William und Joanna - ab 1183 bis 1184

Arzt Eric

"Ich tue, was ich kann, Mylord! Aber ich weiß nicht, was ich noch machen soll! Sie hört einfach nicht auf zu bluten, sie bekommt Fieber. Ich versuche ja alles, was ich kann!" Der Mann wurde ein wenig panisch, als er die Drohung in Edwards Stimme vernahm. Aber sein Wissen war ausgeschöpft, er konnte nur das Fieber zu senken versuchen.
Sein Kopf ruckte bei den nächsten Worten des Earl nach oben. "Ich werde ihn holen, wenn Ihr wollt, aber seid Ihr sicher, dass er die Lady in diesem Zustand sehen sollte?" Schließlich war die junge Frau nur noch in einem leichten Unterkleid bekleidet undauch dieses zeigte deutliche Spuren der Blutung und des Fiebers. Dennoch drehte er sich um, um auf dem Gang einen Diener mit der Suche zu beauftragen. Er konnte nicht fort von hier.
Eric hastete durch die Gänge, dem Ruf seines Herrn folgend. Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Er klopfte an die Tür. "Mylord? Ich bin es, Eric."

"Ihr Zustand wird garantiert nicht besser werden, wenn wir weiter nur reden. Er soll herkommen und zwar so schnell wie möglich." erwiderte Edward entschieden.
Als Eric etwas später an der Tür auftauchte, atmete Edward kurz durch. "Eric, du musst so schnell es geht deinen Vater her bringen, hörst du? Es ist wirklich wichtig, nimm dir welches Pferd auch immer du willst, nur bring deinen Vater her. Er muss Julia helfen." Denn er ist wohl der einzige, der dazu noch in der Lage ist ....
Edward hielt Julia in den Armen und flehte Gott an, er möge sie ihm nicht nehmen. Das durfte einfach nicht passieren. Nicht jetzt, wo sie alle zusammen so glücklich gewesen waren.

Eric

Eric war ein wenig schockiert, die sonst so lebenslustige Julia in einem solchen zustand zu sehen. Und Edwards Gesichtsausdruck sorgte dafür, dass ihm Angst und Bange wurde. Sein Herr würde es nicht gut aufnehmen, sollte Julia etwas zustoßen. "Natürlich, Mylord. Ich werde so schnell reiten, wie ich kann. Verlasst Euch auf mich.", erklärte er eifrig, hielt sich nicht lange auf und verschwand wieder durch die Tür.
Er packte nur notdürftig ein paar Sachen ein, schwang sich auf den Rücken seines Pferdes und trieb es vorwärts. Es würde ein harter Ritt werden, das erste Mal völlig auf sich allein gestellt, aber er war seinem Herrn treu ergeben und das hatte nun oberste Priorität. Er musste sich beeilen wie noch nie in seinem Leben. Und so ritt er, als wäre der Teufel hinter ihm her, bis nach Truro.
Dort angekommen zitterten Pferd und Reiter vor Erschöpfung, aber Eric gönnte sich keine Pause. Er informierte umgehend seinen Vater. Wenn jemand noch helfen konnte, dann John de Warenne.

Edward hatte schon einiges in seinem Leben durchgemacht, aber noch nie hatte er sich so elend gefühlt, wie jetzt. Es hatte gedauert und gedauert, doch schließlich hatte der Arzt zaghaft verkündet, dass die Blutung aufgehört hatte. Edward hielt das zunächst für ein gutes Zeichen, doch dann kam das Fieber und mit diesem die blanke Panik, Julia könnte womöglich nicht überleben.
Er weich seiner Liebsten nicht von der Seite, kümmerte sich selbst so gut es ging um sie und hoffte, dass Eric Erfolg hatte und dessen Vater mit her brachte.
"Ach Julia, meine Liebste ..." murmelte Edward leise und wechselte sorgfältig das nasse Tuch auf ihrer Stirn. "Du und ich, wir beide schaffen das, nicht wahr? Zusammen schaffen wir alles." Es musste einfach so sein, alles andere war überhaupt nicht möglich.

John war alles Andere als begeistert gewesen, als sein Sohn kurz vor dem Zusammenbruch vor ihm gestanden hatte und gerade so noch die nötigen Informationen an ihn hatte weitergeben können. Während er seine Sachen zusammen suchte, hatte er Eric gezwungen zwei Stunden zu schlafen, ehe er ihn gegen Constances Protest mit zurück genommen hatte. Wer wusste schon, ob Edward Eric nicht brauchte...Doch die Nachrichten aus Oxford beunruhigten ihn sehr. Wenn es Julia wirklich so schlecht ging...
Er hatte noch nie einen solchen Ritt hinter sich gebracht, so auf der Flucht vor der Zeit, aus Angst möglicherweise zu spät zu kommen. Dementsprechend abgerissen sahen Vater und Sohn auch aus, als sie in Oxford ankamen. John schickte Eric erst einmal ins Bett, um sich auszuruhen. Er selbst machte sich umgehend auf den Weg zu den Gemächern, die Eric mit Julia bewohnte. Den Weg ließ er sich von einer Magd zeigen.
Vorsichtig öffnete er die Tür und trat ein. Einen Moment glaubte er, in die Vergangenheit versetzt worden zu sein. Schon einmal war er Julia zur Hilfe geeilt, als sie schweres Fieber gehabt hatte, weil Tom die Finger nicht von ihr hatte lassen können. Doch das hier....schon als er ihr Gesicht sah, sank sein Herz. Er wollte alles versuchen, was ihm möglich war, aber viel Hoffnung hatte er nicht.
"Edward....", sagte er sanft. "Was ist passiert?"

Edward konnte nicht sagen wie lange er bei Julia gesessen und gehofft hatte, John möge endlich ankommen. Es kam ihm zumindest vor wie eine Ewigkeit, doch endlich hörte er die vertraute Stimme des Arztes und sah auf.
"John." murmelte er heiser. "Sie ... sie hat das Kind verloren." begann er langsam zu erklären und strich Julia mit bebenden Fingern über die Wange. "Sie hat ziemlich viel Blut verloren, der Arzt und die Hebamme haben nichts ausrichten können, aber irgendwann hat es aufgehört, nur ..." Seine Stimme brach für einen Moment und er musste sich räuspern, um weiter sprechen zu können. "Nur dann kam das Fieber und ich ... ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, John. Du musst ihr helfen, ich flehe dich an."
Edward sah seinen einstigen Lehrer verzweifelt an und kämpfte einen Moment mit der Fassung. "Lass sie nicht sterben, ich bitte dich. Sie darf nicht sterben."

John hatte es schon befürchtet. Tröstend legte er Edward eine Hand auf die Schulter, ehe er sich Julia zuwandte. Behutsam fühlte er ihre Stirn und schlug die Decke zurück. Immerhin schien der Arzt hier kein völliger Stümper zu sein und hatte nicht alles falsch gemacht. Er hatte oft gegenscheinbar aussichtsloses Fieber gekämpft und meistens gewonnen, aber Julia hatte offensichtlich mehr als nur ein wenig Blut verloren, darum war sie auch so blass. Er wusste nicht, ob ihr Körper stark genug war sich davon zu erholen.
"Ich werde alles tun, was ich kann, Edward. Aber ich kann dir nichts versprechen. Du solltest....du solltest du Gott beten und hoffen, aber ich weiß nicht, ob sie stark genug ist es zu schaffen.", sagte er leise, aber sanft. Und dann machte er sich an die Arbeit. Er setzte Tee an, machte Wickel um ihre Beine und versuchte alles, damit Julias Körper den Kampf wieder aufnahm. Doch auch nach Stunden trat keine Besserung ein und John wusste, dass der Kampf so gut wie verloren war. Erschöpft setzte er sich auf einen Stuhl und fuhr sich durch die Haare. Edward würde das nicht gut verkraften, das stand fest. Ob sie wenigstens noch einmal aufwachen würde?

Edward hatte beobachtete wie John zu Werke ging und war Julia dabei nicht einen Moment lang von der Seite gewichen. Er wusste, wie schlecht es um seine Gemahlin stand und die Vorstellung, er könne sie verlieren, machte ihn jetzt schon fast wahnsinnig. Wieso musste Gott so grausam sein? Endlich hatten sie zusammen sein können, waren glücklich gewesen und nun das?
Und trotzdem folgte er Johns Rat und betete nahezu unablässig zu Gott, während er hier saß und Julias Hand hielt.
Als John sich auf der anderen Seite des Bettes in einen Sessel sinken ließ, sah Edward zu ihm hinüber und schluckte. "Es ist alles meine Schuld." murmelte er betroffen. "Ich wollte unbedingt noch ein Kind haben. Eines, das sie in aller Ruhe hier bekommen könnte. Ich wollte sehen, wie ihr Bauch wächst und wollte das Kind in den Armen halten ... wenn sie stirbt, ist das meine Schuld, John." erklärte Edward verzweifelt.

John hob den Blick und sah Edward eindringlich an, ehe er den Kopf schüttelte. "Rede keinen solchen Unsinn, Edward. Keiner von euch hätte das ahnen können, es passiert. Constance hat auch schon ein Kind verloren...Jede Frau reagiert darauf anders. Irgendetwas muss schief gegangen sein, aber ich kann dir nicht sagen was. Esist nicht deine Schuld...Julia war offensichtlich eine junge, gesundeFrau, warum also hätte sie nicht noch ein Kind bekommen können? Ich bin sicher, sie wollte es genauso sehr wiedu. Also hör auf, die Vorwürfe zu machen, ja? Damit hilfst du niemandem."
Eine leichte Bewegung im Bett ließ ihn aufsehen. Julia öffnete blinzelnd die Augen, schloss sie aber gleich wieder. Er klopfte ihr leicht auf die Wange. "Julia, kannst du mich hören? Ich bin es, John..."
"John...", kam ganz leise zurück.

Edward wollte etwas erwidern, aber er konnte nicht. Also sah er John nur mit einem verzweifelten Blick an. Egal wie gut John ihm zuredete, es war seine Schuld. Er hatte den Hals nicht voll kriegen können, hatte sich nicht mit dem zufrieden geben können, was sie schon hatten. Und obendrein war das hier nun die Strafe für all seine Sünden, dessen war Edward sich sicher. Allerdings begriff er nicht, wieso Gott Julia deshalb auch bestrafte. Wieso ausgerechnet sie, die doch niemandem je etwas getan hatte?
Edward schreckte beinahe zusammen als Julia sich ein wenig regte. "Julia!" Bange Hoffnung schwang in seiner Stimme mit als er ihr über die Haare strich. "Julia, Liebes, John ist hier um dir zu helfen." erklärte Edward leise und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. Sie brannte immer noch. Das Fieber hatte sich kein bisschen zurück gezogen und Edward wusste, dass das ein schlechtes Zeichen war.
"Julia, du musst einen Schluck trinken." murmelte Edward und setzte ihr den Becher Wasser an die Lippen, damit sie wenigstens einen kleinen Schluck zu sich nehmen konnte. Edwards Herz wurde noch schwerer als er sah, wie schwer ihr das Schlucken fiel und als er den Becher wieder bei Seite stellte, sah er mit bangem Blick zu John hinüber.

Julia stöhnte leise. Das Schlucken fiel ihr schwer, sie glühte und fror zugleich und sie fühlte sich so unendlich schwach. Und mit erschreckender Sicherheit wusste sie, dass sie es nicht schaffen würde. Sie würde sterben, da war sie sich sicher.
Sie drehte leicht den Kopf zu ihrem Mann und sah ihn müde an. "Ed...."Einen kurzen Moment schlossen sich ihre Augen wieder. Wie konnte Gott sie nur jetzt zu sich holen, wo sie endlich einmal glücklich war?Wo sie sich auf ein langes Leben an Edwards Seite gefreut hatte. Ihre Kinder waren noch viel zu klein, um ohne sie auszukommen. Wie sollte Edward zurecht kommen, besonders mit Thomas?
Doch sie konnte es nicht beeinflussen, sie hatte keine Kraft mehr, das spürte sie.
"Muss....beichten..."

Es zerriss Edward fast das Herz als Julia ihn ansah und er beugte sich zu ihr, strich ihr über die Wange und zwang sich zu einem Lächeln. "Ich bin hier." wisperte er leise. "Ich bin hier, Julia. Keine Angst, ich bin bei dir." Er sah, dass seine Hände zitterten und ihre nächsten Worte entlockten ihm um ein Haar einen Klagelaut, doch er riss sich zusammen und sah kurz zu John hinüber. "Ich ... ich lasse einen Priester kommen." versprach er ihr und schluckte schwer. "Er wird kommen, dann kannst du beichten, meine Schöne."
Edward zwang sich dazu möglichst die Fassung zu bewahren, er musste das hier mit ihr durchstehen, egal wie schwer es war, er durfte es Julia nicht schwerer machen. Wenngleich er das Gefühl hatte, er müsse selbst zu Grunde gehen daran.

Julia wusste, dass sie es Edward furchtbar schwer machte, aber sie konnte ihm das hier nicht abnehmen, so sehr sie es auch bedauerte. Aber er war bei ihr und das beruhigte sie immens. "Das...ist gut...ich fürchte...mich."
Sie griff schwach nach seinem Handgelenk. "Ed..." Sie schüttelte zaghaft den Kopf. "Ich will...John...beichten..." John hatte Edward einen mitfühlenden Blick zugeworfen. Es tat ihm so leid, was der Junge durchmachen musste, doch er musste seiner Gefährtin jetzt beistehen bis zum Ende. Was dann kam, hatte er allerdings nicht erwartet.
"Was?!", entfuhr ihm. "Aber....ich bin doch kein Priester mehr. Das geht nicht, Julia." Und er würde sich eine Menge Ärger einhandeln, wenn er es trotzdem tat. "Ich habe...als...Kind...das erste Mal bei dir...gebeichtet. Und nie wieder...war es so...befreiend." John schluckte schwer und haderte. Er durfte das nicht in Gottes Namen.

Edward schüttelte den Kopf. "Das brauchst du nicht. Alles wird gut werden, Liebes. Du brauchst keine Angst zu haben, es wird ... es wird ganz leicht werden." wisperte er und drückte sachte ihre Hand. "Und ich bin ja hier. Zusammen ... schaffen wir doch alles, weißt du noch?"
Edwards Blick wanderte zu John hinüber und er wurde schlagartig ernst. "Tu es." forderte er und er war erstaunt, dass seine Stimme doch noch so viel Kraft aufbringen konnte. "Wenn du sonst schon nichts mehr für sie tun kannst, dann tu es für sie. Bitte, John." Eindringlich sah Edward seinen alten Lehrer an. Er wusste, wie viel es Julia bedeuten würde und John durfte ihr diese Bitte einfach nicht abschlagen. Er hatte ihnen beiden durch so viele Notlagen geholfen, er musste es jetzt einfach zulassen.

"Ja...ja, du hast Recht. Zusammen..." Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen und sie erwiderte den Händedruck ganz zart. Mit Edward an ihrer Seite hatte sie keine Angst.
John überlegte noch einen Moment. Gott, er würde sich solchen Ärger einfangen, Constance würde ihn umbringen. Aber er konnte Julia das nicht abschlagen, da hatte Edward recht. Er seufzte, sah Edward an und nickte.
"Na gut, ich werde es tun. Aber verzeih, wenn ich etwas aus der Übung bin." Er atmete tief durch und sammelte sich. "Möchtest du draußen warten oder hier bleiben, Edward?" Er glaubte nicht, dass Edward Julia allein lassen würde, aber vielleicht war es ihm lieber, wenn sie in aller Ruhe beichten konnte.
Er bekreuzigte sich und begann Worte zu sprechen, die er seit Jahren nicht mehr in den Mund genommen hatte und doch hatten sie sich in sein Gedächtnis gebrannt. Irgendwo tief in seiner Seele lebte der Priester immer noch weiter. Und er war ein guter Priester gewesen...

Edward nickte und lächelte, obwohl er kurz davor stand die Fassung zu verlieren. "Genau, zusammen ... du und ich. Du brauchst also keine Angst haben." erklärte er noch einmal leise.
Erleichtert sah er John an als dieser schließlich einwilligte. "Danke." murmelte er leise und sah wieder auf Julia hinab. "Ich ... ich möchte bleiben, sofern Julia einverstanden ist." erwiderte er. Ausgerechnet jetzt wollte er nicht von ihrer Seite weichen, wenn es nicht unbedingt nötig war.
Das hier schienen die letzten Momente zu werden, die er mit seiner Frau haben würde und er wollte sie nicht vergeuden in dem er draußen vor der Tür herum stand. Solange er ihre Hand halten und sie ansehen konnte, war ihm das schon genug. Er wollte sie nur um keinen Preis alleine lassen.

John warf Edward noch einmal einen Blick zu. Er musste zugeben, er war froh, dass Edward so gefasst war. Das würde zwar nicht so bleiben, aber für den Moment machte es die Dinge einfacher. Er nickte knapp, als Edward bleiben wollte und begann dann mit aller Güte und Erhabenheit, die ihm innewohnte, für eine Weile wieder Priester zu sein und ihr die Beichte abzunehmen. Es gab nicht viel zu beichten und sie war schwach. Er zeichnete das Kreuz auf ihre Stirn.
"Ego te absolvo...Ich vergebe dir seine Sünden und spreche dich frei, auf dass der Herr dich erlöse. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes."
Er atmete langsam durch. "Mögest du Frieden finden, meine Tochter.", sagte er leise und küsste sie auf die Stirn. Er kannte Julia schon so lange, es war auch für ihn schwer.
"Ich lasse euch allein.", sagte er dann. Edward sollte sich in Ruhe verabschieden können.

Edward hielt Julias Hand und sah auf sie hinab, während John ihr die Beichte abnahm und in gewisser Weise tat es gut, die ruhige, vertraute Stimme zu hören.
Als John geendet hatte und ankündigte, dass er draußen warten würde, sah Edward wieder auf und nickte kurz. "Ich danke dir." erklärte er und wartete bis John das Gemach verlassen hatte. Dann beugte er sich zu Julia hinab und gab ihr einen Kuss.
"Julia, meine Liebe." murmelte er leise und strich ihr über die Wangen. "Ich wünschte so, wir beide hätten mehr Zeit miteinander gehabt. Ich wünschte, ich wäre nicht so ein Dummkopf gewesen und hätte dich damals sofort geheiratet. Aber die Zeit mit dir war die wundervollste in meinem ganzen Leben und du hast einen besseren Menschen aus mir gemacht. Ich liebe dich so sehr, mein Herz."

Julia fühlte sich getröstet und war ausgesprochen dankbar, dass John ihr die Beichte abgenommen hatte. Niemals zuvor hatte sie sich so verstanden gefühlt, als in der Beichte bei John. Nie wieder war es bei einem anderen Priester so gewesen. Sie hatte sich oft an John erinnert.
Julia erwiderte ganz leicht Edwards Kuss und lauschte seinen Worten. Zwei Tränen kullerten über ihre Wangen und versickerten in ihrem Haar.
"Das wünsche ich mir auch...aber...die Zeit war so schön...so schön. Du hast mir gezeigt, was Liebe ist. Ich liebe dich....so sehr."
Sie schluckte schwer. "Pass auf die Kinder auf....sag ihnen, dass ich sie liebe. Und hab Geduld mit Thomas. Es tut mir so leid, dass ich euch allein lasse."

Edward küsste Julias Wangen und wischte sachte die Spuren fort, die die Tränen hinterlassen hatten. "Ich bin froh, dass ich dir nicht nur Kummer bereitet habe." erwiderte er und lächelte traurig. "Es war eine wundervolle Zeit mit dir und ich werde dich ewig in meinem Herzen behalten, Julia. Und ich verspreche, dass ich mir Mühe geben ein anständiger Kerl zu sein, dann sehen wir uns später im Paradies wieder, nicht wahr?"
Edward schloss kurz die Augen und nickte. "Ich werde es ihnen sagen. Und ich verspreche, dass es ihnen nie an etwas fehlen wird. Sie werden anständige Menschen werden, sie werden dir alle Ehre machen und du kannst stolz auf sie sein, Liebes. Und ich werde mich auch um Thomas kümmern, ich werde geduldig mit ihm sein, wir werden schon zurecht kommen, sei beruhigt." erklärte Edward und zog Julia etwas weiter in seine Arme. "Es braucht dir nicht Leid zu tun, du hast es dir ja nicht ausgesucht, Liebes. Gott scheint einen anderen Plan für dich zu haben, also musst du wohl gehen. Auch wenn ich von Herzen wünschte, es wäre anders." erklärte Edward mit erstickter Stimme und fragte sich erstaunt, wie er dieses Gespräch überhaupt fertig brachte. "Ich liebe dich, Julia, und du wirst immer ein Teil von mir sein." wisperte er zärtlich in ihr Ohr.

"Das hast du nicht...du bist mein Licht...Natürlich sehen wir uns wieder. Ich werde....auf dich warten auf der anderen Seite.", versprach Julia leise. "Das ist gut....das ist gut. Dann...mache ich mir keine Sorgen..." Sie bemühte sich den Blickkontakt zu seinen strahlend blauen Augen noch ein wenig zu halten. "Danke...", hauchte sie.
"Ich liebe dich....und ich....werde immer bei dir sein.", wisperte sie, ehe sich ihre Augen wieder schlossen und ihr Atem langsamer wurde. Sie drückte ein letztes Mal Edwards Hand, dann wurde ihr Griff schlaff. Es war vorbei....
Sie hatte ihre Familie nicht verlassen wollen, doch es wurde Zeit für sie. Denn dein Wille geschehe...

"Das ist gut. Wenn ich weiß, dass du auf mich wartest, wird es leichter sein, sobald es für mich an der Zeit ist. Und dann sehen wir uns wieder und können auf ewig zusammen sein, meine Liebe." erklärte Edward und erwiderte ihren Blick möglichst ruhig. "Ich bin es, der dankbar sein muss. Dafür, dass du mir deine Liebe geschenkt hast, mir vertraut hast und für mich da warst."
Edward nickte. "Das wirst du. Ich liebe dich, Julia." wiederholte er noch einmal und küsste sie auf die Stirn als ihre Augen sich schlossen.
Er spürte, wie sie noch einmal seine Hand drückte, ganz sachte, dann wurde ihre Hand schlaff und er hörte, wie Julia ein letztes Mal ausatmete.
Eine schier endlos Zeit lang saß Edward einfach nur da, hielt ihre Hand und starrte auf Julia hinab. Er konnte nicht glauben, dass sie tot war. Wieso nur? Wieso hatte sie so früh sterben müssen?
Dann schließlich begannen die Tränen zu laufen und ein Klagelaut, der eher nach einem verletzten Tier als nach einem Menschen klang, kam über seine Lippen.
"Oh Julia ..."

John hatte die Beiden in Frieden gelassen, damit Edward allein bei ihr sein konnte, wenn es zu Ende ging. Er wusste, wie schwer das für den Jungen war, aber er war so stolz darauf, mit welcher Fassung er seine Liebste begleitet hatte.
Als er von drinnen einen Klagelaut vernahm, ahnte er, dass es vorbei war und bekreuzigte sich. Er ließ Edward noch einige Minuten Zeit, ehe er vorsichtig den Raum betrat. Er ging zu Edward hinüber, legte erst die Hände auf dessen Schultern und zog ihn dann in seine Arme.
"Es tut mir so leid, Edward..." Er würde wohl ein paar Tage bleiben, bis Edward wieder halbwegs stabil war.

Edward hörte die Tür und wusste instinktiv, dass es John war, der das Gemach betrat, aber er sah erst auf als dieser ihm die Hände auf die Schultern legte. Im nächsten Moment war er auf den Füßen und als John ihn an sich zog, schlang Edward die Arme um seinen ehemaligen Lehrer, vergrub das Gesicht an dessen Schulter und begann bitterlich zu weinen.
"Warum?" schluchzte er leise. "Warum sie? Das hat sie nicht verdient ..." Er klammerte sich halt suchend an John, während sein ganzer Körper bebte. "John, ich ..." Edwards Stimme versagte und er brauchte einige Augenblicke, ehe er wieder sprechen konnte. "Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll ohne sie. Ich kann nicht ..." Edward stockte wieder und musste sich zwingen weiter zu sprechen. "Ich will nicht ohne sie leben."
Julia war sein ein und alles gewesen. Seine große Liebe und die Vorstellung, dass sie ihn nun für immer verlassen hatte, zerriss ihn jetzt bereits. Wie sollte er sein Leben weiter führen, wenn sie nicht mehr da war?

John hielt Edward einfach fest und gab ihm die Gelegenheit seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er war recht dankbar, dass Edward die Nähe annahm und nicht stumm vor sich hin litt, niemanden sehen wollte wie William damals. Geoffrey hatte ihm einmal erzählt, dass der Earl sich einige Tage in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen hatte. Und doch wagte er sich nicht einmal vorzustellen, was William tun würde, sollte er Joanna verlieren.
Er fuhr Edward tröstend durch den roten Schopf, wie er es bei seinem Sohn tun würde. "Ich weiß, Edward, ich weiß...Gott trifft oft seltsame Entscheidungen. Doch scheinbar hatte er noch andere Pläne mit Julia. Immerhin weißt du, dass sie keine Schmerzen hat, wo sie jetzt ist. Auch wenn es jetzt unendlich schwer für dich ist, es wird weitergehen. Irgendwie geht es immer weiter und jetzt ist deine Trauer so gewaltig, dass sie dich zu ersticken droht. Doch irgendwann wird sie nachlassen und du kannst wieder leben, auch wenn du nie aufhören wirst sie zu vermissen. Doch tröste dich, Edward, eines Tages seht ihr euch wieder..."
Er legte Edward die Hand an die Wange. "Ich verstehe deinen Schmerz und es tut mir so unendlich Leid, dass ihr nur so wenig Zeit hattet. Doch du darfst nicht nur in deiner Trauer versinken, du musst jetzt stark sein für die Kinder und dich bemühen ein guter Vater für sie zu sein, wie Julia es wollte. Du hast Verantwortung für sie. Möchtest du, dass sie sich verabschieden können? Oder willst du, dass sie sich an sie erinnern wie sie war? Ich weiß nicht, ob für Thomas der Abschied nicht vielleicht leichter wäre, wenn er sie sieht. Hast du immer noch solche Probleme mit ihm?"