene in den Armen hielt, konnte er sich der Trauer endlich einmal öffnen.

Helene

Helene schmiegte sich eng an Edward und genoss die Nähe. Wie er sich an sie kuschelte...Früher wäre das unmöglich gewesen. Doch die entspannte Stimmung änderte sich ein wenig, als sie heiße Tropfen auf ihre Haut fallen spürte. Das schockierte sie doch in gewisser Weise, denn sie hatte Edward noch niemals weinen sehen.
Etwas erschrocken drehte sie sich um und zog seinen Kopf an ihre Brust, strich beruhigend durch die roten Locken und küsste seine Stirn.
"Oh, Ed....was ist passiert? Erzähl mir, was dich so bedrückt, das wird dir helfen. Was hast du erlebt? Ich will dir helfen und dein Leid teilen. Lass es nur hinaus."
Und es schmeichelte ihr, dass er sich bei ihr sicher genug fühlte um seine Gefühle so zuzulassen.

Als Helene sich etwas herum drehte und ihn enger an sich zog, kam schließlich doch ein ersticktes Schluchzen über Edwards Lippen, doch er nahm sich sogleich wieder zusammen, um keinen weiteren Laut von sich zu geben. Für einige Augenblicke überließ er sich ganz Helenes tröstender Geste, dann atmete er zitternd durch und fuhr sich schließlich verstohlen mit dem Handrücken über die Augen.
"Henry ..." wisperte Edward schließlich leise. "Ich kann einfach nicht glauben, dass er tot ist." Es war noch immer so absurd. "Ich ... ich wünschte, ich wäre vorsichtiger gewesen. Dann wäre ich nicht gefangen genommen worden und hätte Henry besser beistehen können. Vielleicht ... vielleicht wäre dann alles anders gekommen." Vielleicht hätte er somit Henrys Leben retten können, hätte er nicht so nutzlos in Richards Feldlager gesessen. Es machte ihm wirklich zu schaffen.

Helene

Helene ließ die Hände zärtlich über seinen nackten Rücken und durch seine roten Locken gleiten, immer und immer wieder, beruhigend.
"Du brauchst dich vor mir weder zu verstecken noch zu schämen. Lass es zu, wenn es dir hilft. Manchmal muss man alles heraus lassen, Ed."
Sie schüttelte leicht den Kopf und gab ihm einen Kuss. "Ich weiß, es ist schwer für dich. Aber alle Menschen müssen sterben. Die einen früher, die anderen später. Henrys Zeit war gekommen. Du hättest nichts dagegen tun können. Wenn er krank war, wie hättest du das verhindern wollen? Nur durch deinen beistand? Es war ja nicht so, als wäre er ganz allein gewesen, nicht wahr? Du bist kein Arzt... mach dir keine Vorwürfe."
Wie kam er nur auf diese Idee?

"Aber es hätte noch so viel gegeben ... er hätte noch so viel vor sich gehabt. Er ist doch kaum älter als mein Vater." erwiderte Edward. Eher unbewusst schmiegte er sich noch dichter an Helene und hielt sie fest. "Ich ... ich weiß nicht. Aber wäre ich nicht gefangen genommen worden, wäre vielleicht alles anders gekommen. Ich kam mir so fruchtbar nutzlos vor. Und wenn Robert mich nicht hätte gehen lassen, dann wäre ich fast noch zu spät gekommen." erzählte Edward leise.
Edwards Hand glitt langsam über Helenes Körper während er nachdachte. "Henry hat mir so viel bedeutet. Er war so wichtig für mich ..." murmelte er gedankenverloren. "Was habe ich getan, dass Gott mir all die lieben Menschen nimmt?"
Erst Julia, jetzt Henry, wer wusste schon wie es weiter gehen würde?

Helene

Helene nickte langsam. "Ich weiß, es war zu früh. Aber Gott hat sicher andere Pläne für ihn gehabt. Manche Menschen werden älter, manche sterben früh. Du weißt, dass auch dein Vater kein junger Mann mehr ist. Das ist der Lauf der Dinge."
Beruhigend strich sie ihm weiterhin über den Rücken und schüttelte den Kopf. "Ach Unsinn...du hättest ihm nicht helfen können. Er hat vorher sicher schon Anzeichen der Krankheit gehabt und ein Krieg ist kräftezehrend, mit dir oder ohne dich. Du bist nicht zu spät gekommen. Du konntest Abschied nehmen und das war gut so."
Sie küsste seine Stirn. "Irgendwann ist für uns alle die Zeit gekommen. Ich glaube nicht, dass Gott dich strafen will. Außerdem hast du immer noch die Kinder und mich."