William und Joanna - ab 1193 bis 1194

John beobachtete zufrieden, wie einfühlsam Levi Giselle etwas Mut zusprach und ihr Zuversicht vermittelte. Das war wichtig. Trotz seiner Jugend schien Levi schon viele Dinge zu wissen, die manche Ärzte nie lernten.  Er konnte sehen, wie bleich Levi geworden war, vermutlich selber überwältigt von seiner Courage und nachdem er alles aufgeräumt und Giselle versorgt hatte, folgte er dem Juden.
Er ahnte schon, wohin diesen sein Weg geführt hatte und fand ihn auf dem Gang vor dem Abort.
"Geht es wieder?", fragte er freundlich. "Du...hast Großes geleistet, Levi. Hoffen wir, dass Giselle sich gut erholt."
John schaute ihn aufmunternd an. "Komm mit mir, lass uns einen Becher auf das neue Leben trinken. Das wird dich wieder auf die Beine bringen."

Levi

Levi traute seinen Beinen noch nicht wieder Recht über den Weg, also hatte er sich zunächst noch einmal mit dem Rücken an die Wand gelehnt, um sich etwas zu sammeln. Als er Schritte näher kommen hörte, hob er den Kopf und sah John auf sich zukommen. Er machte eine matte Geste und nickte leicht. "Wird schon." Er fühlte sich noch immer etwas erschlagen, aber die Übelkeit war verschwunden und seine Beine fühlten sich nicht mehr an als würden sie jeden Moment einfach nachgeben.
Levi fuhr sich kurz über das Kinn und nickte dann erneut. "Einverstanden." willigte er ein und begleitete John zu dessen Gemach. Dort ließ Levi sich erschöpft auf einen freien Stuhl sinken und nahm dankend einen Becher Wein entgegen. Nachdenklich starrte er in den Becher, den er in den Händen hielt. "Ich hatte mir geschworen, so etwas nie wieder zu tun." vertraute er dem Wein an.
Er hatte abschließen wollen mit diesem Kapitel seines Lebens und für ein paar Wochen hatte er geglaubt, es wäre ihm gelungen. Jetzt war alles anders gekommen, seine kleine Tarnung als einfacher Kammerdiener war aufgeflogen und Levi fürchtete, dass er das geruhsame Leben hier nun wieder aufgeben musste.

John nickte zustimmend und schließlich saßen sie einander mit einem Becher Wein gegenüber. Das tat gut nach den letzten Stunden, in denen sie Beide voller Sorge gewesen waren. John war nicht sehr zuversichtlich gewesen, dass er das Kind und Giselle retten konnte.
"Und warum hast du dir das geschworen? Es gibt doch wenig Grund dazu. Erzähl mir, warum du ein Geheimnis daraus gemacht hast. Als Kammerdiener verschwendest du doch dein Talent."
Vielleicht würden sie ja einen guten Arzt dazu gewinnen.
"Wo hast du all das gelernt?"
Er war wirklich beeindruckt gewesen, denn Levi hatte mit sehr sicherer Hand Messer und Nadel geführt, sehr ordentliche Wundnähte gemacht und sofort die Initative ergriffen. "Was denkst du, wie stehen ihre Chancen?"

Levi

Levi atmete geräuschvoll aus. "Weil ich kein Arzt mehr sein will. Es hat immer nur Unglück gebracht." erwiderte er und sah John nachdenklich an. "Vielleicht verschwende ich es. Vielleicht habe ich aber auch einfach eine gute, ehrliche Arbeit gefunden, die mich nicht in Schwierigkeiten bringt. Ich ... ich war sehr zufrieden mit meinem Dasein als Giselles Kammerdiener in den letzten Wochen. Sie ist eine so kluge und geistreiche Frau, es hat mir wirklich Freude bereitet."
Levi trank einen Schluck, ehe er weiter sprach. "Ein bestimmtes Grundwissen über die menschliche Anatomie habe ich schon in der Schule meines Rabbiners gelernt. Bei uns wird kein solches Geheimnis aus diesen Dingen gemacht, wie es bei euch häufig der Fall ist, aber die wirklich wichtigen Dinge hat mir mein Vater beigebracht. Er hat mich so ziemlich alles gelehrt, was ich in diesen Dingen weiß und kann und ich habe lange mit ihm zusammen in Bristol gearbeitet." Levi schwieg einen Moment und dachte über Johns Frage nach, wog das Für und Wider ab, ehe er seine Einschätzung gab. "Ich bin mir nicht sicher. Wenn sie die Nacht übersteht und sich nichts entzündet, steigen ihre Chancen deutlich. Es gibt noch einige Dinge, die wir tun können ... die Wunde immer gut sauber halten, zum Beispiel und beim ersten Anzeichen eines Fiebers müssen wir sie kühlen und einen fiebersenkenden Sud machen. Es gibt auch eine Kräutermischung, die die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung senkt, sie sollte regelmäßig einen Tee daraus trinken." erklärte Levi langsam. "Und beten kann auch nie schaden." schloss er dann mit einem schiefen Lächeln.

"Welches Unglück hat es dir gebracht?", fragte John nach. Jetzt, wo Levi angefangen hatte zu reden, konnte er es auch zu Ende erzählen. "Ja, vielleicht. Und es könnte sicher schlechtere Arbeit geben. Aber vermisst du es nicht? Reizt es dich nicht, all den Kranken Linderung zu verschaffen, auch weiterhin?Es muss dir schwer gefallen sein, nicht ins Hospital zu kommen."
Er lauschte aufmerksam und nickte. "Das klingt nach einer guten Ausbildung. Wo ist dein Vater jetzt? Was ist passiert?"
John seufzte schließlich tief. "Ja, ich denke auch. Ich habe Elena schon eine entsprechende Mischung da gelassen, sie wird sie Giselle aufbrühen und einflößen. Aber ich werde sie auch definitiv in meine Gebete einschließen. Giselle hätte es verdient. Sie ist eine starke Frau mit solcher Lebensfreude. Sie sollte ihren Sohn aufwachsen sehen..."

Levi

Levi zuckte leicht mit den Schultern. "Ihr wisst doch unter welchen Umständen ich hier her kam. Ich habe Bristol nicht freiwillig mit kaum mehr als meinen Kleidern am Leib verlassen, das könnt Ihr mir glauben." Levi wusste, dass er seine Gesichte irgendwann ganz erzählen musste, aber es fiel ihm schwer daran zu rühren. Er biss sich auf die Unterlippe und schwieg einen Moment lang. Das waren eigentlich Dinge an die er sich nur ungern erinnerte, aber John hatte ihm vorhin genug vertraut, um ihm ein Messer zu geben, vielleicht war es nun an Levi Vertrauen zu haben.
"Er ist tot." erklärte er mit belegter Stimme und sah zu John auf. "Erschlagen von einem Mann, dessen Frau im Kindbett gestorben ist. Er hatte unbedingt gewollt, dass mein Vater sie entbindet und als sie es nicht überlebt hat, hat er meinem Vater die Schuld daran gegeben." Das war ein wirklich düsterer Tag in Levis Leben gewesen und er hatte erkennen müssen, wie düster die menschlichen Abgründe tatsächlich waren.
Levi nickte. "Das hat sie ohne Zweifel. Und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihr zu helfen." erklärte er entschlossen. Und wenn es das letzte war, was er tat, er würde Giselle sicher nicht kampflos sterben lassen.

John nickte. "Das weiß ich, ich habe es von Robert gehört. Aber natürlich wussten wir alle nicht, was wirklich dahinter steckt." Er wartete ab und ließ Levi Zeit. Zeit, um sich zu sammeln und zu entscheiden, ob er seine Geschichte erzählen würde.
Und er wurde nicht enttäuscht, denn Levi fasste sich ein Herz und erzählte seine traurige Vergangenheit. "Das tut mir sehr leid. Es gibt immer undankbare Menschen, blind vor Wut und Trauer. Aber so weit gehen die Wenigsten. Ich kann verstehen, dass der Beruf nicht mehr allzu viel Reiz für dich hat. Aber weißt du, wir haben hier eine bessere Position als allein woanders. Wir stehen unter dem Schutz des Earls und das weiß jeder hier. Du hast großes Talent und großes Wissen. Du könntest dir überlegen, ob du nicht doch zu uns ins Hospital kommen möchtest."
John nickte. "Das ist sehr lobenswert. Ich schließe mich dem an und gemeinsam bekommen wir sie hoffentlich über den Berg."

Levi

"Eine ziemlich deprimierende Geschichte." bemerkte Levi trocken. "Aber immerhin hatte ich mehr Glück als mein Vater seiner Zeit. Ich habe nicht mit eingeschlagenem Schädel mein Ende gefunden, sondern konnte Bristol noch lebend verlassen." Levi legte den Kopf ein wenig schief und sah John mit einem beinahe nachsichtigen Lächeln an. "Ihr kennt diese Vorwürfe, nicht wahr? Jeder Arzt bekommt sie irgendwann einmal zu hören. Aber unter euch Christen ist es immer noch einmal etwas anderes. Aber der Jude ... der darf es ruhig zu spüren bekommen, wenn er scheinbar etwas falsch gemacht hat. Die Hemmschwelle der Menschen ist uns gegenüber so viel geringer." Levi senkte wieder den Blick. Es war so verlockend, aber er scheute sich noch immer davor diesen Schritt zu gehen und seine Entscheidung nie wieder als Arzt zu arbeiten, rückgängig zu machen. "Ich ... ich weiß nicht. Ich glaube erst einmal möchte ich es nicht. Ich ..." Levi stockte kurz und hob ein wenig ratlos die Schultern. "Erst einmal will ich sehen, wie es mit Giselle weiter geht und ob ... ob dann überhaupt noch Platz für mich hier in Truro ist."

"Das ist wahr. Du lebst und jetzt bist du hier. Aber natürlich kenne ich die Vorwürfe. Welcher Arzt kennt sie nicht? Aber solange man selbst hinter allem stehen kann, was man getan hat, ist es halb so schlimm. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Leute oft den Fehler in deinem Glauben suchen. Was völliger Unsinn ist..."
John lächelte leicht. "Dann warte ab...aber das Angebot steht. Wir haben so viel Zulauf, wir könnten noch einen fähigen Arzt brauchen. Sie haben sich damals Azeem auch bereitwillig anvertraut, obwohl er einen anderen Glauben hatte. Aber sorge dich nicht. Hier wird Platz für dich sein. Der Earl ist ein guter Mann und er wird zu schätzen wissen, dass du seinen Urenkel lebend auf die Welt geholt hast. Egal, was mit Giselle werden sollte, so sehr auch alle an ihr hängen. Es ist nicht dein Fehler. Ohne deinen Einsatz wäre sie uns unter den Händen gestorben. Wir hatten gehofft, dass ihre Muskulatur weit genug und die Wehen heftig genug sein würden, damit das Kind auf natürlichem Wege zur Welt kommen kann. Aber ich habe das falsch eingeschätzt."
John schlug die Beine übereinander und schaute Levi nachdenklich an. "Vorausgesetzt, sie übersteht alles und wird gesund...wird sie nach deinem Eingriff noch in der Lage sein Kinder zu bekommen? Hast du Erfahrungswerte dahingehend?"

Levi

Levi nickte langsam. "Ich zweifle nicht daran, dass der Earl ein guter Mann ist, aber ich weiß auch, wie schwer es manchmal sein kann, seine guten Vorsätze in solchen Dingen zu halten. Allerdings ist das nicht das Problem, es ist eher ..." Levi zögerte kurz, er war sich nicht sicher, ob er erklären konnte, was in ihm vorging. Ob man es nachvollziehen konnte. "Es ist eher so, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich bleiben kann, wenn sie stirbt. Ob ich damit umgehen kann." Levi drehte nachdenklich den Becher in seinen Händen. "Ich weiß nicht, ob Ihr das verstehen könnt ... ich hatte mir vorgenommen, nie wieder als Arzt tätig zu sein, um damit kein Unheil mehr herauf zu beschwören. Und dann kam ich hier her und habe einen guten Platz gefunden. Ich habe zugelassen, dass mir alles hier in dieser kurzen Zeit ans Herz wächst und aus Angst heraus, dass sich etwas ändern könnte, aus Angst daraus, dass sie sterben könnte, habe ich mich vorhin entgegen meines Vorsatzes doch eingemischt." Levi seufzte leise. "Sicher, ich weiß, dass sie ohne meinen Eingriff ohnehin gestorben wäre und das es nicht meine Schuld ist, dass man als Arzt nie alle retten kann. Aber ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte hier zu bleiben ..." erklärte Levi mit einem ratlosen Schulterzucken. "Aber vielleicht sind diese Gedanken ja ohnehin müßig und sie schafft es. Ich hoffe es zumindest inständig."
Levi lehnte sich etwas zurück und musste trotz aller Ernsthaftigkeit der Situation lächeln. "Ich bin kein Metzger, Doktor. Ich weiß, wo ich zu schneiden habe ohne etwas Wichtiges zu verletzen." bemerkte Levi und nickte dann. "Sie wird nach wie vor Kinder empfangen können, aber ... vorausgesetzt es geschieht kein Wunder, wird sie keines davon selbst gebären können."

John gab Levi Zeit sich zu erklären und er verstand durchaus, was der Andere sagen wollte. "Ich verstehe gut, was du meinst. Wenn man Menschen verliert, die einem viel bedeuten und man machtlos dabei ist, gibt einem das doch sehr zu denken. Du hast hier aber kein Unheil heraufbeschworen, sondenr für Giselle, Rob und den Jungen ein Wunder gewirkt. Es war gut, dass du dich eingemischt hast. Warten wir einmal ab...Aber ich bin sicher, dass sie es schafft. Sie hat einen sehr starken Willen, sonst wäre sie gar nicht soweit gekommen, wie sie ist."
Er lachte leise auf. "Das weiß ich. Ich habe gesehen, dass du eine ruhige Hand hast und feine Nähte machst. Aber ich weiß auch, dass man manchmal Kompromisse mit der Natur eingehen muss, um ein Leben zu retten." Er neigte den Kopf. "Nun, dann sollte sie wohl hoffen, dass du in der Nähe bist. Aber wenn sie sich erholt, bin ich gar nicht so schlechter Hoffnung, dass sie noch weitere Fortschritte in ihren Bewegungsmöglichkeiten machen wird."

Levi

Levi sah John unsicher an und war sichtlich erleichtert, dass dieser seine Gedankengänge offenbar verstand. Er atmete leise durch. "Ja, das hat sie in der Tat. Wenn jemand gute Chancen hat, dann wohl sie." stimmte Levi zu. Was Giselle schon alles durchgestanden hatte, war wirklich bemerkenswert. Und auch heute hatte sie härter gekämpft als die Meisten es wohl gekonnt hätten. "Ich werde gleich noch einmal nach ihr sehen. Jetzt ... laufe ich ja wenigstens nicht mehr Gefahr mich direkt vor ihren Füßen zu übergeben." bemerkte Levi mit einem kläglichen Lächeln.
Angesichts von Johns Kompliment neigte er leicht den Kopf. "Vielen Dank." Es ehrte ihn, wenn man seine Arbeit so zu schätzen wusste. "Das ist wahr, aber diese Methode ist in dieser Hinsicht ziemlich sicher." Levi hob leicht die Schultern. "Möglich. Ich ... wenn sie sich wieder erholt hat, könnte ich sie mir ja einmal genauer ansehen." Vielleicht gab es noch etwas, das er tun konnte.

John nickte. "So ist es. Nein, das tust du nicht, darüber wäre sie wohl nicht so froh.", neckte er. "Ich denke, sie wird schlafen. Aber sieh ruhig nach ihr, es schadet nicht öfter nachzusehen, wie es ihr geht. Soll ich dich begleiten?"
John beugte sich leicht vor. "Wenn wir...so eine Gelegenheit noch einmal haben sollten, würdest du mich wohl unterweisen, wie man diese Behandlung vornimmt? Es schadet nie sich weiterzubilden und vielleicht kannst du auch von uns das Ein oder Andere lernen. Ich würde mich freuen, wenn du Giselle untersuchen würdest und mir deine Einschätzung mitteilst. Mein Sohn und ich versuchen ständig ihr Training weiterzuentwickeln und wir haben Erfolg damit, aber vielleicht können wir noch mehr erreichen. Sie vertraut dir, sie hat sicher kein Problem damit.", bemerkte er dann begeistert.

Levi

Levi grinste schief, dann nickte er. "Vermutlich, es war ziemlich anstrengend für sie. Ich würde dennoch gern nach ihr sehen, nur um sicher zu gehen." erwiderte Levi, sah John an und lächelte leicht. "Ja, wieso nicht? Dann können wir noch besprechen, wie wir in den nächsten Stunden vorgehen. Bis morgen sollte lieber einmal öfter nach ihr gesehen werden."
Levi erschauderte leicht. Es fiel ihm viel zu leicht sich auf John und dessen Pläne einzulassen, dabei wusste er doch noch nicht einmal, ob er wirklich bleiben würde! Trotzdem nickte er langsam. "Sicher, wenn wir noch einmal solch eine Gelegenheit haben. Und ... bis dahin kann ich Euch schon einmal ein paar Grundlagen dazu erklären." bot Levi an, wenngleich er sich seltsam bei der Vorstellung fühlte, dass ausgerechnet er dem älteren und viel erfahreneren Arzt etwas beibringen sollte.

"Aber Schlaf lässt die Menschen schneller gesunden und gibt ihr Kraft für ihren Sohn. Ich bin gespannt, wie sie ihn nennen werden." John lächelte zurück."Dann los, lass uns gehen. Ja, das sehe ich auch so. Wir sollten uns abwechseln und alle paar Stunden nach ihr sehen, auch heute Nacht. Ich will auch kein Risiko eingehen."
Er nickte zufrieden. "Das würde mich sehr freuen. Man weiß nie, wann man einmal wieder vor solch einer Situation steht."
John erhob sich und leerte seinen Becher. "Es war wirklich gut, dass du Robert über den Weg gelaufen bist. Sonst hätte er seine Schwiegertochter wohl verloren."

Rob betrachtete seine Frau mit dem kleinen Bündel im Arm und während das Gemach sich langsam leerte, setzte er sich auf ihre Bettkante und strich Giselle zärtlich über den verschwitzten Schopf. "Wir haben einen Sohn ... kannst du das glauben?" wisperte er leise und hauchte einen Kuss auf ihre Schläfe. Er fühlte sich völlig erschlagen. Die Stunden banger Angst in denen Giselle gekämpft hatte, dann Levis plötzliches Eingreifen und die schiere Angst davor, Giselle und das Kind könnten hier direkt vor seinen Augen einfach sterben ...
Rob sah wieder zu dem kleinen Jungen, der in weiche Tücher eingehüllt war und aufmerksam zu seinen Eltern aufsah. "Wie winzig er ist. Und doch hat er vorhin gebrüllt wie ein Löwe. Ein kräftiges Kerlchen an dem wir sicher sehr viel Freude haben werden. Er wird uns ständig in Atem halten, sobald er krabbeln kann, schätze ich." bemerkte er lächelnd und sah Giselle wieder an. "Wie möchtest du ihn nennen?"

Giselle betrachtete voller Staunen das Bündel in ihrem Arm, die winzigen Fingerchen und die wachen Augen. Darüber vergaß sie ihre Schmerzen und die bleierne Erschöpfung für eine Weile. Es war kaum zu glauben, dass sie es bald nicht geschafft hätten. Levi hatte sie gerettet und ihr diesen Moment geschenkt. Wie viel mehr doch in dem Juden steckte, als sie geahnt hatte.
"Nein, ich kann es noch nicht so recht glauben. Ich habe nie geglaubt, dass ich jemals ein Kind haben würde. Aber jetzt...und noch dazu einen ehelichen Sohn und Erben für dich." Das machte sie ganz besonders stolz. "Das glaube ich auch. Wenn er nur ein bisschen wird wie du, dann hält er uns auf jeden Fall in Atem." Sie lächelte zärtlich.
"Nun, ich dachte, wir könnten ihn William nennen. Nach deinem Großvater. Er ist ein großartiger Mann und wird sich sicher darüber freuen." Und so würde eines Tages wieder ein William of Cornwall Earl werden.

"Wenngleich ich auch mit einer Tochter überglücklich gewesen wäre. Dieses Kind ist so oder so ein wahres Wunder." erwiderte Rob und legte vorsichtig einen Arm um Giselle. "Und ich werde Levi nie vergessen, dass er das ermöglicht hat." Ohne dessen entschlossenes Eingreifen hätte Rob heute vermutlich sowohl Kind als auch Frau verloren und das war ein wirklich erschreckender Gedanke.
Auf Robs Lippen breitete sich dann ein Lächeln aus. "William ..." wiederholte er leise und schluckte schwer, da er einen Kloß im Hals spürte. "Das ist eine wundervolle Idee, Giselle." Rob liebte seinen Großvater wirklich von ganzem Herzen und es war nur richtig ihn auf diese Weise zu würdigen.
Er grinste schief. "Hauptsache keiner von uns fängt an zu heulen, wenn ich ihm das erzähle." bemerkte er leise lachend.

Giselle nickte. "Ja, ich weiß." Sie lehnte sich leicht an ihren Mann und schloss halb die Augen. "Nein, ich auch nicht. Ich wusste, dass er sehr gebildet ist, aber dass er Arzt ist, habe ich nicht geahnt. Ich danke Gott dafür, dass dein Vater ihn hergebracht hat."
Sie lächelte leicht. "Es freut mich, dass es dir gefällt." Sie lachte leise auf. "Nun, ich werde es zumindest nicht sein. Bei euch bin ich mir da nicht so sicher."
Sie legte den Kopf kurz an seine Schulter. "Möchtest du den Kleinen mitnehmen und ihn der Familie vorstellen? Ich...würde dann ein klein wenig schlafen. Ich bin völlig erledigt, ich...brauche ein bisschen Ruhe."
Vor allem, weil sie möglichst bald wieder gesund sein wurde.

"Daraus hat er offenbar ein gut gehütetes Geheimnis gemacht, wenn nicht einmal du eine Ahnung hattest, schließlich versteht ihr euch doch wirklich gut. Aber sei es drum, er hat euch beide gerettet, nur das zählt und du hast absolut Recht, es war gut, dass Vater ihn hergebracht hat." erwiderte er und grinste dann. "Wir werden sehen. Ich vermute ja, dass es schwer wird da trockenen Auges heraus hervor zu gehen."
Als Giselle den Kopf an Robs Schulter legte, küsste er sanft ihre Schläfe. "Ja, du solltest unbedingt schlafen. Du hast schwere Stunden vor dir und musst dich erholen. Aber bist du sicher, dass ich dich alleine lassen kann? Soll ich nicht lieber noch ein wenig bleiben?" Rob war sich nicht ganz schlüssig, ob es gut war Giselle alleine zu lassen. Andererseits, was sollte er schon groß tun? Und wenn er in einer Stunde ungefähr zurück kam, würde das sicher auch ausreichen.

Giselle nickte. "Das hat er. Aber er wird seine Gründe dafür haben. Ich werde ihn bei Gelegenheit danach fragen, er wird es mir erklären. aber ja, nur das zählt. Und ich wäre froh, er würde hier bleiben, auch wenn er vielleicht ins Hospital will."
Giselle seufzte leise. "Das habe ich. Mach dir keine Sorgen, du wirst ja nicht ewig fort sein. Und ich bin sicher, unsere Ärzte werden bald noch einmal nach mir sehen. Ich werde ohnehin nur schlafen und es ist...in Ordnung gerade. Ich bin nur wirklich erschöpft."
Sie übergab den kleinen William seinem Vater.
"Lass ihn taufen, sei so gut. Sicher ist sicher..."

Rob betrachtete seine Frau einen Moment lang, dann nickte er. "In Ordnung, ich werde gehen. Aber ich komme bald wieder, um nach dir zu sehen, hörst du?" erklärte er und küsste Giselle sanft auf die Lippen, ehe er seinen Sohn entgegen nahm. "Mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich um alles. Ich werde ihn meinen Eltern und Großeltern zeigen, Hal bitten ihn zu taufen und dann alles für eine Tauffeier vorbereiten, so dass wir die Geburt unseres Sohnes angemessen feiern können, sobald du dich erholt hast." erklärte Rob und strich dem kleinen William dabei sachte über die Wange. Dann beugte er sich noch einmal vor und hauchte einen Kuss auf Giselles Stirn. "Und du schlaf und erhol dich gut. Ich bin so stolz auf dich, mein Engel." erklärte er leise, ehe er sich erhob, um Giselle ihre Ruhe zu gönnen.
Auch wenn er den kleinen nun wieder in den Armen hielt, war es immer noch ein unglaubliches Gefühl. Rob vermutete, dass es noch etwas dauern würde, bis er wirklich begriff, dass er Vater geworden war.

Robert war ein wenig nervös, denn es blieb natürlich nie unverborgen, wenn auf dieser Burg eine Frau in den Wehen lag. Die Hektik war spürbar, die Anspannung greifbar und das diesmal ganz besonders, weil sein Enkelkind zur Welt kommen würde. Keiner von ihnen wusste, wie diese Niederkunft verlaufen und ob Giselle das alles überstehen würde.
Er sorgte sich wirklich und hoffte, dass Rob ihnen bald Nachricht brachte. Er wollte sich nicht aufdrängen und hingehen, die Beiden hatten genügend Trubel.
"Ich hoffe wirklich, dass alles gut geht und dass Rob uns bald gute Neuigkeiten bringt.", sagte er leise zu Josephine. "Ich mache mir Sorgen um Giselle."

Josephine saß an der Seite ihres Mannes und warf ihm einen sanften Blick zu. Sie wusste, was in ihm vorging, verspürte sie doch genau die gleichen Sorgen. Zärtlich strich sie ihm über den Nacken. "Ja, das hoffte ich auch. Und ich bete, dass alles gut geht. Um Giselles und Robs Willen. Ich will mir lieber gar nicht vorstellen, was wäre, wenn sie diese Niederkunft nicht übersteht." Es würde Rob wirklich hart treffen und die Vergangenheit hatte ja schon gezeigt, wie sehr Rob an solchen Dingen zu kauen hatte und Josephine fürchtete deshalb wirklich um ihren Sohn, der seine Frau doch so bedingungslos liebte.
Sie wollte gerade noch etwas hinzufügen, da klopfte es kurz an der Tür und im nächsten Moment wurde sie geöffnet und da stand Rob auf der Schwelle, ein kleines Bündel in den Armen.
Josephine sprang förmlich auf. "Oh Junge!" Sie hielt sich mit Mühe davon ab ihm entgegen zu laufen als Rob zu ihnen kam und sie legte eine Hand vor den Mund, sah ihn abwartend an. Er sah abgekämpft aus, aber offenbar war ihre schlimmste Befürchtung nicht eingetreten, das konnte sie an seinen Augen sehen.
Rob lächelte als er zu seinen Eltern trat. "Vater, Mutter ... darf ich euch euren Enkel vorstellen?" begann Rob und sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter als er ihnen den Jungen zeigte. "William."

"Nein, ich auch nicht. Der Junge hat schließlich endlich die Frau gefunden, an der sein ganzes Herz hängt. Die Beiden hätten das Glück wirklich verdient. Giselle hat schon so viel durchgemacht in ihrem Leben." Auch Robert erhob sich eilig, als es klopfte und plötzlich Rob in der Tür stand. Er sah erschöpft aus, aber nicht voller Trauer. Giselle lebte also...
Er trat einen Schritt näher und begutachtete das Kind, das Rob im Arm hielt. "Der Herr sei gepriesen...", murmelte er und lächelte dann breit. "Ein Junge? Großartig...und ein guter Name. Dein Großvater wird wirklich gerührt sein deswegen."
Er legte Rob eine Hand auf die Schulter. "Gut gemacht...Wie geht es Giselle? Hat sie alles gut überstanden? Wir hatten wirklich Sorge um sie."