William und Joanna - 1188 bis 1189

Robert fuhr sich durch das Haar, als er seinen Bruder aufsuchte. Er wünschte, nicht er müsste diese Nachricht überbringen, aber es half ja nichts.
"Er steht da, weil Richard der Meinung ist, es ist besser, wenn du uns noch bis Morgen beehrst, als Gast. Er möchte nicht, dass Henry Aufwind bekommt und die Vereinbarung über den Haufen wirft. Henry hat unterschrieben, aber danach kam es zu einer sehr hässlichen Szene, weil er vom Verrat seines Sohnes erfahren hat. Das hat ihn hart getroffen."
Er seufzte leise.
"Er ist in einer Sänfte abgereist, hast du das gesehen? Er ist sehr angeschlagen."

Edward lachte bitter. "Als Gast! Aber ich pfeife auf Richards Gastfreundschaft! Was soll denn passieren? Ihr habt uns so vernichtend geschlagen, dass Henry nicht einmal zu Verhandlungen hergekommen ist, sondern unterzeichnen musste, was Richard ihm vorgelegt hat. Es ist absurd zu behaupten, es würde etwas ändern, wenn ich nun endlich gehen könnte."
Edward starrte Robert einen Moment lang mit zusammen gebissenen Zähnen an, dann nickte er steif. "Habe ich. Ein Grund mehr für mich endlich zu gehen." erwiderte Edward. Er sollte an der Seite seines Königs sein, besonders jetzt wo sie eine solche Niederlage hatten hinnehmen müssen und wo es Henry offensichtlich schlecht ging.

Robert verschränkte unbehaglich die Arme vor der Brust. "Ed...ich kann es nicht ändern, es ist nicht meine Entscheidung. Es ist Richards....und er wird der nächste König von England. Sicher haben wir euch vernichtend geschlagen, aber Henry ist ein Sturkopf und das weißt du. Richard ist nur vorsichtig, auch wenn es nichts ändern wird. Und denkst du wirklich, ein Tag macht so viel aus? Nach so vielen vergangenen Tagen?"
Robert nickte kurz. "Denk nicht, ich könnte dich nicht verstehen....ich hätte dich liebend gern heute frei gelassen, aber das steht nicht in meiner Macht. Du wirst noch ein paar Stunden Geduld haben müssen. Vielleicht kann ich erreichen, dass du bei Sonnenaufgang gehen darfst."

"Armes England." brummte Edward leise. "Ja, weil es ein weiterer vergeudeter Tag ist. Jeder einzelne Tag hier ist zu viel." Er ballte kurz die Hände zu Fäusten und rang einen Moment mit sich, dann schüttelte Edward den Kopf. "Du verstehst es nicht, Robert. Du kennst ihn nicht, sonst würdest du es verstehen. Henry würde nie, nie in eine Sänfte steigen, wenn es nicht unvermeidlich ist. Besonders nicht nach einer Niederlage, wenn es doch darum geht, jeden Funken Würde den man noch hat, aufrecht zu halten." Edward senkte kurz den Blick und atmete tief durch. "Du fragst mich, ob ich denke, dass ein Tag so viel ausmacht? Ich will dir die Antwort geben, die ich dir nur von Bruder zu Bruder geben kann, nur im absoluten Vertrauen: Ja, das denke ich. Ja, ich denke, dass im Moment ein Tag sehr viel ausmacht. Vielleicht sogar alles oder nichts." Und vor diesem Gedanken fürchtete Edward sich so sehr, dass es ihn beinahe lähmte. Seit er Henry von hier aus bei seiner Ankunft beobachtete hatte, hatte Edward ein schlechtes Gefühl gehabt und die Art und Weise wie Henry abgereist war, hatte dieses Gefühl nur verstärkt.

"Ich weiß, ich weiß...aber wie ich schon sagte, nicht meine Entscheidung." Robert lauschte Edward mit gerunzelter Stirn. "Ich dachte mir so etwas auch schon. Es ist...ungewöhnlich, dass Henry solche Schwäche zeigt. Aber er ist auch mehr schwankend aus der Halle getorkelt als geradeaus gelaufen. Vater hat sich seiner angenommen."
Sein Blick wurde besorgt. Sie alle hatte gehofft, dass Richard die Nachfolge seines Vaters antreten würde, aber sollte es wirklich so bald geschehen?
"Du denkst, der König wird sich nicht erholen? Du denkst, er wird sterben? Gott steh uns bei, Ed." Das war nun wirklich schockierend.
"Ich...ich werde sehen, ob ich Richard doch überzeugen kann dich gehen zu lassen....viel Hoffnung habe ich aber nicht."

Edward schloss einen Moment lang die Augen. Mehr getorkelt als gegangen ... das sagte doch schon alles. "Ich weiß es nicht, Robert. Ich weiß es wirklich nicht, aber ja, ich fürchte mich davor, dass es so sein könnte. Und seit Henry hier vom Pferd gestiegen ist, habe ich mehr Gebete zu Gott gesprochen als ich es sonst vermutlich innerhalb eines ganzen Jahres tue."
Edward trat auf Robert zu und packte ihn an der Schulter. "Wehe, du sagst ihm etwas davon. Wehe, du sagst Richard was für eine verdammte Angst ich davor habe, dass ausgerechnet sein Vater sterben könnte." wisperte Edward eindringlich.
Er wollte nicht, dass solche Gerüchte hier die Runde machten, nur weil er hier in der Gefangenschaft angefangen hatte überall dunkle Schatten zu sehen.

"So wie er aussah, ist es nicht sehr weit her geholt. Und du hättest seinen Gesichtsausdruck sehen sollen, als er begriffen hat, dass es keine Lüge von Richard war, dass John wirklich übergelaufen ist und ihn verraten hat. Ich glaube, das hat ihm den Rest gegeben. Auch Gott erhört nicht all unsere Gebete, Ed. Das mussten wir alle schon schmerzlich feststellen."
Robert verengte die Augen. "Ed, wenn du es mir von Bruder zu Bruder anvertraust, warum in Gottes Namen sollte ich zu Richard laufen um es ihm brühwarm weiter zu erzählen? Meine Loyalität gehört zuerst meiner Familie."
Er seufzte. "Ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Aber wenn Henry jetzt stirbt, kommen erst einmal turbulente Zeiten auf uns zu, fürchte ich."

Edward ballte die Rechte zur Faust, so fest, dass sich seine Fingernägel in seinen Handballen gruben. "John diese Ratte soll nur ja zusehen, dass er mir so schnell nicht wieder über den Weg läuft." grollte Edward. Er ahnte, was diese Nachricht für Henry bedeutet hatte, hatte dieser sich doch schließlich mit Richard überworfen, weil er John als seinen Nachfolger hatte haben wollen. All dieses Leid war nur wegen John über sie gekommen und dieses Aas verriet seinen Vater bei erster Gelegenheit.
Edward bedachte Robert mit einem langen Blick und lächelte dann leicht. "Oh, wenn es nur so einfach wäre, Rob." murmelte er. "Wenn es nur so einfach wäre." Sie mochten sich alle einreden, dass die Familie an erster Stelle kam und doch war es bei weitem komplizierter. Sonst hätte er selbst Robert damals einfach laufen lassen und ihn nicht zu Henry gebracht, sonst hätte Robert ihn fort geschafft ohne Richard davon zu erzählen ... nein, ganz so simpel waren die Dinge nicht.
Edward nickte langsam. "Dafür wäre ich dir sehr verbunden."

Es war Dämmerung geworden und Richard hatte nur in Aussicht gestellt, darüber nachzudenken, Edward bei Sonnenaufgang abreisen zu lassen. Robert wusste, dass das vielleicht zu spät sein konnte um Henry noch rechtzeitig zu erreichen, sollte in Chinon der schlimmste Fall eintreten.
Also hatte er sich ein Herz gefasst und die Wache unter einem Vorwand fort geschickt. Er betrat die Tür und warf einen Beutel mit Essen auf das schmale Bett.
"Zieh dich an und pack deine Sachen, rasch. Im Innenhof steht ein Pferd für dich bereit, aber wir müssen uns beeilen, bevor uns jemand sieht.", erklärte er.
Er würde Richard die Sache später erklären, aber nach seinen Verdiensten im Krieg, würde Richard ihm verzeihen müssen.
Edward war sein Bruder, das konnte er nicht ignorieren.
"Wie du siehst, ist es einfach."

Edward saß im Schneidersitz auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt und hatte die Augen geschlossen. Stunde um Stunde war vergangen und er war noch immer hier, nichts hatte sich geändert. Es plagte ihn, nicht zu wissen, wie es tatsächlich um Henry stand und ob er hier heute wertvolle Stunden vergeudet hatte. Er war gerade bei einem weiteren Gebet zu Gott, bat ihn darum Einsicht zu haben, als sich die Tür öffnete und Robert herein kam.
Edward sah seinen Bruder verblüfft an und wollte etwas sagen als ihm bewusst wurde, was Roberts Worte bedeuteten. Eilig kam er auf die Füße, kleidete sich in Windeseile an und stand nur wenige Augenblicke später vor seinem Bruder. Viel zu packen hatte er ja schließlich nicht.
Kurz blieb er vor Robert stehen und zog seinen Bruder an sich. "Danke." murmelte Edward leise. "Du hast ja keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet ..."

Robert beobachtete, wie Edward begriff und alle Vorbereitungen traf, die er hier treffen konnte. Dann erwiderte er dessen Umarmung.
"Pass auf dich auf. Ich habe so eine Ahnung, was es bedeutet. Und selbst der ärgste Feind sollte nicht allein und ohne die sterben, die ihm etwas bedeuten. Außerdem glaube ich, dass Vater etwas Halt und Unterstützung brauchen wird."
Er räusperte sich. "Wenn du Henry bei klarem Verstand vorfindest, richte ihm aus, damit sehe ich unsere Rechnung als beglichen an.", sagte er ernst und führte Edward dann auf verschlungenen Wegen durch die Burg in den Innenhof.
"Hier. Das Pferd ist leider ein wenig störrisch, aber es wird ausreichen, bis du in Chinon auf Chouchou triffst." Es hatte eben ein Pferd sein müssen, dass Richard nicht vermissen würde.

Edward schluckte schwer und nickte dann. "Das werde ich." versicherte er Robert und folgte ihm dann durch die Gänge nach draußen. Sie hatten Glück und begegneten unterwegs niemandem und auch der Innenhof war völlig ruhig und menschenleer.
Edward strich dem Pferd kurz über den Hals und lächelte dünn. "Es wird schon gehen." bemerkte er und stieg dann in den Sattel. "Ich danke dir, Robert. Ich bin dir dafür wirklich was schuldig." Es bedeutete ihm unheimlich viel, dass Robert dieses Risiko auf sich nahm. Und bevor die Rührung darüber ihn noch zu überwältigen drohte, wendete Edward das Pferd. "Gib auf dich Acht, Bruderherz."

Edward hatte unterwegs in der Tat Auseinandersetzungen mit dem Wallach gehabt, den Robert ihm zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte gebockt, war gestiegen oder hatte Vollbremsungen eingelegt. Nachdem er aber gemerkt hatte, dass Edward nicht so leicht los zu werden war, hatte er sich gefügt und Edward nach Chinon getragen.
Dort hatte dieser sein Pferd an einen Stallburschen übergeben und die Burg betreten. In der Halle lief er seinem Vater in die Arme. Er umarmte ihn fest.
"Vater!" Es war viel zu lange her. So lange Wochen war er gefangen gewesen. "Wie geht es dem König? Er ist doch....er ist doch am Leben?"
Was würde nur geschehen, sollte Henry es nicht schaffen?

William verbrachte die meiste Zeit des Tages und auch der Nacht an Henrys Seite, gestattete sich nur hin und wieder seinen Cousin in der Obhut anderer zu lassen. So war er gerade in der Halle, hatte ein wenig gegessen und wollte sich wieder auf den Weg zu Henry machen als sich die Tür öffnete und Edward herein kam. William eilte auf seinen Sohn zu und schloss ihn fest in die Arme. "Gott sei gepriesen ..." murmelte er leise, ehe er seinen Sohn wieder frei gab. William atmete tief durch und nickte langsam. "Das ist er. Aber es geht ihm sehr schlecht. Schon bevor wir nach Azay-le-Rideau gekommen sind, war die Krankheit schlimm, aber ich dachte, wenn er nur endlich Ruhe bekommen würde, würde es schon wieder werden." William fuhr sich müde über das Gesicht. "Aber dass John bei Richard war ... ich glaube, das hat alles zu nichte gemacht." murmelte er. Es war als hätte Henry nach diesem Verrat einfach aufgegeben, als fehle ihm die Kraft jetzt noch weiter zu kämpfen.

Edward atmete tief durch. Endlich war er wieder dort, wo sein Platz war, wo er hin gehörte. "Gott steh uns bei....Ich habe gebetet, dass ich rechtzeitig hier sein würde. Robert sagte bereits, Henry habe nicht gut ausgesehen. Was ist mit den Ärzten? Kann keiner von ihnen helfen? Was ist mit Lucas? Irgendein Mittel muss es doch geben, dass Henry Erleichterung verschaffen kann."
Seine Miene verfinsterte sich.
"John, dieses Stück Dreck...Ich begreife nicht, wie er seinen Vater so verraten kann. Henry hat alles für ihn getan. Alles...."
Edward ballte kurz die Hände zu Fäusten. "Bist du gerade auf dem Weg zu Henry? Ich werde dich begleiten."

William lächelte matt. "Nun, immerhin das Gebet scheint er erhört zu haben." Williams eigene Gebete schienen in den letzten Tagen einfach nur so zu verhallen. Vielleicht waren sie auch zu vermessen, gut möglich, aber er versuchte es trotzdem wieder und wieder, bat Gott um Henrys Leben.
William seufzte leise und schüttelte den Kopf. "Lucas tut was er kann, aber er sagt, solange Henry nicht leben will, kann auch er nichts gegen die Krankheit tun." erklärte William leise. "Er gibt Henry Tränke um das Fieber zu senken und die Schmerzen leichter zu machen, aber Henry müsste kämpfen, um die Krankheit zu besiegen und das ..." William musste abbrechen, da seine Stimme zu versagen drohte. Er räusperte sich kurz, dann sprach er ein wenig heiser weiter. "Das tut er nicht mehr. Es war schon schlimm als Richard uns förmlich hier her gejagt hat, aber Johns Verrat ..." William schüttelte den Kopf.
"Ja. Geoffrey und Marshal sind gerade bei ihm, ich wollte die beiden ablösen. Komm, ich bringe dich zu ihm."

Edward nickte knapp. "Das hat er wohl. Aber wenn sogar Lucas ihm nicht helfen kann, kann es niemand, denke ich. Vielleicht....vielleicht bekommt er noch einmal die Kurve. Er kann doch England nicht einfach so sich selbst überlassen, alles aufgeben und sterben....er hat so hart für all das gekämpft."
Auch seine Stimme war ein wenig brüchig.
"Ja, John hat ihm den Todesstoß versetzt. Wenn ich ihn jemals in die Finger bekommen sollte, werde ich ihm eigenhändig das Genick brechen."
Edward schluckte.
"Ja, lass uns gehen...Ich bin wie der Teufel geritten um rechtzeitig hier zu sein." Das Pferd warr zwar bockig gewesen, aber ausgesprochen zäh.

William starrte geradeaus und hob leicht die Schultern. "Henry hat schon immer das getan, was er wollte." erwiderte er lediglich und führte Edward aus der Halle. Er konnte und wollte sich eine Welt ohne Henry ebenfalls nicht vorstellen, insgeheim fürchtete er sich unglaublich davor, aber noch versuchte er diese Gedanken immer wieder von sich zu schieben, er konnte es einfach nicht wirklich begreifen, nicht zulassen, dass es womöglich mit Henry zu Ende ging.
Kurz legte William seinem Sohn im Gehen die Hand auf die Schulter. "Gut von dir. Er wird sich freuen, dich zu sehen. Bloß gut, dass Richard dich endlich hat gehen lassen."

"Ja, das hat er wohl. Er hat seinen eigenen Kopf, selbst jetzt noch..." Und er war immer so gerecht ihm gegenüber gewesen. Ein strenger, aber fähiger Lehrmeister.
Edward lief mit seinem Vater durch die steinernen Gänge und seufzte leise. Womit hatten sie nur diese schweren Zeiten verdient? Sicher würde Richard kein schlechter König sein, aber es war einfach noch nicht seine Zeit. Und er war mitschuldig am möglichen Tod seines Vaters.
Edward grinste flüchtig. "Nun, es war nicht Richard. Richard wollte warten bis Sonnenaufgang. Robert hat mich auf eigene Faust befreit und mir ein Pferd und proviant besorgt, weil er fand, dass sellbst seine Feind nicht ohne die sterben sollen, die ihnen lieb und teuer sind."

William sah Edward überrascht an. "Tatsächlich? Nun, dann sei deinem Bruder wahrlich gedankt dafür, dass er so viel Verstand und Feingefühl besitzt ... aber das bedeutet auch, dass in Richards Lager nur darauf gewartet wird, dass Henry dahin scheidet, hm? Wenn Robert dich schon deshalb gehen lässt." Das war eine Vorstellung, die William gar nicht behagte. Schlimm genug, dass Richard seinen Vater förmlich in den Tod getrieben hatte, nun lauerten er und seine Anhänger auch schon wie die Aasgeier über Henrys Erbe.
William hielt vor dem Gemach des Königs an, klopfte an die Tür und wartete bis von drinnen jemand an die Tür trat, um zu öffnen. Es war William Marshal, der ihnen die Tür aufhielt und seine Miene zeigte deutliche Erleichterung als er Edward entdeckte. "Gütiger Gott, es ist gut, dass Ihr endlich wieder hier seid, Mylord. Der König wird sich freuen."

Edward nickte. "Es hat mich überrascht, dass er sich dazu entschieden hat. Aber du irrst dich. Ich habe mit Robert im Vertrauen darüber gesprochen und ich denke, kaum jemand ahnt, wie schlimm es um Henry wirklich steht. Und er wird nichts tun, um Gerüchte zu schüren. Richard kennt seinen Vater natürlich gut genug, aber ob ihm wirklich bewusst ist, wie ernst es ist...."
Edward schenkte William Marshal ein höfliches Lächeln. "Oh ja, ich bin auch froh, endlich wieder in Freiheit zu sein..."
Er betrat den Raum und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Er erschrak, als er Henry sah. Er sah wirklich aus wie dem Tode geweiht.
"Mein König..."

William nickte erleichtert. "Das ist gut, wenigstens etwas, worum wir uns gerade keine Gedanken machen müssen." erwiderte er und ließ Edward den Vortritt, damit dieser schon einmal zu Henry gehen konnte, während er selbst noch ein paar Worte mit seinem Schwiegersohn wechselte.
Henry wandte ein wenig den Kopf als er Schritte näher kommen hörte. Er tat es eher unwillig, er war müde und hatte eigentlich kein Interesse sich nun schon wieder mit irgendwelchem, ohnehin belanglosem Zeug auseinander zu setzen.
Doch als er sah und hörte, wer da an sein Bett kam, hellte sich seine Miene etwas auf. "Edward!" Er klang etwas heiser, räusperte sich und lächelte matt. "Hast du unverschämter Bengel dich also doch noch entschlossen wieder her zu kommen." bemerkte er mit sanftem Spott. Er wusste ja nur zu gut, dass Edward nicht freiwillig fern geblieben war, aber Henry wollte auch nicht so unverblümt zugeben, dass er sich freute den Jungen so kurz vor dem Ende noch einmal zu sehen.

Edward musste schwer schlucken, als Henry auf ihn reagierte und er die Freude in seinem Gesicht ausmachen konnte. Dennoch wirkte Henry matt und ausgebrannt, das Gesicht fahl. Aber immer noch war der alte Henry da, der immer einen spöttischen Spruch oder einen Scherz auf den Lippen hatte.
"Das habe ich, Sire. Man sieht ja, was dabei heraus kommt, wenn ich Euch allein lasse.", bemerkte er und bemühte sich um ein schiefes Lächeln. "Ich bin gekommen, sobald ich konnte."
Edward griff nach Henrys Hand.
"Ihr müsst wieder auf die Beine kommen, Sire. Gemeinsam schaffen wir das sicherlich. Jetzt sind wir ja alle gemeinsam hier."
Er drückte seine Hand leicht. "Ihr müsst alles tun, um gesund zu werden. England braucht Euch. Wir alle brauchen Euch."

Henry lachte bei Edwards Worten, musste allerdings rasch anfangen zu husten und rang anschließend einen Moment nach Atem. Er sah kurz auf seine Hand, die nun in Edwards lag und dann wieder in das Gesicht des jungen Earls. "Ich weiß. Ich weiß, dass du das getan hast." Edward war seinem Vater in diesem Punkt so ähnlich, Henry vertraute dem Jungen voll und ganz, auch wenn er wusste, was für ein Querkopf er noch immer war.
"Gut von dir solche schmeichelhaften Dinge zu sagen." erwiderte Henry mit einem müden Lächeln. "Aber mir scheint, als sei der Kreis der Menschen, der so denkt, doch erheblich geschrumpft. Sieh dich nur einmal in der Burg um ..." Fast alle waren sie zu Richard übergelaufen. Sogar John.
Und Henry war unglaublich müde, er war sich nicht sicher, ob er überhaupt noch die Anstrengung unternehmen wollte, gegen diese Krankheit anzukämpfen. Nicht nach all den Niederlagen und dem Verrat. Und wenn er all das hinter sich ließ, dann würde er wenigstens endlich wieder bei Jane sein. Dieser Gedanke war ihm schon häufiger gekommen in den letzten Tagen und war immer verlockender geworden. Seine liebe, süße Jane ... wie lange sie doch schon auf ihn wartete ...

"Nie könnte ich etwas Anderes tun als das, Sire. Wie könnte ich Euch im Stich lassen? Ich habe einen Eid geleistet und Ihr wart immer wie ein zweiter Vater für mich.", erklärte Edward sanft.
Er schüttelte den Kopf. "Nichts als die Wahrheit. Wie klein der Kreis auch sei, es gibt immer noch Menschen, die an Euch glauben, sonst wären wir alle nicht hier. Und niemand zweifelt daran, dass Ihr der rechtmäßige König seid. Der Krieg ist vorbei..."
Edward versuchte wirklich, Henry ein bisschen zuversichtlicher zu stimmen und ihm Mut zu machen. Er musste kämpfen.
"Ihr gebt nie auf, habt Ihr das schon vergessen? Wo ist der Mann hin, der so wagemutig England für sich erobert und alle Zweifler eines Besseren belehrt hat?"