William und Joanna - 1193

Edward nickte langsam. "Das wird es wohl, aber ich bin fest entschlossen ihnen beizustehen so gut ich kann." Man konnte Edward sicher vieles vorwerfen, aber sein Familiensinn war schon immer sehr ausgeprägt gewesen und er liebte jedes seiner Kinder.
Edward betrachtete seinen Bruder mit flauem Gefühl im Magen als James sich abrupt erhob und in seinem Arbeitszimmer auf und ab zu wandern begann. "Das hat wenig mit Verstand zu tun, weißt du ..." murmelte er leise. "James ..." fuhr er dann etwas lauter fort. "Das Alter spielt dabei nun wirklich keine Rolle und was unsere Verwandtschaft angeht ..." Er hob verzweifelt die Schultern. "Ich liebe sie, James. Ich weiß, dass du das nicht nachvollziehen kannst, aber in ihrer Nähe fühle ich mich so glücklich wie ich es schon seit langem nicht mehr getan habe. Claire nimmt mich wie ich bin und sie vervollständigt mich, sie ..." Er stockte einen Moment und sah auf seine Hände hinab. Wie sollte er ausgerechnet James klar machen, was er empfand? Seinem kleinen Bruder, der sich von Kindesbeinen an eine geistliche Laufbahn hatte einschlagen wollen, nie Interesse an Frauen gezeigt hatte und für den Liebe, so wie Edward sie für Claire empfand, ein schieres Fremdwort war.
Edward sah wieder auf. "Wenn jemand dazu geeignet ist meine unsterbliche Seele zu retten, dann sie. Und wieso sollte Gott es so eingerichtet haben, wenn er etwas dagegen hätte?" Er seufzte leise und fuhr sich durch die roten Locken. "Philippe ... weiß es noch nicht. Ich bin direkt aus Oxford zu dir gekommen, denn bevor ich an eine neue Heirat denken kann, muss ja erst einmal sicher sein, dass ich meine Ehe mit Helene lösen kann. Er wird sicher nicht sonderlich glücklich sein, aber er wird wollen, dass Claire glücklich wird und Robert wird mir in dieser Sache auch etwas zur Seite stehen. Er und Philippe sind ja wie ein Herz und eine Seele."

James seufzte ein wenig genervt. "Nein, bei dir sicher nicht, sondern mit mehr körperlichen Bedürfnissen wahrscheinlich. Ich finde schon, dass das Alter eine Rolle spielt, denn du ziehst ein junges Mädchen mit in den Abgrund, Edward. Wie kannst du das mit dir ausmachen, gerade wenn du denkst sie zu lieben?" Es tat ihm ja leid, dass Edward sich ausgerechnet so hatte verlieben müssen, aber richtig fand er diese Verbindung keineswegs. Wie falsch Edward lag, wenn er dachte, er könne das nicht nachvollziehen.
Seine Miene verfinsterte sich.
"Und wie stellst du dir das vor? Ich soll dir einen Dispens erwirken, obwohl du nicht einmal ihren Vater um ihre Hand gebeten hast? Es ist völlig sinnlos, wenn er sie dir nicht gibt. Und wie hast du Robert dazu gekriegt, dass er dir hilft? Er ist doch normal auch ein Marmorbild an Moral."
Er hob die Schultern. "Vielleicht prüft Gott dich und du kannst einfach nicht widerstehen? Deine unsterbliche Seele rettet nur Gott allein."

Edwards Miene verfinsterte sich ein wenig. "Wenn es nur darum ginge, würde ich sicher nicht einen solchen Aufwand betreiben." brummte er etwas verstimmt. Er kannte seinen Ruf nur zu gut und es störte ihn normalerweise auch nicht wirklich, im Gegenteil. Aber diese Sache mit Claire war ihm wirklich ernst, nur wollte das niemand so recht verstehen. "Ich ziehe sie nicht mit in den Abgrund, das ist lächerlich!" Edward konnte nun ebenfalls nicht länger still sitzen und erhob sich. "Ich denke nicht nur, dass ich sie liebe, es ist so!" knurrte er, hob dann aber ein wenig beschwichtigend die Hände. "Nein, so war es nicht gemeint. Ich bin nur zuerst zu dir gekommen, weil ich sicher sein wollte, dass ich meine Ehe mit Helene auflösen kann, bevor ich Philippe um ihre Hand frage. Den Dispens sollst du mir selbstverständlich erst erwirken, wenn er eingewilligt hat, aber ich wollte gerne jetzt schon wissen, ob du es überhaupt tun würdest." Ansonsten würde er sich einen anderen Bischof suchen müssen und das würde nicht nur aufwendiger, sondern auch wesentlich teurer werden. Und angesichts des Lösegeldes, das er für sich noch zahlen musste und seinen Beitrag zu Richards Lösegeld, konnte Edward sein Silber nicht gerade aus dem Fenster werfen.
"Das ist er, aber Robert weiß auch, wie es ist jemanden zu lieben. Und noch mehr weiß er, wie es ist, wenn die angestrebte Verbindung nicht gerade Billigung erfährt. Außerdem will er, dass sowohl Claire als auch ich glücklich werden. Er war anfangs nicht gerade angetan als er es heraus gefunden hat, aber er hat es verstanden." erwiderte Edward energisch. "Mich prüfen? Süßer Jesus, dass kann auch nur von jemandem wie dir kommen, der von Liebe nicht die geringste Ahnung hat." entgegnete Edward heftig. "Du weißt ja nicht wie es ist!"

"Das sagst du jetzt, aber ich kenne dich, Edward. Wenn sie nur hübsch genug ist, war dir noch nie ein Opfer zu viel. Schön, du liebst sie, aber das macht es nicht einfacher. Du bist ihr Onkel!" Und diese Vorstellung behagte ihm so gar nicht.
"Ich weiß nicht, ob ich dem Mädchen einen Gefallen tun würde. Aber du hast hoffentlich nicht erwartet, dass ich freudestrahlend zustimme, wenn du mich fragst." James runzelte die Stirn und dann loderte das Feuer in seinen Augen auf. Das hitzige Temperament seiner Eltern wohnte auch in ihm, aber er hatte es in der Regel gut im Griff. Heute jedoch trieb Edward es zu weit.
"Und woher willst du denn wissen, ob ich Ahnung von der Liebe habe? Du kennst mich kaum! Ich weiß wahrscheinlich besser, wie es ist, als du. Also halt den Mund, wenn du keine Ahnung hast!"

Edward schüttelte vehement den Kopf. "Nein, du kennst mich nicht wirklich. Du hast all die Gerüchte gehört, schön, aber wenn du mich wirklich kennen würdest, wüsstest du, wie ernst es mir ist. Ich bin nicht aus einer Laune heraus hier!" erwiderte er und schlug dann mit der flachen Hand auf den Tisch neben dem er noch immer stand. "Ich weiß, dass ich ihr Onkel bin, verdammt nochmal! Genau deshalb bin ich ja auch hier, weil ich diesen Dispens brauche!" Edward knirschte mit den Zähnen. "Nicht freudestrahlend, aber ich hatte auch nicht erwartet, dass du so ein bigotter Mistkerl bist, der mir vorwirft ein Heuchler zu sein, der nur mit dem Schwanz denkt." warf Edward seinem Bruder hitzig vor.
Oh, das läuft ja ganz hervorragend ...
Edward hatte gewusst, dass es für ihn nicht so leicht werden würde und er hatte von Anfang an Zweifel daran gehabt als Robert so leichthin verkündet hatte, James würde ihm sicher helfen.
"Ach ja? Besser als ich sogar? Und woher willst du das mit deiner unbefleckten Heiligkeit wissen? Ich habe schon eine Frau, die ich liebte verloren, ich weiß genau wie sich Liebe anfühlt, was man bereit ist dafür zu tun und wie schmerzvoll ein solcher Verlust ist! Und ich werde nicht zulassen, dass ich Claire verliere, weil du zu prüde bist eine Frau auch nur anzusehen. Wenn dir das Verständnis dafür fehlt, bitteschön, aber ich werde mir keine Predigten von einem Kerl anhören, der noch nie in seinem Leben eine Frau geküsst hat. Du weißt sicher nicht mehr über Liebe als ich, Brüderchen."

James verengte die Augen. "Dann weißt du ja wenigstens, wie ernst die Lage ist. Und ich wäre froh, wenn du deine Flüche für dich behalten könntest."
Er schüttelte den Kopf. "Was soll ich auch denken, wenn du deine Ehe nicht einmal gelöst hast und schon am Liebsten morgen die Nächste heiraten würdest?"
James fuhr entgegen seiner Art selbst völlig aus der Haut, als Edward ihm solche Vorhaltungen machen. Was dacchte der sich eigentlich? Der hatte ja keine Ahnung, was er schon alles durchgemacht hatte deswegen!
"Wenn dein beschränkter Horizont dir vorgibt, dass du das allein daran messen musst, dann ist dir nicht zu helfen, du Esel! Als ob entscheidend wäre, ob ich eine Frau geküsst habe! Bist du so blind oder tust du nur so? Was glaubst du, warum Alan mir seit Jahren überall hin folgt, du Hornochse! Ich weiß besser als du, wie es ist eine Liebe zu leben, die es nicht geben dürfte und für mich gibt es keinen verdammten Dispens, der das einfach aus der Welt schaffen könnte! Ich weiß, wie sich Verlust anfühlt. Ich bin nicht prüde, aber zum einen bin ich nunmal Priester und zum Anderen habe ich eben nichts an Frauen!", brauste er auf und wurde dann noch blasser. Er hatte das alles Edward nicht offenbaren wollen, aber jetzt war es zu spät.

Edward stöhnte leise. "Der springende Punkt ist, dass ich meine Ehe mit Helene nur lösen will, weil ich Claire kennen gelernt habe. Um ihr Ansehen zu bewahren hätte ich sie bestehen lassen. Die Sache ist also ein wenig komplizierter."
Edward lag bereits eine bissige Erwiderung auf der Zunge als ihm James Bekenntnis für einen Moment die Sprache verschlug. Noch nie hatte ihm etwas so den Wind aus den Segeln genommen wie diese Offenbarung. Edward schwieg betroffen und senkte kurz den Blick, als er James wieder ansah, zuckten seine Mundwinkel heiter. "Würden Eure doch nicht so heilige Heiligkeit mir erklären, wieso es Euch erlaubt ist zu fluchen, mir hingegen nicht?" fragte er dann leuchtselig und griff nach seinem Weinbecher.
Er leerte ihn mit einem großen Zug und sah James wieder an. "Süßer Jesus ... du und der kleine Maler?" murmelte Edward und schüttelte dann leicht den Kopf. Er musste gestehen, dass er das James wirklich nicht zugetraut hatte. Edward legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. "Komm, wir sollten uns wieder setzten, denkst du nicht auch?" schlug er dann vor.

James konnte sehen, wie seine Eröffnung Edward völlig aus der Bahn warf und für einen Moment herrschte Schweigen. Als Edward dann das Eis brach, grinste James unkompliziert zurück. "Nun, ich bin der Bischof, oder nicht? Ich bin Gott wahrscheinlich etwas näher als du und du willst schließlich etwas von mir. Ich würde allerdings nicht fluchen, wenn du mich nicht so in Rage gebracht hättest."
James nickte und setzte sich wieder Edward gegenüber, ehe er einen Schluck Wein trank.
"Ja, so ist es. Seit Jahren schon...es hat angefangen, als wir in Rom waren und dann wirklich, als er mich nach Bologna begleitet hat.", erklärte er leise.
Und seitdem waren sie beinahe unzertrennlich gewesen. Alan war seine zweite Hälfte und holte ihn immer wieder auf den Teppich zurück.

Edward lächelte leicht. "Ich hatte schon immer ein Talent dafür Leute in Rage zu bringen." räumte Edward ein und ließ sich dann James gegenüber wieder auf seinem Platz nieder.
"In Rom? Erstaunlich, das ist wirklich schon lange her." Edward verschränkte die Arme locker vor der Brust und schüttelte leicht den Kopf. "Oh Brüderchen, wie gern würde ich jetzt Entrüstung heucheln und dir vorhalten wie verwerflich das alles ist und dass du deinen Alan mit in den Abgrund reißen wirst, aber ... das kann ich nicht." bemerkte er mit schiefem Grinsen. "Dafür freue ich mich viel zu sehr für dich und darüber, dass du jemanden gefunden hast mit dem du glücklich bist. Außerdem" Edward beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab. "bedeutet das, dass du doch nicht so aus der Art geschlagen bist, wie ich immer dachte. Du kannst deine Familie und unseren Hang zu Skandalen also doch nicht ganz leugnen." bemerkte er vergnügt.

"Das ist wahr. Genauso wie dafür dich in Schwierigkeiten zu bringen, Ed....Aber ja, es ist lange her, beinahe zehn Jahre. Und ich habe keinen Tag bereut."
James lächelte matt. "Du hast Recht, ich kann das Erbe der Familie leider nicht leuchten. Es ist ein Skandal, aber außer ein paar wenigen Menschen weiß niemand davon, sodass er mir nicht gefährlich werden konnte." Er seufzte.
"Versteh mich nicht falsch, Edward, ich will auch, dass du glücklich wirst.Aber das ist eben keine normale Beziehung und das gibt mir zu denken. Aber ich schätze, du bringst mich ja doch dazu dir zu helfen. Warum sorgst du nicht erst einmal für Philippes Einverständnis? Das benötigst du ohnehin und du musst auf die Auflösung warten."

"Und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass es so bleibt und ihr keine Schwierigkeiten bekommt." erwiderte Edward aufrichtig. Ihn schockierte die Liebschaft seines Bruder nicht im Geringsten, es gab wenige Dinge in dieser Hinsicht, die ihn befremdeten und eine Liebschaft zwischen Männern zählte ganz gewiss nicht hinzu, das hatte es schon nicht bevor er in dieser Sache seine eigenen Erfahrungen gesammelt hatte.
Edward musste schmunzeln. "Was ist schon normal? Und wer kann sich ruhigen Gewissens das Recht heraus nehmen zu bestimmen, was normal ist und was nicht?" erwiderte er und zuckte leicht mit den Schultern. "Ich weiß, dass es anstößig ist und wir deshalb einen Dispens brauchen, aber das macht unsere Gefühle ja nicht rückgängig." Er legte den Kopf ein wenig zur Seite und musterte seinen Bruder lächelnd. "Das werde ich. Ich hatte ohnehin vor von hier aus nach Cornwall zu reisen. Je eher ich mit Philippe spreche, desto besser. Zwar weiß so gut wie niemand von dieser Sache, aber das bedeutet ja nicht, dass es ihm nicht doch auf irgendwelchen Wegen zu Ohren kommt und das möchte ich doch wirklich gern vermeiden."

"Ich danke dir. Nun, ich denke, Gott kann es. Aber vielleicht hast du Recht und er zürnt euch nicht. Sonst hätte er euch vielleicht gar nicht zueinander geführt. Das ist es zumindest, was ich mir immer vor Augen führe."
Schließlich hatte er auch selbst gehadert mit seinen Gefühlen für Alan. Sie hatten aber lange schon ihren Frieden damit gemacht.
"Dann tu das...Klär diese Geschichte mit Philippe und anschließend kommst du wieder her oder schickst mir eine Botschaft. Und du hast Recht. Tu es schnell, bevor er es anderweitig erfährt und dir allein schon deshalb den Kopf abreißt. Du solltest Claires Ehre schließlich nicht beschmutzen."

Edward nickte. "Sicher, Gott kann es. Aber wir können letztlich ja doch immer nur raten, was Gott tatsächlich denkt, nicht wahr? Wissen werden wir es erst, wenn wir vor unseren Schöpfer treten." erwiderte Edward. "Das werde ich. Es wird so oder so kein leichtes Gespräch, da kann ich gut darauf verzichten, dass er es vorher schon über Umwege erfahren hat." Edward schenkte seinem Bruder ein Lächeln. "Ich danke dir, James." Dann füllte er seinen Becher noch einmal mit Wein und lehnte sich zufrieden zurück. "Und nun, da wir den unbequemen Teil hinter uns haben, ist es Zeit für ein paar schöne Kreuzzugsgeschichten, oder?" bemerkte er augenzwinkernd.

Philippe war gerade aus dem Gestüt zurückgekehrt und hatte sich einen Becher Ale eingeschenkt. Er genoss eine Ruhepause vor dem Kaminfeuer und lauschte den Leseübungen des sechjährigen Frederic, der sich mit ein paar Zeilen aus der Bibel abmühte, während Aliesa auf dem Schaffell am Boden saß und spielte.
Es war eine Musestunde, wie er sie sich nur zu gern stahl, denn er liebte sein ruhiges Familienleben. Sébastien hielt sich im Moment ebenfalls zurück, daher hatte er auch keinen Grund sich aufzuregen.
Als es klopfte, seufzte er tief auf und erhob sich ein wenig unwillig aus dem Sessel, um die Tür zu öffnen, denn die Magd hatte heute einen freien Nachmittag.
Er war mehr als überrascht, als ein wohl bekannter Rotschopf vor der Tür stand. "Na nu, Ed, was führt dich her? Ich glaube, Gabriel trollt irgendwo draußen herum."

Edward war noch einige Tage in Winchester geblieben und wäre am liebsten auch gar nicht von dort aufgebrochen, denn sein Weg führte ihn nach Truro und damit zu dem schwersten Gang von allen. Er war nicht gerade erpicht darauf mit Philippe zu sprechen, aber er wusste genau, dass er es tun musste also brachte er es besser hinter sich, besonders jetzt, da er wusste, dass James sich um die Auflösung seiner Ehe mit Helene kümmerte.
Es war auch sogleich Philippe, der ihm die Tür öffnete und Edward war nicht ganz sicher, ob er sich darüber freute oder lieber noch ein wenig Gnadenfrist gehabt hätte.
Edward schenkte seinem Bruder ein Lächeln und nickte. "Das dachte ich mir schon, ich werde ihn später suchen. Ich wollte tatsächlich erst einmal mit dir sprechen, falls ich nicht ungelegen komme und du ein paar Minuten Zeit für mich hast?"

Philippe erwiderte das Lächeln, war aber mehr als erstaunt über Edwards Anliegen. Dass dieser seinen Sohn besuchen wollte, hätte er ja noch verstehen können, aber dass er mit ihm sprechen wollte? Vielleicht ging es um Gabriels Verbleib hier in Truro.
"Sicher, komm nur rein. Du kommst nicht ungelegen, ich habe gerade eine kleine Pause gemacht." Er führte Edward in den Wohnraum.
"Frederic, hol deinem Onkel einen Becher Ale aus der Küche, ja?" Der Sechsjährige strahlte, weil er seinen Aufgaben entkam und eilte eifrig in die Küche, um wenig später das Gewünschte zu bringen.
"Gut gemacht, Kleiner...und nun nimm Aliesa und geht nach oben spielen, ja?"
Philippe sah den Kindern lächelnd nach und setzte sich Edward gegenüber.
"Nun, was kann ich für dich tun, Brüderchen?"

Edward nickte und betrat hinter Philippe das Haus. Er ließ sich auf dem angewiesenen Platz nieder und beobachtete wie der junge Frederic losstürmte, um etwas Ale zu holen. Edward musste schmunzeln. Philippe hatte sich wirklich für ein gänzlich anderes Leben entschieden, aber es schien ihm gut zu bekommen.
Er bedankte sich bei Frederic als dieser mit einem Becher zurück kam und sah den beiden Kindern dann einen Moment lang nach. "Wie groß sie schon geworden sind. Ich stelle immer noch fest, dass ich furchtbar lange weg gewesen bin." bemerkte er, dann sah er Philippe wieder an und hob leicht den Becher. "Aber bisher mal keinen weiteren Nachwuchs in Sicht, hm?" erkundigte er sich schmunzelnd. "Süß sind sie ja."
Edward schlug die Beine übereinander und stellte fest, dass er keine Ahnung hatte, wo er anfangen sollte. Er nahm einen großen Schluck von dem Ale und starrte dann etwas verlegen in den Becher. "Naja, das ist nicht ganz so einfach, weißt du ..." begann er unbehaglich.

Philippe beobachtete seinen Sohn stolz, als dieser Edward nochmal anstrahlte und sich dann mit Aliesa verzog.
"Oh ja, das sind sie. Und sie verehren dich wie einen großen Helden, Ed. Der strahlende Onkel, der im Heiligen Land war." Er schüttelte leicht den Kopf.
"Nein, im Moment nicht. Aber ich denke, die Pause tut Amélie gut und ich bin dankbar für unsere muntere Kinderschar. Was nun noch kommt, ist eine besondere Freude."
Er hob die Augenbrauen. "Du redest doch sonst nicht um den heißen Brei herum, Brüderchen. Wie wärs mit geradeheraus wie du es sonst auch tust?"
Edward fiel oft mit der Tür ins Haus.

Edward lachte leise. "Wirklich? Nun, dann sollte ich ihnen wohl später noch ein wenig meiner Zeit schenken." Vorausgesetzt, dass Philippe ihn nicht gleich direkt vor die Tür setzte.
Er nippte an seinem Becher und nickte. "Bestimmt. Und ein halbes Dutzend ist ja schon eine ganz beachtliche Zahl." stellte Edward fest und seufzte dann schwer. "Es wäre sicher eleganter, es etwas einzuleiten, aber ich weiß nicht wie und wenn du es so haben willst ..." Er schluckte und sah Philippe dann in die Augen. "Ich bin gekommen, um dich um die Hand deiner Tochter zu bitten. Claire und ich, wir ... wollen heiraten." eröffnete Edward dann angespannt und machte sich innerlich schon einmal darauf gefasst, gleich einem Faustschlag ausweichen zu müssen.

"Damit würdest du sie sicher sehr glücklich machen." Philippe nickte zufrieden. "In der Tat. Mein Leben ist wunderbar so, wie es ist. Und ich bin sehr zufrieden mit dem halben Dutzend. Sie sind alle wunerbar gelungen."
Philippe starrte Edward blinzelnd an, als habe man ihn vor den Kopf geschlagen. "Das ist kein besonders guter Scherz, Edward.", bemerkte er dann verständnislos.
"Claire ist deine Nichte, du weißt doch, dass das nicht geht." Und als er begriff, dass es ihm durchaus ernst damit war, packte Philippe Edward am Kragen. Seine Muskeln waren von der der harten Arbeit in den Stallungen gestählt, er brauchte sich vor Edward sicher nicht zu verstecken.
"Gnade dir Gott, wenn du sie angerührt hast, Edward, ich werde es nicht tun.", knurrte er wütend. Allein die Vorstellung...

Edward seufzte leise. "Nein, ich weiß. Ein solcher Scherz wäre nicht besonders angebracht - und es ist auch keiner." erwiderte er und fand sich nur wenige Augenblicke später von Philippe am Kragen gepackt. Edward versuchte gar nicht sich gegen den festen Griff seines Bruders zu wehren und sah ihn nur weiter unverwandt an. Wieso zum Teufel muss ich es mir auch immer gleich mit solchen Muskelpaketen verscherzen? Erst Matthew, jetzt Philippe ...
Möglichst beschwichtigend legte Edward eine Hand auf Philippes Handgelenk. "Beruhig dich, Phil, ich bitte dich. Ich habe sie nicht angerührt, hab keine Angst. Wir ... haben uns zwar schon geküsst, aber das war alles, ich schwör's. Ich will sie nicht in Schwierigkeiten bringen." erklärte Edward und dachte bei sich, dass es wesentlich leichter war Rechenschaft abzulegen, wenn man nicht gerade halb erwürgt wurde.

"Du meinst das also wirklich ernst? Bist du bescheuert, Edward? Das ist meine Tochter!" Claire war ein wunderhübsches Mädchen und immer sein Augapfel gewesen, so sehr er auch alle Kinder liebte. Es machte ihn wahnsinnig, dass Edward sich nicht einmal wehrte, denn es verlangte ihn so sehr danach, ihm ins Gesicht zu schlagen.
Er legte vor Wut die Hand an Edwards Kehle und seine Miene verzerrte sich. "Du hast sie geküsst? Was denkst du dir dabei mein Mädchen zu verführen? Du bist ihr Onkel! Hast du überhaupt keinen Anstand, du Mistkerl? Du kommst hierher und willst mein Mädchen heiraten? Du bist mein Bruder! Wie kannst du auch nur daran denken? Du bringst sie allein mit dieser Tatsache in Schwierigkeiten!"
Er war so sauer, dass er gar nicht wusste, wie er sich davon abhalten sollte ihm irgendwelche Knochen zu brechen.

"Das tue ich." bestätigte Edward. "Und mir ist wohl bewusst, dass sie deine Tochter ist, deshalb bin ich ja auch hier." Manchmal verfluchte er sich wirklich für seine lose Zunge! Wieso konnte er sich eigentlich nie zusammen reißen? Nicht einmal in so wichtigen Momenten?
Als Philippes Hand zu seiner Kehle wanderte, schnappte Edward nach Luft. "Phil ... komm schon ... mach keine Dummheiten ..." bat er eindringlich und verstärkte nun doch den Griff um das Handgelenk seines Bruders etwas. "Ich habe sie nicht verführt, wir ... wir lieben uns, Phil. Ich weiß, dass das erst einmal sehr ... überraschend kommt, aber wir haben uns in Westminster kennengelernt und wussten anfangs einfach nicht, wen wir da vor uns hatten. Als es heraus kam, war es, naja, zu spät." Edward versuchte sich an einem schiefen Lächeln. "Bitte ... es ist mir wirklich ernst mit dieser Sache. Ich weiß, dass es kompliziert ist, aber ich kann einen Dispens erwirken, dann spielt all das keine Rolle mehr."

Philippes Augen verengten sich und schließlich überwand er sich dazu, Edward loszulassen. Er zog die Hand zurück und machte einige Schritte weg von ihm, damit er gar nicht mehr in Versuchung kam.
"Sie liebt dich...du bist doppelt so alt wie sie! Und du kennst Claire doch, soll ich dir ernsthaft glauben, du hättest nicht gewusst, wen du vor dir hast?"
Er schüttelte den Kopf, war nun aber wieder ein wenig ruhiger. "Du hast Helene nicht gerade gut behandelt, warum sollte ich dir also Claire geben? Falls du überhaupt einen Dispens erwirken könntest.", erwiderte er argwöhnisch.
"Du wirst sie doch nur unglücklich machen, ich kenne dich. Es spielt eine Rolle, Edward, und zwar für mich." Edward glaubte wohl auch, er könne sich alles herausnehmen.

Edward war erleichtert als Philippe ihn zumindest los ließ und fuhr sich kurz über den Hals. "Oh komm schon, Phil ... das Alter spielt dabei keine so große Rolle. Sie ist alt genug, das ist das einzige, was zählt." Edward zog eine Augenbraue in die Höhe. "Kennen? Nein, das konnte ich bis vor Kurzem wirklich nicht behaupten. Ich war jahrelang weg und vorher habe ich sie auch so gut wie nie gesehen."
Edward lehnte sich ein wenig vor und sah Philippe eindringlich an. "Weil meine Ehe mit Helene etwas ganz anderes war. Ich habe sie geheiratet, weil Henry ist wollte, das weißt du genau. Claire ist ... sie ist etwas ganz besonderes. So etwas habe ich seit Julias Tod nicht mehr empfunden. Bitte, Phil, lass es nicht an solch oberflächlichen Gründen scheitern." Edward sah seinen Bruder an, die Kehle wie zugeschnürt, denn er wusste nicht, was er tun sollte, sollte Philippe ihm Claires Hand verweigern. Er liebte diese Frau so sehr, dass ihn schon der Gedanke ängstigte, sie in Zukunft nicht bei sich haben zu können.