William und Joanna - ab 1183 bis 1184

Edward war unendlich froh, dass John hier war in dieser finsteren Stunde, denn die Vorstellung, er hätte nun alleine hier gesessen, erschien ihm erst recht absolut grässlich. Er hatte das Gesicht noch immer an Johns Schulter vergraben als dieser ihm durch die Haare strich und Edward zwang sich dazu, John zuzuhören. Auch, wenn er die Worte kaum begreifen konnte, allein Johns ruhige Stimme half ihm ein wenig.
Edward sah auf als John die Hand an seine Wange legte. "Ist das Gottes Strafe dafür, dass ich sie so schändlich behandelt habe?" fragte er mit rauer Stimme. "Dafür, dass ich so lange nicht zu ihr gestanden habe? War uns deshalb nur so wenig Zeit vergönnt?" Er konnte es sich einfach nicht erklären. Wieso sollte Gott ihm den liebsten Menschen auf Erden nehmen, wenn nicht, um ihn zu bestrafen?
"Oh Gott, die Kinder ..." Edward hob verzweifelt die Schultern. "Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was richtig ist, ich ..." er stockte und fuhr sich mit bebenden Fingern über das Gesicht, die andere Hand noch immer in Johns Hemd gekrallt. "Wie soll ich denn ohne Julia mit vier Kindern zurecht kommen? Ich ..." Edward spürte wie seine Knie weich wurden und er ließ sich auf die Bettkante sinken.
"Es geht. Es war besser geworden in letzter Zeit, aber jetzt ... das wird der Junge mir nie verzeihen." murmelte Edward. Thomas würde ihm die Schuld an Julias Tod geben, das wusste er genau.

John seufzte leise, spürte aber, dass Edward seine Nähe gut tat. Er würde ihn jetzt nicht allein lassen. "Ich weiß es nicht, Edward, aber du hast viel getan um es wieder gut zu machen. Ich glaube nicht, dass Gott dich bestrafen wollte. Manchmal....soll es eben nicht sein. Und wir können nicht wissen, was Gott will und warum. Ich habe mich schon so oft diese Dinge gefragt, aber keine Antwort gefunden. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass er weiß, was er tut."
Er legte Edward die Hände wieder auf die Schultern und schaute ihn sanft an. "Mach dir keine Gedanken, wir finden eine Lösung. Wir finden ein Kindermädchen, das gut mit ihnen zurecht kommt und sich um die Kinder kümmert. Du musst es ihnen sagen, ehe sie es von jemand Anderem hören und dann können sie sich immer noch während der Beerdigung von ihr verabschieden. Ich werde ein paar Tage bleiben, bis alles seinen Gang gefunden hat. Sei beruhigt, du bist nicht allein. Und auch Thomas wird sich irgendwann beruhigen, du bist schließlich das Einzige, was er neben seinen Geschwistern noch hat. Ich mache dir nicht vor, dass es leicht werden wird, aber er wird es überstehen."

Edward nickte wie in Trance. Er wusste überhaupt nicht mehr was er denken sollte, die Trauer um Julia schien alles andere zu überschatten. Langsam, so als würde es ihm unendlich schwer fallen, hob Edward den Kopf und sah John wieder an. "Würdest ... würdest du mich begleiten, wenn ich es den Kindern sage? Ich weiß nicht, ob ich das alleine schaffe. Die kleinen sind bei ihrem Kindermädchen, Thomas ist noch in der Schule, er ... er müsste bald wieder kommen, denke ich." murmelte Edward.
Er hätte nie im Leben damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. Dass Julia ihm so plötzlich und unvermittelt entrissen werden würde.
Und nun saß er hier und fühlte sich mit einem Mal mutterseelenallein. Julia war sein Leben, sein Mittelpunkt hier in Oxford gewesen und seine Familie in Cornwall schien ihm mit einem mal so unendlich weit weg zu sein. Kurz wünschte er sich, er hätte zu Robert ein solches Verhältnis wie Philippe, dann würde er ihn herbitten, aber so ... das würde er nie fertig kriegen, auch wenn er wusste, dass Robert sicher nicht ablehnen, sondern herkommen würde.

Johns Blick wurde weich und er nickte. "Natürlich. Ich weiche nicht von deiner Seite, bis du es möchtest. Keine Sorge...Dann lass uns allesin die Wege leiten. Wir gehen zuerst zu den Kleinen und Thomas sagst du es allein, wenn er zurück ist. Danach werde ich zum Zimmermann gehen und zu eurem Priester. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich werde mich um alles kümmern. Sei du für die Kinder da, für sie ist es schwer genug. Sie brauchen dich jetzt."
Er löste die Hände von ihm.
"Soll ich deiner Familie eine Botschaft schicken? Soll deine Mutter herkommen, um dir mit den Kindern zu helfen? Oder Constance?"

"Danke." murmelte Edward erschöpft. "Danke für alles, John." Er kam langsam wieder auf die Füße und schluckte schwer. "Als ich Eric zu dir geschickt habe, hatte ich ... ich hatte schon befürchtet, dass du nicht mehr rechtzeitig würdest kommen können, aber ich dachte ... ich dachte, ich muss es wenigstens versuchen." erklärte Edward ein wenig ohne Zusammenhang, aber er musste es einfach aussprechen.
Er rieb sich die Schläfe und zögerte einen Moment. "Ich weiß nicht." gestand er dann ein. "Ich glaube, ich würde die Kinder ... ich würde die Kleinen am liebsten nach Truro bringen für eine Weile. Dort wären sie gut aufgehoben und sie mögen meine Eltern, aber ... aber vermutlich würden sie denken, ich will sie nicht mehr haben." überlegte Edward langsam. "Ja, vielleicht wäre es nicht so schlecht, wenn jemand kommt. Nur für ein paar Tage bis -" Edward brach ab, weil es ihn erhebliche Mühe kostete sich zu überwinden. Er zögerte etwas, bis er schließlich weiter sprechen konnte. "Bis die Beerdigung vorüber ist und ich weiß, wie es weiter gehen soll."

"Keine Ursache. Eric ist geritten wie der Teufel, ich habe ihn schlafen geschickt. Ich denke, es war gut,dass ich ihr zumindest am Ende beistehen konnte. Es wird mich zwar in Teufels Küche bringen, wenn jemand erfährt, dass ich ihr die Beichte abgenommen habe, aber dann ist es eben so. Du hast das Richtige getan, Edward."
Er legte den Kopf zur Seite. "Ja, ich weiß nicht, ob das im Moment eine kluge Entscheidung wäre. Sie brauchen deine Nähe jetzt, Edward. Ich werde einen Eltern schreiben und ich bin sicher, sie werden umgehend herkommen. Ihre Großmutter um sich zu haben, wird den Kleinen gut tun und Joanna wird sich sicher auch ein wenig um Thomas kümmern. Er hat sie ja recht gern gehabt, wenn ich mich richtig erinnere. Wir packen das an, Junge."

Eric

Eric hatte Julias Tod durchaus getroffen, denn seit er in Edwards Diensten stand, war Julia immer freundlich zu ihm gewesen und hatte ihn der ihr eigenen Wärme und Offenheit aufgenommen. Aber Eric wusste, dass er nicht annähernd so schwer unter ihrem Tod litt, wie Edward. Und die Kinder.
Besonders für Thomas war es schwer gewesen und er hatte von seinem Vater gehört, dass Thomas seinem Stiefvater bittere Vorwürfe gemacht hatte - und das, nachdem das Verhältnis zwischen Edward und dem Jungen gerade ein wenig besser geworden war.
Eric seufzte und betrat die Stallungen, um seine übliche Runde zu drehen, nach Edwards Chouchou und dessen Ausrüstung zu sehen und um dabei ein wenig Ruhe zu finden. Als er jedoch die Boxentür des großen Rappen öffnete, musste er feststellen, dass er nicht der erste war, der die Gesellschaft der Pferde gesucht hatte.
"Na nu, Thomas, was machst du denn hier?" fragte Eric ein wenig verwundert und ging neben dem Jungen, der sich im Stroh zusammen gekauert und den Kopf auf den Knien abgestützt hatte, in die Hocke.

Thomas

Thomas fühlte sich grauenvoll und allein wie noch nie in seinem Leben. Als sein Vater gestorben war, hatte er wenigstens seine Mutter gehabt. Das war nicht ganz so schlimm gewesen. Aber jetzt hatte seine Mutter ihn auch noch allein gelassen. Allein mit diesem Stiefvater, der ganz allein Schuld daran war, dass sie tot war, weil er sie wieder geschwängert hatte. Er vermisste seine Mutter so sehr, dass es schmerzte und er hatte niemanden, der ihn einfach einmal in den Arm nahm, bei dem er das auch zugelassen hätte. Joanna war zwar nett, aber gar nicht seine richtige Großmutter. Also hatte er die Gesellschaft der Pferde gesucht, die ihn immer etwas tröstete.
Er konnte Edward zwar nicht leiden, aber Chouchou war ein wundervolles Pferd und er hatte das Gefühl, der große Rappe verstand ihn. So saß Thomas nun wie jeden Tag mehrere Stunden in der Box des Pferdes. Diesmal blieb er aber nicht allein, denn Eric öffnete die Boxentür.
Thomas drehte den Kopf weg und wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. "Ich werd ja schon gehen...ich wollte nur...meine Ruhe haben."

Eric

Eric sah, dass Thomas geweint hatte und das Mitgefühl, das er für den Jungen empfand, war so groß, dass es ihm unmöglich war es einfach zu ignorieren. Er schüttelte den Kopf. "Quatsch, du brauchst nicht zu gehen." erklärte er und setzte sich kurzer Hand neben Thomas ins Stroh.
Der Junge war genauso alt wie seine kleine Schwester Jane und Eric hatte eine Vorstellung davon, wie schwer es sein musste in dem Alter plötzlich so ganz ohne Eltern dazustehen. Er zögerte kurz, dann gab er sich einen Ruck und strich Thomas beruhigend über den Rücken. "Du bist traurig, hm? Ich schätze, mit Chouchou hast du dir einen ganz guten Trostspender ausgesucht."
Eric wusste, dass Thomas seltsamerweise auf dem Rappen reiten konnte, obwohl dieser doch sonst im Grunde niemanden außer Edward auf seinem Rücken duldete. Irgendeine Beziehung musste also zwischen den beiden bestehen, die er überhaupt nicht begreifen konnte. Aber wenn es dem Jungen ein wenig half, dann würde er ihn sicher nicht von hier vertreiben.

Thomas

Thomas war überrascht, als sich der Ältere einfach neben ihn setzte und ihm über den Rücken strich. Das tat gut, musste er zugeben, auch wenn es ihn wieder an den Rand der Tränen brachte. Er nickte kurz. "Und ich bin...wütend. Weil sie mich allein gelassen hat mit diesem Monster. Er ist ganz allein Schuld daran, dass sie tot ist.", brach es aus ihm heraus.
"Jeder bemitleidet ihn, dabei ist es seine Schuld. Und Chouchou ist der Einzige, der mich versteht." Er schluchzte leise auf, auch wenn er sich vor Eric keine Blöße geben wollte.
"Ich hasse ihn..."

Eric

Eric war erleichtert, dass Thomas ihn nicht abwies, denn er wusste genau, dass der Junge niemanden an sich heran ließ, dabei brauchte Thomas doch eigentlich gerade jetzt jemanden der ihm beistand. Eric wollte sich nicht anmaßen, zu denken, er sei der geeignete Mensch dafür, aber besser er war bei Thomas als keiner.
Es schockierte ihn allerdings etwas, wie tief der Hass auf Edward offenbar in dem Jungen saß, dass dieser zu solchen Worten fähig war. "Ich kann verstehen, dass du wütend bist." erklärte Eric langsam. "Aber Edward hat das ganz sicher nicht gewollt. Er würde alles tun, um deine Mutter zurück zu holen, wenn er nur könnte." versuchte Eric Thomas ein wenig zu beschwichtigen.
"Ich weiß, dass das schwer für dich ist. Deine Mutter war eine wundervolle Frau, ich habe sie wirklich gern gehabt." murmelte er leise und als er das leise Schluchzen hörte, konnte er gar nicht anders als Thomas in die Arme zu schließen. "Sch ... was ist, ich leihe dir meine Schulter zum Ausweinen und wir verraten es niemandem, in Ordnung?" schlug Eric leise vor.

Thomas

Thomas schüttelte leicht den Kopf. Es tat eigentlich ganz gut, dass einmal jemand ihm zuhörte, aber verstanden wurde er nicht wirklich. Niemand konnte das verstehen...
"Erst hat er uns hierher geschleppt und jetzt ist er Schuld, dass meine Mama tot ist. Mir egal, ob er das wollte, er ist trotzdem Schuld. Ohne dieses Kind wäre sie noch da. Er kann sie nicht zurück holen! Mir egal, was er würde, er kann es nicht!"
Und eigentlich war er doch noch viel zu klein um ganz ohne Mutter auszukommen. Er schaute Eric misstrauisch an, als dieser ihn in die Armenahm und kam dann zu dem Schluss, dass dieser ihn nicht auslachen würde.
Er gestattete sich, sich in die Arme zu schmiegen und dann brachen die ganzen Gefühle hervor, die er nur im Verborgenen zugelassen hatte, wenn er allein war. Die Tränen flossen unaufhaltsam über seine Wangen. "Ich vermisse sie so.."

Eric

"Nein, das kann er nicht, das ist wahr." murmelte Eric leise. Ihm lag einiges auf der Zunge, um Edward zu verteidigen, aber er entschied, dass jetzt nicht der passende Zeitpunkt dafür war, Thomas solche Dinge zu sagen. Der Junge würde es nicht begreifen können und höchstens abblocken. Deshalb schwieg Eric dazu und beschränkte sich dafür, einfach ein wenig für Thomas da zu sein.
Er war erleichtert als Thomas die Nähe zuließ, sich schließlich sogar etwas an ihn kuschelte und seinen Tränen freien Lauf ließ.
"Ich weiß. Und dass du sie so vermisst, zeugt davon, was für eine gute Frau sie gewesen ist. Behalte sie immer in deinem Herzen, Thomas, hörst du? Aber denk auch daran, dass sie sich gewünscht hat, dass ein ordentlicher Kerl aus dir wird. Mach ihr alle Ehre und gib nicht auf. Sieh nach vorne, gemeinsam schaffen wir das schon, was denkst du?"

Thomas

Thomas genoss die Nähe des Anderen und schloss die Augen, als er sich langsam wieder beruhigte. "Das werd ich...Ich versuch ja ihr Ehre zu machen, aber ich kann nichts tun. Ich darf ja nur zur Schule gehen in dieses blöde Kloster."
Er schwieg eine ganze Weile. Es wäre schön, wenn Eric ihn ein bisschen unterstützen würde. Dann würde er sich sicher nicht mehr so völlig einsam fühlen
"Hm...", machte er nur und schaute Eric dann von unten fragend an. "Eric...hilfst du mir bei meinen Hausaufgaben? Ich kann Latein nicht gut...ich verstehe nicht, warum ich das können muss."

Eric

Eric zerzauste Thomas die Haare ein wenig und lächelte leicht. "Das mag dir jetzt vielleicht langweilig vorkommen, aber später wird es dir viel nützen, dass du lesen und schreiben kannst. Damit stehen dir so viele Wege offen, Thomas, glaub mir." erklärte er ruhig.
Im nächsten Augenblick wurde Erics Blick sanft und er nickte entschlossen. "Na sicher helfe ich dir. Das kriegen wir schon hin. Was hältst du davon, wenn du mir hilfst Chouchou zu putzen und zu füttern und seine Ausrüstung zu kontrollieren und danach helfe ich dir bei deinen Hausaufgaben?" schlug Eric vor und war sichtlich erleichtert, dass Thomas sich nun doch recht leicht hatte ablenken lassen und sich ihm öffnete.

Thomas

"Wenn du meinst..." Thomas warf Eric einen skeptischen Blick zu, nahm das Ganze aber so zur Kenntnis. Wohin seine Zukunft ihn führen würde, wusste er ohnehin nicht so genau. as erschien ihm alles so weit fort zu sein.
Seine Augen leuchteten auf. "Ja!" Ein zaghaftes Lächeln huschte über sein Gesicht und er stand auf. Sich um Chouchou zu kümmern war eine vielversprechende Aussicht und dann würde Eric ihm bei diesem grässlichen Latein helfen.
Das machte die Lage doch etwas weniger aussichtslos und es lenkte ihn ab.

Edward stand im Innenhof der Burg und wollte lieber nicht allzu genau darüber nachdenken, was es bedeutete, dass seine Mutter und John heute wieder abreisen würden. Sie hatten ihm durch die letzten Tage geholfen und er wusste nicht, wie er all das hätte bewältigen sollen ohne ihre Unterstützung. Allein Julias Beisetzung ... das zu organisieren hätte ihn völlig überfordert.
Doch auch dieses schreckliche Ereignis lag nun hinter ihm und weder seine Mutter noch John konnten ewig hier bleiben und ihm unter die Arme greifen. Das sah er ja durchaus selbst ein, aber es war trotzdem schwer. Es würde fürchterlich einsam hier sein ...
Er trat zu seiner Mutter und schluckte leicht. "Ich bin wirklich froh, dass du hier warst." erklärte er leise. Sie hatte ihn getröstet und hatte es meisterhaft verstanden die Kinder abzulenken. Auch hatte sie ihm bei der Auswahl einer zweiten Kinderfrau geholfen, damit die Kleinen immer gut betreut waren, besonders auch wenn Edward wieder an den Hof musste.

Joanna war selten etwas so schwer gefallen, wie ihren Sohn so zu sehen. Edward litt so unendlich und sie konnte ihn verstehen. Würde sie William verlieren, ginge es ihr wohl ähnlich. Sie hatte ihr Bestes getan um ihm beizustehen, die Kinder abzulenken und Edward möglichst viel Organisation abzunehmen.
Doch nun wurde es Zeit, sie musste langsam zurück nach Hause.
Sie zog Edward in ihre Arme umd strich ihm durch die Locken. "Ich würde jederzeit wieder kommen, wenn du mich brauchst, Edward. Bist du sicher, dass ich dich allein lassen kann? Lass dich nicht entmutigen, mein Schatz, ja? Es wird schwer werden, aber du wirst es schaffen. Ich glaube an dich. Wir werden dich bald wieder besuchen kommen, dann bringe ich deinen Vater mit. Er war so niedergeschlagen, dass er mich nicht begleiten konnte."

Edward ließ zu, dass seine Mutter ihn in die Arme nahm und gab sich einen Moment lang noch einmal ihrer beruhigenden Nähe hin. Er legte die Arme um sie und schloss die Augen als sie ihm durch die Haare strich. "Sicher nicht, aber es hilft ja nichts, es muss ja irgendwann weiter gehen." erwiderte Edward. Auch, wenn er beim besten Willen noch nicht wusste, wie genau es eigentlich weiter gehen sollte. Er fühlte sich so furchtbar leer ...
Er lächelte leicht und nickte. "Ich würde mich freuen. Vielleicht komme ich bald mal mit den Kindern nach Truro, das würde ihnen sicher auch ganz gut tun." entgegnete er und hauchte seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. "Grüß in Truro alle von mir, ja?" bat er seine Mutter dann.

Joanna seufzte leise. "Ja, ich weiß. Und es wird weitergehen, du wirst es sehen. Wenn etwas ist, schnapp dir die Kinder und komm zu uns. Du weißt, dass du in Truro jederzeit willkommen bist. Es ist genug Platz für euch."
Sie drückte ihn noch einmal fest an sich, ehe sie sich langsam von ihm löste. "Das würde uns sehr freuen. Und ich werde alle von dir grüßen. Bleib tapfer, mein Sohn, ja?" Sie bedachte ihn mit einem liebevollen Blick, ehe sie sich ihrem Pferd zuwandte und in den Sattel stieg. Es machte sie unruhig ihn so allein zurück zu lassen, aber irgendwann musste das Leben weitergehen...

Es schmerzte, sich jetzt von seiner Mutter verabschieden zu müssen, aber es war, wie er gesagt hatte, sie konnte nicht ewig bleiben, irgendwann musste es weiter gehen. Edward nickte leicht. "Ich werde mir Mühe geben." erklärte er und beobachtete wie seine Mutter schließlich in den Sattel stieg.
Dann wandte er sich John zu und schloss den Arzt ebenfalls noch einmal in die Arme. "Danke für alles, John. Ohne dich ... ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen. Ich stehe wirklich tief in deiner Schuld für diese Sache." Edward wusste, dass er John keine Schuld an Julias Tod geben durfte. Er hatte alles versucht, was möglich war und dafür war er ihm unendlich dankbar. "Du hast all die Jahre immer zu uns gestanden, auch wenn du den Kopf über mich geschüttelt hast. Du hast keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet. Ohne dich hätte ich sie vermutlich nie heiraten können." erklärte Edward mit etwas heiserer Stimme.

John klopfte Edward auf die Schulter. "Keine Ursache, mein Junge. Ich tat, was ich konnte und ich tat es gern. Es tut mir nur leid, dass ich nicht mehr tun konnte. Ich hatte irgendeine Ahnung, dass ihr zusammen gehört, schätze ich. Ich hätte euch nicht einfach im Stich lassen können, so bin ich einfach nicht. Und irgendwann war ich zu sehr an euch gebunden um einfach wegzusehen. Erinnere dich an die Zeit, die ihr hattet, Edward, und irgendwann wirst du mit Freude an die schönen Momente zurückdenken können. Vertrau mir..."
Er lächelte leicht. "Leb wohl, Edward. Bis zum nächsten Mal. Ich denke, allzu lange wird es nicht dauern, bis wir uns wiedersehen."

Edward fuhr sich etwas müde über die Augen und griff dann nach seinem Becher. Er leerte den Wein mit einem großen Zug und lehnte sich etwas zurück. Er hatte den Morgen bereits mit einem Becher Wein begonnen und seit dem darauf geachtet, dass sein Becher nie wirklich leer wurde, denn nachdem seine Mutter und John abgereist waren, hatte er schnell festgestellt, dass er diese elende Einsamkeit mit dem ein oder anderen Becher Wein besser ertragen konnte.
Er starrte auf die Unterlagen auf seinem Tisch und runzelte die Stirn. Das beste würde es sein, wenn er in Kürze wieder an den Hof reiste, dort würde er ein wenig Ablenkung finden und all das Elend hier zurück lassen können. Er war sich nur noch nicht sicher, was er in der Zeit mit den Kindern machen sollte. Ob er sie mit ihren Kinderfrauen hier in Oxford lassen sollte oder ob es vielleicht besser wäre, sie in der Zeit nach Truro zu bringen. Die Kleinen würden sicher ganz gerne dort sein, aber Edward ahnte jetzt bereits, dass Thomas aus Prinzip schon gegen seine Entscheidung rebellieren würde. Der kleine Teufel schien sich vorgenommen zu haben, ihm das Leben jetzt erst Recht schwer zu machen und Edward fiel es zusehend schwerer nachsichtig mit dem Jungen zu sein.

Thomas

Thomas war ganz und gar nicht bereit seinem Stiefvater unter die Augen zu treten, aber da Eric gesagt hatte, er müsse Edward selber fragen, ob sie zusammen ausreiten durften, musste er da wohl durch. Eric und die Pferde hatten ihm ein klein wenig Halt gegeben und er genoss die Gesellschaft seines älteren Freundes.
Unbehaglich klopfte er an die Tür zum Arbeitszimmer seines Stiefvaters und trat vorsichtig ein. "Mylord, ich wollte Euch bitten mit Eric einen Ausritt machen zu dürfen.", brachte er etwas stotternd und mehr als nervös hervor. Er ahnte schon, dass Edward ablehnen würde nur um ihm zu schaden. Vielleicht auch als Strafe dafür, dass Thomas ihn immer noch so förmlich ansprach. Noch mehr als vorher...

Edward hatte sich gerade neuen Wein aus der Karaffe auf seinem Tisch eingegossen als es an der Tür klopfte. Unwillig bat er den Besucher herein, eigentlich hatte er doch nur seine Ruhe haben wollen ...
Er runzelte irritiert die Stirn als sein Stiefsohn den Raum betrat. Normalerweise brachte nichts auf der Welt Thomas dazu freiwillig hier her zu kommen.
Edwards Hand schloss sich etwas fester als nötig um den Weinbecher und er kämpfte einen Moment mit der Beherrschung. "Du kannst es nicht sein lassen, so zu reden, was?" knurrte er etwas ungehalten und sah Thomas dann skeptisch an. "Bist du überhaupt schon mit deinen Hausaufgaben fertig? Du weißt, dass du erst alles erledigen musst, bevor du dich verdrückst."