William und Joanna - ab 1183

Helene hatte noch eine Weile mit Mary und Charles gesprochen und sich dann auf die Suche nach Edward gemacht. Sie fand ihn draußen, wo er sich mit dem Schwert verausgabte. Vielleicht war es gut, wenn er so die Wut ein wenig herausließ.
Sie setzte sich auf eine nahe gelegene Mauer und beobachtete ihn ein Weile. "Nimm es nicht so schwer, cheri. Wir müssen unseren eigenen Weg finden und das verstehen Mary und Charles auch. Sie meinen es nur gut, wenn sie ihre Bedenken äußern.", sagte sie sanft.
Sie konnte sehen, dass er sich völlig verausgabte und beschloss, nur noch einen Moment zu warten. Wenn es zu schlimm wurde, würde sie ihn unterbrechen.
Er sollte sich schließlich nicht selbst schaden.

Edward war so vertieft gewesen, dass er Helenes Ankunft gar nicht bemerkt hatte und erst ihre Stimme ihn soweit aus seinem Wahn riss, dass er kurz zu ihr hinüber sah. "Ah ja? Für mich klang das aber ganz anders. Nicht so als würden sie es verstehen." erwiderte er und hob die Klinge wieder, um in seinem Tun fortzufahren.
"Sie verstehen rein gar nichts." brachte er keuchend zwischen den Schlägen hervor. "Keiner tut das." Wenn man einen solchen Verlust nicht erlitten hatte, war es schwer nachzuvollziehen, was das mit einem anstellen konnte. "Und ich bin es Leid ihre Bedenken zu hören. Dieses geheuchelte, moralische Geschwätz!" Er wusste, dass Charles in gewisser Weise Recht hatte, dass seine Kinder immer ein Stück weit mit dem leben mussten, was ihre Geburt ihnen mitgegeben hatte. Und das machte ihn nur noch wütender, denn er fand, dass der Umstand, ob jemand ehelich geboren war oder nicht doch absolut keine Rolle spielte. Es ging doch um den Menschen selbst, nicht um seine Herkunft.

Helene schüttelte leicht den Kopf. "Sie verstehen vielleicht nicht, was wir tun, aber dass wir unseren eigenen Weg finden mussten mit dieser Sache umzugehen. Charles weiß ganz genau, dass diese Sache bei dir alles noch einmal aufgewühlt hat, was du verarbeitet zu haben glaubtest."
Sie neigte den Kopf. "Sie meinen es gut und ihre Bedenken haben einen wahren Kern. Aber wir müssen ja doch selbst für unsere Entscheidungen gerade stehen und wenn wir damit leben können, müssen wir uns nur vor Gott verantworten."
Sie lächelte leicht.
"Mich schreckt der Gedanke nicht, dass ich schwanger werden könnte. Theresa und der Kleine sind auch Bastarde, aber sie werden ein gutes Leben haben. Ich denke, solange sie nicht ohne Liebe aufwachsen müssen, können sie alles Andere verwinden."

"Ich bin mir nicht so sicher, dass er das weiß. Und wenn doch scheint es ihm herzlich egal zu sein." erwiderte Edward und schlug erneut wütend zu. Er hatte nicht den Eindruck, dass ihn irgendwer verstand. Sie sahen nur den Umstand, dass er seine Frau daheim in Oxford betrog, weil Helene und er noch immer nicht so ganz voneinander lassen konnten.
Edward fuhr unbeirrt fort seiner Wut und Verzweiflung mit dem Schwert Luft zu machen, doch Helenes letzte Worte ließen ihn schließlich inne halten. Einen Moment stand er beinahe reglos da, nur sein heftiger Atem hob und senkte seinen Oberkörper. Dann ließ er die Klinge sinken und wandte sich zu Helene um.
Er sah sie stumm an, unfähig irgendetwas zu sagen, das auch nur ansatzweise seine Gefühle in Worte gefasst hätte.
"Helene ..." kam schließlich als einziges rau über seine Lippen.

Helene lächelte. "Er weiß es, er ist ein weiser Mann.", sagte sie leise. "Er durchschaut dich so leicht wie mich. Er hat es jedenfalls etwas gelassener aufgenommen als Mary, das musst du ihm lassen. Er hat seine Bedenken vorgebracht, mehr nicht. Ein wenig harsch, aber man kann es ihm ja nicht verübeln."
Sie seufzte leise und beobachtete ihn.
Es schien, als hätten ihre Worte ziemlich viel bei ihm bewegt. Sie wusste nicht einmal genau, weshalb. Sie hatte es völlig ernst gemeint. Sie liebte jedes ihres Kinder gleich und es machte keinen Unterschied, ob ehelich geboren oder nicht, wer auch immer ihr Vater war.
Sie sah ihn an, stand auf und legte kurz die Hand an seine Wange.
"Ist es etwa nicht wahr, Ed? Sage ich dir etwas Anderes, als du selbst denkst? In dieser Hinsicht waren wir uns immer einig."

"Schon, aber ich glaube, dass Marys Zorn schneller verraucht sein wird, jetzt da sie sich einmal Luft gemacht hat." erwiderte Edward. Mit dieser impulsiven Art konnte er einfach viel besser umgehen, vielleicht auch, weil das in seiner Familie so typisch war. Charles' ruhige Art in die er Vorwürfe so elegant einflechten konnte, war für ihn selbst schwerer zu handhaben.
Edward sah Helene in die Augen als sie zu ihm trat und die Hand an seine Wange legte. Dann schüttelte er sachte den Kopf. "Nein, im Gegenteil. Es ist genau das, was ich denke." Und es tat gut, dass er damit nicht allein war, ganz besonders nach den Vorwürfen, die er zu hören bekommen hatte.
Edward ließ das Schwert achtlos in den Sand fallen und legte die Arme um Helene. Stumm zog er sie an sich und schloss für einen Moment die Augen. Helene hatte vorhin davon gesprochen, dass er geglaubt hätte all das mit Julia verarbeitet zu haben und sie hatte recht. Er hatte es geglaubt und war nun eines besseren belehrt worden. Und diese Erkenntnis hatte ihn so erschüttert, dass er im Moment den Eindruck hatte, dass er Helene aktuell genauso sehr brauchte, wie sie ihn.

Helene nickte. "Ich verstehe, was du meinst. Er ist so vernünftig, dass die Wucht der Argumente einem ein schlechtes Gewissen macht. Das geht wohl jedem von uns so."
Sie erwiderte seine Umarmung und schmiegte den Kopf an seine Brust. Wie gut das doch tat nach all der Leere...und ihm ging es genauso.
"Und das zählt, denn es sind unsere Kinder. Alles wird gut, du wirst schon sehen. Seit du hergekommen bist, kann ich das das erste Mal wieder glauben und sehe Licht am Horizont." Es machte die Dinge kompliziert und sie wollte nicht, dass er ging, aber irgendwann musste die Normalität wieder Einzug halten.
"Sei nicht mehr so wütend, sie meinen es nicht böse. Lass uns....lass uns die Vergangenheit beerdigen, du und ich. Du hast doch sicher noch etwas von ihr...wir werden uns am Strand ein Plätzchen suchen und eine Erinnerung begraben. Vielleicht hilft es loszulassen und einen Schlussstrich zu ziehen."

Edward

Edward atmete tief durch. Eigentlich hatte er von Helene nichts anderes erwartet, aber es tat dennoch ausgesprochen gut von ihr noch einmal zu hören, dass sie seiner Meinung war, dass sie sich nicht vor einem weiteren Kind scheuen würde.
Er nickte knapp. "ich weiß, sie meinen es gut mit uns. Und es ist auch nicht einfach nur Wut, die ich verspüre, es ist ... es ..." Er stockte. Verzweiflung? Ja, vielleicht war es das.
Dann sah er Helene erstaunt an, während ihr Vorschlag langsam zu ihm durchsickerte. Was für ein Vorschlag das doch war, was für eine Idee ... er musste schlucken. Plötzlich war er so überwältigt, dass ihm die Worte fehlten. Wieso war es ihm früher nie gelungen Verständnis in ihr zu wecken? Ihr begreiflich zu machen, wie er sich fühlte? Und wie anders wäre dann ihre Ehe verlaufen?
Edward schluckte schwer und nickte. "Das ist ... eine gute Idee." Zwang er die Worte schließlich heiser hervor.

Helene nickte. "Ich weiß ganz genau, was du meinst. Du musst es nicht sagen. Ich schätze, es gibt dafür keine Worte."
Sie lächelte leicht und hob die Schultern. "Es kam mir so...ich denke auch, es würde uns vielleicht gut tun, hm?" Vielleicht konnten sie dann einen neuen Abschnitt beginnen.
"Du fragst doch auch, warum es mit uns damals nicht funktioniert hat? Ich weiß es auch nicht. Vielleicht brauchten wir diese Auszeit. Vielleicht habe ich mich jetzt genug verändert um dich zu begreifen. Wir haben Beide weiter gelebt."
Sie hob die Schultern. "Komm, lass uns gehen. Ich denke, ich kenne eine schöne Stelle. Es ist nicht weit. Ich habe hier oft kleine Spaziergänge am Strand entlang gemacht, ich mag das Meer."

Er nickte langsam. Helenes Idee war zweifellos gut, wenngleich er sich insgeheim auch ein wenig davor fürchtete diesen Schritt zu gehen und dieses kleine Erinnerungsstück zu vergraben. Das war töricht, wusste er, denn um sich an Julia zu erinnern, brauchte er keine Gegenstände, dennoch fühlte sich der Gedanke an das, was sie gleich tun würden, merkwürdig an.
Er seufzte leise. "Tja, ich vermute, es hat nicht funktioniert, weil ich ein Holzkopf war und bin. Und das ich mich so mancher Wahrheit nicht stellen wollte und daher konnte ich dir natürlich auch nicht begreiflich machen, was vor sich ging." erwiderte Edward nachdenklich und hob leicht die Schultern. "Aber ja, ich frage mich auch, wie alles gelaufen wäre, wäre das damals anders gewesen." Und Helenes Worte gaben ihm zusätzlich zu denken. Sie hatten eine Auszeit gebraucht ... war es tatsächlich so? Wenn ja, würde das fatale Folgen haben, wenn er diesem Gedanken folgte, denn sie beide hatten sich ja nicht einfach nur eine Auszeit voneinander genommen, er hatte sogar neu geheiratet - und das die Frau, von der er überzeugt war, sie über alles zu lieben.
Edward atmete tief durch, löste die Umarmung und nickte. "Also gut, gehen wir."

Helene hob die Schultern. "Vielleicht. Aber es ist schon eine ganze Weile her und Gott wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Ich frage mich nur manchmal, wo wir heute wären, wenn wir noch verheiratet wären. So müßig es auch ist."
Es brachte ja nichts. Er liebte Claire und sie hatte Alexander wirklich sehr geliebt. Sie würden nicht mehr heiraten. Aber vielleicht würde er dann und wann her kommen um sie zu sehen, das würde ihr gefallen. Seine Nähe tat ihr gut.
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn einen schmalen Pfad hinunter zur Küste. Das Meer war stahlgrau und unruhig, aber sie liebte es hier. Eine kleine überdachte Stelle in den Klippen war ihr Ziel. "Hier, schau. Das ist eine gute Stelle, oder?"
Helene nahm ihre Kette ab und seufzte. Es fiel ihr auch nicht leicht, aber sie war zuversichtlich, dass es helfen würde. Besonders, weil die beste Erinnerung an Alexander ja ihre Kinder waren.

"Ja, es ist müßig." stimmte Edward zu. "Und dennoch kann man nicht aufhören darüber nachzudenken ..." fügte er gedämpft hinzu. Es waren unnütze Gedanken und trotzdem war man machtlos dagegen. Und dem hing er auch noch nach als Helene seine Hand ergriff und ihn hinunter zum Wasser führte.
Es war eine kleine, geschützte Stelle in den weißen Klippen zu der sie gingen und Edward fühlte sich hier, direkt am Meer, gleich ein wenig wohler. Schon in Cornwall hatte es ihn immer ans Wasser gezogen und oft genug hatte sein Weg ihn ans Meer geführt, wenn man ihn nur gelassen hatte.
Er brummte zustimmend als Helene ihm die Stelle wies, dann schluckte er schwer. Er sah, wie sie die Kette abnahm und fühlte den Druck auf seine Brust zunehmen. Nun war er an der Reihe, doch zunächst brachte er nichts weiter zu Stande als starr und reglos auf seine Hand hinab zu starren. Die Hand an der er den kleinen, feingearbeiteten Ring trug, den Julia ihm einmal geschenkt hatte. Es war kein besonders auffälliger, aber doch elegant gearbeitetes Stück, so dass er ihn zu jedem Anlass hatte tragen können und es war ihm schon zu ihren Lebzeiten eine liebgewonnenene Gewohnheit geworden den Ring ständig zutragen, so wie er es auch mit seinem Siegelring tat.
Eine etwas höhere Welle brach sich ein Stück von ihnen entfernt an den Klippen und das Geräusch riss Edward aus seiner Trance. Er atmete noch einmal tief durch, dann zog er den Ring vom Finger.
"Also gut. Tun wir es." beschied er und klang entschlossener als er sich fühlte.

Helene kniete sich in den feuchten Sand und grub mit den Fingern ein kleines Loch in die Ausbuchtung unter den Klippen. Sie küsste die Kette ein letztes Mal und ließ sie dann in das Loch gleiten. Es fiel auch ihr schwer, aber gleichzeitig war es eine Erleichterung, ein Stück Vergangenheit zu beerdigen. Sie sah, wie schwer auch Edward diese Sache fiel. Er war einen Moment wie in Trance, ehe er den Ring vom Finger zog.
"Tun wir es.", bestätigte sie sanft und wartete, bis er seinen Ring in die kleine Kuhle legte. Sie bedeckte sie sorgsam wieder mit Sand und atmete durch.
"Ich werde dich immer im Herzen haben, mein Liebster. Aber das Leben muss weiter gehen.", sagte sie leise und stand wieder auf.
Tatsächlich fühlte sie sich ein bisschen leichter, die erdrückende Trauer ein bisschen gelindert. Es war ein Abschluss.

Edward kniete sich vor die Kuhle im Sand, die Helene gegraben hatte und in der bereits ihre Kette lag und führte den Ring an die Lippen, um ihn noch einmal zu küssen. Er schloss dabei die Augen und verharrte einen Moment schweigend, dann schlug er die Augen wieder auf und legte seinen Ring zu der Kette, erhob sich wieder und beobachtete wie Helene die kleine Kuhle sorgfältig wieder verschloss.
Das was sie sagte, ging auch ihm durch den Kopf, nur war er unfähig auch nur ein Wort zu sprechen, so eng war seine Kehle. Er sah auf den Sand hinab und nahm stumm noch einmal Abschied von seiner Liebsten, spürte die Tränen in seinen Augen brennen, aber gleichzeitig auch, wie sein Herz ein wenig leichter wurde.
Helenes Idee war gut und richtig gewesen. Es half nichts an der Vergangenheit so krampfhaft festzuhalten und er sollte sich lieber an den guten Dingen erfreuen statt in Wehmut zu versinken. Außerdem hatte er Gabriel, das größte Geschenk, das Julia ihm je hätte machen können und Edward schwor sich in diesem Moment nach seiner Rückkehr auch zu versuchen seinem Sohn ein besserer Vater zu sein. Er wusste, wie kompliziert es manchmal zwischen Gabriel und ihm war und dabei liebte er den Jungen doch so innig.
Er atmete durch und wandte dann den Klippen den Rücken zu, um über das Meer zu sehen. So verharrte er eine kleine Weile, ehe er Helene wieder ansah. "Lass uns schwimmen gehen." schlug er vor und ein kleines Lächeln zupfte endlich wieder an seinen Mundwinkeln.

Helene gestattete ihnen einen Moment des Schweigens und schaute ebenfalls auf das Meer hinaus. Edward überraschte sie wirklich, als er dann einen Vorschlag machte. "Du willst schwimmen? Es ist sicher nicht sehr warm und ein bisschen unruhig, aber....meinetwegen." Sie lächelte. Es war verrückt, aber verrückte Ideen waren im Moment nicht das Schlechteste. Es gefiel ihr.
Sie zögerte nur noch einen Moment, dann befreite sie sich von Kleid und Unterhemd und ging in die kalte Brandung.
Es fühlte sich an wie Nadelstiche, aber das tat erstaunlich gut. Und wer sollte sie hier schon sehen? Nur Edward war hier und es gab nichts an ihr, was er nicht schon kannte.
Sie lachte auf. "Was ist, zögerst du etwa?"
Das Wasser perlte über ihre samtweiche Haut und sie genoss jeden Tropfen davon. Nach dem, was sie gerade getan hatten, war es eine Reinigung.

Edward zuckte mit den Schultern. "Wann ist das Meer an Englands Küsten schon je warm?" erwiderte er und seine Augen funkelten als Helene lächelte. Und nur einen Augenblick später lagen auch schon ihr Kleid und ihr Unterhemd auf dem Boden und Helene hatte das Wasser erreicht. Verblüfft starrte er ihr nach, wie sie vollkommen nackt und ungeniert in das Wasser hinein watete.
Einen Moment lang beobachtete er sie dabei, dann lachte er und tat es ihr gleich, zog sich aus und lief hinein in das kühle Wasser bis es ihm an die Oberschenkel reichte, dann stürzte er sich hinein, weil er genau wusste, dass ein schneller Sprung ins kalte Wasser die Sache leichter machte als wenn man lange zögerte.
Er tauchte unter und schwamm ein paar Züge, ehe er wieder auftauchte und sich zu Helene umdrehte. Das Wasser reichte ihm nun knapp bis zur Brust und es war genau so, wie er es erwartet hatte, jetzt da er drin war, war es nicht mehr kalt, es war erfrischend.
Und in diesem Moment hatte Edward das Gefühl ein Knoten in seiner Brust löse sich. Ein Knoten von dem er bis vor Kurzem nicht einmal gewusst hatte, dass er noch da war, aber jetzt, da er sich löste, fühlte es sich unendlich gut an.
Er schlang die Arme um Helenes Hüften als sie nun wieder voreinander im Wasser standen und lehnte die Stirn an ihre. "Danke." wisperte er leise.

Helene beobachtete, wie er sich seiner Kleider entledigte und sich in die grauen Fluten stürzte. Wie ein Fisch, Edward war ein guter Schwimmer, stellte sie fest. Sie schmiegte sich an ihn, als er die Arme um ihre Hüften legte und die Stirn an ihre lehnte.
Sein warmer Körper war ein seltsamer, aber angenehmer Kontrast zum kalten Wasser. "Ich danke dir...", wisperte sie. "Du hast mich aus dem Loch geholt, in das ich gestürzt war. Und jetzt kann ich einmal auch dir helfen."
Es ging ihm besser, spürte sie. Vielleicht hatte er jetzt endlich mit dem Tod seiner Gemahlin abschließen können, die er so sehr geliebt hatte.
"Ich glaube, wir waren uns noch nie so nahe wie in diesem Moment..."

Edward lächelte leicht. "Scheint so, als hätten wir uns beide ganz gut getan." erwiderte er und dachte darüber nach, wie verschlungen Gottes Pfade doch manchmal waren. Denn dass dieser sie beide hier zusammen geführt hatte, daran zweifelte Edward spätestens jetzt nicht mehr.
"Das ist wahr." murmelte Edward leise. "Wir haben wohl auch nie zuvor ein so tiefes Verständnis füreinander gehabt." Sie beide hatten vorher immer eine Art Schutzwall um sich herum gezogen. Selbst in den Zeiten in denen sie sich gut verstanden hatten, hatten sie diesen Wall nie ganz aufgegeben, hatten einander nie so sehr vertraut, dass sie ihr Innerstes nach außen gekehrt hätten. Nie zuvor hätte Edward zugelassen, dass Helene einen so ungehemmten Blick auf seine Seele bekam, aber jetzt fühlte es sich so selbstverständlich an, dass er nur darüber staunen konnte.
Edward legte eine Hand an Helenes Wange und sah ihr in die Augen. "Ich bin wirklich froh, dass du damals nach England gekommen bist."

"Oh ja, das haben wir. Und dieses Verständnis tut gut, weil eben niemand sonst es aufbringen kann. Du wirst mir immer willkommen sein." Vielleicht würde er sie ja manchmal brauchen, wenn er nicht weiter wusste oder die Düsternis ihn einholte.
Helene erwiderte seinen Blick und lächelte. "Das bin ich auch, irgendwie. England ist mir Heimat geworden und ich habe viele gute Menschen kennengelernt."
Sie schlang die Arme um seinen Hals. Es war ein schöner Moment. Die Wellen umspielten ihre Körper, wie sie da so aneinander geschmiegt standen.
"Wir sollten bald zurück gehen, es wird bald dunkel." Und es war ein seltsamer Tag gewesen, seltsam, aber ausgesprochen bedeutsam.

Philippe Auguste

Seit der Bote eingetroffen war, der Eleonores baldige Ankunft angekündigt hatte, hatte Philippe keine ruhige Minute mehr gehabt. Ihm hatte es nicht allzu sehr gefallen, dass Eleonore nach England gereist war, wenngleich er natürlich die Notwendigkeit verstanden hatte. Doch deshalb war er nun umso glücklicher, dass seine Frau endlich zurück kam.
Und deshalb wartete er auch schon ungeduldig im Hof als es schließlich soweit war und seine Augen leuchteten auf als er seine Gemahlin in Mitten ihrer treuen Begleiter sah. Mit strahlendem Lächeln trat er auf sie zu, half ihr eigenhändig aus dem Sattel und zog sie dann, ungeachtet aller Etikette, für einen Kuss in seine Arme.
"Bei Gott und allen Heiligen, ich dachte schon, deine Reise würde nie wieder zu mir zurück führen." wisperte er leise und strich ihr über die Wange als sie sich ein wenig von einander lösten. "Willkommen zurück in Paris, ma reine."

Eleonore war ausgesprochen froh, als sie Paris erreichten. Sie hatte natürlich die Gesellschaft ihrer Familie in England genossen und der Feier gern beigewohnt, aber sie vermisste Louis und Philippe sehr. Ganz besonders jetzt, da sie ja noch ein kleines Geheimnis unter dem Herzen trug.
Wie erwartet stand Philippe im Hof bereit und sah mindestens so ungeduldig aus, wie sie sich fühlte. Sie ließ sich aus dem Sattel helfen und schlang die Arme um seinen Hals, als er sie küsste. Wie hatte er ihr doch gefehlt...
"Nun, ich konnte schwerlich am Tag nach der Feier sofort wieder aufbrechen, das wäre unhöflich gewesen. Aber nun hat meine Reise mich und die Kinder ja munter und heil wieder her geführt."
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
"Aber ihr habt mir so gefehlt, ich bin wirklich froh zurück zu sein."

Philippe Auguste

"Ach, unhöflich ..." scherzte er und küsste sie noch einmal, ehe er ganz von ihr abließ. "Ihr uns auch. Louis wird überglücklich sein. Er war krank und musste einige Tage das Bett hüten. Eure Rückkehr wird ihm ein wenig mehr Energie einhauchen." berichtete Philippe mit leisem Seufzen. Die Gesundheit seines Sohnes unterlag immer wieder solchem auf und ab und jedes Mal, wenn der Junge krank wurde, stand Philippe insgeheim Todesängste aus. Umso leichter war sein Herz, wenn Louis wieder auf den Beinen war und nun auch wieder mit seinen Stiefgeschwistern würde spielen können.
"Wie war eure Reise?" erkundigte er sich dann aber, um das etwas düstere Thema bei Seite zu schieben. "Und die Feier vor allem? Ich kann mir vorstellen, es war ein ziemliches Spektakel, hm?"

Eleonore runzelte besorgt die Stirn. "Aber es geht ihm wieder besser, hoffe ich? Mein armer Louis...ich wünschte, ich wäre an seiner Seite gewesen. War es ernst? Du wirst sehen, Louisa und Géraud bringen ihn im Handumdrehen wieder auf die Beine. Und ich habe mit Guillaume ausgehandelt, dass er uns ab und an Gui für ein paar Wochen schicken wird."
Sie strich sanft über seine Wange. "Die Reise war angenehm, wir kamen gut voran. Und die Feier....sie war in der Tat dem Anlass angemessen. Es hat sich angefühlt, als wäre halb England dort und vermutlich ist das auch der Fall gewesen. Guillaume und Emma sind glücklich, das ist es, was wirklich zählt. Niemand hat Verdacht geschöpft hinsichtlich ihrer aufgetischten Geschichte. Ich freue mich, dass er bekommen hat, was er sich so sehr wünschte..."
Sie legte die Hand auf seinen Arm. "Und nun würde ich gern hinein gehen, hm? Lass uns weiterreden, wo es bequemer ist."

Philippe Auguste

"Ja, er ist noch ein klein wenig blass um die Nase, aber ansonsten schon wieder auf den Beinen, mach dir keine Sorgen." erwiderte Philippe und hob seufzend die Schultern. "Nicht so sehr, schätze ich. Aber ich habe trotzdem immer das Gefühl mir würde das Herz stehen bleiben, wenn er krank ist." räumte Philippe offen ein, lächelte dann aber bei Eleonores Neuigkeiten. "Das ist gut, die beiden werden überglücklich sein, wenn sie wieder die Köpfe zusammen stecken können."
Er hörte Eleonore aufmerksam zu und nickte leicht. Er konnte verstehen, dass sie sich für ihren Bruder freute und auch er selbst gönnte es dem englischen Prinzen wirklich. Er hatte Guillaume schätzen gelernt und wenngleich ihr Verhältnis zu einander schwierig begonnen hatte, war es im Laufe der Zeit immer besser geworden.
Philippe lächelte als Eleonore die Hand auf seinen Arm legte. "Eine hervorragende Idee, cheriè."

"Das ist gut. Ich werde nachher direkt nach ihm sehen. Ich kann dich verstehen, er ist einfach immer schon ein wenig kränklich gewesen. Aber du wirst schon sehen, er ist im Nu wieder auf den Beinen und voller Tatendrang.", sagte Eleonore beruhigend und folgte ihm dann hinein.
Sie ließ sich dankbar in einen Sessel sinken. Bess würde sich um die Kinder kümmern, sodass sie sich ein bisschen ausruhen konnte. Und irgendwie musste sie Philippe ja auch noch schonend von ihrer Schwangerschaft berichten. Doch spätestens, wenn er sie nackt sah, würde er sie wohl durchschauen, denn mochte ihr Rock die zarte Wölbung auch noch kaschieren, war es für ihn so dann doch offensichtlich. Er kannte sie schließlich gut genug.
"Wie ist es dir sonst ergangen? War alles gut?"