William und Joanna - 1194

Charles lächelte, als Mary sich so merklich in seinen Armen entspannte. "Hm, umso besser, dass ich gekommen bin, nicht wahr?" Er hob die Augenbrauen, als sie ihm von den Taten der Zwillinge berichtete. "Die Beiden haben tatsächlich nur Unsinn im Kopf, wenn sie zusammen hängen. Wie kommt Juliana dazu, dass sie kämpfen lernen möchte? Dass Roland ihr keinen Wunsch abschlägt, ist ja nichts Neues. Sie hat ihn gut im Griff. Aber warum will sie unbedingt in Hosen kämpfen?"
Er seufzte tief. Die Zwillinge waren wirklich unmöglich. Er liebte sie sehr, aber sie waren einfach die reinsten Wirbelwinde.
"Wie bist du mit ihnen verblieben?"

"Es ist immer gut, wenn du bei mir bist." erwiderte sie lächelnd, streckte sich etwas und gab Charles einen Kuss auf die Wange.
Dann zog sie die Schultern in die Höhe. "Ich weiß es nicht. Sie sagten, Juliana sollte sich verteidigen können, sie könne sich ja nicht darauf verlassen, dass immer jemand da wäre, um sie zu beschützen. Vermutlich haben sie beide darin erst einmal nur ein spannendes Abenteuer gesehen und sich dann damit eine Erklärung zurecht gelegt." mutmaßte Mary und seufzte. "Weil es in Hosen leichter ist mit dem Schwert. Ich habe darauf verwiesen, dass das für eine Dame wohl kaum angemessen wäre, da ... da haben sie mir erklärt, ich hätte mich ja auch nicht immer wie eine Dame verhalten als ich Gérard mit dem Dolch von mir fern gehalten habe." erklärte sie und ihre Stimme war nun deutlich brüchiger. "Und Roland sagte, er wolle nicht, dass Juliana irgendwann so ergehen würde, wie mir."
Mary schwieg einen Moment lang, musste schlucken nachdem sie diese Dinge berichtet hatte. "Ich habe sie hinausgeschickt, damit sie sich umziehen und sauber machen und sie sollen in ihrer Kammer warten." Mary fuhr sich mit einer Hand über die Augen. "Ich dachte, es wäre einfacher mit ihnen getrennt noch einmal zu sprechen, wenn wir uns alle ein klein wenig beruhigt und nachgedacht haben."

Charles verdrehte die Auge. "Warum sollte niemand da sein? Wir würden sie nie ohne Eskorte reisen lassen und wenn sie einmal heiratet, wird ihr Ehemann es genauso handhaben. Ich denke auch, wirklich darüber nachgedacht haben sie nicht."
Er drückte Mary leicht an sich. "Mach dir darum nicht so viele Gedanken. Es wardoch zu erwarten, dass sie eines Tages Gerüchte aufschnappen und Fragen stellen würde. Sie sind zehn Jahre alt, wahrlich keine kleinen Kinder mehr. Ich werde dafür sorgen, dass es ihr niemals so geht wie dir und Roland sicherlich auch. Wenn ein Mann vor Rolands Augen keine Gnade findet, wird sie ihn niemals heiraten. Wir sollten nachher mit ihnen sprechen, da hast du Recht. Vielleicht tatsächlich getrennt. Zusammen kommt man den Beiden Rabauken ja nie bei."

Mary zuckte mit den Schultern. "Sie wollten mir weiß machen, dass sie ja auch in anderen Situationen in Gefahr geraten könnte. Ich habe darauf verwiesen, dass sie dann ohnehin kein Schwert zur Verfügung hätte und ... naja, vielleicht ... habe ich ihr irgendwie in Aussicht gestellt, dass sie den Umgang mit dem Dolch lernen darf." gestand Mary ein wenig verlegen.
Mary schmiegte sich noch ein wenig mehr an Charles und nickte leicht. "Ja, da hast du Recht. Es hat mich einfach völlig unerwartet erwischt, deshalb beschäftigt es ich so. Ich ... ich habe so lange nicht mehr an diese Zeit gedacht, es ist so fern und das ist auch gut so. Damit konfrontiert zu werden, war einfach ein bisschen viel." Mary bettete den Kopf an Charles' Schulter. "Und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Nicht nur dafür, für alles ... dass du sie alle einfach angenommen hast, wie deine eigenen Kinder." Mary atmete tief durch. "Ja, das sollten wir. Sie sollten verstehen, was dahinter steckt und zudem sollte ich irgendwann mit ihnen über Gerard reden. Es ist wie du sagst, sie sind keine kleinen Kinder mehr."

"Erfinderisch sind sie ja, dass muss man ihnen lassen.", antwortete Charles schmunzelnd. "Und du bist darauf herein gefallen. Die Beiden haben dich gut im Griff, Mary, das steht fest. Nun ja, es schadet vielleicht wirklich nichts, wenn sie wenigstens das lernt."
Charles legte beide Arme um seine Frau und zog sie an seine Brust. "Ja, das ist sie. Es ist lange her. Und dafür brauchst du mir nicht zu danken, das war doch selbstverständlich. Sie sind alle so liebenswürdig...Ich vergesse meistens, dass sie nicht meine Kinder sind."
Er hatte eine innige Beziehung zu ihren Kindern und kam in aller Regel ganz hervorragend mit ihnen aus.  "Es wird höchste Zeit mit ihnen darüber zu sprechen. Ganz besonders mit Roland, den du ja immer so lauernd beobachtest. Er hat es verdient und er sollte es verstehen."

Mary seufzte ergeben. "Ja, das ist wohl so. Aber ich glaube ganz ehrlich, dass es für sie nicht schlecht wäre ein paar grundlegende Dinge zu lernen, um sich zu verteidigen, nur für den äußersten Notfall. Und lieber sie lernt es richtig als dass die beiden heimlich weiter machen und irgendetwas dabei schief geht." schloss Mary dann.
Mary schlang die Arme um Charles' Hals und küsste ihn zärtlich. "Und dafür liebe ich dich so." wisperte sie gegen seine Lippen. Dass er ihre Kinder so selbstverständlich annahm und dass er keinen Dank dafür erwartete. Dass er sie von ganzem Herzen liebte.
Mary biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. "Ist es so offensichtlich, dass ich das tue?" fragte sie dann leise. "Ich meine ... denkst du es fällt ihm auf?" Sie wollte Roland dadurch nicht womöglich noch mehr unter Druck setzen.

"Ja, vielleicht ist das tatsächlich eine gute Idee. Bevor die Beiden wirklich größeren Schaden anrichten, weil sie unvorsichtig sind."
Charles erwiderte ihren Kuss und lächelte leicht. "So wie ich dich. Hm, für mich ist es offensichtlich, weil ich das schon von Anfang an an dir beobachtete. Aber ich glaube, es fällt ihm nicht so sehr auf. Er ahnt es vielleicht ein wenig, weil er die Gerüchte kennt. Vielleicht stellt er sich die Frage manchmal auch selbst, ob er Gérard ähnelt. Aber er ist ein wackerer Bursche, er wird schon damit zurecht kommen. Mach dir darum keine Gedanken. Wir werden mit ihnen sprechen und ihre Fragen beantworten, dann wissen sie damit umzugehen und verstehen dich mehr."

Mary atmete tief durch. "Gut. Ich will ihn dadurch nicht noch mehr unter Druck setzen. Ich fürchte, er hat es so schon schwer genug." mutmaßte sie dann ein wenig bedrückt. Sie kannte selbst ja das ganze Gerede und sie wusste nicht erst seit heute, dass es ihre Kinder beschäftigte.
"Ach Charles ..." murmelte er Mary leise und schmiegte sich sanft in die Arme ihres Mannes. "Ich bin so froh dich zu haben." Mit ihm an ihrer Seite war alles so unendlich viel leichter. "Ich denke, es wird uns allen gut tun, wenn wir darüber sprechen. Sie sind alt genug und ein Geheimnis daraus zu machen, ist wohl auch nicht hilfreich." Mary seufzte leise. "Aber ich wäre dir unendlich dankbar, wenn wir gemeinsam mit ihnen sprechen. Ich glaube ... ich glaube, mir würde das wesentlich leichter fallen mit dir bei mir." gestand Mary leise.

Charles hatte natürlich zugestimmt seine Frau bei dem Gespräch mit den Zwillingen zu unterstützen. Sie hatten noch etwas gewartet, doch nun saßen sie mit den Beiden zusammen. Charles musterte Roland flüchtig und stellte immer noch diesen leicht trotzgen Gesichtsausdruck bei ihm fest. Er und Juliana saßen dicht nebeneinander.
Es war trotzdem schön zu sehen, wie die Zwillinge einander verbunden waren. Vielleicht würde das auch einmal Rolands Glück sein, denn Roland war ein Hitzkopf.
"Ihr habt sicher Fragen über euren Vater, die ihr beantwortet haben wollt. Deshalb sind wir hier. Ihr seid alt genug für eine Erklärung. Was möchtet ihr wissen?"

Roland

Ihre Mutter hatte sie eine kleine Weile schmoren lassen, doch nun waren sie wieder zu ihr gerufen worden und als Juliana und er dieses Mal das Gemach betraten, war ihre Mutter nicht mehr alleine, denn Charles war ebenfalls bei ihr.
Das gefiel Roland nicht so wirklich, denn er liebte Charles zwar sehr, da dieser wie ein Vater für ihn war, aber er wusste auch, dass es schwerer sein würde gegen seine Mutter und Charles anzukommen. Und wer wusste schon, was nun noch für Strafen auf sie zu kamen.
Was dann jedoch kam, überraschte Roland und einen Moment lang saß er einfach nur schweigend da, zu überrumpelt von diesem Angebot als dass er hätte reagieren können.
"Nun ..." begann Roland schließlich zögernd und sah zu Juliana, die direkt neben ihm saß. Was wollten sie wissen? "Alles, irgendwie." schloss er dann und zuckte leicht mit den Schultern. "Ich meine, die Leute reden so viel, aber ... wir wissen überhaupt nicht, was davon wahr ist und was nicht. Wie er wirklich gewesen ist ..." Und wieso ihre Mutter so lange bei ihm geblieben war obwohl diese Ehe ja scheinbar solch ein Desaster gewesen war.

Charles hätte beinahe über Rolands verblüfften Gesichtsausdruck lachen müssen. Offensichtlich hatten die Zwillinge mit einer gehörigen Standpauke gerechnet, nicht aber damit, dass sie nun einige Fragen beantwortet bekommen würden.
"Ich will nicht behaupten, dass ihr nicht falsch gehandelt habt und ich möchte nicht mehr, dass so etwas vorkommt. Sonst werdet ihr in der Tat bestraft werden. Für heute aber ist es an der Zeit, einige wichtigere Dinge zu besprechen."
Er neigte den Kopf. "Er war ein guter Mann, der eure Mutter geliebt hat. Aber er war unbeherrscht von Zeit zu Zeit, aggressiv. Es war....wie eine Art Krankheit, die er nicht beherrschen konnte. Und immer, wenn sie zutage trat, kam es zu solchen Aussetzern. Glaubt ihr, wir hätten euren Bruder Gérard genannt, wenn nicht zumindest etwas Gutes in ihm gewesen wäre? Macht euch also darum keine Sorgen. Es ist nicht so, dass ihr von einem Ungeheuer abstammt.", erklärte er sanft.

Roland

Roland war hin und her gerissen. Einerseits war er erleichtert, dass sie nun offensichtlich um eine harte Strafe drum herum kamen, andererseits fand er es noch immer ungerecht. "Aber wieso hat Juliana nicht das Recht zu lernen, wie sie sich verteidigen kann?" platzte es aus Roland heraus, ehe er sich hindern konnte. Vielleicht war es unklug noch einmal darauf einzugehen, aber es beschäftigte ihn und wenn sie doch schließlich Fragen stellen sollten, wieso diese hier nicht?
"Ein guter Mann?" wiederholte Roland zweifelnd. "Wenn er Mutter grün und blau geschlagen hat?" In Rolands Augen konnte es mit Liebe dann nicht weit her sein. Er runzelte die Stirn und wurde plötzlich ein wenig blasser um die Nase. "Eine Krankheit? Aber ... aber wenn es eine Krankheit war und ..." Roland brach ab und schluckte leicht, weil das was ihm durch den Kopf gegangen war einfach zu fürchterlich war, um es auszusprechen.
Was, wenn ich diese Krankheit auch habe?
Unbehaglich rieb der Junge sich mit den Händen über die Oberschenkel und sah kurz zu seiner Schwester, fand ein wenig Zuversicht in Julianas Anblick und sah wieder zu seiner Mutter und seinem Ziehvater. "Aber die Leute nennen ihn so." stellte er dann zögerlich fest. Es kam selten vor, dass sie mitanhörten, wie über ihren leiblichen Vater gesprochen wurde, aber die Leute hier fanden eigentlich nie gute Worte für diesen.

Charles hob die Augenbrauen, als Roland doch noch rebellierte. "Davon ist ja auch gar nicht die Rede. Aber heimlich Schwerter zu entwenden und sie in Männerkleidern üben zu lassen, das ist nicht akzeptabel. In fremder Umgebung wird sie sich auch in einem Kleid verteidigen müssen, wenn es nötig sein sollte. Sie wird lernen, das spreche ich euch nicht ab. Aber den Umgang mit einem Dolch, nicht mit einem Schwert. Und nicht von dir."
Er seufzte leise.
"Ja, ich weiß, es ist schwer zu verstehen. Und es ist unverzeihlich eine Frau zu schlagen. Doch wie ich schon sagte, er...konnte nur bedingt etwas für sein Verhalten und ich denke, er war oft genug für sich selbst eine Last." Aber er konnte Roland ansehen, was ihm durch den Kopf ging. "Sorge dich nicht. Ich kenne dich lange genug, da gibt es nichts in dir, was du fürchten müsstest. Die Leute nennen ihn so, weil sie nicht verstehen."

Roland

Roland senkte eilig den Kopf als Charles ihn zurecht wies, vor allem aber, weil er sein Grinsen noch einen Moment verbergen wollte. Erst als er Juliana ansah, ließ er es ungezwungen auf seinem Gesicht erscheinen und griff nach der Hand seiner Schwester um sie leicht zu drücken. Juliana erwiderte den Händedruck und lächelte ein wenig verschwörerisch. Also war es doch nicht ganz vergeblich gewesen.
Dann wurden die Zwillinge jedoch wieder ernst und hörten sich aufmerksam Charles' Erklärung an. Roland zögerte, er wusste, dass die Frage ungehörig war und sah seine Mutter einen Moment lang unsicher an. Mary konnte den Kampf erahnen, der sich gerade in ihrem Sohn abspielte und machte eine kleine, auffordernde Geste. "Frag nur." forderte sie sanft. "Egal, was es ist. Dafür sind wir jetzt hier."
Roland nickte leicht, brauchte aber trotzdem noch einen Moment, ehe es über seine Lippen kam. "Und deshalb ... deshalb hat er sich ... sich selbst getötet, weil er sich selbst eine Last war?" fragte er dann zögerlich und atmete verstohlen durch als Charles' seine Nöte so zielsicher erkannte und ihn mit seinen Worten förmlich erlöste. Was für eine grauenvolle Vorstellung es war, er könnte genau so von dieser merkwürdigen Krankheit befallen sein, wie sein Vater.

Charles grinste nachsichtig, als die Zwillinge so reagierten. Die Beiden waren wirklich unverbesserlich und eine Einheit, die niemand trennen konnte. Das würde ihnen noch viel bringen.
"Ja, ich denke schon. Außerdem dachte er, er habe deine Mutter erschlagen und das konnte er sich nicht verzeihen. Deshalb hat er sich selbst gerichtet.", offenbarte Charles dann leise. Er war nicht stolz auf seine eigene Rolle in diesem Spiel, aber er liebte Mary unverbrüchlich bis zum heutigen Tage und das war es wert, ohne Zweifel.
Er hob die Schultern. "Es war für uns alle eine kleine Erlösung, das muss ich eingestehen und ich froh, dass das Leben so ist, wie es jetzt ist. Aber trotzdem bin ich fähig Mitleid mit ihm zu haben. Doch um dich mache ich mir keine Sorgen, Roland, außerdem passt Juliana schon gut auf dich auf."

Roland

Roland nickte langsam, darüber musste er erst einmal etwas nachdenken. Juliana und er wussten schon länger, dass sein Vater nicht an einer Krankheit oder einer Verletzung oder sowas gestorben war, sondern den Tod selbst gewählt hatte, aber genaueres wussten die Zwillinge darüber nicht.
Der Junge sah seine Schwester an und grinste. "Wenn sie mich nicht gerade wieder einmal mit ihren verrückten Ideen in Schwierigkeiten bringt." bemerkte er leise. Aber natürlich hatte Charles Recht, Juliana achtete auf ihn und er auf sie, sie beide gehörten einfach zusammen.
Dann jedoch stutzte Roland und runzelte die Stirn über eine bestimmte Formulierung die Charles gerade verwendet hatte. Es war für uns alle eine kleine Erlösung
"Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?" fragte Roland dann langsam. "Mutter und du, meine ich. Weil du davon sprichst, es war für uns alle eine Erlösung?"

"Nun, dann ist es an dir, sie von diesen verrückten Ideen abzuhalten, die euch Beide in Schwierigkeiten bringen, nicht wahr?"
Im nächsten Moment schalt Charles sich einen Dummkopf. Wie hatte er glauben können, dass Roland diese Formulierung entgehen würde? Jetzt würde er wohl Stellung beziehen müssen. "Schon einige Jahre...wir haben uns ein paar Wochen vor dem Tod eures Vaters kennengelernt. Und wir haben uns ziemlich schnell ineinander verliebt. So schwierig die Sache auch war, ich hätte eure Mutter wohl nie geheiratet, wenn euer Vater noch am Leben wäre. Und da ich sie so sehr liebe, wäre ich wohl den Rest meines Lebens unglücklich gewesen."
Was hätte es ohne sie noch für einen Sinn gehabt? "Cassy hat damals sehr zu unserer Beziehung beigetragen, denn sie hat eure Mutter gleich ins Herz geschlossen."

Roland

Roland wiegte leicht den Kopf hin und her und lächelte schelmisch. "Meistens wohl schon." erwiderte er dann. Aber in der Regel war er ja für jeden Unfug zu haben, den er mit seiner Schwester zusammen aushecken konnte.
Roland tauschte einen Blick mit Juliana und wie so oft verstanden sie sich wortlos. Sie dachten beide das gleiche, zogen die selben Schlüsse aus Charles' Worten. "Ihr habt euch schon geliebt bevor unser leiblicher Vater starb? Und Cassy hat ... euch zueinander geführt?" schlussfolgerte Roland, wenngleich ihm das Ausmaß dieser neuen Erkenntnis einen Schauer über den Rücken jagte. "War ... war das der Grund für den Streit?" Roland sah seine Mutter an. "Der Streit bei dem er dich so sehr geschlagen hat, meine ich."
Mary spürte ihr Herz schwer werden, löste den Blick kurz von dem ihres Sohnes und sah Charles an, ehe sie wieder zu Roland sah und langsam, wie in Trance nickte. "Das war es." erklärte sie leise. "Kein schöner Umstand und ich wünschte, diese Dinge hätten sich damals anders geklärt und lösen lassen. Ganz gleich, was Gérard manchmal getan hat, es ist wie Charles schon sagte, er konnte nicht wirklich etwas dafür und lange Zeit habe ich ihn wirklich geliebt. Nie hätte ich mir solch ein Ende gewünscht." erklärte sie dann.

Charles seufzte leise. "Tja, wir sind wirklich nicht stolz darauf. Aber manchmal tut man im Leben auch Dinge, die nicht richtig sind, einfach, weil sie sich richtig anfühlen. Ich habe nach dem Tod meiner ersten Frau nie wieder eine Frau getroffen, die mein Interesse geweckt hat. Und dann traf ich eure Mutter und alles war anders. Doch sie hat Recht, so ein Ende haben wir uns nie gewünscht."
Er legte den Kopf zur Seite. "Ihr könnt selbst entscheiden, was ihr mit diesen Informationen anfangen könnt. Aber ich hoffe, euer Urteil wird nicht zu hart ausfallen."
Auch wenn es für Kinder wohl schwierig war das alles nachzuvollziehen. "Ich habe nach seinem Tod begonnen für euch zu sorgen und schließlich eure Mutter geheiratet. Das war nie etwas, das ich hätte bereuen können."
Denn er liebte die Kinder sehr.

Roland

Roland nahm diese Neuigkeiten mit gemischten Gefühlen auf, aber letztlich war er mit Charles als Vater ja vollkommen glücklich. Und wenn er daran dachte, wie sein leiblicher Vater immer wieder die Kontrolle verloren hatte, Krankheit hin oder her ... nein, das wünschte er sich wirklich nicht, denn er und Juliana hätten sicher nur allzu oft seinen Unmut auf sich gezogen.
Roland sah Juliana an und diese nickte mit einem Lächeln. Beide glitten von ihren Plätzen und traten vor, Juliana kam zu Charles und setzte sich auf dessen Schoß, Roland tat das gleiche bei seiner Mutter.
"Und wir sind auch froh, dass ihr geheiratet habt." erklärte Juliana, legte die Arme um Charles' Hals und bettete den Kopf an dessen Schulter.
Roland nickte lächelnd und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. "Sehr sogar. Ganz gleich, wie es dazu gekommen ist." fügte er hinzu und kuschelte sich an seine Mutter. Eigentlich war er für solche Dinge schon zu alt, aber in diesem Moment war es einfach angemessen und zudem waren sie ja unter sich.

Charles war doch ein wenig überrascht, wie offenherzig die Zwillinge reagierten und lächelte gerührt, als Juliana sich auf seinen Schoß setzte.
"Das höre ich wirklich gern, mein Engel.", antwortete er und fuhr ihr zärtlich über den Rücken. Das Mädchen lag ihm am Herzen, so schwierig es auch manchmal mit den Beiden sein mochte. Er wollte, dass es den Kindern gut ging.
Auch Roland gab für einen Moment sein störrisches Wesen auf und schmiegte sich an seine Mutter. "Dann ist ja alles in Ordnung. Und ziert euch nicht. Wenn ihr irgendwann noch mehr fragen haben solltet, dann zögert nicht und fragt. Wir möchten, dass ihr Bescheid wisst über diese Dinge und sie vor allem versteht." Dann würden die Gerüchte ihnen auch egal sein.

Roland & Juliana

Juliana schenkte Charles ein strahlendes Lächeln. "Wie könnte es denn auch anders sein?" fragte sie und küsste ihren Ziehvater auf die Wange. "Du bist doch schließlich unser Vater und das schon seit ich denken kann." Sie hatten beide keine Erinnerung an Gérard und ihre Schwestern auch nur zum Teil, Leanna noch am meisten, sie war schließlich die Älteste. Aber auch sie war noch klein gewesen als Gott alles neu verteilt hatte.
Roland deutete ein nicken an und atmete leise aus. Irgendwie stimmte es ihn friedvoll diese Dinge nun wenigstens einmal gehört zu haben und zu wissen, dass er mit seinen Fragen und Zweifeln nicht länger zurück halten musste, dass es etwas war worüber sie reden konnten.
"Danke." murmelte er und deutete ein Lächeln an. "Das ist wirklich gut, wisst ihr?" Was für eine Wendung dieser Tag genommen hatte! Erst dieses kleine Abenteuer, dann die Furcht vor einer Strafe und nun das ...

Robert hatte eine kleine Reise nach Tavistock unternommen, um ein paar Dinge zu besorgen und mit einigen Würdenträgern Geschäftliches zu besprechen. Da Levi sich gern auf dem Markt umsehen wollte und zudem sicherlich geeignet war, ein paar geschäftliche Beziehungen zu den Juden der Stadt zu vermitteln, hatte Robert ihn gern mit genommen und der junge Mann hatte sich als sehr angenehmer Reisegefährte erwiesen. Nun musste er sich mit dem Abt des nahegelegenen Klosters unterhalten, der ein paar Streitigkeiten über Ländereien mit einem von Roberts Vasallen hatte. Er wollte gern schlichten.
Als sie das Kloster und dann die Gemächer des Abtes betraten, war ihm ein wenig unheimlich zumute. Es war ein düsterer Raum, voller Kreuze und Bilder von Heiligen. Der Abt selbst war ein merkwürdig kühler, zurückhaltender Mann.
Robert hoffte nur, dass er auf Levi nicht allzu unfreundlich reagieren würde.

Levi

Levi war überaus zufrieden gewesen als Robert eingewilligt hatte, dass er ihn nach Tavistock begleiten konnte. Es war eine angenehme Reise und Levi hatte sich lange und ausgiebig auf dem Markt umgesehen, bevor er Robert nun zur Abtei begleitet, wo sie mit dem Abt verabredet waren.
Levi fühlte sich etwas unwohl in seiner Haut als sie vor den kühlen, strengen Mann geführt wurden. In Truro kam er mit den Menschen gut aus, man akzeptierte seinen Glauben, hier und da wurde zwar immer noch getuschelt, aber ihm schlug keine Feindseligkeit entgegen. Hier in dieser Abtei hatte Levi jedoch das Gefühl mehr als Fehl am Platz zu sein.
Und dieses Gefühl wurde zudem noch verstärkt als der Abt ihn mit einem finsteren Blick bedachte, ehe er Robert wieder ansah. "Seid willkommen, Mylord. Auch wenn Ihr wahrlich absonderliche Begleitung mit in unsere heiligen Hallen bringt."

Robert war ein wenig irrtiert über die Reaktion des Abtes. Natürlich waren die Geistlichen Juden nicht immer freundlich gesonnen, doch in der Regel machten sie zumindest auch Geschäfte mit ihnen und standen ihnen nicht feindselig gegenüber. Er neigte dennoch höflich den Kopf.
"Ich danke Euch, Euer Gnaden. Meine Begleitung ist sicherlich ungewöhnlich, aber nicht absonderlich, will ich meinen. Schließlich gibt es auch hier eine jüdische Siedlung, nicht wahr? Mein Begleiter ist ein hervorragender Arzt und geschätzter Freund, daher hat er mich auch hierher begleitet. Ich schätze seinen weitsichtigen Blick auf die Dinge. Und schließlich bin ich hier, um mit Euch über diese elende Angelegenheit an unserer Grenze zu sprechen, nicht über unterschiedliche Religionen. Wir werden dafür doch sicherlich eine Lösung finden, nicht wahr?"
Er wusste, er musste diplomatisch bleiben, aber dieser Mann wurde ihm immer unsympathischer. Und diese Abneigung...