William und Joanna - ab 1189 bis 1190

Isabella hatte gerade ein schönes Frühstück mit ihrem Mann und den beiden Kleinen eingenommen und nun spielten die Kinder einträchtig am Boden mit etwas Spielzeug. Sybil belustigte ihren kleinen Bruder William ausgesprochen gern mit diversen Holzklötzchen und die Kinder verstanden sich ausgesprochen gut.
Als es klopfte, bat sie den Besuch gut gelaunt herein.
"Oh, Helene, komm nur herein. Die Kinder spielen gerade ein bisschen, da können wir uns in Ruhe unterhalten. Möchtest du einen Tee?"
Sie musterte ihre Freundin und runzelte dann die Stirn. "Ist alles in Ordnung? Du siehst verstimmt aus." Und sie hoffte, dass das nicht mit Hanna zusammen hing.

Helene

Helene fand Isabella mit ihrer Familie zusammen bei einem ausgedehnten Frühstück. Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, versetzte ihr der Anblick einen kleinen Stich. Wie gern würde sie auch in solchem Familienglück schwelgen!
"Nein danke, keinen Tee." lehnte sie Isabellas Angebot ab und setzte sich, wenngleich sie eigentlich viel zu aufgewühlt war, um Platz zu nehmen. "Nein, ich kann nicht sagen, dass alles in Ordnung ist." erwiderte sie. "Wieso hast du mir nicht gesagt, dass dieses kleine Luder hier ist?" Ihre Stimme klang gepresst von mühsam zurück gehaltenem Zorn. "Schlimm genug, dass Edward mir davon nichts gesagt hat. Und dann behauptet dieses Weib auch noch, er hätte sie geschwängert! Und dabei hatte er mir versprochen die Finger von ihr zu lassen. Ich ..." Helene brach wütend ab, unfähig noch weiter in Worte zu fassen, welches Chaos in ihr tobte.

Isabella setzte sich Helene gegenüber und legte den Kopf zur Seite. "Was? Oh..." Sie hatte geahnt, dass es nicht gelingen würde, dabei hatte sie Hanna extra gebeten Helene aus dem Weg zu gehen. Gerade, weil sie wusste, was für ein rotes Tuch die junge Frau für Lady Oxford war.
"Weil ich nicht wusste, dass das von Belang für dich ist. Du bist doch froh, wenn du sie nicht sehen musst. Edward hat mich darum gebeten und du weißt wie er ist, wie sollte ich ihm etwas abschlagen?"
Sie seufzte leise. "Tja, ich fürchte, da hat sie leider nicht ganz Unrecht. Mein Bruder ist kein Heiliger und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass er der Vater des Kindes ist. Du kannst sagen, was du willst, aber eine Hure ist Hanna nicht. Was nicht heißt, dass ich gut heiße, was die Beiden treiben. Vor allem, da er es versprochen hat. Aber was auch immer es ist, irgendwas zieht Edward an ihr an."
Und es sah ihm ähnlich solche Schwierigkeiten zu verursachen und dann zu verschwinden, damit Andere sie lösten.

Helene

"Sicher bin ich froh, wenn ich sie nicht sehen muss, aber ich wäre gerne vorgewarnt gewesen. Das Schlimmste daran ist aber vor allem, dass Edward keinen Ton gesagt hat. Er wusste doch, dass wir befreundet sind, dass ich irgendwann her kommen würde und vor allem, hatte er selbst ja entschieden, dass ich Aliz herbringen sollte."
Helene schloss die Augen für einen Moment. Insgeheim hatte sie gleich gewusst, dass Hanna die Wahrheit sagte. Einfach weil es passte, dass Edward wieder einmal solch eine Katastrophe herauf beschwor und das so vollkommen beiläufig. Sie schluckte schwer und schlug die Augen wieder auf. "Wieso nur tut er mir das an?" fragte sie leise. "Ich dachte wirklich, wir hätten uns zusammen gefunden und jetzt? Jetzt stelle ich fest, dass er das doch alles nur mit den Füßen tritt und das schon bei der erst besten Gelegenheit."

"Ich kann dich verstehen und mein Bruder ist manchmal ein Lump. Er hätte es dir sagen sollen, bevor er dich her schickt. Aber es war nicht meine Aufgabe dir das zu sagen, sondern Edwards. Ich war mir nicht sicher, ob er es nicht sogar getan hat. Aber sei mir nicht böse, ich kann ihm nicht so in den Rücken fallen."
Sie hatte ihrem Bruder einen Gefallen getan, sie konnte ihn nicht verraten.
"Egal, was passiert, Helene, bist du doch trotzdem die Frau an seiner Seite. Du und nicht Hanna, weil er dich geheiratet hat. Ich weiß nicht, warum mein Bruder sein Wort nicht halten kann. Ich dachte auch, es würde nun endlich laufen zwischen euch. Aber die Versuchung war letztendlich wohl doch zu groß. Er ist ein Filou und das war er immer. Er konnte selbst Julia nie wirklich treu bleiben. Es sieht ihm ähnlich, ein Chaos zu hinterlassen und dann zu verschwinden."

Helene

Helene machte eine abwehrende Geste. "Ich bin dir nicht böse, es ist ja nicht deine Schuld. Ich weiß, wie Edward sein kann, wenn er etwas möchte und er ist immerhin dein Bruder, wie hättest du ablehnen sollen?"
Helene schnaubte leise und schüttelte etwas verzweifelt den Kopf. "Die Frau an seiner Seite ... es gab eine Zeit, da redete ich mir ein, es wäre so, es könnte so sein. Aber wenn ich jetzt sie, wie bereitwillig und rücksichtslos er mich verletzt, bin ich mir da wirklich nicht mehr sicher. Ich weiß nicht, wo das hinführen soll, ob ich es ertragen kann, wenn er mich so hintergeht." Sie wusste, dass Edward nicht treu bleiben konnte und das erwartete sie auch nicht. Sie wusste, wie solche Dinge liefen und sie akzeptierte es, wenn er es nicht gerade vor ihrer Nase in aller Öffentlichkeit zu bunt trieb. Aber dass er ihr sein Wort gab und es dann so leicht wieder brach ... das verletzte sie wirklich.
"Ich kann ihm einfach nicht mehr trauen und das ist das wirklich Schlimme daran." wisperte sie traurig.

Isabella lächelte leicht. "Ich bin froh, dass du das so siehst. Ich möchte keinen Streit mit dir." Helene war ihre Freundin, aber Edward war ihr großer Bruder. Sie konnte ihn niemals hintergehen.
"Doch, das bist du. Er hat das nicht absichtlich getan. Dich nicht bereitwillig hintergangen. Du weißt doch wie er ist, er denkt sich dabei einfach nichts, Helene. Er macht sich über solche Dinge keine Gedanken. Er tut sie einfach und ist über den Scherbenhaufen überrascht. Wenn er zurück ist, wird sich sicher alles zum Guten wenden. Auch er wird wieder ein bisschen reifen und er wird dich vermissen."
Isabella seufzte leise und legte Helene die Hand auf den Unterarm.
"Ich weiß, er macht es dir nicht leicht. Aber du hast doch auch so viele schöne Zeiten mit ihm. Lass dir durch Hanna nicht alles kaputt machen."

Helene

Helene seufzte schwer. "Ich weiß wirklich nicht, ob es das besser macht, dass er sich nichts dabei gedacht hat. Wie wenig er Dinge ernst nimmt, die anderen am Herzen liegen ..."
Sie betrachtete Isabellas Hand auf ihrem Unterarm und zuckte leicht mit den Schultern. "Warten wir ab, wie es wird. Im Moment sitzt der Stachel einfach noch zu tief, aber vielleicht kann ich in ein paar Tagen schon eher darüber hinweg sehen." Oder der Ärger und die Verzweiflung setzten sich erst Recht in ihr fest. Helene war sich noch nicht sicher, ob es gut oder schlecht war, dass Edward so lange Zeit fort sein würde.

"Nun, immerhin hat er dich nicht mit Absicht so verletzt. Ich denke, das macht es nicht ganz so verwerflich. Hätte er es direkt vor deiner Nase getan, wäre es noch schlimmer gewesen, denke ich.", gab Isabella zu bedenken.
"Aber ja, er nimmt die Dinge nie ernst genug. Das hat er noch nie getan, schon als Kind nicht und er hat sich nicht geändert." Sie lächelte schief. "Ja, wir werden abwarten müssen. Aber die Zeit wird dich milder darüber denken lassen, da bin ich mir sicher. Erfreue dich an deinen Kindern und ärgere dich nicht so viel über Edward."

Philippa

Philippa saß am Fenster, genoss das hereinfallende Sonnenlicht und las den Brief noch einmal, den sie gerade unter der Tür hervorgefischt hatte. Die schöne Blume, die dabei gelegen hatte, lag in ihrem Schoß. Es war gut, dass sie ein wenig früher hergekommen war, Beatrice war noch nicht da und so war es auch Philippa selbst, die den Brief gefunden hatte und vor allem hatte sie so ein wenig Zeit ihn zu lesen. Es waren wundervolle Zeilen, so hoffnungslos romantisch, dass sie ihr das Herz wärmten und ihr die Röte in die Wangen steigen ließ. Wie gern sie doch nur gewusst hätte, wer diesen Brief verfasst hatte! Ihr Name stand in der Anrede, es gab also keinen Zweifel daran, dass er für sie bestimmt war, aber statt mit dem eigenen Namen zu unterschreiben, hatte der Verfasser nur mit 'ein Verehrer' unterschrieben.
Wie spannend! Dieses Geheimnis machte den Brief gleich noch viel aufregender. Sachte fuhr sie mit den Fingern über die Zeilen und malte sich aus, wie der Schreiber am Tisch gesessen hatte, die Gedanken nur bei ihr und die Zeilen hingebungsvoll niederschrieb.

Beatrice kam gerade aus der Kapelle zurück und genoss das schöne Frühlingswetter, als sie ihre Gemächer betrat. Philippa, eines der Mädchen, die man ihr vor einiger Zeit als Hofdame geschickt hatte, damit sie etwas lernte, saß bereits am Fenster und war in ein Stück Pergament versunken.
Beatrice lächelte und trat zu dem Mädchen, nachdem sie ihr Schultertuch abgelegt hatte. Sie war ganz froh im Moment in Bordeaux statt in London zu sein, hier fühlte sie sich deutlich mehr Zuhause.
Ein wenig neugierig betrachtete sie die eindeutig aus ihren Gärten stammende Blume und den Brief in ihrer Hand.
"Nun, was liest du da Schönes, Philippa? Wer schreibt dir solch schöne Zeilen, dass du so glücklich aussiehst?"

Philippa

Philippa war so in den Brief vertieft, dass sie die Ankunft ihrer Herrin gar nicht wahr nahm. Erst als diese zu ihr trat, schreckte die junge Frau aus ihrer Lektüre auf. "Oh, verzeiht, meine Königin, ich war so in Gedanken." entschuldigte sie sich eilig, glitt von der Fensterbank - nicht ohne die Blume in die Hand zu nehmen, damit sie nicht herunter fiel - und knickste vor Beatrice.
Ein wenig verlegen sah sie auf Brief und Blume in ihren Händen. "Ich ... weiß es leider nicht, Madame. Der Brief lag unter der Tür als ich herein kam, zusammen mit der Blume. Er ist an mich gerichtet, aber der Verfasser hat seinen Namen nicht dazu geschrieben." erklärte sie und hielt Beatrice den Brief dann mit einem scheuen Lächeln entgegen. "Hier, seht Ihr? Dabei wüsste ich zu gerne, wer solch wunderschönen Zeilen schreibt ..."

Beatrice lächelte sanft und machte eine wegwerfende Geste. "Schon gut, mein Kind. Ich bin auch leise herein gekommen. Ich wollte dich nicht erschrecken."
Sie mochte Philippa, die ein offenes, gutmütiges Wesen hatte und wenigstens nicht wie viele Andere auf den Kopf gefallen war.
Aufmerksam sah sie sich den Brief an und unterdrückte ein Grinsen. Sie kannte diese elegante Handschrift nur zu gut, sie hatte sie sich über Jahre entwickeln sehen und oft genug mit ihrem Verfasser selbst geübt. "Nun, ich denke, der Verfasser traut sich noch nicht sich zu offenbaren und will erst einmal sehen, wie du reagierst. Ob dir solche Zeilen zusagen. Aber früher oder später wirst du erfahren, wer dein geheimnisvoller Verehrer ist."
Es freute sie insgeheim sehr, dass ihr Sohn endlich wagte ein Mädchen zu umgarnen. Er hätte verdient einmal etwas Anderes als Abneigung und Mitleid zu erfahren. Jonathan war ein kluges Kerlchen, es auf diesem Wege zu versuchen.

Philippa

Philippa überließ der Königin den Brief und spielte ein wenig gedankenverloren mit der Blume in ihrer Hand, während Beatrice die Zeilen überflogt. "Meint Ihr? Aber wie könnte sich jemand, der solch schöne Zeilen schreiben kann, nicht trauen sich zu offenbaren?" fragte sie, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch den Namen ihres Verehrers zu kennen und der Aufregung, die dieses Geheimnis mit sich brachte.
"Nur woher will er wissen, wie ich seine Zeilen aufgenommen habe? Ich würde es ihn ja nur zu gerne wissen lassen, doch wie?" Philippa nahm den Brief wieder entgegen, bedachte ihn mit einem zärtlichen Blick und lächelte leicht. "Ich hoffe, er lässt sich nicht zu viel Zeit damit, sich zu erkennen zu geben. Ich würde ihm so gerne danken für diesen Brief."

"Oh, da gibt es viele Gründe, Mädchen. Entweder er ist ausgesprochen schüchtern oder er hat schon ein paar schlechte Erfahrungen gemacht und möchte erst einmal aus der Ferne beobachten, wie es diesmal läuft. Oder vielleicht auch Beides. Lass deinem Verehrer ein bisschen Zeit, er wird bald ebenso ungeduldig werden wie du."
Beatrice überlegte einen Moment. "Schreib ihm einen Brief und gib ihn mir. Das hier ist eine große Burg und niemand tut etwas unbeobachtet. Ich finde jemanden, der deinen Verehrer kennt und ihm den Brief übermittelt."
Dass sie selbst die Übermittlerin sein würde, musste Philippa ja nicht wissen, sonst würde sie Jonathan nur verraten und dessen Geheimnis wäre aufgeflogen. Sie würde mit ihrem Sohn sprechen müssen.
"Ich bin sicher, du wirst dich bald auch persönlich bedanken können."

Philippa

Philippa sah betroffen drein. Die Idee, dass ihr Schreiber schlechte Erfahrungen gemacht haben könnte, betrübte sie und ein seltsames Bedürfnis danach ihn in die Arme zu schließen überkam sie. Niemand hatte es verdient solche Erfahrungen machen zu müssen, dass man befangen war sich zu offenbaren.
Bei Beatrices Vorschlag begannen jedoch ihre Augen zu leuchten. "Das ist eine hervorragende Idee. Ich danke Euch, Majestät! Ihr seid wirklich gut zu mir." Es war keineswegs selbstverständlich, dass sich Beatrice für so etwas bereit erklärte. "Ich werde mich gleich an eine Antwort machen." erklärte Philippa. Und so wie ihr Verehrer ihr eine Blume zu dem Brief gelegt hatte, würde sie ihm auch etwas mit schicken ... vielleicht eine kleine Haarlocke? Irgendetwas würde ihr schon einfallen.
Sie lächelte sanft. "Das würde ich wirklich gerne tun. Dieser Brief hat mir immerhin den Tag versüßt, allein dafür bin ich schon dankbar." Und wer wusste schon, was noch aus dieser Sache wurde.

Beatrice lächelte über Philippas Freude. Ja, mit dem Mädchen lag Jonathan vielleicht gar nicht so falsch. Wenn sie noch darüber hinweg sehen konnte, dass er eine kleine Beeinträchtigung hatte, würde sie noch mehr in ihrer Achtung steigen.
"Ich tue es gern für mich, es kostet mich keinen Aufwand und ich freue mich dich so glücklich zu sehen." Die erste Liebe war immer etwas Besonderes. Sie lächelte leicht. Immer noch war es etwas seltsam, dass man sie mit Majestät ansprach und doch musste sie sich damit arrangieren.
"Tu das, dann kümmere ich mich darum, dass der Brief sein Ziel erreicht. Er wird sich bald offenbaren und dann wirst du ihm danken können."

Philippa

Philippa lächelte selig. "Das ist wirklich zu gütig von Euch, Majestät." Im Kopf legte sie sich ihre Antwort schon zurecht. Wir aufregend das doch war!
"Wenn Ihr mich entbehren könnt, würde ich den Brief sofort schreiben." Sie roch ein wenig verträumt an der Blume und seufzte leise. Wie romantisch ... Philippa knickste noch einmal und verschwand um Pergament und Tinte zu holen und sich eine Haarlocke abzuschneiden.

Beatrice hatte sich unauffällig auf die Suche nach ihrem Sohn begeben und fand ihn schließlich in seinem Zimmer, wo er verträumt aus dem Fenster schaute hinaus in den Garten.
Sie lächelte und wedelte mit einem Briefchen vor seiner Nase herum, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, hatte er doch nicht einmal bemerkt, dass sie das Zimmer betreten hatte.
"Von wem mag ich wohl eine Nachricht für dich haben, hm?" Sie lachte leise und zog den Brief weg, als er danach greifen wollte.
"Du bekommst ihn, wenn du mir alles erzählst. Ich wusste gar nicht, dass solch ein Dichter in dir steckt, mein Sohn."

Jonathan

Jonathan hatte sein Vorhaben in die Tat umgesetzt, eine Blume gepflückt und sie zusammen mit seinem Brief in Position gebracht. Seit dem saß er in seinem Gemach am Fenster, sah hinaus und hing seinen Gedanken nach. Ab und an überfiel ihn die Sorge, dass Philippa nichts auf seinen Brief geben würde, doch die meiste Zeit träumte er davon, wie sie den Brief fand, verzückt war von seinen Zeilen und ihn erhören würde. Es waren so süße Tagträume, dass er regelrecht zusammen fuhr als plötzlich ein Brief vor seinen Augen auftauchte.
Sein Kopf fuhr herum und er sah sich seiner Mutter gegenüber. Er hatte nicht einmal gehört, dass sie gekommen war ... "Eine Nachricht? Für mich?" fragte er irritiert und wollte nach dem Brief greifen, doch vergeblich. Die nächsten Worte seiner Mutter brachten ihn dann auf die richtige Spur. "Philippa ..." murmelte er leise, dann riss er die Augen auf. "Du weißt davon?" fragte er entgeistert und spürte die Scham in sich aufsteigen. Jonathan biss sich auf die Unterlippe und sah rasch aus dem Fenster. Wie peinlich!
Doch letztlich gab er sich rasch einen Ruck und sah seine Mutter flehend an. "Was hat sie gesagt? Hat sie mit dir über den Brief gesprochen? Du hast ihn gelesen?" Er rieb sich mit der Hand über den Oberschenkel. "Naja, ich hab mir ein bisschen Hilfe geholt ... Harry hat mir ein paar Ratschläge gegeben." gestand Jonathan verlegen.

"Ja, Philippa. Ich habe sie gefunden, als sie gerade diesen Brief las und rätselte, wer ihn wohl geschrieben haben könnte. Darum weiß ich davon und ich habe ihn flüchtig gelesen, aber nicht Wort für Wort, also keine Sorge.", beschwichtigte Beatrice ihren Sohn.
"Was soll ich sagen...Sie war vollauf begeistert und schwärmte von ihrem heimlichen Verehrer, machte sich Gedanken, wie sie wohl antworten sollte. Aber ich habe ihr gesagt, ich würde mich darum kümmern. Sie weiß nicht, dass dieser Brief von dir kommt, allerdings werde ich wohl die Handschrift meines eigenen Sohnes erkennen. Klug von dir, Harry um Rat zu bitten. Du hast sicher selbst ein wenig Talent für solche Dinge, dein Vater hat auch viel Sinn für die Künste, darum fördert er Harry auch so. Und ich denke, wenn wir uns nicht täuschen, ist Philippa deine Mühen allemal wert. Sie ist kein dummes, einfältiges Ding. Sie möchte sich unbedingt bald persönlich bei dir bedanken."

Jonathan

"Wirklich?" Seine Frage war kaum mehr als ein atemloses Hauchen. "Ihr hat es gefallen?" Sollten seine Träume wirklich wahr werden? Hatte sie seinen Brief gelesen und er hatte ihr gefallen? Das wäre wundervoll!
Jonathan nickte kurz. "Ich dachte, es wäre nur gerecht, wenn ich mir in dieser Sache ein klein wenig Hilfe hole, wenn ich sonst schon immer im Nachteil bin und Harry hatte ein paar gute Vorschläge, wenn ich nicht mehr weiter wusste." Jonathan rutschte bis zur Kante des Fensterbrettes vor. "Gib mir den Brief, bitte Mutter." bettelte er dann förmlich und war dem Pergament in ihrer Hand einen sehnsüchtigen Blick zu. Er wollte zu gerne wissen, was Philippa geantwortet hatte.

"Natürlich hat es ihr gefallen, warum sollte es auch nicht? Du bist schließlich ncht auf den Kopf gefallen, kannst dich gut ausdrücken und jede Frau will ein bisschen umgarnt werden. Also bitte hab ein bisschen mehr Vertrauen in dich selbst."
Beatrice lächelte und legte ihrem Sohn kurz die Hand auf die Schulter. "Sicher ist es gerecht, niemand kann dir eien Vorwurf daraus machen. Du hast es eben ein wenig schwerer als Andere." Sie musste grinsen, zeigte dann aber Gnade und gab ihm den versiegelten Brief.
"Hier, du Herzensbrecher. Du wirst ihn vermutlich ohnehin mehrfach lesen, aber lass dir ruhig Zeit. Und überleg dir, wann du dich offenbaren möchtest."

Jonathan

Jonathan grinste schief. "Ich gebe mir Mühe damit, versprochen." Nur manchmal war es nicht so leicht in sich selbst zu vertrauen, wenn man von anderen immer wieder kritisiert und sogar gehänselt wurde.
Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen nahm Jonathan den Brief entgegen und brach das Siegel. Als er das Pergament auseinanderfaltete, fiel ihm eine kleine Haarlocke, umwickelt mit einem Stück Seidenband, in den Schoß. Er hob es auf, betrachtete es versonnen und hauchte dann einen Kuss darauf. Eins stand fest, dieses kleine Geschenk würde er gut in Ehren halten.
Er schenkte seiner Mutter ein Lächeln. "Vielen Dank für deine Hilfe, Mutter." erklärte Jonathan und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er begann neugierig den Brief zu lesen.

"Nun, wenigstens das wilst du tun." Und Beatrice gab die Hoffnung nicht auf, dass Jonathan eines Tages wirkliches Selbstbewusstsein entwickelte, spätestens nach seinem Studium. Dort würde er auf sich allein gestellt unter Gleichaltrigen sein, er würde ein wenig um Anerkennung kämpfen müssen, aber er würde selbst Verantwortung übernehmen.
Schmunzelnd beobachtete sie, wie er das Siegel brach und die Haarlocke küsste. "Herrje, ich vergesse immer, wie romantisch junge Liebe sein kann." Es erschien ihr immer schwerer vorstellbar, dass Richard und sie sich auch einmal so benommen hatten.
Fröhlich ließ sie sich auf die Wange küssen und lächelte. "Nur zu gern, mein Sohn."