William und Joanna - ab 1191 bis 1192

John hatte geahnt, dass sich die Dinge nun ändern würden. Der Earl würde ihn sofort erkennen und er würde ihn auf gar keinen Fall einfach gehen lassen.
Bevor er irgendetwas tun konnte, hatte William ihn am Kragen gepackt und ihm die Faust ins Gesicht geschlagen. John stöhnte leise und wischte sich kurz das Blut aus dem Gesicht, das aus seiner Nase kam.
Nur einen Augenblick später zog er den Dolch aus seinem Gürtel, um den Earl auf Distanz zu halten. Er ging nie unbewaffnet irgendwo hin...er wusste wieso.
"Ich...Aber ich werde jetzt einfach verschwinden und niemand wird unglücklich gemacht. Tut einfach weiter, was Ihr getan habt und lasst mich in Frieden."
Warum hatte das nur schief gehen müssen? Er war so kurz davor gewesen!

William ließ von John ab als dieser den Dolch zog, wich jedoch nicht zurück und taxierte John mit leicht verengten Augen. "Oh ganz sicher nicht!" knurrte William und zog sein Schwert. Es war Gewohnheit, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, das Schwert auf jeder Reise an der Seite zu tragen und davon konnte er auch jetzt nicht lassen. "Na los, lass dir ein Schwert geben und wir klären die Sache hier und jetzt." forderte William und gab einem seiner Männer mit einem Kopfnicken ein Zeichen, er solle John ein Schwert geben. "Meine Befehle waren mehr als eindeutig. Und dass du es trotz allem wagst dich hier blicken zu lassen, nach all dem Schaden den du angerichtet hast ... aber dafür wirst du jetzt endlich bezahlen, John." Das hier war der Tag auf den William insgeheim schon so lange gewartet hatte. Er hatte immer wieder gehofft, John möge ihm nur einen einzigen guten Grund geben. Und jetzt hatte er ihn endlich.

John wich seinerseits einen Schritt zurück, als William das Schwert zog. Er legte keinerlei Wert auf eine solche Auseinandersetzung, bei der er vermutlich den Kürzeren ziehen würde. Er war einfach kein großer Kämpfer. Bevor er allerdings ohne Waffe einem Angriff ausgesetzt war, nahm er lieber das Schwert entgegen.
"Ich wollte mich gar nicht blicken lassen. Und das hier würde ich mir auch überlegen. Deine Enkelin wird darüber sehr unglücklich sein.", erwiderte er.
"Allein ihretwegen bin ich hier. Du glaubst doch nicht, irgendetwas würde mich sonst hierher ziehen? Du solltest nicht deine Wut an mir auslassen, weil du mit der Vergangenheit nicht abschließen kannst. Lassmich einfach gehen und niemandem passiert etwas."
Joanna trat vorsichtig näher. "William...sei vorsichtig.", mahnte sie besorgt. Ihr Mann war nicht mehr der Jüngste und sie wollte nicht, dass ihm etwas passierte.

William schnaubte verächtlich. "Ich denke, sie wird viel eher unglücklich werden, wenn du sie weiterhin mit deinen Besuchen beehrst. Du bringst doch nichts anderes als Unheil." erwiderte William scharf und wartete bis John das Schwert in der Hand hielt.
"Du kleine Kröte. Dass du dich überhaupt traust diese Dinge anzusprechen nach allem was du getan hast." grollte William und seine Hand schloss sich noch fester um das Heft des Schwertes. "Es ist schon lange fällig, dass du endlich den Preis für deine Schandtaten zahlst, John. Und ich danke Gott dafür, dass er dafür gesorgt hat, dass du mir direkt vor die Füße läufst, auf meinem Grund und Boden und ich damit endlich einen Grund habe dich zu fordern."
Williams Blick huschte nur kurz zu Joanna. "Mach dir keine Sorgen." erwiderte er leise und fixierte John sofort wieder. "Also was ist? Stellst du dich endlich oder kneifst du wieder einmal?"

"Das frag sie doch selbst. Ich denke, sie wird diese Ansicht nicht bestätigen. Es liegt nicht in meiner Absicht Unheil zu bringen." Auch wenn es ihm offenbar anhaftete. John hob die Augenbraue.
"Und du willst mein Richter sein? Wer bist du, dass du dir das anmaßt? Was soll das hier für ein Grund sein mich zu fordern? Du bist ein alter Mann. Genieß doch deinen Ruhestand und lass mich zufrieden."
John verengte die Augen und hob selbst das Schwert.
"Was soll ich kneifen? Du würdest mich ja doch nicht gehen lassen." Er trat einen Schritt auf William zu, als plötzlich eine bekannte Stimme erklang und eine zierliche Person sich zwischen die Streithähne schob.
"Hört auf damit, bitte!"
John stöhnte leise auf. "Diana, verschwinde hier!" Er wollte wirklich nicht, dass seiner schwangeren Liebsten etwas geschah.

"Und doch tust du es, wo immer du gehst und stehst. Unglücksbringer." brummte William. Er knirschte wütend mit den Zähnen. "Mach nur so weiter, wenn du mir mehr und mehr einen Grund geben willst dir deinen widerlichen Kopf vom Rumpf zu trennen. Du willst keinen Unfrieden bringen und doch schaffst du das mit jedem vergifteten Wort das du weiter sprichst."
William ging in Position als John einen Schritt auf ihn zu machte, da hörte auch er die Stimme seiner Enkelin. "Diana!" Er wandte den Kopf und bedachte sie mit einem ungewöhnlich scharfen Blick. "Bleib weg, Kind. Das hier ist eine Sache zwischen diesem Schuft und mir. Er wusste genau, welches Risiko er eingeht wenn er her kommt also soll er jetzt auch seinen Mann stehen." John war hergekommen obwohl er wusste, was William tun würde, wenn sie sich begegneten als hatte er dieses Los nun auch verdient.

John hob die Schultern. "So nennt man mich dann und wann. Aber ausgesucht habe ich es mir nicht. Das Schicksal bestimmt eben für jeden einen anderen Pfad. Für mich war der strahlende Ritter nichts." John grinste matt.
"Darauf kommt es doch auch nicht mehr an. Du wolltest mich vorher schon umbringen. Auf ein paar Beleidigungen kommt es da doch nicht mehr an."
John schaute Diana beunruhigt an. "Verschwinde, Diana. Du machst es nicht besser. Wir wussten, dass das passieren kann."
Allerdings ahnte er schon, dass Diana sich dem nicht fügen würde. Im Gegenteil, sie drängte sich zwischen sie Beide.
"Hört auf damit! Großvater, er ist doch nur hier, weil ich es so wollte. Du kannst das nicht tun! Ich liebe ihn!"

William gab ein verächtliches Lachen von sich. "Tu doch nicht so. Jeder Mensch kann entscheiden, was er mit der Zeit anfängt, die er auf Erden hat und du wählst immer wieder Verrat, Lug und Trug. Niemand hat dich dazu gezwungen deinen eigenen Vater auf schändlichste Weise zu verraten! Den Mann, der an dich geglaubt hat und der dafür gekämpft hat, dass du eines Tages seine Krone tragen kannst. Und statt ihm zur Seite zu stehen und dir dieses Recht zu verdienen, hast du dich in dem Moment von ihm abgewandt in dem er dich am meisten gebraucht hat!" hielt William John bitter vor.
William sah seine Enkelin mit verärgertem aber zugleich traurigen Blick an. "Diana, geh. Ich habe das Recht ihn hier zu fordern und er soll einen fairen Kampf bekommen, das ist schon mehr als er eigentlich verdient hat. Ich werde nicht zulassen, dass er hier ein und aus spaziert und dich auch noch ins Verderben reißt, so wie er es mit allen Menschen tut, die mit ihm zu tun haben." William trat etwas zur Seite, um Diana umrunden zu können. "Na los doch. Zeig einmal in deinem Leben, dass du kein Feigling und völliger Versager bist." knurrte William mit erhobenem Schwert.

"Niemand hat mich dazu gezwungen, aber was hätte ich tun sollen? Untergehen, auf dass mich der nächste Anhänger meines Bruders in der nächsten Ecke ermordet? So einfach sind diese Dinge nicht. Ich hätte doch nie einen Sieg erringen können." John schüttelte den Kopf. "Aber es hat ja auch keinen Sinn, du verstehst mich ohnehin nicht. Du warst immer auf der Seite meiner Mutter. Eine Chance hatte ich nie. Du hast mich immer schon verabscheut, schon als Kind."
John wich nicht zurück, diese Blöße konnte er sich einfach nicht geben. Nicht vor Diana und all diesen Menschen.
Diana schien sich dem aber nicht anschließen zu wollen. Sie folgte der Bewegung ihres Großvaters und stellte sich vor John.
"Nein! Das lasse ich nicht zu. Ihr werdet euch nicht die Köpfe einschlagen! Er liebt mich, Großvater. Und wenn er endlich einmal etwas Gutes in sich hat in dieser Welt, zerstör es nicht! Er liebt mich und das Kind!"
John legte Diana kurz die Hand auf den Arm.
"Diana, lass es gut sein."

"Ja! Genau das hättest du tun sollen. Wer weiß, vielleicht hätten wir gegen Richard bestanden, wenn du deinem Vater nicht den Dolch in den Rücken gerammt hättest. Du hast ihn so schändlich im Stich gelassen. Du hättest an seiner Seite bleiben müssen bis zum Ende, auch wenn es womöglich auch das deine gewesen wäre, denn es war deine Sache für die Henry gekämpft hat, du verfluchter Teufel!" donnerte William zornig. "Da hast du Recht, ich verstehe nicht wie man sich so ehrlos und niederträchtig verhalten kann. Und das will ich auch gar nicht."
William atmete geräuschvoll aus als Diana sich erneut vor John stellte. "Mach doch die Augen auf, Kind. Selbst wenn er sich jetzt zu ein paar Gefühlen für dich durchringen kann, das was er empfindet, ist nie von Dauer. Er wird dich und das Kind in den Abgrund stürzen, wenn du an ihm festhältst." erwiderte William und sah zu Robert hinüber. "Großer Gott, bring endlich deine Tochter hier weg." knurrte er ungehalten und sah genau in dem Moment zu Diana und John zurück als dieser die Hand auf Dianas Arm legte.
"Und du nimm verdammt nochmal deine Finger von meiner Enkelin!" fuhr William John an, machte einen Schritt vor und wurde einzig und allein von Dianas Anwesenheit noch davon abgehalten nicht direkt auf John loszugehen.

John zog es vor sich nicht weiter in diese Diskussion hinein ziehen zu lassen. Er seufzte leise. "Es ist doch völlig egal, was ich hätte tun müssen. Diese Sache ist vorbei. Aber es ist gelogen, dass du mir unterstellst, ich würde sie nicht wirklich lieben. Ich habe noch nie jemanden geliebt wie sie."
Diana sah ihrem Großvater unbeeindruckt in die Augen.
"Ich habe selten so klar gesehen! Ich habe dich immer noch verteidigt, wenn er mir erzählen wollte, dass du ihn als Kind schon gehasst hast. Und jetzt bestätigst du das auch noch. Er liebt mich, sonst hätte er sich dieser Gefahr hier doch gar nicht aussetzen müssen. Ich glaube, ich könnte nichts Besseres tun als an ihm festhalten!"
Robert versuchte seine Tochter aus der Gefahrenzone zu ziehen, aber Diana wehrte sich mit Händen und Füßen.
John hob das Schwert ein wenig. "Ich nehme meine Finger dann weg, wenn sie es mir sagt."

"Ich habe ihn nicht schon als Kind gehasst." entgegnete William trocken. "Er hat früh gezeigt, was für ein verschlagener Charakter er ist. Habe angefangen zu hassen, habe ich ihn erst als er seinen Vater verraten hat." stellte William eisern klar.
William bebte beinahe vor Zorn und bedachte John mit missfälligem Blick. "Lass sie los und stell dich endlich. Oder ich lasse dich von meinen Männern in Ketten legen, mir ist es gleich. Aber vielleicht benimmst du dich ja einmal wie ein Mann und triffst die richtige Entscheidung." erklärte er dann kalt. Solange Diana sich einmischte, konnte William unmöglich das Schwert gegen John führen, aber er konnte ihn auch nicht einfach gehen lassen.

Robert hatte seine widerspenstige Tochter inzwischen zur Seite gezogen und John hatte Diana losgelassen. Es hatte ja ohnehin keinen Sinn. Wenigstens einmal im Leben wollte er kein Feigling sein und seinen Mann stehen. Wenigstens hier vor Diana, für seine kleine Familie. Vermutlich würde er sterben. Aber dann war er wenigstens nicht wieder der Schandfleck.
Er hob das Schwert, trat auf Wlliam zu und führte den ersten Schlag. Mit dem kampferprobten Earl würde er vermutlich nicht mithalten können.
Er war kein kampferprobter Ritter. Aber er würde sich bemühen....
"Na dann los, alter Mann..."

William spürte grimmige Genugtuung als John endlich von Diana abließ und sich zum Kampf stellte. Endlich. Endlich würde er diesen kleinen miesen Teufel zahlen lassen, so lange hatte William darauf gewartet, dass er beinahe ein Lächeln unterdrücken musste als John das Schwert hob.
Die Klingen trafen das erste Mal klirrend aufeinander und Williams Augen funkelten zornig. "Du wirst dich noch umgucken, das verspreche ich dir. Dich würde ich auch in zehn Jahren noch problemlos besiegen." knurrte William und führte den nächsten schnellen Streich gegen John. Es war ein beinahe berauschendes Gefühl und er hatte für einen Moment den Gedanken, dass das hier der eigentliche Grund war, wieso er die letzten Jahre seit Henrys Tod weiter so unermüdlich mit dem Schwert trainiert hatte. Auch wenn es manchmal mühselig wurde und er öfter schon feststellen musste, dass die so natürliche Geschmeidigkeit seiner Jugend verschwunden war und er sie sich durch konsequentes Training erhalten musste. Das war es wert gewesen.

John spürte sofort, dass William immer noch verdammt schnell war und es nur darauf anlegte ihn in die Enge zu treiben. William wollte ihn töten, das stand außer Frage.
Der Schlagabtausch wurde immer schneller und langsam kam John wirklich im Not. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Diana sich losriss und zu ihnen hinüber rannte. Er machte einen Satz zurück, damit er sie nicht gefährdete.
Doch soweit sollte es gar nicht kommen. Kurz bevor Diana sie erreichte, griff sie sich an den Bauch und ging mit einem Aufschrei in die Knie. John vergaß augenblicklich die drohende Gefahr. Er ließ das Schwert fallen und stürzte zu Diana, um neben ihr auf dem Boden in die Knie zu gehen.
"Diana! Was ist mit dir? Ist es das Kind?" Und mit einem Mal hatte er Angst.

Diana

William spürte, dass er John hart zusetzte und das trieb ihn nur noch mehr an. Schlag auf Schlag folgte bis John mit einem Mal zurück wich. William folgte instinktiv Johns Blick zur Seite und sah Diana, die sich von Robert losgerissen hatte.
Diana hatte gegen ihren Vater angekämpft so gut sie es konnte und schließlich hatte sie Erfolg gehabt. Sie stürzte los, wollte John und ihren Großvater erreichen, um das drohende Unheil abzuwenden, doch als sie noch wenige Schritte von den beiden entfernt war, schoss ein stechender Schmerz durch ihren Körper und zwang sie in die Knie.
Die Hände auf den Bauch gepresst, hob sie leicht den Kopf als John zu ihr kam. "John ..." wisperte sie mit gepresster Stimme, der Schmerz schien nicht nachlassen zu wollen. "Ich ... ich weiß nicht. Ich glaube schon." Sie keuchte auf als der Schmerz mit neuer Heftigkeit über sie herein brach.
William hielt sein Schwert noch immer in der Hand, hatte es aber sinken lassen und starrte für einen Moment sprachlos auf seine Enkelin am Boden und John, der zu ihr geeilt war. Dann riss er sich aus seiner Trance. "Na los, bewegt Euch. Schafft John und die Hebamme her." bellte er eilig Befehle und steckte mit zitternden Fingern das Schwert in die Scheide. Dann trat er zu den beiden und ging neben Diana in die Hocke. "Komm, Kleines, du musst hinein ins Warme." forderte er sie sanft auf, bemüht, John nicht anzusehen.

John hatte noch nie um jemand Anderen solche Angst gehabt und allein das zeigte ihm, wie viel Diana ihm bedeutete. Sie hatte sein Leben vollständig auf den Kopf gestellt. Vor allem aber ihn selbst...
"Es wird alles gut, du wirst sehen!", redete er beruhigend auf sie ein und strich eine Strähne hinter ihr Ohr. Er war froh, dass der Earl reagierte und nach einer Hebamme schickte. Und er war überrascht, denn plötzlich war all die lodernde Wut aus der Körpersprache des Earl verschwunden und er war so sanft zu seiner Enkelin.
Es war wieder einer der Momente, in denen er sich auch so eine Familie wünschte. Eine Familie, auf die man sich in jeder Situation verlassen konnte. Er kannte das einfach nicht.
Er warf dem Earl einen flüchtigen Blick zu, dann legte er Diana den Arm um die Taille und half ihr wieder auf die Beine. Sie mussten sie unbedingt hinein bringen und er hoffte einfach nur, dass man nicht so grausam war und ihn davon ausschloss. Es konnte immerhin sein, dass sein erstes Kind zur Welt kam.

Diana

Diana schenkte John ein schwaches Lächeln. "Hoffen wir es." murmelte sie ein wenig matt, war aber erleichtert, dass ihr Großvater wenigstens für diesen Moment seinen Hass auf John beiseite schob und ihr beistand.
Mühsam kam Diana mit Johns Hilfe auf die Beine und lehnte sich leicht an ihn, mit einem Mal zu schwach um alleine auch nur einen Schritt zu machen. Ihr Großvater wollte zu ihr treten, um ihr ebenfalls zu helfen, doch da war plötzlich ihre Mutter schon an ihrer Seite.
Josephine warf ihrem Schwiegervater einen kurzen Blick zu. "Ich kümmere mich um sie." versicherte sie und stützte Diana nun auch von der anderen Seite. Sie wollte bei ihrer Tochter sein, wenn das Kind nun kommen würde.
William nickte knapp und beobachtete wie die drei langsam ihren Weg hinein in die Burg antraten. Für einen Moment fühlte er sich wie gelähmt, dann wandte er mühsam den Kopf und sah seinen Sohn an. "Wie kann es sein, dass er hier herein gekommen ist?" fragte William mit belegter Stimme.

John stützte mit Josephine zusammen Diana und einen Schritt nach dem Anderen brachten sie sie in die Burg. Wenigstens für einen Moment war der Hader zwischen ihm und ihrer Familie vergessen. Das war auch nur gut so.
Robert sah sich indes seinem Vater gegenüber, dem er Rede und Antwort stehen musste. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde. Er hatte genau gewusst, warum er Josies Tun nicht für gut befunden hatte. Das hatte ja Ärger geben müssen!
"Ich weiß nicht, wie er das erste Mal rein gekommen ist. Die Wachen scheinen unaufmerksam gewesen zu sein. Jedenfalls...lief er Josie in die Arme. Sie war erst wirklich sauer, aber er hat sie dazu gebracht ihn zu Diana zu bringen. Und seitdem...hilft sie ihm hinein und hinaus, weil sie sich absolut sicher ist, dass die Beiden sich aufrichtig lieben. Ich wusste das wochenlang gar nicht. Erst vor ein paar Wochen bin ich ihr auf die Schliche gekommen....", erklärte er unglücklich.

William starrte seinen Sohn ungläubig an, für einen Moment unfähig auch nur ein Wort heraus zu bringen. Dann atmete er tief durch. "Dass deine Frau so unvernünftig ist, mag eine Sache sein, aber du hast es vor Wochen heraus gefunden und was getan? Nichts? Hast du einfach weg geschaut, wenn sie unter deiner Nase John hinein und heraus geschleust hat? Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Und hast du Diana nicht auch hier hergebracht, damit sie John entkommt? Und jetzt lässt du zu, dass sie ihn ständig wieder sieht? Was ist denn eigentlich in dich gefahren?" William war nicht einmal laut geworden, aber die Anspannung war klar aus seiner Stimme heraus zu hören.
Die Aufregung wegen John, dieser kurze Moment in dem er geglaubt hatte jetzt endlich Genugtuung bekommen zu können, dieser kleine Rausch und dann die plötzliche Angst um seine Enkelin ... mit einem Mal fühlte William sich wie erschlagen. Er seufzte leise. "Lass uns hinein gehen." beschied er matt. "Ich will von dir Rede und Antwort haben, aber nicht hier draußen."

Robert schüttelte leicht den Kopf. "Du weißt doch wie das mit den Frauen ist. Josie hat mich...überredet, dass es ja niemandem schadet. Ich habe wirklich versucht es ihr auszureden, aber du kennst sie ja. Dianas Wohlergehen war ihr wichtiger und sie war der festen Überzeugung, dass John ihr gut tut.", gab er ein wenig zerknirscht zu.
"Das habe ich, aber leider scheint John doch nicht nur an einer flüchtigen Affäre interessiert zu sein, wie ich dachte." Er konnte sich ja selber nicht erklären, wie Josephine ihn dazu gebracht hatte.
Robert nickte und folgte seinem Vater nach drinnen. "Ich hoffe nur, dass alles gut geht. Das Kind ist zu früh, es hätte noch eine Weile Zeit gehabt."

Diana

Diana wusste nicht genau wie sie den Weg bis zu ihrem Gemach geschafft hatte, aber John und ihre Mutter hatten ihr geholfen und immer wieder ermutigend auf sie eingeredet und endlich sank sie erschöpft auf ihr Bett nieder. Ohne Widerstand ließ sie zu, dass ihre Mutter ihr das Kleid auszog, Diana selbst hatte viel zu sehr mit den immer wieder aufwallenden Schmerzen zu tun.
Schließlich lag sie schwer atmend im Bett, hielt Johns Hand umklammert und sah zu ihrer Mutter auf. "Es ist noch viel zu früh." murmelte sie. "Kann das Kind überhaupt ..." Eine Wehe schnitt ihr das Wort ab, aber sie hätte es wohl ohnehin nicht aussprechen können. Es graute ihr viel zu sehr vor dieser Möglichkeit. Sie wünschte sich dieses Kind doch so sehr.

Josephine machte sich in der Tat Sorgen um ihre Tochter. All die Aufregung hatte dieser gar nicht gut getan und vorzeitige Wehen ausgelöst. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass alles gut ging.
Sie befreite Diana von ihrem Kleid und strich ihr beruhigend über den Rücken. "Es wird schon gut gehen. Du hast acht Monate hinter dir, Schatz. Das Kind wird etwas klein sein, aber ich denke, wir sollten uns nicht zu große Sorgen machen."
John hielt ihre Hand fest und war mehr als dankbar, als die Hebamme und auch der Arzt schließlich kamen. Die Beiden bedachten ihn mit einem skeptischen Blick, ließen sich aber weiter nicht anmerken, was sie davon hielten.
"Es wird alles gut, Liebste, du wirst sehen. Du musst stark sein."

Diana

Mit bangem Blick sah Diana ihre Mutter an und nickte kläglich. Sie konnte nur hoffen, dass diese wirklich Recht behielt und alles gut gehen würde. Egal wie sehr dieses Kind ihr Leben durcheinander gebracht hatte, Diana hatte es bereits lieben gelernt.
Aber sie war froh, dass sie wenigstens ihre Mutter und auch John an ihrer Seite hatte. Als die Hebamme mit John zusammen eintraf, hatte Diana aber auch schon gar keine Zeit mehr sich Gedanken zu machen. Und Kraft sowieso schon nicht mehr, denn alles was sie an Energie aufbringen konnte, brauchte sie für die Geburt ihres Kindes.
Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit und manchmal hatte sie das Gefühl es würde einfach nicht mehr weiter gehen, doch schließlich war es geschafft, die Hebamme hob ein kleines, verschmiertes Kindchen hoch, John trennte die Nabelschnur und die Frau trat an den Tisch wo eine Schale mit warmem Wasser bereit stand.
"Und?" wisperte Diana müde. "Wie ... ist es ... am Leben?"

Es war für John die schlimmste Erfahrung seines Lebens Diana so leiden zu sehen. Es war keine leichte Geburt, das Kind schien nicht gut zu liegen. Es dauerte so furchtbar lange, es war für ihn wirklich eine Qual. Aber er würde sie auf keinen Fall allein lassen.
Schließlich war es endlich geschafft, aber entspannen konnten sie sich noch nicht. Dianas Frage war wirklich berechtigt.
Die Hebamme säuberte Nase und Mund des Kindes und gab ihm dann einen beherzten Klaps, damit es anfing zu schreien und seine Lungen sich mit Luft füllten. Es funktionierte und zumindest ein deutliches Wimmern war zu hören.
Sie wickelte das Kind in ein Tuch und brachte es zu Diana. Sie legte das Kind auf die Brust der frischgebackenen Mutter. Gerade ein so winziges Kind brauchte Wärme und die Nähe seiner Mutter.
"Ist es. Klein und wird uns vermutlich noch ein paar Sorgen machen, aber ich denke, wir bekommen ihn schon durch. Zäher kleiner Bursche."
Johns Herz schlug ihm bis in die Kehle. Ein Sohn....er hatte einen Sohn.