William und Joanna - 1192

Robert hatte sich heute Zeit genommen einmal wieder die Zucht zu begutachten, wozu er im Moment eher selten kam. Die inzwischen hochtragenden Stuten wirkten alle gesund und zufrieden, das ließ auf einen weiteren hervorragenden Jahrgang hoffen. Als er schließlich am Reitplatz vorbei kam, hielt er überrascht inne.
Er hatte gewusst, dass sein Sohn inzwischen ungewöhnlich viel Zeit im Gestüt verbrachte, sich aber nicht viel dabei gedacht. Doch ihn nun mit dem jungen Wallach zu sehen, dem er offenbar beigebracht hatte, sich zum Absteigen hinzulegen, verblüffte ihn.
Mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis trat er näher. "Was treibst du da, Rob? Was hast du denn mit Hermes angestellt? Eine merkwürdige Art und Weise abzusteigen.", stellte er belustigt fest. Der gutmütige Apfelschimmel stand noch ganz am Anfang seiner Ausbildung und war irgendwann als Reitpferd für eine adelige Dame gedacht gewesen. Was Rob mit ihm zu schaffen hatte, wunderte ihn wirklich.

Bereitwillig ließ sich der Wallach zu Boden sinken, so dass Rob bequem absteigen konnte. Er streichelte sachte die Stirn des Tieres und holte dann einen kleinen Apfel aus seiner Tasche hervor, der nur einen Augenblick später zwischen Hermes' weichen Lippen verschwand. Nachdem der Wallach seine Belohnung zufrieden verspiesen hatte, gab Rob ihm das Zeichen um wieder aufzustehen.
Der Apfelschimmel war noch nicht wieder ganz auf den Beinen als Rob die Stimme seines Vaters hinter sich hörte und nur mit Mühe hielt er sich davon ab ertappt herum zu fahren. Er atmete durch und drehte sich dann zu seinem Vater herum. "Vater." Rob lächelte leicht. "Naja, ich dachte, es kann nicht schaden, wenn man mal ein bisschen unkonventionell arbeitet. Und Hermes hat es wirklich Spaß gemacht das zu lernen." erklärte er und strich dem Wallach liebevoll über das Fell und wurde zum Dank von der weichen Nase freundlich angestupst.

Robert beobachtete, wie Hermes genüsslich seine Belohnung vertilgte und sich schließlich wieder auf seine Beine begab. Er hob eine Augenbraue. "Ich merke es. Es schadet sicherlich nicht, allerdings dachte ich, du suchst dir eines der kräftigeren Pferde aus, weil du es behalten willst. Hermes ist ein bisschen schmal für einen Ritter in Rüstung, denkst du nicht?"
Der Wallach hatte einen der maurischen Hengste zum Vater, aber auch eine recht feingliedrige Mutter, sodass der Wallach eher schlank und hochbeinig gebaut war.
"Aber er ist gelehrig, daran zweifle ich nicht." Robert kam näher und lehnte sich an den Zaun. "Willst du mir nicht sagen, warum du dir diese Mühe machst? Ich hatte bisher nicht den Eindruck, als würdest du dich der Ausbildung der Pferde widmen wollen."

Rob bedachte den Apfelschimmel mit einem kurzen Blick und hob dann leicht die Schultern. "Sicher, aber für das Reiten in Rüstung habe ich ja MacGrey, ich denke nicht, dass ich im Moment noch eines zweiten Schlachtrosses bedarf." Rob wurde ein wenig unbehaglich als sein Vater nachhakte. Er hatte gehofft, er könnte die Sache mit Giselle noch ein wenig geheim halten. "Aber die Zucht wird eines Tages Teil meines Erbes sein, da ist es nicht so abwegig, wenn ich mich den Pferden etwas mehr widme, denkst du nicht? Außerdem ist für mich so einiges in andere Perspektive gerückt seit ich aus dem Heiligen Land zurück bin." Rob hatte erkannt, dass einfache Dinge oft von so unschätzbarem Wert waren, wertvoller als jede noch so schöne Heldentat auf dem Schlachtfeld.

Robert nickte langsam. "Das ist eine weise Erkenntnis, Rob. Es schadet nichts und ich begrüße es, wenn du dich in die Zucht einbringst. Der Krieg verändert viele Dinge, vor allem den Blick für das Wesentliche. Es freut mich, dass du das so siehst."
Er lächelte kurz. "Ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dass das nicht alles ist. Ich kenne dich so lange, Rob, und außerdem bist du so still, seit ich dich nach Fenwick geschickt habe. Ist etwas vorgefallen? Ist alles in Ordnung?"
Doch normalerweise kam Rob früher oder später zu ihm, wenn ihn etwas bedrückte, oder zumindest zu Josie.
"Weiß Phil wenigstens, was für Dinge du seinen Schützlingen beibringst?"

"Ja, der Krieg lässt jeden ein Stück weit erwachsen werden. Und wenn man Glück hat auch etwas weiser." Und ganz besonders das, was er mit Stephan zusammen erlebt hatte, hatte für Rob einige Dinge verändert. Ganz zu schweigen von Lilians Geburt und der Tatsache, dass er bald wieder Vater werden würde.
Rob ging zunächst auf die einfachste Frage seines Vaters ein. "Natürlich. Ich habe Hermes zusammen mit Phil ausgewählt und ihn Phil ... naja, quasi abgekauft. Hermes soll ein Geschenk werden." erklärte Rob langsam. Sein Blick wanderte zu dem Apfelschimmel, der geduldig neben ihm stand und darauf wartete, dass Rob entschied, dass es Zeit war zu gehen. Ja, mit Hermes hatten Phil und er wirklich das richtige Pferd ausgewählt.
Rob seufzte leise. "Ich ... ich habe in Fenwick jemanden kennengelernt, Vater." räumte er dann gedämpft ein.

Robert nickte. "Das ist bei dir jedenfalls gelungen. Du hast viele Dinge gesehen und erlebt und Stephans Leidensweg geteilt. Das prägt dich für den Rest deines Lebens."
Er hob überrascht die Augenbrauen. "Du hast ihn gekauft?! Warum denn das?" Er war erst einmal vollkommen perplex, dann schüttelte er den Kopf. "Warte...ein Geschenk? Und wer verdient ein so großes Geschenk in deinen Augen?"
Im nächsten Moment ging ihm ein Licht auf.
"Du meine Güte....und das sagst du mir jetzt erst? Wer ist sie? Erzähl mir mehr...Ist sie so eine Pferdenärrin, dass du ihr den guten Hermes schenken willst?"
Der Wallach war in der Tat das optimale Damenpferd, aber dass Rob ihm solche Kunststückchen beibrachte, irritierte ihn ein wenig.

Rob grinste schief. "Naja, ich kann ja schlecht etwas verschenken, das nicht mir gehört, nicht wahr?" erwiderte Rob und seufzte dann leise. "Niemand ..." murmelte Rob und hob dann unbehaglich die Schultern. "Vater, das ist nicht so einfach. Sie ist keine Pferdenärrin, das heißt, ich weiß es eigentlich gar nicht, weil sie seit Jahren nichts mehr mit Pferden zu tun hatte. Sie ..." Rob stockte kurz, dann atmete er tief durch und begann von vorne. "Ihr Name ist Giselle of Fenwick. Sie ist die älteste Tochter von Sir Walter, aber weißt du, ich hätte sie eigentlich nicht einmal treffen dürfen. Es war reiner Zufall, weil ich mich an dem Abend des großen Festes für ein paar Minuten vor ihrer Schwester retten wollte. Da bin ich Giselle begegnet und sie ist ... sie ist ein so wundervolles Geschöpf, dass mir gar keine Worte einfallen, um sie zu beschreiben."

"Das ist allerdings ein Argument. Ich hoffe, Phil hat dir wenigstens einen anständigen Preis gemacht." Auch wenn er daran eigentlich nicht zweifelte. "Hermes wird ein anständiges Reitpferd werden, da bin ich sicher. Er ist nicht aus der Ruhe zu bringen."
Robert legte den Kopf schief. "Und trotzdem willst du ihr ein Pferd schenken? Muss ich das verstehen? Du weißt doch gar nicht, ob sie sich darüber freut. Und Hermes hat ein gutes Zuhause verdient."
Er runzelte die Stirn. "Giselle...er spricht immer nur von seiner anderen Tochter....Margaret? Aber ich erinnere mich dunkel. Es ist eine ganze Weile her. Das Mädchen hatte als Kind einen Unfall....man hörte nur das, danach habe ich nie wieder etwas von ihr gehört. Wir nahmen an, sie sei damals um Leben gekommen und ich wollte ihn nicht taktlos danach fragen. Und was gedenkst du ihretwegen zu unternehmen, so vernarrt wie du in sie bist? Was heißt, du hättest sie nicht treffen dürfen?"

Rob nickte ein wenig gedankenverloren. Der Preis für Hermes war vollkommen in Ordnung gewesen, Phil und er waren sich sofort einig gewesen. "Wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, wird sie sich freuen. Und Hermes wird ein gutes zu Hause bekommen, keine Sorge." Wenn alles gut ging ja vielleicht sogar hier.
Rob stöhnte leise bei dem Gedanken an Giselles Schwester. "Ja, Margaret. Sir Walter war sehr bemüht mich mit ihr zu verkuppeln, aber Margaret ist ... einfach nicht die Richtige." versuchte er sich aus der Sache zu retten ohne abfällig über das Mädchen zu sprechen.
Traurigkeit flackerte in Robs Augen auf. Ums Leben gekommen - das war Giselle nicht, aber ihr Vater hatte dafür gesorgt, dass sie nahezu lebendig begraben war in Fenwick. "Sie ist die Treppe hinab gestürzt, ja. Aber sie hat es überlebt, jedoch mit schweren Verletzungen und seitdem hat sie kein Gefühl mehr in ihren Beinen." berichtete Rob langsam. "Sir Walter ist sehr bemüht sie von allem und jedem fern zu halten. Während meines gesamten Aufenthaltes dort, hat Giselle sich nicht einmal öffentlich gezeigt, ich bin ihr das erste Mal durch Zufall begegnet als sie oben auf der Galerie saß und heimlich das Fest unten beobachtet hat. Kaum hatte ihr Vater das mitbekommen, hat er einen Diener geschickt, um Giselle in ihre Gemächer zu bringen." Rob zögerte kurz und sah zu Boden. Die alles entscheidende Frage war sehr schnell gekommen und Rob kannte die Antwort mittlerweile ganz genau, aber es war nicht so einfach es auszusprechen, fürchtete er doch die Reaktion seines Vaters ein wenig. Er schluckte und sah wieder auf. "Ich gedenke sie zu heiraten." erklärte er dann entschlossen.

Robert nickte. "Wenn du das sagst, will ich es dir mal glauben." Er seufzte leise. "Margaret ist ein einfältiges Ding, etwas naiv. Ich habe beim letzten Fest in Fenwick kennengelernt. Auch keinen Fall ist das Mädchen die richtige Frau für dich, da sind wir uns einig."
Er lauschte aufmerksam. "Nun, er hat seine Frau verloren und hängt seitdem noch mehr an den Kindern. Ich denke, er will sie schützen. Vielleicht übertreibt er damit ein wenig. Das Mädchen kann also nicht laufen?" Robert riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
"Du willst ein Mädchen heiraten, das sich nicht allein fortbewegen kann und von dem du nicht weißt, ob sie dir jemals Kinder gebären wird? Weißt du, was du dir zumuten willst? Das kann nicht dein Ernst sein, Rob, sei doch vernünftig. Du musst die Linie fortführen und auch, wenn mir das Mädchen leid tut und sie wohlmöglich ein wunderbares Mädchen ist, du brauchst keine Frau, um die du dich durchgehend sorgen musst. Die...wie ein Klotz am Bein ist, so hart das auch ist. Sei vernünftig."

Rob nickte. "Das ist sie. Ich will ja nicht bestreiten, dass sie ein nettes Mädchen ist, aber mehr auch nicht. Besonders geistreich waren Unterhaltungen mit ihr nicht."
Rob sah seinen Vater an und dessen Worte gaben ihm schon einen guten Vorgeschmack auf das, was ihn wohl auch in Zukunft erwarten würde. Kurz ballte er die Hand zur Faust und wollte auffahren, dann riss er sich jedoch zusammen, atmete geräuschvoll aus und nickte. "Das weiß ich ganz genau. Und es ist mein Ernst." erwiderte Rob entschieden. "Vielleicht kann sie keine Kinder gebären, vielleicht aber doch. Und selbst wenn nicht, spielt es keine so große Rolle. Falls Madeleines zweites Kind ein Junge wird, hätte ich die Möglichkeit ihn als meinen Erben anzuerkennen. Und wenn nicht, gibt es immer noch Isaac. Er kann genauso gut mein Erbe antreten wie jeder Sohn es könnte." Rob runzelte leicht die Stirn. "Ich brauche die Frau an meiner Seite, die ich liebe, alles andere ist nebensächlich." erklärte er und lächelte spöttisch. "Der Bastard und der Krüppel, das würde doch wunderbar passen." bemerkte er bitter, griff nach Hermes' Zügeln und trat an seinem Vater vorbei. Er hatte gewusst, dass es zu dieser Auseinandersetzung kommen würde und es ärgerte ihn gewaltig, wie sehr ihn die Reaktion seines Vaters trotzdem getroffen hatte.

"Nein, das glaube ich dir sofort." Robert stöhnte leise auf, als Rob so gereuzt reagierte. "Herrje, Rob, jetzt lauf doch nicht weg. Ich will doch nur dein Bestes. Ich mache mir Sorgen um dich." Ihm behagte eigentlich nicht sonderlich, dass Madeleines Kind Erbe von Cornwall werden sollte, wenn es ein Junge sein sollte. Er wollte, dass Rob die Familie weiterführte. Isaac wäre noch eine akzeptable Möglichkeit.
"Ich weiß....du brauchst eine Frau, die du liebst. Und sag sowas nicht, du weißt genau, dass du kein Bastard bist. Aber wenn ihr Vater sie so behütet, wie willst du überhaupt erreichen, dass er sie heiraten lässt? Ich glaube, da hast du keine allzu guten Chancen, Sir Walter ist ein sturer Esel, wenn er etwas nicht möchte. Will sie dich überhaupt heiraten?"
Robert seufzte tief. Das konnte etwas werden..."Warum kann keiner von euch den normalen Weg gehen?"

Etwas widerwillig blieb Rob stehen. "Sorgen? Und wieso genau? Ich weiß wirklich nicht, was das Problem ist." entgegnete Rob und seufzte dann leise. "Das weiß ich noch nicht ganz genau, aber es wird mir schon gelingen. Wenn Sir Walter sieht, dass es mir wirklich ernst ist, wird er schon einwilligen, da bin ich mir sicher." Er zögerte kurz. "Naja, davon gehe ich aus. Sie ist noch ein wenig scheu, aber seit ich in Fenwick war, schreiben wir uns Briefe und ich glaube nicht, dass sie all das Schreiben würde, wenn sie kein Interesse hätte."
Rob zog eine Augenbraue in die Höhe und lächelte spöttisch. "Weil du und Mutter es auch nicht getan habt." erinnerte er seinen Vater an den ganz offensichtlichen Grund. Es war ihnen allen irgendwie in die Wiege gelegt, schätze er.

"Weil ich nicht will, dass du es nachher bereust. Dein Leben wird nicht mehr dasselbe sein und du wirst sehr viel Rücksicht nehmen müssen, denn sie kann sich allein nicht helfen. Ich bin nicht sicher, ob du weißt, was das für euch Beide bedeutet."
Robert verzog leicht das Gesicht. "Wenn du dir da mal nicht zu viel vornimmst. Walter ist nicht leicht zu überzeugen. Ich denke, er wird seine Tochter nur schwer loslassen können. Aber nun, wenn sie dir schreibt, wird sie nicht so abgeneigt sein."
Robert seufzte tief und grinste schief zurück. "Das ist leider die Wahrheit. Aber das war auch nicht nur meine Schuld, ich hätte sie sofort geheiratet."
Und irgendwie schienen seine Kinder dieses Talent für Schwierigkeiten geerbt zu haben.

"Ich denke nicht, dass ich es irgendwann bereuen werde, wenngleich ich das natürlich nicht mit absoluter Sicherheit wissen kann. Was ich aber weiß ist, dass ich es bereuen werde, wenn ich sie jetzt einfach wieder aus meinem Leben verschwinden lasse." erklärte Rob ernst. "Ich hatte viel Zeit darüber nachzudenken und ich weiß, was es für uns bedeutet und ich weiß, wie schwierig das Leben für Giselle generell ist. Unter anderem deshalb bilde ich Hermes aus. Damit sie ein klein bisschen Mobilität zurück gewinnt. Damit sie die Burgmauern hinter sich lassen und ausreiten kann." Und Giselle hatte Bill, der sie sicher überall mithin begleiten würde.
Rob hob leicht die Schultern. "Mag sein, aber irgendwie werde ich ihn schon überzeugen." Und wenn nicht, musste er sich etwas einfallen lassen, um Giselle trotzdem zu bekommen.
Rob schürzte amüsiert die Lippen. "Aber auch, wenn du Mutter sofort geheiratet hättest, wäre da immer noch der Umstand gewesen, dass sie eine alles andere als standesgemäße Herkunft hat. Das Kriterium erfüllt Giselle immerhin." erinnerte Rob seinen Vater.

"Herrje, Rob....Wenn du dir so sicher bist, in Gottes Namen. Du wirst dich nicht davon abbringen lassen, auch wenn ich es verbiete. Ich kenne deinen Sturschädel." Robert seufzte leise. "Und du meinst, das funktioniert? Du meinst, sie wird Hermes reiten können, obwohl sie die Beine nicht spürt? Glaubst du, du kannst Hermes so umschulen? Keine leichte Aufgabe einem Pferd das zu vermitteln."
Er verdrehte die Augen.
"Touché, mein Sohn. Da hast du in der Tat Recht. Na gut...dann tu,was du tun musst. Ich werde versuchen mich nicht allzu viel zu sorgen."
Er hoffte, Rob würde nicht enttäuscht sein.

Rob

Rob grinste schelmisch. "So ist es. Und wenn alle Welt dagegen ist, dann nehmen wir uns halt ein Beispiel an meinem Onkel und meiner Tante und tun es heimlich. Es kann nicht so verwerflich sein, wenn sogar die Ehe des Königs und der Königin heimlich geschlossen wurde, nicht wahr?" Hielt Rob dagegen, nun wesentlich leichter ums Herz, da er wusste, dass er zumindest seinen Vater teilweise überzeugt hatte.
Rob betrachtete den treuen Schimmel neben sich. "Ich denke schon. Es ist nicht ganz einfach und für mich schwieriger als für Hermes, aber es gelingt immer besser von Tag zu Tag. Und wenn Frédéric erst den Sattel fertig hat, wird es sicher noch etwas besser, dann habe ich ein anderes Gefühl beim Reiten." Berichtete Rob enthusiastisch, denn Hermes' Ausbildung war für ihn ein Abenteuer, das ihm wirklich am Herzen lag. "Und ich musste an Jonatha denken. Er kann mit nur einer Hand reiten seit Onkel Ed ihm ein Pferd ausgebildet hat. Also dachte ich, es muss doch auch ohne den Einsatz der Beine gehen. Und Hermes hier bestätigt mich jeden Tag aufs Neue darin."

"Ach herrje, Rob, da würdest du deiner Mutter aber das Herz brechen. Sie wäre so gern dabei, wenn du heiratest. Aber du solltest entweder Hal fragen oder James und eine Zeremonie in kleinem Kreis bevorzugen, denke ich. Das gibt weniger Gerede."
Robert richtete den Blick ebenfalls auf Hermes. "Hermes ist eine treue Seele und hat ein Kämpferherz. Ich denke, er ist definitiv die richtige Wahl für dein Vorhaben. Du lässt einen Sattel für sie bauen? Du bist dir deiner Sache ziemlich sicher, mein Junge.", bemerkte er. "Aber du hast Recht. Es wird irgendwie gehen. Du solltest versuchen ihn viel auf Stimme zu trainieren. Sie muss mit Zügel und Stimme auskommen, vielleicht ein wenig Gewicht. Wenn du Hilfe brauchst, scheu dich nicht zu fragen. Uns fällt schon was ein."
Und es würde nichts ändern, wenn er sich gegen dessen Pläne stellte. Rob würde sie ohnehin durchziehen.

Rob grinste. "Ich gebe Mutter gern die Chance dabei zu sein, solange mich niemand an der Hochzeit hindert." erklärte er vergnügt. Dann wurde er ein wenig rot und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Naja, wenn schon, dann will ich es auch gleich richtig machen. Sie wird einen speziellen Sattel brauchen, in einem normalen wird sie nicht sitzen können." gab Rob zu bedenken, dann atmete er geräuschvoll aus und schloss seinen Vater aus einem Impuls heraus in die Arme. Es rührte ihn wirklich, dass sein Vater sich bereit erklärte zu helfen, nachdem seine erste Reaktion doch so abweisend gewesen war. "Und ich Esel dachte wirklich, du würdest es mir verbieten." murmelte er leise und etwas heiser vor Rührung.

"Das glaube ich nicht. Aber deine Mutter wird deine Frau zur Witwe machen, wenn du sie übergehst. Das kannst du ihr nicht antun.", mahnte Robert seinen Sohn belustigt. "Ja, da hast du wohl Recht. Sie wird etwas mehr Halt brauchen, damit die kleinste Unebenheit sie nicht gleich aus dem Sattel wirft." Mit den Knien festhalten konnte Robs Angebetete sich schließlich nicht.
Robert erwiderte ein wenig überrascht die Umarmung seines Sohnes. "Was würde mir das bringen, Rob? Du würdest es ja doch tun. Und bevor ich dich verliere, weil ich mich gegen dich stelle, schlucke ich lieber meine Besorgnis ein wenig herab und stellte mich hinter dich. Ich hoffe, dass du deine Entscheidung nicht bereust, aber du bist erwachsen und letztlich kann ich nicht für dich entscheiden. Ich will dich nicht ins Unglück stürzen, wenn du für das Mädchen wirklich fühlst wie ich für deine Mutter. Einen solchen Menschen trifft man nur einmal..."

Guillaume

Guillaume lag im Garten im Gras und genoss es sich für ein paar Minuten einfach die Sonne aufs Gesicht scheinen zu lassen. Im Moment war er rundum zufrieden mit seinem Leben. Ganz zu seiner Freude hatte sich die Freundschaft zwischen Berengaria und Emma immer weiter verfestigt und die beiden Frauen kamen so gut miteinander aus, wie er es nie zu hoffen gewagt hätte. Manchmal sogar fast zu gut, denn sie neigten dazu, sich gegen ihn zu verschwören, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollten. Aber das störte Guillaume nicht wirklich. Womöglich der einzige Wermutstropfen war, dass Berengaria bisher noch nicht schwanger geworden war. Es war nicht so, dass er es damit so furchtbar eilig hatte, hatte er doch Guillaume und Aliénor, aber es war auch nicht so, dass Berengaria und er es nicht versuchten. Doch noch bereitete ihm das keine allzu großen Kopfschmerzen.
Und seit Stephan mit seiner Liebsten in Bordeaux war, konnte Guillaume seinem Bruder ab und an auch ein paar Aufgaben abdrücken, so dass er sich wie jetzt gerade ein paar freie Minuten stehlen konnte, um sich einfach auf die faule Haut zu legen.

Berengaria hatte den Vormittag mit Emma und den Kindern verbracht. Ihr Zofe war ihre engste Freundin geworden und sie verstanden sich ausgezeichnet. Während Emma die Kinder nun für ein Mittagsschläfchen hinlegte, hatte Berengaria sich auf den Weg zu Guillaume gemacht.
Sie wusste, dass er um die Mittagszeit gern ein paar Minuten Pause draußen machte und wie erwartet fand sie ihn dösend in der Sonne.
Sie lächelte sanft. Seit Stephan hier war, war Guillaume noch entspannter, da er einige Aufgaben an seinen Bruder abtreten konnte.
Sie setzte sich zu ihm ins Gras und beugte sich über ihn um ihn zu küssen. Sie liebte Guillaume wirklich, auch wenn er das nicht so erwiderte. Sie hatte gewusst, wie die Dinge waren, als sie ihn geheiratet hatte und daher erging sie sich auch nicht in Eifersuchtsszenen.

Guillaume

Guillaume hörte die leichten Schritte auf dem Rasen näher kommen, wartete jedoch bis er Berengarias Lippen auf den seinen spürte, ehe er die Augen aufschlug. Er legte eine Hand in ihren Nacken, hinderte sie so daran sich aufzurichten und küsste sie noch einmal, ein wenig inniger dieses Mal.
"Hm, so lasse ich mich gerne wecken." bemerkte er zufrieden und strich seiner Frau über die Wange.
"Hast du dich von Emma trennen können?" Fragte er neckend und drückte sich auf den Ellenbogen ein wenig in die Höhe. Es freute ihn, dass die beiden Frauen so gut zusammen passten und hoffte, dass sie sich auch mit Jane anfreunden würden. "Hast du Stephans Herzblatt heute schon gesehen?" Erkundigte er sich deshalb auch. "Was denkst du von ihr?"

Berengaria lächelte stumm und erwiderte seinen Kuss nur zu gern. Sie genoss esihm ungestört nahe sein zu können. "Das dachte ich mir.", erwiderte sie amüsiert, hob dann aber die Augenbraue.
"Tu nicht so, du bist doch froh, dass wir so viel Zeit zusammen verbringen. Außerdem haben wir gemeinsam deine Kinder bespaßt, während du gearbeitet hast. Emma legt die Beiden gerade für ein Schläfchen hin und da dachte ich, ich sehe mal bei dir vorbei." Sie wollte ihm ohnehin noch etwas sagen.
Berengaria legte den Kopf schief. "Ich glaube, sie werkelt an einer Mixtur herum, die den Kindern bei ihren Bauchschmerzen hilft. Aber heute morgen habe ich sie hier im Garten gesehen, als sie ihr neues Kräuterbeet gepflegt hat. Sie ist ein wenig eigen, aber ein herzensgutes Mädchen. Sie wird noch viel lernen müssen, damit sie an der Seite eines Prinzen bestehen kann, aber es ist nicht hoffnungslos. Ich mag sie, sie ist geistreich und hübsch, aus ihr kann man durchaus etwas machen. Und sie ist wirklich talentiert, wenn es um kleinere Wehwehchen geht."