William und Joanna - ab 1190 bis 1191

Elena

Elena wurde ein wenig rot. "Oh, dein Vater hat gemerkt, dass ich...dich anhimmele? Wie peinlich...Er fand es bestimmt amüsant das zu beobachten. Ich müsste ihm wirklich dankbar sein dafür, aber es ist mir etwas unangenehm."
Aber sie war John wirklich dankbar dafür, dass er dafür gesorgt hatte, dass Lucas aus seinem Schneckenhaus kam und sie ansprach, seine Umwelt überhaupt wieder wahrnahm.
Cathie schien diese Auffassung zu teilen. Sie grinste vielsagend und nickte. "Lass dir nur Zeit, Brüderchen, ich habe es nicht eilig.", erwiderte sie und zog sich dann in den Nebenraum zurück, damit die beiden Turteltauben sich lösen konnten. Sie würde ihrem Bruder unbedingt auf den Zahn fühlen müssen. Aber das Mädchen gefiel ihr.

Lucas

Lucas grinste leicht. "Das hat er. Aber mach dir keine Gedanken, er weiß, dass wir beide ihm dafür sehr dankbar sind und es muss dir auch nicht unangenehm sein. Nicht mehr als mir, der schließlich erst von seinem Vater darauf aufmerksam gemacht werden musste, dass mich eine so reizende Frau in ihre Herz geschlossen hat."
Lucas wartete bis Cathie gegangen war, dann küsste er Elena noch ein letztes Mal. "Nun, ich glaube, ich muss meiner Schwester erst einmal Rede und Antwort stehen. Bis später." erklärte Lucas sanft und strich Elena noch einmal über die Wange, ehe er sich abwandte und zu Cathie nach nebenan ging.

Cathie hatte sich ins Nebenzimmer zurückgezogen und studierte gerade neugierig ein paar Mitschriften der Ärzte über verschiedene Krankheiten. Sie wusste, dass ihr Mann und ihr Vater, nun auch Lucas der Ansicht warne, dass man möglichst viel Wissen erhalten sollte für spätere Generationen, indem man es aufschrieb. Eine sehr löbliche Einstellung, musste sie feststellen. Diese Dinge waren hoch interessant und man konnte sie immer wieder nachlesen.
Cathie setzte sich in einen der Sessel und schlug die Beine übereinander, damit sie entspannt auf ihren Bruder warten konnte. Als dieser schließlich eintrat, grinste sie breit.
"So, Bruderherz, und jetzt kläre mich einmal über den Stand der Dinge auf. Offenbar war das Geschenk die richtige Idee für das Erntefest und du liegst ihr zu Füßen. Kaum zu glauben, dass du dein Schneckenhaus verlässt."

Lucas

Lucas ließ sich Cathie gegenüber nieder und fuhr sich durch die braunen Locken. "Ja, das war es wirklich. Ich kann dir gar nicht genug dafür danken." erwiderte Lucas und grinste dann ein wenig verlegen. "Der Stand der Dinge ... nun, du bist quasi in unseren ersten Kuss herein geplatzt."
Er lachte leise und nickte. "Ja, kaum zu glauben, aber wahr. Elena ist ... wirklich etwas besonderes. Ich könnte mich ärgern, dass ich das nicht schon viel eher erkannt habe. Aber besser etwas später als nie." Aber Cathie hatte Recht, er lag Elena tatsächlich zu Füßen, konnte sich ihr absolut nicht mehr entziehen. Sie hatten so viel gemeinsam, genossen die Zeit zusammen, Lucas wollte das nie wieder missen.

Cathie machte eine wegwerfende Geste. "Ach, keine Ursache. Ich kenne so viele Leute im Dorf, es war ein Kinderspiel und so ein Armband ist schnell gemacht. Irgendwie muss ich mir ja die Zeit vertreiben, wenn ich schwanger bin und Azeem mich am liebsten einsperren würde. Da lernt man solche Dinge eben." Sie verzog ein wenig zerknischt das Gesicht.
"Oh, das tut mir leid. Ich wollte euch das nicht kaputt machen. Aber sich so einen öffentlichen Ort für den ersten Kuss zu suchen ist auch ein bisschen unklug, Lucas."
Cathie strich eine Strähne hinter ihr Ohr und lächelte. "Ich bin froh, dass du sie gefunden hast. Sie tut dir gut. Wann wirst du ihr einen Antrag machen?"

Lucas

"Trotzdem, mir war es wirklich eine große Hilfe und die Farben waren genau die gleichen, die sie auch für ihre Haarbänder hatte. Wie stellst du sowas nur immer an?" Fragte Lucas schmunzelnd. " Ach, er will dich ja nur schützen. Wenn du schwanger bist, macht er sich halt Sorgen um dich."
Lucas winkte ab. "Unsinn, schon in Ordnung. Ich weiß, dass der Platz nicht ideal war, aber es war auch nicht wirklich geplant. Es ... ist einfach passiert."
Er lächelte zärtlich. "Das habe ich in letzter Zeit erstaunlich häufig gehört." Stellte er amüsiert fest, dann seufzte er leise. "Bald. Ich kenne Vaters Antwort auf die Frage zwar im Grunde schon, aber ich denke, anstandshalber sollte ich zuerst mit ihm darüber sprechen."

Cathie lächelte geheimnisvoll. "Ich habe so meine Beziehungen, Lucas. Du bist als Arzt gut und das ist es, worin ich gut bin. Es gibt vermutlich wenige Dinge in diesem Dorf, die ich nicht weiß. Und wenig, was ich nicht herausfinde. Man muss nur die richtigen Menschen fragen.", erklärte sie nicht ohne Stolz. Diese Gabe hatte sich schon sehr oft als nützlich erwiesen.
"Er macht sich Sorgen, ja, ich weiß. Es ist trotzdem langweilig. Das ist das Schlimme an euch Ärzten. Da ihr wisst, was passieren kann, seid ihr noch vorsichtiger. So wird es bei dir auch sein."
Cathies Augen funkelten zufrieden auf. "Sehr gut. Ich hätte ehrlich gesagt geglaubt, dass du in Panik verfällst, wenn ich dich auf eine Hochzeit anspreche. Sie tut dir wirklich gut, ich bin völlig erstaunt. Und ich erwarte, dass du mich deine Hochzeit organisieren lässt, wenn es soweit ist. Natürlich ist Vater einverstanden, er wartet doch nur darauf. Elena ist seine Traumschwiegertochter."

Lucas

"Wahrlich, vor dir ist kein Geheimnis hier sicher. Aber es ist auch immer schön zu sehen, wie gut du mit den Leuten hier zurecht kommst, sie vertrauen dir so sehr."
Lucas lachte nervös auf. "Bei mir? Herrje, daran denke ich lieber noch gar nicht, sonst werde ich noch ganz verrückt." Eine Heirat kam ihm schon wie ein kleines Wunder vor, aber Kinder? Er würde vermutlich verrückt werden vor Angst.
Dann Schnitt Lucas eine kleine Grimasse. "Du weißt doch, ich war schon immer gut darin meine Gefühle zu verbergen. Was sagt dir, dass ich innerlich nicht in Panik verfalle?" Gab Lucas zu bedenken, dann lachte er aug. "Oh Cathie, ich bitte sogar darum! Dafür habe ich nun wirklich kein Talent und Elena kann das ja unmöglich alles alleine machen." Lucas lehnte sich zurück. "Das stimmt, er hat es schließlich eingefädelt."

"Das tun sie. Weil sie wissen, dass ich mein Wissen nicht einfach gegen sie einsetze, sondern es zu ihren Gunsten nutze, wenn es mir möglich ist. Meist dient es zu solch kleinen Freuden wie für deine Elena." Cathie war mit deren Mutter ins Gespräch gekommen und hatte sich beiläufig über das Erntefest unterhalten. Was sie anziehen würde...Und da hatte Elenas Mutter begonnen von dem roten Kleid zu schwärmen. Cathie hatte sofort gewusst, was das perfekte Geschenk war und den Schneider aufgesucht.
"Das hat ja auch noch Zeit. Erst muss sie einmal ja sagen. Ich habe da zwar keine Zweifel, aber man sollte doch die Formalien wahren. Mehr als mit unserem Vater solltest du mit ihrem sprechen. Da unserer es ja eingefädelt hat, wartet er einfach nur auf die Einladung zur Hochzeit, schätze ich. Natürlich helfe ich ihr. Sie soll ja auch recht hübsch sein, das kann eine Braut nicht allein bewerkstelligen."

Lucas

Lucas schlug die Beine übereinander und seufzte. "Ich weiß. Ich schätze auch nicht, dass er etwas dagegen hat, als ich Elena zum Erntefest abgeholt habe, hat er schon immer so zufrieden gelächelt. Trotzdem graut es mir ein bisschen davor." Aber irgendwie würde er das schon hinter sich bringen. Das einzige, was zählte war ohnehin Elena und solange sie ihn haben wollte, würde sich alles andere schon finden.
Lucas ließ den Blick etwas in die Ferne schweifen. "Es ist nur wirklich ... bedauerlich, dass Eric nicht hier sein wird." Sicher seit Eric in Edwards Diensten stand, hatten sie sich nicht mehr ständig gesehen, aber doch recht regelmäßig, obendrein hatten sie einander immer viel geschrieben und zu wichtigen Ereignissen waren sie immer zusammen gewesen. Die Vorstellung, dass sein Zwilling ausgerechnet bei seiner Hochzeit nicht dabei sein würde, bekümmerte Lucas nicht unerheblich.

"Nun, Brüderchen, du bist eben eine ganz ausgezeichnete Partie. Natürlich ist er äußerst zufrieden damit, wenn seine Tochter dein Interesse weckt. Ihr werdet eine angesehene Familie gründen, zu der sie dann auch gehören. Vor ihm brauchst du wirklich keine Furcht zu haben. Außerdem ist er ein netter Kerl. Lässt Elena tun, was sie gern will, statt sie an den Haushalt zu fesseln."
Cathie seufzte leise und legte die Hand kurz auf Lucas' Knie. "Ja, ich weiß. Ich vermisse ihn auch und gerade für dich als Zwilling muss es wirklich schwer sein. Aber du willst deine Elena ja auch nicht Jahre auf eine Eheschließung warten lassen. Eric wird das verstehen und sich für dich freuen. Vielleicht kommt ja bald einmal ein Brief von ihm."
Sie alle waren sehr in Sorge um Eric, aber es half ja nichts. Entweder brachte Gott ihn heil nach Hause oder er entschied sich anders.

Lucas

Lucas musste bei Cathies Worten lachen. "Eine ausgezeichnete Partie ... dass das mal jemand über mich sagen würde." Heiraten, eine Familiegründen ... eine gute Partie machen, all diese Dinge waren für Lucas bisher nie relevant gewesen. Sicher wusste er, dass seine Eltern sich insgeheim ein wenig um ihn gesorgt hatten, weil er sich so wenig für eine Frau interessierte, und dass besonders die Frauen im Dorf ab und an über ihn tratschten, wann und wen er wohl irgendwann heiraten würde. So liefen die Dinge nun einmal. Aber dennoch war es für Lucas irgendwie unwirklich gewesen.
Es zuckte kurz in Lucas' Gesicht als Cathie die Hand auf sein Knie legte und einen kurzen Moment lang, rang er mit seiner Fassung, doch dann war der Augenblick schon wieder vorüber und Lucas hob ergeben die Schultern. "Er hat seinen Weg gewählt, so wie ich meinen und Gott wird sich schon etwas dabei denken ihn ins Heilige Land zu führen." bemerkte Lucas. "Trotzdem ... ich hätte ihn so gerne dabei gehabt." fügte er leise noch hinzu.
Aber Cathie hatte Recht, er wollte Elena nicht noch jahrelang warten lassen und er selbst würde das wohl auch nicht mehr aushalten. Besonders nicht nach diesem liebreizenden Kuss heute.

Cathie grinste breit. "Aber sicher, warum denn nicht? Du bist doch kein Bauer. Die Leute hier schätzen dich sehr für dein Wissen und deine einfühlsame Art. Du bist beliebter, als du glaubst. Sicher haben wir das auch Vaters Beliebtheit zu verdanken, aber es schadet ja nichts."
Sie sah den Schmerz in Lucas' Augen und seufzte leise. "Ich weiß. Ihr seid Zwillinge, du fühlst dich unvollständig ohne ihn und er sollte dein Glück jetzt teilen können. Aber gräm dich nicht, du kannst es nicht ändern. Du wirst ihm einfach alles ganz genau erzählen, wenn er zurück ist und er wird sich nochmal für dich freuen, Elena wird er sowieso mögen."
Cathie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Lass dir davon den Tag nicht verderben."

Alexander

Alexander kniete auf dem kalten Steinboden vor dem Altar, hielt den Kopf demütig gesenkt und versuchte sich in seinem Gebet zu verlieren. Er kniete bereits den ganzen Abend über hier, war dem Abendessen fern geblieben und versuchte so Buße zu tun. Buße für seine schändlichen, sündigen Gedanken, die einmal mehr bewiesen, wie schwach sein Fleisch noch immer war.
Über die Monate hinweg, die er nun schon hier war, hatten Lady Helene und er ein sehr enges, vertrauliches Verhältnis zueinander aufgebaut. Er war ihr Beichtvater, sie vertraute ihm alles an, was sie bedrückte, teilte aber ebenso freudige Momente mit ihm und darüber hinaus war er der Lehrer ihrer Kinder und brachte auch ihr das Griechische näher. Es war seine Aufgabe für ihr Seelenheil zu sorgen, sie war in gewisser Weise seine Schutzbefohlene und er vernachlässigte diese Aufgabe immer mehr, wenn seine Gedanken in eine etwas andere Richtung schweiften. Wenn er ihre Klugheit über die Maßen bewunderte, ihre Milde und ihre Frömmigkeit, ihre Neugierde und ihren Wissensdurst ... und wenn er insgeheim ihre Schönheit bewunderte, wenn er ihr nachsah und sich wünschte, ihr doch näher kommen zu können ...
Alexander kniff die Augen noch ein wenig fester zusammen. Nun tat er es schon wieder! Er war hier, um genau für solche sündhaften Gedanken zu büßen und was tat er, Narr, der er war? Er dachte schon wieder an seine Herrin auf diese ungebührliche Art und Weise, die ihm wahrlich nicht zustand.

Helene

Es war eine liebe Gewohnheit geworden, dass Alexander die Mahlzeiten mit ihr und den Kindern einnahm. Sie nutzten diese Gelegenheiten um den nächsten Tag zu planen oder die Fortschritte der Kinder zu besprechen. Dann und wan leistete ihnen auch der Stewart mit seiner Familie Gesellschaft. Alles hatte sich wunderbar eingespielt und das half ihr, ihre Wut auf Edward zu verdrängen.
Heute Abend aber war Alexander einfach dem Essen fern geblieben, das hatte sie sehr verwundert. Alexander schätze das gemeinsame Essen sehr.
Nachdem die Kinder im Bett waren, hatte Helene beschlossen ihren Beichtvater zu suchen. Sie würde sonst doch keine Ruhe finden, er war ihr zu wichtig und sie sorgte sich um ihn.
Wie sie fast erwartet hatte, fand sie den Priester in der Kapelle. Zunächst kniete sie sich schweigend neben ihn, wartete einen Moment.
"Alexander, ist alles in Ordnung? Geht es Euch nicht gut? Ihr wart nicht beim Essen heute Abend...", bemerkte sie dann fragend.

Alexander

Alexander hörte die Tür zur Kapelle und die leichten Schritte auf den Steinen und wusste sofort, wer ihn hier aufsuchte. Auch er neben sich den Stoff rascheln hörte und Helene sich neben ihn kniete, verharrte er in seiner Position, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen.
Warum nur Gott? Ist meine Prüfung so nicht schon schwer genug? Wieso muss meine Buße so schwer ausfallen?
Alexander kniff für einen Moment die Augen noch fester zusammen als Helene ihn ansprach, dann deutete er ein Kopfschütteln an, regte sich aber ansonsten nicht weiter. "Ich ... verrichte nur eine Buße, Mylady." erklärte er dann leise. "Ich habe das Gefühl, Gott wieder etwas näher kommen zu müssen und fasten und beten ist ein bewährtes Mittel. Macht Euch keine Sorgen."

Helene

Helene spürte die leichte Anspannung, die Alexander umgab und das machte sie vorsichtig. Dieses Verhalten war so ungewöhnlich für ihn, dass sie es nicht zuordnen konnte. Was war nur los mit ihm?
"Eine Buße?", wiederholte sie ungläubig. "Wofür könntet Ihr zu büßen haben? Wenn jemand Gott nahe ist, dann ja wohl Ihr, Alexander. Ich glaube kaum, dass Eure Verfehlung so schwer wiegt."
Sie musterte ihn skeptisch. "Ich mache mir aber Sorgen... Wollt Ihr mir nicht sagen, was los ist? Was beschäftigt Euch? Ihr seid immer für mich da und hört mir zu, in jeder Lebenslage. Ich würde Euch das gern zurückgeben, wenn Ihr mich lasst. Aber dazu müsstet Ihr mir ein bisschen vertrauen."
Sie wusste, es würde ihm nicht leicht fallen, aber vielleicht ließ er sich ja dennoch darauf ein.

Alexander

Ein sparsames Lächeln huschte über Alexanders Lippen. Auch das war wieder so typisch für Helene. "Und doch ist auch mein Fleisch schwach und mein Geist lässt sich zur Sünde verführen." erwiderte er, schlug die Augen auf und sah Helene nun doch an. Leise schnalzte er mit der Zunge. "Wollt Ihr etwa mein priesterliches Urteil anzweifeln?" fragte Alexander tadelnd, wenngleich ihr Anblick es ihm schwer machte so ernst zu klingen, wie er es gern gewollt hätte.
Alexander sah Helene einen Moment lang an und sein Herz zog sich dabei schmerzlich zusammen. Was für eine bemerkenswerte Frau sie doch war! Und nun kniete sie hier und er hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um sie zu berühren ...
"Verzeiht, Mylady, aber es wäre wohl wenig angemessen meine Verfehlung ausgerechnet mit Euch zu erörtern." erklärte Alexander leise, ein stilles, wehmütiges Lächeln auf den Lippen. Wie sollte er ihr erzählen, dass er sie einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam? Dass sie dafür verantwortlich war, dass seine Gedanken immer mehr auf Abwege gerieten ...

Helene

Helene lächelte schwach zurück. "Natürlich ist es das und auch Euer Geist ist nicht über alles erhaben. Deshalb seid Ihr ja auch ein Mensch und nicht Gott. Ich will Euer Urteil nicht anzweifeln, ich will Euch nur klar machen, dass Euer scheinbares Fehlgehen menschlich ist. Ihr seid zu streng mit Euch selbst, Alexander.", versuchte sie ihn aufzuheitern.
"Warum wäre es unangemessen? Ich erzähle Euch doch auch all meine Kümmernisse und offenbare all meine Fehler. Ihr solltet ehrlich zu mir sein. Was wrde schon passieren? Ich dachte wirklich, Ihr vertraut mir." Und dass dem offenbar nicht so war, verletzte sie doch etwas. Sicher hatte sie kein Recht all das zu erfahren, aber es war ihr wie etwas Besonderes vorgekommen, auch wnen sie es nicht erklären konnte. Sie hatte eine seltsam innige Beziehung zu Alexander.

Alexander

"Es mag menschlich sein, aber deshalb muss ich auch wie jeder andere meine Buße dafür verrichten. Ich bin nur unwesentlich strenger zu mir als zu meinen Schäfchen." erwiderte Alexander. Es war nie ganz leicht sich selbst eine Buße aufzuerlegen, wenn er es tat wog er immer genau ab, welche Bußleistung er gefordert hätte, wäre jemand mit solch einer Verfehlung zu ihm in die Beichte gekommen.
Alexander sah Helene an und es schmerzte zu sehen, dass sie offenbar getroffen war, enttäuscht und verletzt darüber, dass er sich ihr nicht offenbaren wollte. Er schluckte schwer und schloss kurz die Augen. Gott, ich könnte wirklich ein Zeichen gebrauchen, was ich tun soll ...
Aber er bekam kein Zeichen oder zumindest keines, das er deuten konnte. Er sah Helene wieder an und atmete tief durch. "Es wäre unangemessen, Mylady, weil Ihr ja der Grund für meine Buße seid. Der Ursprung meiner Verfehlung und meiner sündigen Gedanken." wisperte Alexander schließlich und gestand ihr, was er seit Wochen vergeblich versuchte zu unterdrücken.

Helene

Helene nickte zustimmend. "Ja, Ihr habt Recht...aber Ihr seid ein guter Mann. Ich glaube kaum, dass Ihr schwere Sünden begeht. Ihr solltet es mit der Buße nicht übertreiben."
Sie musterte ihn genauer, abwartend, als er so deutlich ins Nachdenken kam. Was dann aber folgte, kam wahrlich unerwartet.
"Ich? Ihr hegt sündige Gedanken, die mich betreffen?", fragte sie ein wenig ungläubig. Sie hatte alles erwartet, aber damit hatte sie nicht gerechnet. Er war ein Priester! Sie spürte seit Wochen, wie sehr sie sich auf ihn verließ und dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, aber sie hatte dem nie nachgegeben, weil er eben ein Priester war und dem Zölibat unterlag.
"Ich...ich dachte wirklich, es ginge nur mir so. Die eine Sünde, die mir zu peinlich war um sie Euch zu beichten."

Alexander

Alexander lächelte nur schwach als Antwort auf Helenes ungläubige Frage. Ja, er hegte sündige Gedanken, die sie betrafen. Und was für welche.
Alexander versuchte es immer möglichst genau mit dem Zölibat zu halten, aber letztlich war er auch nur ein Mann und keineswegs perfekt, also suchte er ab und an in den Armen einer Dirne Ablenkung. Selten nur, aber ihm waren die körperlichen Freuden wahrlich nicht fremd. Seine Gedanken, was er so gerne mit Helene tun wollte, waren also recht konkret gewesen. Doch er hatte sich immer wieder vor Augen geführt, dass es etwas unmögliches war und das sie ihn auslachen würde, sollte er ihr je seine Gefühle gestehen.
Aber so war es nicht. Im Gegenteil. Helenes Offenbarung sorgte dafür, dass Alexander sich entgeistert zurück sinken ließ und sich aus seiner unbequemen, knienden Position in den Schneidersitz setzte. Vollkommen sprachlos starrte er Helene eine Weile an, dann fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. "Ihr ... Ihr fühlt ebenso wie ich?" fragte er dann leise. "Süßer Jesus ..." Und was nun? Wie sollte er an seinen Vorsätzen jetzt noch festhalten, wo er auch um Helenes Gefühle wusste?

Helene

Helene ließ sich neben ihn sinken und erwiderte seinen Blick. Sie wussten beide nicht recht, was sie sagen sollten. Diese Sache war ungeheuerlich. Sie war verheiratet, er war Priester. Viel verwerflicher ging es kaum mehr, aber dieser Mann schien so gut zu ihr zu passen. Er verstand sie, schätze ihre Klugheit und ihre Schönheit. Er war nie laut oder grob geworden. Mit Edward war alles viel rauer und schwieriger gewesen. Das war es noch. Edward war ein Filou und offenbar auch ein Lügner.
Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. "Das tue ich. Es ist so ein gutes Gefühl einfach so begehrt zu werden."
Sie zögerte, wollte es dann aber wissen. Sie musste wissen, wie es sich anfühlte und küsste ihn auf den Mund.

Alexander

Alexander lachte leise, ein wenig verzweifelt auf. Ja, er begehrte sie und das ohne jeden Vorbehalt. Er hatte sich in seine Dienstherrin verliebt, sie hatte ihn mit ihrem Charakter so rasant für sich eingenommen, dass er gar nicht wirklich gemerkt hatte, wann es passiert war.
Alexander fuhr sich seufzend durch die Haare und suchte nach Worten als Helene die Initiative ergriff, sich zu ihm beugte und ihn küsste.
Keinen Augenblick lang zögerte Alexander als ihre Lippen die seinen berührten. Er legte die Hand an ihre Wange und erwiderte den Kuss, zärtlich, liebevoll, hingebungsvoll. Großer Gott, verzeih mir, aber wie soll ich widerstehen, wenn du mir einen Engel schickst?
Es fühlte sich an wie die Erfüllung all seiner Träume und Alexander war es gleich, dass es nicht sein durfte. Ihm war egal, dass sie eine verheiratete Dame von Stand war und er ein einfacher Priester, all das spielte keine Rolle, denn er hatte sein Herz so vollkommen hoffnungslos an Helene verloren, dass es für ihn ohnehin keine Rettung mehr gab.

Helene

Helene spürte deutlich, wie der Zweifel in ihm einbrach und jeder Widerstand erstarb. Er ließ sich vollumfänglich auf den Kuss ein, den sie teilten. Es war ein seltsames Gefühl, beinahe wie Zuhause anzukommen. Als ob das genau der Ort wäre, an den sie gehörte. Und das war es, was ihr wirklich zu denken gab.
Edward lag ihr am Herzen, aber genauso oft wie er gut zu ihr war, war er auch schroff und grob, er log sie an oder betrog sie. Vielleicht war es keine richtige Liebe, nur ein bisschen Zuneigung. Das hier mit Alexander war viel größer. Der Priester mochte jeden Charakterzug an ihr und war immer ehrlich. Er schätze ihre Klugheit und förderte sie, statt sie immer allein zu lassen.
Keuchend knieten sie nun voreinander auf dem Steinboden. Es gab ohnehin kein Zurück mehr. Helene leckte sich ein bisschen nervös über die Lippen, zupfte dann aber an seinem Ärmel.
"Komm mit mir..."