William und Joanna - ab 1190 bis 1191

Berengaria lächelte ein wenig erleichtert. "Nun, dann sind wir in diesem Punkt schon zwei." bekannte sie offen und setzte sich, nachdem Emma sich auf der Bettkante nieder gelassen hatte.
Sie musterte die Frau ihr gegenüber aufmerksam und war einmal mehr erstaunt. Emma konnte man ihre einfache Herkunft durchaus ansehen, schien es Berengaria, aber dennoch konnte sie nicht anders als sie als hübsch zu bezeichnen. Und der Blick in ihren Augen verriet ihr noch viel mehr wieso Guillaume dieser Frau so zugetan war. Trotz all der Sorge und Nervosität lag eine Wärme und Offenheit in dem Blick, die Berengaria sofort sympathisch war.
"Tja, ja, das tue ich. Ich hat ein gutes Herz und hat sich mir gegenüber von Anfang an sehr anständig verhalten. Und offen. Er war ehrlich zu mir und hat mir noch vor unserer Hochzeit von dir erzählt. Ich muss gestehen, das hat mich etwas getroffen, auch wenn ich natürlich wusste, dass es eine politische Ehe ist, insgeheim hab ich mir ein wenig mehr erträumt." Berengaria zuckte mit den Schultern. "Na du weißt schon, irgend so etwas romantisches wie man es immer in den Baladen hört." Sie lächelte ein wenig schief. "Aber ich schätze, du bist von uns beiden wohl eher diejenige, die in solchen Genuss kommt. Er hat ein bisschen von dir erzählt und seine Augen haben dabei immer so geleuchtet ... und heute habe ich dann auch verstanden wieso." Als sie die beiden zusammen gesehen hatte, war Berengaria einiges klar geworden und deshalb hatte sie Guillaume und Emma auch alleine gelassen.

"Ich bin ein wenig erleichtert, dass es dir nicht viel anders geht.", gestand Emma und legte die Hand auf ihren Bauch. Sie hatte erwartet, dass sie diese Frau hassen wrde. Dass sie niemals irgendwelche positiven Gefühle für sie hegen könnte....Aber nun saß sie Berengaria gegenüber und war überrascht von deren Offenheit und Entgegenkommen. Sie fand sie nett.
"Es ist leicht Guillaume zu mögen, weil er so ein offenes Wesen hat und gewisse Werte hoch schätzt. Ich bin froh, dass er dir vor der Hochzeit von uns erzählt hat, sodass keine böse Überraschung auf dich wartete. Es ist einfach sich in ihn zu verlieben, niemand wüsste das besser als ich. Wenn man allerdings so einen Mann liebt, muss man mit Kompromissen leben. Das stelle auch ich jetzt schmerzlich fest. Er liebt mich, aber er wird sich dennoch auch dir widmen. Du bist seine Frau und er hat dich gern." Sie fühlte sich durchaus ein wenig geschmeichelt.
"Mein Herz gehört ihm und unseren Kindern. Ich liebe ihn so sehr, aber ich muss jetzt lernen, dass das Leben nicht mehr so einfach ist, wie es war. Du bist jetzt seine Gemahlin und Teil seines Lebens."

"Du hast Recht, es ist ausgesprochen leicht. Es ist eine Gabe, die ihm das Leben sehr leicht macht und ihm gute Dienste tun wird, wenn er eines Tages König wird. Er weiß, wie er Sympathien in den Menschen weckt." Ganz gleich, ob es die Liebe einer Frau war oder die loyale Ergebenheit eines Mannes, Guillaume bedurfte es nur eines Lächelns um sie zu gewinnen und nachdem Berengaria dessen Eltern erlebt hatte, wusste sie auch woher Guillaume diese Gabe hatte.
"Ja, darüber war ich auch froh. Es hätte zwar einen Eklat gegeben, aber ich hatte so dennoch die Möglichkeit gehabt von der Heirat abzusehen. Mir fällt kein Mann ein, der so etwas getan hätte." Ihr eine solche Möglichkeit einzuräumen war wirklich eine große Geste gewesen.
Berengaria betrachtete Emma und lächelte dann zu ihrer eigenen Überraschung. "Und dir und euren Kindern gehört sein Herz." erwiderte sie, dann griff sie nach Emmas Hand und drückte sie leicht. "Ich will dir und euch das Leben nicht schwer machen, wenn du es ebenso hältst. Ich gebe zu, ich hatte unglaubliche Angst vor dieser Begegnung mit dir. Ich hatte die vergangenen Wochen viel Zeit um darüber nachzudenken und in meinen Gedanken bist du zu einem herrschsüchtigen Drachen geworden, der mir das Leben hier zur Hölle macht." räumte Berengaria mit einem scheuen Lächeln ein. "Aber jetzt wo wir uns gegenübersitzen stelle ich fest, dass dem nun wirklich nicht so ist. Und das wir beide ein gemeinsames Anliegen haben: wir wollen ein gutes und ruhiges Leben an Guillaumes Seite. Also sollten wir unsere Kräfte zusammen tun und uns allen genau das ermöglichen ... was denkst du?"

Emma nickte. "Das ist wahr...er ist in dieser Hinsicht wie sein Vater. Er nimmt die Menschen für sich ein, obwohl er gar nicht so viel dafür tut." Guillaume war etwas Besonderes, das hatte sie immer gewusst. Und sie liebte ihn so sehr. "Es überrascht mich nicht, dass er es dir gesagt hat. Er ist ein ehrlicher Mensch. Aber ich bin trotzdem sehr froh, dass er es getan hat, so ungewöhnlich es auch sein mochte."
Sie war erstaunt, dass Berengaria so offen zu ihr war und eingestand, dass Guillaumes Herz nicht seiner Gemahlin gehörte.
"Mir ging es ebenso. Ich will dein Leben nicht schwer machen, es fällt mir nur so schwer Guillaume jetzt zu teilen. Also hege ein wenig Nachsicht mit mir. Ich habe deine Ankunft hier genauso sehr gefürchtet, weil ich eben bin was ich bin. Ich bin einfachster Herkunft und du bist eine Prinzessin...Ich wusste nicht, wie du mir begegnen würdest."
Ema legte den Kopf schief. "Ich denke, das klingt nach einer guten Idee. Lass es uns versuchen..."

Berengaria lächelte erleichtert. "Also gut, dann sind wir uns ja einig." stellte sie fest und spürte wie eine Last von ihren Schultern wich. Dieses Gespräch war so viel besser verlaufen als Berengaria es sich hatte ausmalen können.
"Würdest du mir später euren Sohn vorstellen? Guillaume hat so viel von ihm erzählt und jetzt da ich dich kenne, würde ich auch den Jungen gerne kennen lernen." Immerhin würden auch Guillaumes Bastardkinder in ihrem Leben in Zukunft eine Rolle spielen, war ihr Mann doch niemand, der sich einfach von seinen Kindern abwenden würde, dafür liebte er sie viel zu sehr.
Dann kam Berengaria noch eine ganz andere Idee und sie sah Emma neugierig an. "Du arbeitest in der Küche, nicht wahr? Guillaume hat erzählt, dass ihr euch dort kennen gelernt habt."

"Ich denke, dass wir das sind.", stimmte Emma ebenfalls erleichtert zu. Das Gespräch war viel harmonischer gelaufen als sie gedacht hatte. Vielleicht würde das Zusammenleben gar nicht so anstrengend werden wie befürchtet.
Emma schaute Berengaria überrascht an, nickte dann aber. "Wenn du das möchtest, natürlich. Der Kleine ist immer offen für neue Bekanntschaften und freut sich auch schon darauf seinen Vater wieder zu sehen." Und sie traute Berengaria nicht zu, unfreundlich zu einem kleinen Kind zu sein.
Sie legte den Kopf etwas zur Seite und hoffte inständig, dass Guillaume Berengaria nicht erzählt hatte, wo sie gearbeitet hatte, bevor sie Anstellung hier bekam.
"Das tue ich, inzwischen wieder etwas weniger, es geht nicht mehr viel mit diesem Bauch. Guillaume mag es ohnehin nicht gern, dass ich noch dort arbeite, aber ich hasse es mich nutzlos zu fühlen."

Berengaria nickte entschlossen. "Sehr gerne sogar. Ich bin auch immer offen für neue Bekanntschaften." erwiderte sie augenzwinkernd. Und wenn der kleine Kerl wirklich so war, wie Guillaume ihn beschrieben hatte, würde es Berengaria sicher nicht schwer fallen ihn ins Herz zu schließen.
Berengaria betrachtete Emmas runden Bauch und nickte versonnen. "In deinem Zustand ist es wohl auch nur gut, dass du dich schonst. Weißt du ich dachte gerade ..." Sie sah Emma wieder an ehe sie weiter sprach. "Werd meine Zofe!" bat sie dann. "Ich habe niemanden mitgebracht, weil ich hier neu anfangen wollte und ich könnte eine freundliche Seele wie dich nur zu gut an meiner Seite gebrauchen. Jemanden, der mir erklärt wie die Sitten hier so sind, was für Leute hier wichtig sind." Berengaria lächelte verschmitzt, zufrieden mit der Idee, die ihr da gekommen war. "Außerdem hättest du als meine Zofe jede Berechtigung hier zu sein. Niemand wird es hinterfragen, es ist viel unkomplizierter als wenn du dir in der Küche immer etwas freie Zeit stehlen musst."

"Dann wirst du ihn später kennenlernen. Guillaume wird den Kleinen nachher ohnehin sehen wollen. Ich frage mich allerdings, wo er bleibt? Er wollte doch nur kurz in die Küche gehen. Vielleicht hat er sich verirrt.", antwortete Emma lächelnd.
"Ja, vermutlich. Mein Körper sagt mir schon, wann ich Ruhe brauche. Langes Stehen schaffe ich einfach nicht mehr, deshalb ist die Küche im Moment nur dann und wann ein brauchbarer Arbeitsplatz für mich." Emma schnappte nach Luft, als Berengaria so unvermittelte dieses Angebot machte.
"Ich soll deine Zofe werden?", fragte sie ungläubig. Die Argumentation war nicht von der Hand zu weisen, das musste sie eingestehen. "Aber ich habe doch gar keine Ahnung, was eine Zofe für Aufgaben hat. Ich habe gar keine Erfahrung in diesen Dingen, Berengaria. Außerdem...meinst du wirklich, das könnte auf Dauer gut gehen?"

"Wahrscheinlich plündert er schon einmal die Essensvorräte, ich glaube er war ganz schön hungrig." scherzte Berangaria und bedachte Emma dann mit einem amüsierten Lächeln. "Ja, das sollst du." bestätigte sie und machte dann eine wegwerfende Geste. "Ach, das lernst du schnell, glaub mir. Du hilfst mir mit meinen Kleidern, mit den Haaren und solchen unsinnigen Dingen. Begleitest mich, damit immer der gute Ton gewahrt ist und nach außen hin siehst du hübsch aus und lächelst nett. Ich bin zuversichtlich das du das hervorragend hin bekommst." versicherte sie mit einem Augenzwinkern.
"Ich würde mich sehr darüber freuen, Emma. Und ich denke schon, dass es gut gehen wird, warum auch nicht? Ich könnte eine Freundin wie dich nur allzu gut an meiner Seite gebrauchen."

Emma lachte leise. "Das würde zu ihm passen. Er hat immer Hunger, seit ich ihn kenne. Glücklicherweise neigen Plantagênets nicht dazu fett zu werden, sonst hätte Guillaume ein ernsthaftes Problem und würde bald nicht mehr in seine Rüstung passen.", erwiderte sie amüsiert.
"Du wirst viel Zeit investieren müssen um mich einzuweisen, ich bin nicht sonderlich bewandert in höfischen Dingen. Ich danke dir für diese Gelegenheit und ich...ich denke, es wäre einen Versuch wert. Aber du weißt, dass ich bald noch einen Säugling zu versorgen habe. Ist es...in Ordnung für dich, wenn ich die Kinder mit her bringe? Sicher werde ich dann und wann verhindert sein deswegen.", gab sie unsicher zu bedenken. "Ich würde dir wirklich gerne helfen."

Berengaria grinste breit. "Ja, gut für ihn. Nichts ist alberner als ein fetter Ritter. Aber auch gut für uns will ich meinen. So gefällt er mir doch wesentlich besser als mit einem dicken Wanst."
Gespannt wartete Berengaria auf Emmas Entscheidung und schenkte ihr dann ein strahlendes Lächeln und umarmte sie kurzer Hand. "Das freut mich sehr!" rief sie zufrieden ehe sie Emma wieder los ließ. "Ich werde dir alles erklären, keine Angst. Und ich bestehe darauf, dass du die Kinder mitbringst! Sollte Gott sich entscheiden meine Ehe auch bald mit Nachwuchs zu segnen, werden sie später gemeinsam hier spielen können. Und es ist nur richtig, wenn sie gemeinsam aufwachsen, finde ich. Immerhin sind sie Halbgeschwister."
Berengaria war mehr als zufrieden damit wie sich diese Sache gelöst hatte und nun konnte sie auch viel gelöster in die Zukunft sehen. Vielleicht würde ihr Emma mit der Zeit tatsächlich auch eine enge Freundin werden.

"Da hast du sicher Recht. Es wäre wirklich schade, würde er fett werden. Er ist perfekt, wie er ist." Und Emma war wirklich erstaunt, dass sie mit Berengaria so unbefangen darüber sprechen konnte. Sie schien wirklich in Ordnung zu sein.
Ein wenig velegen erwiderte sie die Umarmung. "Danke...ich weiß das sehr zu schätzen und die Kinder würden sich sicher über Spielgefährten freuen. Ich bin sicher, du wirst ihm bald seinen Erben schenken." Emma legte den Kopf schief und lächelte.
"Du weißt, er wird ganz schön Augen machen, wenn er herausfindet, dass wir diese Dinge geklärt haben. Und möglicherweise wird er noch bereuen uns miteinander bekannt gemacht zu haben. Manchmal muss man ihm ein wenig die Grenzen zeigen, das wirst du noch feststellen. Wenn du dabei einen Rat brauchen solltest, ich habe Übung."

Berengaria lächelte verschwörerisch. "Gut möglich. Gegen uns beide zusammen wird er auf jeden Fall nicht ankommen, so viel ist sicher." pflichtete sie Emma bei uns hatte für einen Moment das Gefühl die ganze Welt umarmen zu können. Ihr Start hier in Bordeaux würde leichter werden, jetzt da sie Emma auf ihrer Seite wusste und in ihre eine Unterstützerin hatte, jemanden der sie mit den Sitten und Gepflogenheiten vertraut machen konnte.
Sie wollte gerade noch etwas sagen als man nebenan die Tür hörte. "Ah, ich glaube da -"
"Maman!" Ein helles, aufgeregtes Stimmchen schnitt Berengaria das Wort ab. "Maman! Papa ist wieder da!"
Berengaria schmunzelte. "Deshalb hat er also so lange gebraucht. Ich warte hier, sag Bescheid, wenn du mich dem kleinen vorstellen wirst." erklärte Berengaria und deutete auf die Tür nebenan. Sie wollte den dreien auch noch einen kurzen Moment alleine gönnen bevor sie Guillaumes illegitimen Sohn kennen lernen würde.

"So ist es. Guillaume wird das auch noch lernen, da bin ich mehr als sicher." Emma horchte auf, als die Tür im nebenraum auf ging, doch es war ihr Sohn, der dort munter zu plappern begann. Sie lächelte Berengaria dankbar zu.
"Ich danke dir. Gib uns ein klein wenig Zeit, dann stelle ich ihn dir vor." Emma erhob sich etwas umständlich und ging durch die Tür zu ihrem Sohn hinüber.
"Ja, ich weiß.", entgegnete sie ihrem Sohn sanft und fuhr ihm durch die roten Locken. "Und das ist gut so." Wohlwollend schaute sie auf den Kleinen hinab und richtete den Blick dann auf Guillaume, der de Raum gerade wieder betrat.
"Die Dinge sind geklärt."

Guillaume

Guillaume hatte nicht länger damit warten wollen seinen Sohn zu sehen, viel zu sehr hatte er den kleinen Knirps vermisst und es war eine Wonne gewesen ihn zu holen, ihn in den Arm zu schließen und ihn so munter plappern zu hören.
Lächelnd beobachtete er wie der kleine Junge zu seiner Mutter eilte als Emma den Raum wieder betrat und Guillaume seufzte verstohlen. Wie wundervoll eine Familie doch war!
Er trat zu den beiden, legte Emma einen Arm um die Taille und hauchte einen Kuss auf die Wange. "Ah ja? Und du bist unversehrt ... bedeutet das, ich bin bereits zum Witwer geworden?" versuchte er mit einem Scherz seine Nervosität zu überdecken. Er hatte nämlich wirklich keine Ahnung wie das Gespräch zwischen den beiden Frauen gelaufen sein könnte, aber Emma wirkte erstaunlich ruhig. Guillaume war sich noch nicht sicher, ob ihn das erleichterte oder doch eher misstrauisch stimmte.

Emma lächelte und lehnte den Kopf an Guillaumes Schulter. Es tat so gut ihn wieder zu haben und sie war erleichtert, dass Berengaria ihn ihr auch nicht wegnehmenwollte. Sicher würde es merkwürdig werden, aber immerhin hatte die Andere das Herz am rechten Fleck.
"Nein, bist du nicht. Aber du hast etwas Geld gespart. Deine Frau hat eine neue Zofe.", offenbarte sie ihrem Liebsten dann beiläufig.
"Wir sahen keine Veranlassung uns die Augen auszukratzen. Wir haben ein paar grundlegende Dinge geklärt und festgestellt, dass wir in einigen Dingen ähnlich denken und fühlen. Außerdem akzeptiert sie die Kinder und will Guillaume gleich kennenlernen."
Diese Offenheit hatte sie wirklich beeindruckt.

Guillaume

"Eine neue Zofe? Aber-" Guillaume brach an und sah Emma verblüfft an. "Dich? Du wirst ihre Zofe?" fragte er mehr als erstaunt, denn das war nun wirklich das Letzte, was er erwartet hatte. "Aber das ist ... das ist wundervoll! Dann musst du nicht mehr länger in der Küche schuften!" bemerkte er zufrieden, wenngleich es ihn auch ein wenig irritierte, wie schnell diese Dinge gegangen waren. Er hatte geahnt, dass die beiden Frauen sich verstehen würden, wenn sie einander nur eine Chance gaben, aber das hier übertraf seine Erwartungen wirklich.
Dann lachte Guillaume leise und befreit. "Das ist gut. Wirklich." Er streckte die Hand seinem Sohn entgegen und lächelte. "Na komm, Kleiner, wir wollen dich jemandem vorstellen."

Alexander

Bevor Alexander heute den Unterricht für Gabriel begann, hatte er unbedingt noch einmal nach Helene sehen wollen. Die Schwangerschaft schritt immer weiter fort und in ein paar Tagen würden sie ins Kloster aufbrechen. Er würde erleichtert sein, wenn sie dort ankamen.
Sie würden sich nicht so sehr verstecken müssen und Helene konnte sich schonen, weil sie nicht ihren Aufgaben als Burgherrin nachgehen musste.
Auf dem Gang schenkte er Helene noch ein Lächeln, schaute sich verstohlen um und küsste sie zärtlich auf die Stirn, ehe er sich abwandte um ein paar Unterlagen zu holen, die er für den Unterricht benötigte. Er genoss die Zeit mit den Kindern sehr, es bereitete ihm Spaß. Und so manches Mal wünschte er sich, er hätte Helene früher kennengelernt.

Gabriel

Gabriel lief den Gang entlang, um möglichst rasch in seine Kammer zu kommen. Er hatte ein Buch dort vergessen in dem er gerade ein wenig las und in dem er gestern Abend auf ein Wort gestoßen war, das er nicht kannte. Er hatte es mit zum Unterricht nehmen wollen, um Alexander danach zu fragen.
Er kam um die Ecke und stockte in der Bewegung. Noch ehe er begriff, was er sah, hatte sein Körper schon reagiert und er war wieder zurück gewichen und sah irritiert um die Ecke. Dort standen Alexander und Helene und schon die Blicke, die sie wechselten, ließen Gabriel aufhorchen, doch als er sah wie Alexander sich vorbeugte, um Helene einen Kuss auf die Stirn zu geben, spürte Gabriel ein Durchsacken in der Magengegend.
Alexander war es also! Er war der Mann, der sich zwischen Helene und Gabriels Vater gedrängt hatte.
Gabriel schluckte schwer. Er wartete bis beide verschwunden waren, dann setzte er seinen Weg zu seiner Kammer fort - nun jedoch ohne jegliche Eile, denn er hatte nicht mehr vor zu Alexanders Unterricht zu gehen. Er fühlte sich seltsam matt und tief enttäuscht. Er hatte dem Geistlichen Vertrauen entgegen gebracht, hatte ihn gern gehabt und nun so etwas ...

Alexander

Alexander hatte zu seinem Erstaunen vergeblich auf Gabriel gewartet und das, obwohl der Junge in der Regel ausgesprochen zuverlässig war und wilig am Unterricht teilnahm. Er war ein intelligentes Kerlchen und das Lernen machte ihm Spaß.
Umso überraschender war dessen Fernbleiben heute und Alexander hatte beschlossenn, der Sache auf den Grund zu gehen. So stand er nun vor Gabriels Kammer, klopfte kurz und trat dann ein. Er fand Gabriel im Schneidersitz auf seinem Bett sitzend vor.
"Hey, mein Junge, hier bist du also. Hast du vergessen, dass wir jetzt ein wenig lernen wollten? Dein Unterricht steht an. Du versäumst ihn doch sonst niemals."

Gabriel

Gabriel hatte sich zurück gezogen und mit seinen Gefühlen gerungen, die ihn schier zu übermannen drohten. Deshalb war er auch durchaus ein wenig stolz, dass er es geschafft hatte nicht in Tränen auszubrechen. Als es nun an seiner Tür klopfte hob er unwillig den Kopf und seine Augen verengten sich ein klein wenig als ausgerechnet die Wurzel allen Übels eintrat.
Ich bin nicht dein Junge, du Mistkerl! schoss es Gabriel wütend durch den Kopf, er sagte hingegen etwas anderes. "Ich habe es nicht vergessen, aber ich habe mich entschieden nicht mehr daran teilzunehmen." erklärte er ernst und entschlossen. Er wollte nicht mehr zum Unterricht mit Alexander und mit einem Mal war er nicht sicher, ob er besonders froh war, bald nach Truro zu gehen oder eher noch besorgter, weil er wusste, dass Alexander mit Helene und seinen kleinen Brüdern gehen würde.

Alexander

Alexander war überrascht, den Jungen so niedergeschlagen und aufgewühlt aufzufinden. Normalerweise war Gabriel eine wahre Frohnatur. Erstaunt hob er die Augenbrauen. “Du hast entschieden nicht mehr teilzunehmen?“,echote er ungläubig. “Warum in Gottes Namen? Es hat dir doch immer so viel Spaß gemacht. Ist etwas vorgefallen, Gabriel?“
Er hoffte wirklich, dass sich nicht die nächste Katastrophe anbahnte, die Helene Sorgen bereiten und sie von der Abreise ins Kloster abhalten würde. Er sorgte sich schon jetzt so sehr um sie. Auf keinen Fall durfte Helene noch viel länger hier verweilen, sonst würde jeder von der Schwangerschaft erfahren.

Gabriel

Gabriel nickte mit ernster Miene. "Das habe ich." bestätigte er entschlossen. Verstohlen atmete Gabriel durch und gab dann einen unwilligen Laut der Zustimmung von sich. "Vorgefallen, ja so kann man sagen." Gabriel sah Alexander an und schluckte schwer. "Ich ... ich will keinen Unterricht bei einem verlogenen Verräter haben." Brach es dann heißer aus ihm heraus. Hatte ihn Helenes Offenbarung schon durcheinander gebracht, so war die Entdeckung, dass ausgerechnet Pater Alexander Helenes Liebhaber war, einfach noch eine Spur zu viel für Gabriel. Alexander war dich Priester, er durfte doch gar keine Frau lieben! Aber noch viel wichtiger erschien es Gabriel, dass er sich dem Priester anvertraut hatte, ihm jede vermeintliche kleine Sünde gebeichtet hatte. Und ausgerechnet dieser Mann drängte sich jetzt zwischen seinen Vater und seine Stiefmutter und stürzte die Familie ins Unglück.

Alexander

Alexander verstand die Welt nicht mehr. Noch nie hatte er Gabriel so sprechen hören, doch schließlich begriff er. Der Junge war verletzt.
"Du....weißt es.", stellte er fest und wusste einen Moment nicht, was er sagen sollte. Helene hatte ihm erzählt, dass Gabriel wusste, dass sie ein Kind von einem anderen Mann bekam, aber sie hatte Gabriel seinen Namen nicht genannt.
"Woher weißt du es?", fragte er nach. "Ich weiß, dass es schwierig für dich ist und dass du dich fühlst, als hätte ich dein Vertrauen missbraucht, aber so ist es nicht."
Alexander seufzte leise. "Es ist nicht so leicht, ich liebe sie so sehr, ich kann nicht anders, Gabriel." Jetzt würde alles noch schwieriger werden.

Gabriel

Gabriel nickte beklommen. Ja, er wusste es und er hatte keine Ahnung, was er mit diesem Wissen nun anfangen sollte. "Ich habe euch vorhin zusammen gesehen." erklärte er heiser. "Ich kam um die Ecke als du aus Helenes Gemach kamst und ihre Stirn zum Abschied geküsst hast." Gabriel klang bitter. "Und ob es so ist!" begehrte er auf. "Ich habe dir vertraut, ich habe dir ... alles anvertraut. Und du ... du ... du nimmst freudig das Geld meines Vaters, schläfst unter seinem Dach und isst sein Brot und dabei hintergehst du ihn einfach so!"
Gabriel starrte Alexander wütend an. "Aber du bist ein Priester! Du darfst gar keine Frau haben!"