William und Joanna - ab 1189 bis 1190

John hatte im Angesicht des Dolches Todesangst. Ein Rauschen in seinen Ohren fokussierte seine Wahrnehmung nur auf die Klinge und auf Arthurs Gewicht über ihm. Es gelang ihm mit aller Kraft seine Hände zu befreien, weil der Widerstand ein bisschen nachzulassen schien.
Er gelangte an den Dolch in seinem Ärmel und im nächsten Augenblick schien Arthur wieder aus seiner Starre zu erwachen. Er war verändert, aber der Dolch schien ihn an den Ernst der Lage zu erinnern. Arthur versuchte ihn zu entwaffnen, hielt aber gleichzeitig die eigene Klinge umklammert.
Eine etwas wuchtige Drehung und das Nächste, was John spürte, was ein Schmerz in der Bauchgegend und dass der schwere Körper über ihm erschlaffte.
Im Handgemenge hatten beide Dolche ihr Ziel gefundne. John wurde leichenblass und die Welt begann sich zu drehen.
"Oh Gott...oh Gott..."

Arthur hatte für einen Moment lang nur Augen für Constance. Es war kaum mehr als ein Wimpernschlag, aber ihm kam es wie eine halbe Ewigkeit vor in der sie seinen Namen rief und auf sie zu kam. Dann nahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel heraus wahr und sein Unterbewusstsein erinnerte ihn daran, dass er sich eigentlich mitten in einem Kampf befand – einem Kampf mit John, der nun seinerseits einen Dolch in der Hand hielt. Arthurs Kopf fuhr herum und im nächsten Moment ging alles wahrsinnig schnell. Er versuchte nach Johns Dolch zu greifen, um seinen Bruder zu entwaffnen und erneut brach eine Rangelei zwischen ihnen beiden aus. Genau so lange bis Arthur den kalten Stahl in seinen Bauch eindringen spürte. Die Klinge drang bis zum Heft in sein Fleisch hinein und Arthur spürte, wie sie irgendetwas in ihm förmlich zerriss.
Stöhnend ließ er von John ab und sackte neben ihm auf den Boden.
Constance sah den Stahl aufblitzen und lief schnelle. „Nicht …“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Schluchzen, für einen Moment konnte sie nicht erkennen, was passierte, dann plötzlich hatte sie den Eindruck überall nur noch Blut zu sehen.
„Nein!“ Sie hatte die beiden Brüder erreicht, fiel förmlich neben ihnen auf die Knie, sah John, der sich eine Hand auf die Seite presste und Arthur – Arthur, der neben John auf den Boden gefallen war, kreidebleich und dessen gesamtes Blut sich gerade auf den eiskalten Boden zu ergießen schien.
„Nein …“ Constances Hände bebten als sie Johns Hände von dessen Wunde zurück zog und erkannte, dass er zumindest nicht so schwer verletzt schien wie Arthur. Sie sah John einen kurzen Moment lang in die Augen, dann wandte sie sich Arthur zu. „Constance …“
„Sch sch … ruhig … halt still …“ wisperte sie leise. „Alles wird gut.“ Ein Satz, der ihr über die Lippen kam, obwohl sie wusste, dass es eine Lüge war. Selbst wenn sie in der Lage wäre die Blutung zu stoppen, würde Arthur das nicht überleben, dafür war der Dolch zu tief eingedrungen und schien zu viel in seinem Inneren verletzt zu haben.
Constance wandte den Kopf ihrem Mann zu und sah ihn mit tränenverschleierten Augen an. „John …“ Bitte, hilf ihm, lass ihn nicht sterben … Ich weiß nicht wie, zumal du selbst verletzt bist, aber hilf ihm …

Johns Welt bewegte sich nahezu in Zeitlupe. Er konnte kaum fassen, was gerade passierte, fühlte sich wie unter Wasser. Er starrte Constance blicklos an, ließ sich widerstandslos die Hand von der Wunde ziehen.
Er wurde erst wieder halbwegs klar, als sie sich Arthur zuwandte. Ein Stich von Eifersucht durchzuckte ihn, aber dann nahm er all das Blut war. Einen Moment überkam ihn völlig unerwartet hilflose Panik. Wie war das nur passiert? Er hatte ihn doch nicht ernsthaft verletzen, sich nur verteidigen wollen!
Constances Blick jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. John..
Er wusste, was sie wollte... Er sollte Arthur helfen, ihn retten. Liebte sie ihn am Ende tatsächlich? Mehr als John?
Er spürte den eigenen Schmerz nicht, fühlte sich wie betäubt. Fahrig rappelte er sich dennoch auf und rutschte durch die Blutlache zu Arthur. Ungewohnt unsicher fuhren die Finger über den blutigen Bauch, zögernd. Schließlich riss er seinen Mantel vom Körper um sie auf die Wunde zu drücken und die Blutung zu stillen. In seinem tiefsten Innern wusste er, dass er nichts mehr ausrichten konnte. Aber er wollte es nicht wahr haben. Er konnte doch nicht seinen Bruder töten!
"Es tut mir leid...es tut mir leid..."

Arthur stöhnte auf als Johns Hände über seinen Oberkörper fuhren. Kurz sah er zu seinem Bruder, wandte den Blick dann aber wieder Constance zu, die ihm mit einer Hand über die Stirn strich. Er tastete mit bebenden Fingern nach ihrer freien Hand und ergriff sie fahrig. "Constance, ich ..." Er musste husten und sein ganzer Körper schien sich für einen Augenblick zu verkrampfen. "Schon gut, rede nicht so viel." erklang ihre warme Stimme, aber Arthur deutete ein Kopf schütteln an. "Nein, nein, ich muss." Sein Atem ging schwer, rasselnd. "Ich ... ich liebe dich, Constance. Habe ich schon immer." Ihr leises Schluchzen unterbrach seine Worte und Arthur versuchte sich an einem kläglichen Lächeln. "Ich war so ein Narr ..." So ein Narr ... er hatte damals einen so großen Fehler begangen und hatte Angst vor Robin gehabt. Sonst wäre alles anders gekommen. Aber wenigstens hatte Gott es ihm vergönnt sie noch einmal zu sehen. Er war nicht in Frankreich gestorben, sondern hatte sie hier wieder gesehen, hatte sogar eine wundervolle Nacht mit ihr verbringen können ... und er hatte Constantin.
"Der Junge ..." brachte Arthur heiser hervor. "Wo ist er?" Er wollte seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen. Nur noch einmal.

John musste versuchen das Zwischenspiel zu ignorieren, er konnte es kaum ertragen. Am Ende würde Arthur doch gewinnen, auf die eine oder auf die andere Weise... Lebte er, würde Constance vermutlich zu ihm gehen. Starb er, würden Constance und Constantin ihn selbst hassen.
Johns Augen weiteten sich leicht.
"Er ist oben...", sagte er tonlos. "Aber ich weiß nicht, ob er dich so sehen sollte..." Ob es für Constantin gut war. Aber er selbst hätte ihn ohnehin nicht holen können, seine Beine würde beim ersten Schritt versagen, vermutete er.
"Er sollte ins Hospital...", sagte er zu Constance. "Azeem ist dort..." Azeem würde Arthur sicher helfen. Er musste ihm helfen. Er konnte nicht seinen Bruder töten und all die Schuld auf sich laden, es war doch ein Unfall gewesen!

Nur widerwillig und langsam löste Arthur den Blick von Constance. Er wusste, dass das hier seine letzten Minuten waren und er wollte den Blick eigentlich nicht von ihr nehmen, aber Johns Worte brachten ihn doch dazu seinen Bruder noch einmal anzusehen. Ein bitteres Lächeln umspielte Arthurs blasse Lippen. "Wirklich, John?" fragte er mühsam. "Nicht einmal jetzt gönnst du mir ihn zu sehen?"
Constance fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen. "Ins Hospital? John, wie sollen wir ihn da hin bringen? Du kommst kaum auf die Beine und ich kann ihn keinen Meter weit tragen ..." erwiderte sie verzweifelt und sah wieder auf Arthur hinab. "Ich ... ich kann ihn holen, wenn du willst. Ich kann nach oben -"
"Nicht nötig."
Die Stimme in ihrem Rücken war nicht einmal laut gewesen, aber sie schien doch alles zu übertönen. Constances Kopf fuhr herum und sie starrte in das blasse Gesicht ihres Sohnes. Constantin stand nur ein paar Schritte von ihnen entfernt, der Blick flackerte immer wieder hektisch zwischen John, Arthur und Constance hin und her.
Er muss aus dem Fenster gesehen haben. schoss es ihr durch den Kopf und sie wollte gerade etwas sagen als Constantin sich aus seiner Starre löste und zu ihnen trat.
Er war blass und seine Finger bebten, trotzdem kam er näher und kniete sich dann neben John an Arthurs Seite. "Kann ich helfen?" fragte er leise, zweifelsohne an John gewandt, den Blick hatte er jedoch nach unten auf Arthur gerichtet, dessen Miene plötzlich viel entspannter wirkte, beinahe gelassen.

John schüttelte den Kopf und schaute Arthur verzweifelt an. "Doch natürlich, ich dachte nur an sein Wohl. Wie du doch sonst auch..." Es war für einen kleinen Jungen keine Erfahrung, die er so einfach machen sollte.
"Ich...ich weiß doch nicht... Jemanden rufen, der ihn trägt." Warum fragte sie ihn so schwierige Dinge? Er konnte doch kaum klar denken.
John schrak zusammen, als hinter ihm Constantins Stimme erklang. Der Junge wirkte erstaunlich gefasst, auch wenn er blass war. Und als er neben ihm kniete, liefen vereinzelt Tränen über Johns Wangen. Er wusste doch eigentlich selbst, dass es zu spät ar. Der Stoff war bereits durchgeblutet, das Blut sickerte nun über seine Hände und selbst der Druck auf die Wunde brachte die Blutung nicht zum stehen. Er konnte einfach nicht helfen.
"Nur bei ihm sein, glaube ich...", flüsterte er. "Mehr können wir nicht tun."

Arthur deutete ein Kopfnicken in Johns Richtung an. "Schon gut." John hatte immer nur das Beste für den Jungen gewollt und in gewisser Weise zollte Arthur ihm dafür großen Respekt. Er hätte das so vermutlich nicht fertig gebracht an Johns Stelle.
Als Arthur Constantins Stimme hörte, atmete er regelrecht erleichtert auf. Er hatte Angst gehabt, Constantin nicht noch einmal sehen zu können, sich nicht von ihm verabschieden zu können. Aber Gott hatte ihm noch diese eine letzte Gunst gewehrt.
Mit der Rechten hielt er noch immer Constances Hand, also streckte er zitternd die Linke aus, um Constantin noch ein letztes Mal durch den blonden Schopf zu streichen. Es tat so gut den Jungen zu sehen. "Ein tapferer Kerl bist du geworden." wisperte Arthur und lächelte sanft. "Versprich mir, dass du das auch weiterhin sein wirst, ja? Tapfer und ... aufrichtig. Du hast so ein gutes Herz, Constantin ..." Constantin schluckte schwer und nickte. "Ich verspreche es." Die Stimme des Jungen klang heiser, aber dennoch entschlossen. "Und vergiss nie, dass ich dich liebe, hörst du? Daran wirst du immer denken, nicht wahr?" Arthur schluckte und hielt mühsam ein Stöhnen zurück. "Es ... es gibt in Hereford ... Dokumente, die ... die dich als meinen Erben bestätigen." Arthur stockte und schloss kurz die Augen, um seine Kräfte noch ein wenig zu sammeln. Dann schlug er die Augen wieder auf und griff mit der Linken nach Constantins Hand. Sein Blick hingegen wanderte weiter zu John. "Er bekommt alles ... was mir gehört. Ich habe ihn ... als meinen Sohn und Erben anerkannt, aber ... aber ich brauche dich, John. Ich brauche dich, um auf ihn Acht zu geben." Arthur atmete zitternd durch. "Du wirst ... immer gut auf ihn aufpassen, nicht wahr John? Auf ihn und Constance ..."

John hielt sich zurück und ließ Arthur in Ruhe Abschied von Constantin nehmen. Der Junge nahm das Ganze für den Moment noch besser auf, als er gedacht hatte. John hatte die Existenz dieser Dokumente gefürchtet und zugleich erhofft. Einerseits sicherten sie Constantins Zukunft als Earl of Hereford, andererseits beraubten sie ihn endgültig seines Sohnes.
Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass Arthur ihn noch einmal ansprechen würde. Er hockte da in dieser unwirklichen Szene in einer wahren Pfütze aus Blut neben seinem sterbenden Bruder und sprach zitternd mit diesem mehr ruhige Worte als die letzten Jahre erlaubt hatten.
"Natürlich werde ich das. Mit meinem Leben.", versprach er ernst. Er würde doch nie zulassen, dass den Beiden etwas geschah.

Arthur seinem Bruder in die Augen und deutete ein Nicken an. "Ich danke dir, John." erwiderte er erleichtert. "Und vergib mir. Vergib mir für meine Torheit und meine vielen Fehler. Ich ... ich wollte dir ... nie wirklich schaden, ich ..." Arthur lächelte schief. "Ich wollte auch einfach nur ein wenig Glück für mich. Ich war so neidisch auf dich, ich Narr ..."
Arthur hustete wieder und dieses Mal war es Constantin, der ihm über die Stirn strich. Arthur sah seinem Sohn in die Augen und sah den verräterischen Glanz darin. "Ich will nicht, dass du stirbst." wisperte der Junge und diese Trauer in seiner Stimme hätte Arthur fast das Herz zerrissen. "Ich auch nicht, Kurzer." bemerkte er und lächelte matt. "Ich auch nicht, aber ... Gott entscheidet, wann unsere Zeit gekommen ist, nicht wir selbst."
Constantin schlang seine Arme um Arthurs Hals und umarmte ihn vorsichtig - etwas wofür Arthur dem Jungen noch dankbarer war, denn er selbst hätte es zu gern getan, konnte sich aber kaum noch rühren. "Ich liebe dich, Kurzer." wisperte er Constantin leise ins Ohr. "Denk immer an die schöne Zeit, die wir hatten, ja?"
Constance saß wie gebannt neben Arthur, hielt noch immer dessen Rechte in der Hand und beobachtete die Szene zwischen ihm und Constantin. Die Tränen liefen ihr stumm über die Wangen und sie strich fast wie in Trance immer wieder über Arthurs Handrücken. Wie hatte all das nur passieren können? Wieso war sie ein so dummes Ding, dass sie Arthur und John so gegeneinander aufgebracht hatte? All das hier war nur ihre Schuld. All der Schmerz und das Leid, das ihre Familie heimsuchte, hatte sie verursacht.

John erwiderte Arthurs Blick, schwieg einen Moment und nickte. "Ich verzeihe dir." Er hatte sie Arthur doch nicht einfach geben können, schließlich war er immer noch so verliebt in seine Frau. So hatte Arthur eben zurückstehen müssen. "Ich wünsche dir mehr Glück dort, wo du jetzt hingehst."
Am meisten tat es ihm um Constantins Willen leid. Er ließ die Beiden in Ruhe Abschied nehmen und war froh, dass man ihm in dieser Situation keine Vorwürfe machte. Das tat er selbst schon genug.
Es dauerte nicht mehr lange, bis Arthurs Körper erschlaffte und der Blick brach. Er war tot.
Reglos saß John da und starrte ihn an. Wie hatte das nur geschehen können?
Sein Blick verschwamm leicht vor seinen Augen, die Welt drehte sich, rastete wieder ein, drehte sich erneut.
Wie konnte er einfach tot sein?

Constance beobachtete in gewisser Weise fasziniert wie Arthur sich bei John entschuldigte und wie sich Arthurs Gesichtszüge glätteten als John ihm vergab. Es schien so als würde Arthur mit seinen letzten Atemzügen tatsächlich Frieden mit der Welt machen, die ihm immer wieder so übel mitgespielt hatte.
Constance nahm das alles wahr, aber es fühlte sich seltsam distanziert an. Irgendwie weit weg ...
Erst als sie sah, wie Arthur unter Constantins Umarmung noch einmal tief durchatmete und dann still lag, schien sie in die Wirklichkeit zurückzukehren. Arthurs Lippen zierte ein dünnes Lächeln, wenigstens im Tod hatte er seine Liebsten bei sich gehabt. Aber der Glanz aus seinen Augen war verschwunden.
Constance legte Constantin, der sich nun an Arthurs Schulter leise ausweine, eine Hand auf die Schulter, beugte sich vor, um Arthur auf die Stirn zu küssen und dann seine Augen zu schließen. "Lebe wohl, Arthur." wisperte sie leise.
Dann hob sie den Blick wieder, denn schlagartig wurde ihr bewusst, dass Arthur nicht zufällig hier im Innenhof lag. "John." Constance sah ihn einen Moment lang nur an, dann schien die Starre von ihr regelrecht abzufallen und sie kam auf die Füße, umrundete Arthur und sank vor John auf die Knie. "John ..." Ihre Finger bebten als sie Wams und Hemd nach oben schon und die hässliche Wunder freilegte, die ihr Gemahl davon getragen hatte. "Großer Gott ..."
Constance schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
Lass ihn uns, Gott. Bitte, nimm mir nicht auch noch John. Nicht ihn.
"Kannst du gehen, wenn ich dich stützte?" fragte sie leise, aber drängend und legte eine Hand an seine Wange. Erst als sie es schon getan hatte, stellte sie fest, dass ihre Finger blutverschmiert waren. Das Blut beider Brüder klebte mittlerweile an ihren Händen und der Anblick jagte Constance einen Schauer über den Rücken.

John kam erst wieder halbwegs zu sich, als Constance vor ihm kniete und die Hand an seine Wange legte. Er musste furchtar aussehen, schoss es ihm durch den Kopf. Seine Kleidung war durch und durch mit Blut getränkt, teilweise sein eigenes, teilweise Arthurs. Er hatte sogar blutige Abdrücke im Gesicht durch Constances Finger.
Geistig etwas abwesend betrachtete er die große Wunde an seiner Seite und brauchte einen Moment um ihre Frage überhaupt zu begreifen. Er schaute sie etwas verständnislos an, immer noch unter Schock, nickte dann aber.
"Ich denke schon..." Seine Sprache klang ein wenig verwaschen, aber er versuchte trotzdem auf die Füße zu kommen. "Musst ihn hier weg holen lassen..."

Constance nickte knapp. "Ja. Ja, das muss ich, aber erst musst du ins Hospital." Lucas und Azeem waren dort und wenigstens John würden sie noch helfen können.
Constance wandte sich zu Constantin um und strich ihm zärtlich über den Rücken. "Schatz ... Constantin, ich ... wir müssen ins Hospital, so schnell es geht, aber ... ich bin ... ich bin gleich wieder bei dir." erklärte sie leise und lehnte kurze ihre Stirn an die ihres Sohnes. "Ich bin gleich zurück, dann bringen wir Arthur hinein, hörst du?" wisperte sie, dann machte sie sich von Constantin los und half John auf die Füße. Es war nicht allzu weit zum Hospital, aber so schwer angeschlagen wie John war, würden sie eine halbe Ewigkeit brauchen. Sie konnte nur hoffen, dass ihnen irgendjemand begegnete, der ihnen helfen konnte.
"Du musst durchhalten, John, hörst du?" raunte sie ihrem Mann zu als dieser schließlich etwas unsicher auf die Beine gekommen war. Sie stützte ihn so gut es ging, wenngleich Constance selbst das Gefühl hatte als würden ihre Knie gleich nachgeben.
"Halte durch ..." Die Worte waren sowohl an John als auch an sie selbst gerichtet. Sie beide mussten nun durchhalten, jeder auf seine Weise.

"Ja...ja...Hospital.", murmelte John ein wenig undeutlich und lauschte auf Constances beschwichtige Worte ihrem Sohn gegenüber. Nun, bei allen Zweifelnd stand zumindest fest, dass es ihr Sohn war, wenn schon sein Vater nicht festzustellen war.
John kam schwer auf die Füße und taumelte auf Constance gestützt in Richtung Hospital. Er hatte keinerlei Bedenken, Lucas und Azeem würden ihn ausgesprochen fähig behandeln.
"Ja, durchalten...." Er würde es zumindest versuchen. Nach ein paar Metern kam ihnen Azeem bereits ausgesprochen besorgt entgegen, der vergebens auf seinen sonst immer so pünktlichen Freund gewartet hatte. Gemeinsam zogen sie John in eines der Zimmer.
"Was ist passiert?", fragte Azeem sene Schwiegermutter eindringlich.

Constance war erleichtert als Azeem ihnen entgegen kam und John sofort stützte und ins Hospital brachte, alleine wäre sie kaum so weit gekommen. "Es ... ein Unfall. Das ist eine lange Geschichte, Azeem." erwiderte sie und half John dabei sich auf die Liege zu setzen und zurück zu lehnen. "Er hat einen Dolch in die Seite bekommen, die Wunde blutet noch." berichtete sie und zeigte Azeem die Verletzung, damit er sofort etwas unternehmen konnte.
"Ist Lucas hier?" erkundigte sie sich dann fahrig. "Ich ... ich brauche seine Hilfe. Er muss ..." Arthur aus dem Innenhof weg schaffen ...
"Er muss mir helfen." schloss Constance schließlich. Allmählich zitterte sie leicht am ganzen Körper. Weniger vor Kälte, sondern weil der Schock langsam einsetzte. Arthur war tot und John in Azeems Obhut ... allmählich begann sie zu realisieren, was geschehen war.

Azeem

Azeem lauschte aufmerksam auf jedes Wort, das Constance ihm zur Erklärung sagen konnte. Je mehr er wusste, desto besser würde er helfen können. Azeem bugsierte John auf eine Liege und zerschnitt das blutgetränkte Hemd, um besser an die Wunde zu kommen.
"Ja, es blutet noch mehr als es sollte." Hastig überlegte er, was man am besten tun konnte. Es war seltsam, ausgerechnet John hier liegen zu haben.
Einen Moment lang war er etwas abwesend und in Gedanken, hätte beinahe Constances Frage versäumt. "Ja, er ist hier.", sagte er dann und richtete den Blick wieder auf seine Schwiegermutter. "Er ist nebenan, nimm ihn ruhig mit. Er wird dir helfen. Und dann wirst du wieder hierher kommen. Du stehst unter Schock, nicht, dass du mir zusammen brichst. Ich will dich wieder hier sehen. Und jetzt lass mich erst einmal deinem Mann helfen, das hier ist etwas tückisch."
Er musste erst einmal die Blutung stoppen, John war schon gar nicht mehr richtig ansprechbar.

Constance blinzelte etwas irritiert, dann drangen Azeems Worte erst richtig zu ihr durch. Sie nickte langsam. "Ich komme wieder sobald ich kann." erwiderte sie. Aber erst musste sie Lucas holen, damit sie Arthur hier her brachten. Oder direkt in die Kirche ... aber er war so blutüberströmt, vielleicht war es besser, wenn sie ihn erst hier her brachten ... vielleicht würde Lucas die richtige Idee haben. Ihre eigenen Gedanken waren so wirr und durcheinan. Constance sah auf John hinab, dann beobachter sie wie Azeem seine Arbeit machte. Er würde John helfen. Er musste einfach. "Ich bin gleich zurück, John." Wisperte sie, dann wandte sie sich ab und trat auf den Gang, um nach ihrem Sohn zu suchen. "Lucas?"

Lucas

Lucas hatte von der Aufregung draußen nicht so viel mitbekommen. Er hatte gerade eine Patientin verabschiedet, als ihm seine Mutter in die Arme lief.
Etwas schockiert sah er sie an und griff nach ihren blutigen Händen. "Gott im Himmel, Mutter, was ist passiert? Bist du verletzt?"
Lucas musterte sie voller Sorge. "Ist etwas mit Vater? Oder mit Constantin? Um Himmels Willen sprich mit mir...kann ich dir irgendwie helfen?"
Er hatte wirklich Sorge, dass jemandem etwas zugestoßen war. Er würde alles tun um zu helfen, wenn er nur konnte. Vorsichtig legte er die Hand an ihre Wange und schaute ihr prüfend in die Augen.

Constance war erleichtert, dass sie Lucas nicht erst suchen musste, sondern er ihr förmlich in die Arme lief. Sie wusste so schon kaum noch, wie sie einen Fuß vor den anderen setzen konnte, da war sie froh über jeden Weg, der ihr erspart blieb. "Nein, ich ... ich bin unverletzt, es ist nicht mein ... Blut." erwiderte Constance mit bebender Stimme. "Azeem kümmert sich um deinen Vater, aber du ... du musst mir helfen Arthur zu holen. Er ... er ist ..." Sie brachte es einfach nicht über ihre Lippen. Sie konnte nicht sagen, dass er tot war. "Constantin ist draußen bei ihm ..." wisperte Constance. Constantin, ihr kleiner Engel ...

Lucas

Lucas war erleichtert, dass seine Mutter nicht verletzt war. Das Gefühl verflüchtigte sich aber sofort, als er erahnen konnte, was vorgefallen war. Es war von Anfang an klar gewesen, dass diese Sache mit seinem Vater und Arthur nicht auf Dauer gut gehen konnte. Beide hingen zu sehr an Constantin und sein Vater war verständlicherweise mittlerweile ausgesprochen eifersüchtig, wenn es um seine Frau ging. Aber das hier...er konnte sich nicht vorstellen, wie sich diese Sache ereignet haben sollte. Sein Vater würde niemals jemanden angreifen.
"Ganz ruhig, ich helfe dir. Vater scheint ja in guten Händen zu sein." Aber dass sie Constantin allein damit zurück gelassen hatte!
Ohne zu zögern eilte er mit ihr aus dem Hospital und den Weg zurück. "Was hast du vor?"

Constance eilte neben Lucas wieder aus dem Hospital und sah ihren Sohn verständnislos an. "Was ich vorhabe?" fragte sie verwirrt bis sie langsam begriff. Natürlich, er wusste ja gar nicht was vorgefallen war, wie auch?
"Wir ... wir müssen Arthur holen und ins Hospital bringen. Oder ..." Sie brach kurz ab und richtete den Blick nach vorne, um Lucas nicht ansehen zu müssen, während sie weiter sprach. "Oder in die Kirche." Kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie Arthurs Beisetzung organisieren musste. Sie würde dafür sorgen müssen, dass er nach Hereford gebracht wurde, dass er dort ordentlich beigesetzt wurde.
Doch der Gedanke verschwand schnell wieder, so wie jeder klare Gedanke. Keinen von ihnen konnte Constance im Moment wirklich fest halten.
"Und ich muss Constantin mitnehmen. Mein armer, kleiner ..." Constantin. Wie gefasst er gewesen war. Aber vermutlich war das auch nur der Schock ... so wie sie nur noch handelte, weil sie musste und das obwohl ihre Kräfte eigentlich längst ausgezerrt waren.

Lucas

Lucas runzelte die Stirn, als er begriff. Hatte das Ganze wirklich so ein Ende nehmen müsen? Unglaublich... Er legte seiner Mutter die Hand beruhigend auf den Rücken. "Bleib ganz ruhig, wir werden uns jetzt darum kümmern. Ich werde dir helfen. Wir bringen ihn erst einmal hierher und dann richten wir ihn erst einmal her." Es war eine traurige Aufgabe, aber hier im Hospital wurde auch dafür gesorgt, dass diejenigen, die ihre Krankheit nicht überstanden, würdevoll gehen konnten.
Lucas wurde etwas blasser, als sie Constantin erwähnte. "Hat er das Ganze etwa gesehen?" Für den Jungen war das nun wirklich nicht gut. Er zögerte nicht länger sondern eilte mit seiner Mutter aus dem Hospital und hielt unterwegs noch einen der Burschen, die hier als Pfleger arbeiteten, an, ihm beim tragen zu helfen.
Als sie im Innenhof ankamen, bot sich ihm kein allzu schönes Bild.

Constance nickte nur, unendlich froh darüber, dass Lucas so besonnen reagierte und ihr die Entscheidung abnahm. Sie selbst war viel zu aufgewühlt um noch einen klaren Gedanken fassen zu können.
"Ich weiß es nicht." erwiderte Constance mit belegter Stimme. "Wir waren zusammen oben als ich zufällig aus dem Fenster sah und deinen Vater und Arthur entdeckte. Ich habe Constantin nach nebenan geschickt, um sich ein Buch zu holen und gesagt, ich wäre gleich wieder zurück. Er muss ... irgendwann aus dem Fenster gesehen haben." berichtete Constance und fuhr sich mit zitternden Fingern über das Gesicht. "Jedenfalls tauchte er auf als ... als Arthur bereits ..." Kurz rang sie um Worte, wusste nicht, wie sie es aussprechen sollte. "Sie konnten sich immerhin noch verabschieden." wisperte Constance leise.
Als sie den Innenhof erreichten, hatte sich an der Szene wenig verändert. Arthur lag noch immer mitten im Hof in einer mittlerweile noch größeren Pfütze aus Blut und Constantin saß neben ihm, hielt Arthurs Hand in seinen eigenen und sah stumm auf den leblosen Körper hinab.
Constance eilte zu ihrem Sohn, ging neben ihm in die Hocke und zog ihn sachte in ihre Arme. "Komm. Lucas bringt ihn ins Hospital." erklärte sie leise und war sich nicht ganz sicher, ob sie Constantin in den Armen hielt, um dem Jungen Trost zu spenden oder sich selbst. Beides wahrscheinlich.

Lucas

Lucas nickte etwas besorgt. Er ahhnte, dass das für Constantin noch sehr schwer werden würde, aber er würde sich um seinen kleinen Bruder kümmern.
"Wenigstens das. Ich denke, das wird ihm ganz gut tun. Es hilft zu begreifen. Aber jetzt braucht er erst einmal Ruhe und Sicherheit."
Seine Lippen wurden schmal, als er das ganze Blut sah. Mit einem lauten Pfiff rief er einen Stallburschen herbei. "Sieh zu, dass du etwas Sand her schaffst und über das ganze Blut kippst, sonst kriegt man hier draußen ja einen Schlag."
Gleichzeitig schaute er ebenfalls Constantin ins Gesicht. "Und ihr Zwei, ihr geht auch ins Hospital. Dort kann ich euch ein bisschen helfen. Bist du okay, Kurzer?"
Es konnte ihm nicht gut gehen damit, aber wenn er wenigstens keine größeren Schäden davon trug, war alles gut.
Gemeinsam mit dem Pfleger hoben sie die Leiche an und trugen den leblosen Körper zum Hospital, zuvor hatten sie ihn in ein großes Laken gewickelt. Es musste ja nicht jeder glotzen.