William und Joanna - 1194

Roland

Rolands Augen funkelten in freudiger Erwartung als er sein Übungsschwert hob. "Okay, bist du bereit?" fragte er und schenkte seiner Schwester ein Verschwörergrinsen. Roland hatte keine Sekunde gezögert als Juliana gefragt hatte, ob er ihr den Umgang mit dem Schwert beibringen würde. Gestern Abend war sie damit zu ihm gekommen und er hatte sie gleich heute früh mit hinaus genommen. Juliana trug ein paar Hosen und ein Hemd von ihm, hatte ihre Haare zu einem Zopf geflochten und hielt das Übungsschwert, das Roland für sie aus der Waffenkammer geholt hatte erwartungsvoll in die Höhe. Es war noch früh am Morgen und sie hatten sich hinaus geschlichen, um unbeobachtet diesem Vergnügen nachgehen zu können, denn Roland vermutete, dass niemand allzu erbaut darüber sein würde, wenn heraus kam, dass er mit Juliana Schwertkampf übte. Dabei fand er es nur gerecht, dass sie es auch lernte, wenn sie wollte. Ganz abgesehen davon, dass er ihr ohnehin nie etwas abschlagen würde.
Als Juliana nickte und sein Grinsen erwiderte, atmete Roland durch und trat dann einen Schritt vor. "Na dann los, die ersten wichtigen Schritte habe ich dir gezeigt, mal sehen, ob du es dir merken konntest." neckte er sanft und ging zu einem vorsichtigen Angriff über, damit Juliana sich ein wenig mit dem Schwert erproben konnte.

Juliana


Juliana erwiderte fröhlich und ein bisschen aufgeregt das Grinsen ihres Zwillingsbruders und nickte. "Oh ja, das bin ich." Sie hatte sich beinahe ein wenig geschämt, ihren Bruder danach zu fragen, aber der Kampf mit dem Schwert hatte in der Ausbildung der Knappen und Ritter so große Bedeutung, dass es auch sie interessiert hatte. Und sie wollte gern in der Lage sein sich verteidigen zu können, sollte es notwendig werden. Wie erwartet hatte Roland ihr allerdings auch diesen Wunsch nicht abgeschlagen, obwohl es sich nun wirklich für ein Mädchen nicht schickte. Zu Roland hatte sie aber seit jeher eine so innige Beziehung gehabt, dass sie es gewagt hatte. Sie hatte Kleider von Roland geborgt und voller Begeisterung die ersten Schritte gelernt.
"Pass nur auf, irgendwann entwaffne ich dich noch, Ro." Sie lachte auf und konzentrierte sich dann darauf das Erlente umzusetzen. Sie parierte seine vorsichtigen Schläge und bemühte sich, auch einmal zum Angriff zu kommen.

Roland

Roland lachte vergnügt auf. "Na das werden wir noch sehen. Aber vielleicht hast du ja Recht, wenn du dir genug Mühe gibst ..." erwiderte er amüsiert und ließ sich dann auf einen kleinen Kampf mit seiner Schwester ein. Wenngleich er ihr natürlich in der Ausbildung weit voraus war, so dachte er insgeheim, dass es nicht einmal unmöglich war, dass Juliana ihn irgendwann entwaffnen konnte. Seine Zwillingsschwester war ein kleiner Wirbelwind und hatte ihren ganz eigenen Kopf. Was Juliana wollte, bekam sie in der Regel auch, das war schon immer so gewesen.
Roland genoss diesen kleinen Schlagabtausch, war bedacht darauf, dass er nie einen Streich zu schnell oder zu stark ausführte, damit Juliana sich erst einmal eingewöhnen konnte. "Vergiss deine Füße nicht." erinnerte er sie. "Du musst nicht ständig hin und her laufen, aber wenn du dich nicht vom Fleck rührst, ist es schwer immer einen guten Stand zu haben. Geschweige denn richtig anzugreifen."

Juliana


"Ich gebe mir immer Mühe, das weißt du doch. Und irgendwann werde ich genauso gut sein wie du.", erwiderte Juliana fröhlich. Sie hatte einen starken Willen und den Ehrgeiz ihre Ziele zu erreichen. Also gab sie sich Mühe alles umzusetzen, was ihr Bruder ihr vermittelte.
"In Ordnung. Ich versuche es." Und als sie so langsam in den Rhythmus kam, begann es ihr richtig Spaß zu machen. Sie wirbelte herum und wurde immer wagemutiger, als plötzlich eine unverkennbar zornige Stimme hinter ihnen erklang, die ihr einen Moment das Blut in den Adern gefrieren ließ.

"Was glaubt ihr eigentlich, was ihr da tut? Habt ihr völlig den Verstand verloren? Nicht nur, dass ihr die Messe schwänzt, du kämpfst mit dem Schwert gegen deine Schwester, Roland? Und Juliana, dieser Aufzug gehört sich nun wirklich nicht. Ihr werdet mich auf der Stelle zu eurer Mutter begleiten.", entschied Alexander frostig. Der Priester war zwar in der Regel eher nachsichtig, aber in diesem Punkt verstand er offenbar keinen Spaß.
Juliana tauschte einen leicht besorgten Blick mit ihrem Bruder.

Roland

"Sicher." erwiderte Roland grinsend und stellte zufrieden fest, dass seine Schwester langsam ein Gefühl für die richtigen Bewegungen fand und intuitiver zu handeln begann, nicht mehr so viel über jeden Schritt nachdenken musste. Er spürte, dass es Juliana immer mehr Spaß zu machen begann und gerade als sie beide wirklich voran kamen und Vergnügen dabei fanden, wurden sie von einer strengen Stimme unterbrochen.
Roland hielt inne, er wusste schon bevor er sich umdrehte, wer sie da erwischt hatte, denn die Stimme ihres Kaplans Alexander kannte er zu gut - auch wenn dieser zornig war. Roland sah Juliana an, dann wandte er sich langsam um. Er hatte das Schwert etwas sinken lassen und spürte das gefährliche Kribbeln in seinem Nacken als er den Kaplan ansah. Einen kurzen Moment rang er mit sich, versuchte still zu sein, aber es gelang nicht, das Kribbeln war einfach zu stark. "Mit dem Schwert üben, das ist doch offensichtlich, oder?" erwiderte er mit gespielter Gelassenheit. "Und was soll so verwerflich daran sein, wie sie aussieht?" erkundigte Roland sich und rührte sich nicht vom Fleck. Ganz kampflos würde er nicht aufgeben und Alexander nach drinnen folgen.

Juliana


Juliana wusste, sie konnte sich auf Roland verlassen und jedem die Stirn bieten. Auch jetzt stand er ihr wieder bei, wo Alexander die Hauptschuld bei ihr zu sehen schien. Ja, sie hatte Roland gebeten ihr den Umgang mit dem Schwert zu zeigen, aber sie hatte seine Kleider angezogen und das Training voran getrieben. Doch sie hielten immer zusammen, in jeder Lebenslage.
Alexander war nun wirklich wütend. "Du frecher Bengel, dich wird man schon noch Mores lehren! Deine Schwester in Männerklamotten mit einem Schwert in der Hand, was fällt euch eigentlich ein? Für eine junge Dame gehört sich das überhaupt nicht. Ich bin sicher, eure Eltern werden auch nicht begeistert sein. Und noch dazu schwänzt ihr für diesen Unsinn die Messe! Was ist nur in euch gefahren?", schimpfte er. "Und jetzt los, wir gehen zu eurer Mutter und glaubt mir, es ist besser, ihr kommt freiwillig mit!"

Roland

Roland zuckte unbekümmert mit den Schultern und lächelte leicht. Was für eine Drohung ... "Ich finde es nicht verwerflich. Was ist so falsch daran, wenn sie sich selbst verteidigen können möchte? Im Ernstfall kann man schließlich nie darauf hoffen, dass einem jemand zur Seite steht, da ist es gut, selbst für sich sorgen zu können." erwiderte Roland.
Sonst was? schoss es ihm durch den Kopf und er hätte es den Kaplan auch zu gerne gefragt, aber ein kleines Stimmchen in seinem Kopf wisperte, dass er es besser nicht übertreiben sollte. Dieses Stimmchen war nicht besonders laut, das war es nie, und selten genug hörte Roland darauf, aber dieses Mal schloss er, war es das nicht wert, zumal er an Juliana denken musste. Er wollte sie mit seiner losen Zunge nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen.
Ganz kampflos fügte er sich allerdings doch nicht, sondern hob leicht die Hand mit dem Schwert. "Mit den Schwertern?" fragte er und grinste leicht. "Ich bin sicher, Mutter wäre entzückt darüber ..."

Alexander


Alexander musste schwer an sich halten nicht die Beherrschung zu verlieren. Roland konnte einen mühelos zur Weißglut treiben, das stand fest. Aber er wollte sich nicht provozieren lassen, das war es doch nur, was der Junge wollte.
"Und wo soll sie dieses Schwert dann herbekommen? Niemand wird ihr eines in die Hand geben. Es ist eben nicht das, was Frauen tun. Diese haben andere Aufgaben, Roland. Sie wird wohl kaum alleine durch die Gegen reisen, sie wird also in diese Situation nicht kommen."

Alexander hob die Augenbrauen. "Das liegt ganz bei euch. An eurer Stelle würde ich eure Mutter aber nicht von Anfang an noch mehr verärgern, nicht. Mitkommen werdet ihr, so oder so." Er machte eine auffordernde Geste.

Roland

Roland warf seiner Schwester einen kurzen Blick zu und lächelte dann unbekümmert. "Von mir natürlich. Ich werde ihr eines geben, ein Schwert und einen Dolch, nur zur Sicherheit." Erklärte er, dann wurde seine Miene ernst, regelrecht finster sogar. "Eine Frau muss nicht alleine durch die Gegend reisen, um in Gefahr zu geraten." Stellte er fest, die Stimme etwas gedämpft. "Ich wette, Mutter hätte es damals sehr geholfen einen Dolch bei sich zu haben, jedes Mal wenn Vater sie geschlagen hat."
Das war etwas, dass die Zwillinge nie bewusst mitbekommen hatten, dafür waren sie noch viel zu klein gewesen, er hatte ja nicht einmal Erinnerungen an seinen leiblichen Vater. Aber Roland kannte die Geschichten, wusste was geredet wurde und dass es das Blut eines Ungeheuers war, das durch seine Adern floss.
Roland sah den Kaplan abschätzig an. "Nun, dann beuge ich mich eurem weisen Ratschlag und würde gerne erst die Schwerter zurück an ihren Platz bringen." Schloss er ruhiger als er in Wahrheit war.

Alexander


"Ich glaube nicht, dass das derjenige, der sie irgendwann heiratet, so gut findet. Außerdem gehört es sich einfach nicht und manchmal muss man sich einfach an die Regeln halten. Auch du, Roland. Das musst du lernen."
Juliana hingegen lehnte sich einen Moment etwas dichter an ihren Bruder und lächelte dankbar. Sie wusste, sie konnte sich auf Roland immer verlassen.
Alexander runzelte die Stirn. "Was hätte es ihr helfen sollen? Sie hat ihn geliebt, sie hätte ihn nicht verletzt. Dann nutzt auch ein Dolch nichts.", erwiderte er trocken.
"Und nun los. Dann bring die Schwerter zurück und komm. Und trödel nicht herum."

Roland

Roland schnaubte leise. "So weit muss es erst einmal kommen. Und wenn dieser Kerl versuchen sollte, ihr meine Geschenke abzunehmen, wird er mich kennen lernen." versicherte der Junge und fühlte sich gleich noch ein wenig bestärkt in seinem Tun als Juliana sich etwas an ihn lehnte und ihm zulächelte. Roland erwiderte das Lächeln seiner Schwester und legte den Arm um sie in einer beschützenden Geste.
Er verengte die Augen als er nun Alexander wieder seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. "Wer weiß. Zumindest aber hätte sie ihn davon abhalten können sie grün und blau zu schlagen, dafür muss man niemanden verletzten. Eine Drohung würde schon reichen." Und allein der Gedanke daran, dass jemand seiner Mutter so etwas abscheuliches einmal angetan hatte, ließ Roland jedes Mal aufs neue zornig werden, auch wenn all das schon lange in der Vergangenheit lag.
Roland sah Juliana wieder an und nickte ihr leicht zu. "Komm, wir bringen sie weg." Und machen später weiter ... mit etwas mehr Heimlichkeit. schoss es ihm durch den Kopf und bei der Vorstellung wie er das bewerkstelligen konnte, huschte ein kleines Lächeln über seine Lippen.

Juliana Alexander


Juliana strahlte ihren Bruder an und fühlte sich gleich besser, als er den Arm um sie legte. Sie wusste, es würde Ärger geben, weil man sie erwischt hatte. Aber mit Roland an ihrer Seite fürchtete sie das Gespräch mit ihren Eltern gar nicht so sehr. Sie würden sich gegenseitig helfen und dann würde schon alles gut gehen.
Bereitwillig folgte sie ihm, um die Schwerter zurück an ihren Platz zu bringen. Doch dann würden sie Alexander folgen müssen, der bereits mit verschränkten Armen wartete.
Ihre Mutter würde ihr sicher eine Standpauke halten, weil sie eben ein Mädchen war und mit Waffen nichts zu schaffen haben sollte.

Roland

Roland war mit Juliana zur Waffenkammer gegangen, um die Schwerter zurück zu bringen. Doch entgegen Alexanders Mahnung hatte er nicht vor sich zu beeilen. Sie räumten die Schwerter an den Platz zurück an den sie gehörten, dann legte Roland seiner Schwester kurz eine Hand auf den Arm und hielt sie vom Gehen ab. "Wir üben trotzdem weiter." eröffnete er ihr lächelnd. "Wir müssen einfach ein wenig geschickter vorgehen ... zum Beispiel während eines Ausritts üben oder ich besorge zwei der Schwerter hier und wir verstecken sie unter unseren Betten oder in den Truhen, dann können wir abends heimlich irgendwo ein wenig üben." führte Roland die Überlegungen aus, die ihm im ersten Moment so gekommen waren. Dann ließ er die Hand wieder sinken und deutete, wenngleich ein wenig unwillig, zur Tür. "Ich schätze, wir müssen. Aber mach dir keine Gedanken. Alexander versteht solche Dinge einfach nicht, weil er ein Priester ist ... und Mutter ... ich glaube nicht, dass sie sonderlich böse sein wird." versuchte Roland sich optimistisch zu zeigen. Solange Juliana an seiner Seite war, fürchtete er sich tatsächlich nicht allzu sehr vor einem Donnerwetter, aber er vermutete auch, dass es eher sein Stiefvater sein würde, der ihm in dieser Sache noch einmal ins Gewissen reden würde. Seine Mutter war meist recht nachsichtig mit ihm.

Juliana


Juliana ließ sich von ihrem Bruder aufhalten und lächelte zurück. "Das klingt gut. Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Ich will nicht damit aufhören, nur weil Alexande runs erwischt hat. Uns fällt schon etwas ein, wie wir vorsichtiger sein können. Wir müssen irgendwo hin gehen, wo uns niemand sieht. Und ein paar Schritte kannst du mir auch in deinem Zimmer zeigen."
Sie seufzte tief und nickte. "Ja, das müssen wir wohl. Aber ich bin mir auch sicher, dass Mutter uns keine allzu großen Schwierigkeiten macht. Wobei sie von mir immer erwartet, dass ich mich wie eine Dame benehme. Sie wird mich daher eher mehr schimpfen als dich, aber das schreckt mich nicht. Du bist ja bei mir."

Juliana machte eine auffordernde Geste. "Komm, bringen wir es hinter uns."

Mary sah auf als es an der Tür klopfte und bat den Ankömmling herein. Es wunderte sie nicht, dass es Alexander war, der eintrat und noch weniger überraschte es sie, die kleinen Gestalten hinter ihm zu erkennen. Die beiden Zwillinge waren heute nicht bei der Messe gewesen und Mary hatte schon geahnt, dass ihre Kinder sich wieder irgendwo herum trieben und Unfug anstellten. Überrascht war sie jedoch als Juliana hinter ihrem Bruder in das Gemach eintrat. Das Mädchen trug ganz eindeutig die Kleider ihres Bruders, hatte offensichtlich Hosen und Hemd von Roland ausgeliehen.
Mary seufzte verstohlen und riss den Blick von ihren Kindern los, sah stattdessen zu ihrem Kaplan, dessen Miene schlechtes erahnen ließ. "Wie ich sehe, habt Ihr sie gefunden, Pater ..." stellte Mary fest und bedachte ihre beiden Kinder mit einem kleinen Kopfschütteln. "Wo habt Ihr sie aufgelesen?"

Alexander Juliana


Alexander brachte die Kinder zu ihrer Mutter, schließlich hatte er schon mit ihr gesprochen, als das Fehlen der Kinder in der Messe aufgefallen war.
Alexander neigte zustimmend den Kopf. "Ja, Mylady, es war nicht weiter schwierig. Ich habe sie auf dem Übungsgelände gefunden....Ihr seht ja Julianas Aufzug. Roland hatte ihr ein Schwert gegeben und war dabei sie im Schwertkampf zu unterrichten, unerhört.", berichtete er pikiert.
Juliana verschränkte die Arme vor der Brust und wartete ab. Ihre Mutter würde sie gleich tadeln, da war sie sicher.
"Ich denke, ich kann sie nun Eurer Obhut überlassen, Mylady.", schloss Alexander und verneigte sich, eher er sich zurückzog. Das sollte Lady Mary mit ihrern Kindern klären.

Mary schloss kurz die Augen. "Auf dem Übungsgelände, natürlich ..." Wieso überraschte sie das so wenig? Sie sah Alexander an und nickte ihm zu. "Ich danke Euch, Alexander. Seid unbesorgt, ich kümmere mich nun um sie." versicherte sie und wartete bis der Geistliche das Gemach verlassen hatte, dann wandte sie sich wieder ihren beiden Kindern zu.
Wäre die Situation nicht eigentlich so ernst gewesen, hätte Mary schmunzeln müssen als sie die beiden Zwillinge so nebeneinander sah: beide in der gleichen Kleidung, ein wenig dreckig und verschwitzt und beide mit vor der Brust verschränkten Armen und trotziger, entschlossener Miene.
Doch davon durfte sie sich nichts anmerken lassen, also zog sie eine Augenbraue in die Höhe. "Ihr habt die Messer versäumt, das ist nicht sehr christlich." begann sie tadelnd. "Und dann erwischt man euch bei solch einem Unfug, was habt ihr euch dabei gedacht? Juliana? Sieh dich doch einmal an, denkst du, es ist für eine Dame angemessen, so herum zu laufen und von aller Welt gesehen zu werden? Man könnte dich fast für eine Bäuerin halten, dreckig wie du bist, und selbst diese wäre trotz aller Arbeit noch züchtiger gekleidet."
Ihr Blick glitt weiter zu ihrem Sohn. "Und du hast das allen Ernstes für eine gute Idee gehalten? Wer von euch ist auf diesen Unfug gekommen, hm?"

Juliana


Juliana hob die Schultern. "Sooo wichtig ist die Messe nun auch wieder nicht, Mutter. Wir sind doch sonst immer da. Wir dachten, dann fällt unsere Abwesenheit am Wenigsten auf." Sie seufzte tief. "Und wenn ich keine Dame sein will? Außerdem sind eben alle in der Messe gewesen, deshalb hätte mich ja auch niemand gesehen. Das ist doch alles nicht so schlimm. Ich wollte lernen mich zu verteidigen, was ist denn daran so falsch?"
Sie seufzte tief. "Es ist eine Hose, ich laufe doch nicht halb nackt herum. Als ob du dich immer wie eine richtige Dame verhalten hättest!"
Juliana tauschte einen Blick mit Roland, der schon den Mund geöffnet hatte um die Schuld auf sich zu nehmen, und kam ihm zuvor. "Es war meine, ich habe ihn darum gebeten und er schlägt mir niemals etwas ab. Wir dachten beide, es wäre gut, wenn ich mir selber helfen kann."

"Doch, ist sie durchaus. Und gerade weil ihr sonst immer dort seid, fällt euer Fehlen noch viel mehr auf." belehrte Mary ihre Tochter, dann schüttelte sie leicht den Kopf. "Tja, Liebes, das bist du aber nun einmal. Du bist und bleibst eine Grafentochter und dementsprechend musst du dich nun einmal auch verhalten." Mary zog die Augenbrauen in die Höhe. "Dich verteidigen? Und wie genau stellst du dir das vor? Zum einen ist es ja nicht so als wärst du beständig in Gefahr und zum anderen wirst du nicht einfach mit einem Schwert in der Gegend herum laufen können."
Mary legte den Kopf ein wenig schief und musterte ihre Tochter eingehend. "Und was genau willst du damit sagen, hm?" erkundigte sie sich. "Ich jedenfalls bin nie in Männerkleidern und mit dem Schwert in der Hand herum gelaufen, daran kannst du dir also kaum ein Beispiel genommen haben."
Mary runzelte leicht die Stirn und bedachte ihren Sohn mit einem kritischen Blick. "Dann solltest du vielleicht langsam lernen deiner Schwester etwas abzuschlagen, Roland. Besonders wenn es um eine dumme Idee geht."

Juliana


"Naja, das mache ich doch sonst auch immer. Aber ein Kleid ist nunmal wirklich unpraktisch, wenn man den Umgang mit dem Schwert lernen will. Ich könnte immerhin in Gefahr geraten und soll ich dann abwarten, bis ein Mann sich bequemt mich zu beschützen? Auf Reisen kann ich schließlich durchaus auch einen Dolch in meinem Kleid verbergen.", erklärte Juliana gelassen.
"Das vielleicht nicht, aber man erzählt sich, du wärst auch nicht immer eine fügsame Ehefrau gewesen und hättest unseren Vater einmal mit dem Dolch in Schach gehalten.", eröffnete sie trumphierend. Es war dennoch seltsam Gérard als Vater zu bezeichnen, denn ihr Vater war eigentlich Charles.

Roland hob die Schultern und schüttelte dann ein wenig störrisch den Kopf. "Sie ist meine Schwester, ich helfe ihr immer. Und ich halte die Idee nicht für dumm. Ich will nicht, dass es ihr nachher geht wie dir. Sie wird sich selber helfen können, dafür sorge ich. Und ich werde ihr einen Dolch schenken." Und ein Schwert....

"Sicher ist das unpraktisch, aber da du den Umgang mit dem Schwert nicht zu lernen brauchst, musst du dir darüber auch nicht weiter den Kopf zerbrechen." erwiderte Mary und seufzte leise. "Du kannst auf Reisen einen Dolch mit dir tragen, sogar verborgen in deinem Kleid, ja. Aber ein Dolch ist kein Schwert, da haben wir einen sehr entscheidenden Unterschied."
Im nächsten Moment verschlugen Julianas Worte ihr die Sprache und Mary starrte ihre Tochter ungläubig an. Wieso mussten die Leute nur immer reden? Auch nach all dieser Zeit noch. "Das ... war etwas anderes." erwiderte Mary gepresst. Wie lange sie schon nicht mehr an Gérard und ihre unglückliche Ehe damals gedacht hatte ...
Ich will nicht, dass es ihr nachher geht wie dir.
Mary erstarrte und sie wurde eine Spur blasser bei Rolands Worten. "Was du tun wirst, ist nun erst einmal in deine Kammer gehen. Sieh zu, dass du wieder sauber wirst und dann bleibst du erst einmal dort und denkst darüber nach, wieso das heute von euch vielleicht nicht die Beste Idee gewesen ist." fuhr Mary ihren Sohn an und wandte sich schließlich wieder Juliana zu. "Und für dich gilt das Gleiche, Juliana. Geh dich umziehen und gib einer der Dienerinnen Rolands Sachen, damit sie sauber werden und wieder den Weg zu ihm zurück finden." wies sie an.

Juliana


"Das ist aber ungerecht! Ich kann das genauso gut wie Roland auch, wenn er mir ein bisschen gezeigt hat, wie es funktioniert. Und von einem Dolch zum Schwert ist es nicht weit. Es wäre also in Ordnung, wenn wir dasselbe mit einem Dolch üben?", fand Juliana triumphierend die Lücke in den Worten ihrer Mutter.
Ihre Mutter wirkte dann allerdings sehr verschlossen, so wie sie immer reagierte, sobald jemand das Thema anschnitt. Sie schwieg sich darüber aus, aber die Zwillinge waren nun in einem Alter, in dem sie zuhörten und Dinge kritisch hinterfragten.
"Wieso war das anders? Wenn ich es lerne, kann ich mich verteidigen. Immer wenn es darum geht, schickst du uns weg. Wir sind 10, keine kleinen Kinder mehr.", protestierte Juliana, Roland nickte bekräftigend. Allerdings war es wohl sinnvoller der Aufforderung Folge zu leisten.
"Von mir aus.", stimmte sie bockig zu und überlegte schon, wie sie die Sachen behalten konnte. Andererseits würde Roland ihr jederzeit wieder Hosen und Hemd leihen.

Mary knirschte leicht mit den Zähnen als Juliana so rasch darauf kam, wie sie die Worte ihrer Mutter für sich nutzen konnte. "Darüber reden wir noch." beschied Mary. "Aber sicher ist, dass dein Bruder noch nicht einmal halb so gut mit den Waffen umgehen kann, wie er meint. Er wird es dir also ganz sicher nicht beibringen." Da war es ihr lieber, Juliana lernte die wichtigsten Dinge im Umgang mit einem Dolch von dem Waffenmeister hier, denn auch solch eine Waffe war nun einmal kein Spielzeug.
Mary fuhr sich mit einer Hand kurz über das Gesicht. "Keine kleinen Kinder mehr, aber auch noch nicht alt genug, um diese Dinge voll zu verstehen. Wir werden später darüber sprechen, wenn ihr es wollt, das verspreche ich euch. Aber nicht jetzt. Besonders nicht nachdem ihr gerade wieder etwas angestellt habt, das vergesse ich nicht einfach so."
Mary bedachte die Zwillinge mit einem strengen Blick, war aber unendlich erleichtert als sie einwilligten, wenn auch widerstrebend und schließlich davon zogen.
Mary wandte sich zum Fenster und legte einen Moment lang die Hand vor das Gesicht, schloss die Augen und atmete tief durch. Sie musste mit Charles über diesen Vorfall reden und später, vielleicht am Nachmittag, würde sie die Zwillinge noch einmal aufsuchen und einzeln mit ihnen sprechen. Oder vielleicht ging sie zu Juliana und Charles zu Roland ... so oder so, es war einfacher die beiden zur Einsicht zu bringen, wenn sie nicht zusammen waren, sondern man alleine mit ihnen sprechen konnte. Ansonsten bildeten die zwei eine schier undurchdringliche Mauer, bestärkten sich gegenseitig und es war kaum an sie heran zu kommen.

Als Charles seine Gemächer betrat, fand er seine Frau am Fenster vor. Er kannte sie inzwischen gut genug um sofort zu sehen, dass ihr etwas zu schaffen machte. Er ging zu ihr hin und legte den Arm um ihre Taille, küsste ihre Schläfe.
"Alles in Ordnung, Mary? Du siehst niedergeschlagen aus." Irgendetwas bereitete ihr Sorgen und er hoffte nur, dass es nicht wieder Roland war, der sie so nachdenklich machte. Immer wieder versuchte er sie daran zu erinnern, dem Jungen Freiraum zu lassen und ihn nicht mit Argusaugen zu bewachen, ob man einen Funken seines Erzeugers in seinem Wesen fand.
Charles warf einen Blick aus dem Fenster. "Es ist ein schöner Tag, kein Grund für Trübsal."

Mary wandte sich um als die Tür geöffnet wurde und lächelte erleichtert als Charles eintrat. Sie musste ihm nicht erklären, dass etwas vorgefallen war, er sah es ihr an und sie lehnte sich vertrauensvoll an ihn als er einen Arm um ihre Taille legte.
Mary atmete tief durch und spürte, wie sie sich ein wenig entspannte. In Charles' Armen, mit der Wärme seines Körpers an ihrem und seinem Duft in der Nase fiel es ihr leicht, die düsteren Erinnerungen und Gedanken beiseite zu schieben, die sie plagten seit ihre Kinder die Sprache auf Gérard gelenkt hatten.
Sie musste unweigerlich lächeln und ließ den Blick ebenfalls zum Fenster wandern. "Da hast du allerdings Recht und ich gebe mir Mühe es nicht zu tun. Jetzt da du hier bist, fällt es mir gleich etwas leichter. Dennoch ... Juliana und Roland haben diesen schönen Tag genutzt, um die Messe ausfallen zu lassen und - herrje, du wirst es nicht glauben ... und stattdessen haben sie sich lieber im Schwertkampf geübt." Mary seufzte leise. "Alexander hat sie aufgelesen und hergebracht. Offenbar hatte Juliana entschieden sie müsse den Umgang mit dem Schwert lernen und Roland darum gebeten ihr zu helfen. Der war natürlich sofort Feuer und Flamme, hat ihr Hosen von sich geborgt und heute Morgen zwei Schwerter für sie beide besorgt." Berichtete Mary ihrem Gemahl.