William und Joanna - ab 1183

Isaac

Isaac lag eine Erwiderung auf der Zunge, doch er schluckte sie herunter, weil er wusste, dass er es damit nicht besser gemacht hätte. Stattdessen zuckte er lediglich mit den Schultern.
Edward zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ist es nicht, das weißt du genau. Er hat sogar damit gedroht, dich zu enterben, ihm war es bitter ernst und trotzdem bist du deinem Herzen gefolgt. Isaac hier liegt sein Werdegang am Herzen und er will es aus eigener Kraft schaffen. Das ist etwas, worauf du stolz sein solltest, Robert, denn es zeugt davon, dass er mutig und entschlossen ist und sich nicht auf der faulen Haut ausruhen will." erwiderte Edward ungerührt.
Edward zuckte unbekümmert mit den Schultern. "Wie sollte es denn nicht gehen? Sei einmal ganz ehrlich zu dir selbst, an dieser Sache gibt es nicht das geringste Problem, außer dass du Angst davor hast, dass dein Sohn flügge wird. Er ist alt genug, um mein Knappe zu sein und bei Allem was du mir immer wieder vorwirfst, wirst du mir nicht vorwerfen können, ich ginge leichtfertig mit meinen Knappen um, nicht wahr?"

Robert verdrehte die Augen. "Das hat er. Aber er hat es nicht getan. Und in Sachen meiner Ausbildung war ich immer den Weisungen meines Vaters folgsam. Das ist nun einmal etwas Anderes. Ich bin ja froh, dass er mutig ist und seinen eigeen Weg gehen will."
Er seufzte tief.
"Nein, da hast du Recht..." Edward war erstaunlich fürsorglich zu seinen Knappen und hatte aus Eric einen hervorragenden Ritter gemacht.
"Nun...ich...meinetwegen. Jetzt ist er nun einmal hier.", gab er widerwillig nach. "Aber ich hoffe wirklich, dass ich das nicht bereue, Edward. Ich verlasse mich auf dich, du musst auf ihn acht geben."

Edward nickte entschlossen. "Weil er eingesehen hat, dass es dein Leben ist und du letztlich eine gute Wahl getroffen hast. Denk einmal darüber nach, ob du Isaac nicht die gleiche Entscheidungsfreiheit zugestehen solltest." schlug Edward vor und beobachtete seinen Bruder dann aufmerksam. Er spürte, dass Robert ins Wanken kam, denn er war noch weniger als ihr Vater dazu in der Lage mit anderen im Hader zu liegen, schon gar nicht mit seiner engen Familie.
Und Edward sollte Recht behalten als Robert schließlich nachgab. Er beherrschte sich und nahm die Entscheidung seines Bruders mit einem Kopfnicken und einem leichten Lächeln hin. "Das werde ich. Mit meinem Leben, falls nötig."
Isaac hingegen starrte seinen Vater mit riesigen Augen an, dann huschte sein Blick zwischen seinem Onkel und seinem Vater hin und her. "Ist das dein Ernst?" fragte er ein wenig atemlos mit einer Mischung aus Hoffnung und Unglauben. "Ich darf bleiben?"

Robert konnte dem nichts entgegen setzen, denn letztendlich hatte Edward Recht. "Ich werde dich beim Wort nehmen...Ich fürchte, alles Andere könnte ich dir auch nicht verzeihen."
Er erwiderte den Blick seines Sohnes und lächelte dann ein bisschen widerwillig. "Ja, es ist mein Ernst. Wenn du in den Dienst deines Onkels trittst und tust, was er dir sagt."
Ihm behagte die ganze Sache noch nicht, aber er wusste genau, dass ihm keine Wahl blieb.
"Ich bin nicht glücklich darüber und ich weiß nicht, wie ich das deiner Mutter begreiflich machen soll, aber was sonst soll ich tun?"
Isaac würde erwachsen werden.

Isaac

Isaacs Augen begannen zu leuchten und einen Moment haderte er mit sich, weil er sich doch angemessen verhalten wollte, doch letztlich konnte er nicht widerstehen, trat eilig zu seinem Vater und schlang die Arme für einen Moment um seinen Hals. "Danke." wisperte er leise, drückte sich noch einmal fest an ihn und ließ dann wieder von ihm ab.
Mit einem mutwilligen Funkeln in den Augen wandte er sich an seinen Onkel und verneigte sich leicht vor Edward. "Zu Euren Diensten, Mylord." erklärte er und Edward grinste amüsiert.
"Dann sieh zu dass du hier raus kommst, aber bleib in der Nähe. Ich will noch ein paar Worte mit deinem Vater reden, danach bringe ich dich zu meinem Zelt und zeige dir alles." trug er dem Jungen auf, der eifrig nickte und mit einem letzten Blick auf seinen Vater das Zelt verließ.
Edward seufzte leise und legte seinem großen Bruder eine Hand auf die Schulter. "Ich weiß, wie schwer dir das fällt, aber es war die richtige Entscheidung für den Jungen, glaub mir, Rob."

Robert erwiderte die Umarmung seines Sohnes und kniff einen Moment die Augen zusammen. Er hoffte wirklich, dass er diese Entscheidung nicht bereuen würde. Aber wenn er seinen Sohn nicht verlieren wollte, hatte er eben einlenken müssen.
Er sah Isaac nach, während er das Zelt verließ und richtete den Blick dann auf Edward. "Ja, vermutlich hast du Recht. Aber ich mache mir einfach Sorgen um ihn. Mir wäre lieber gewesen, er hätte seine Dienstzeit als Knappe nicht im Krieg begonnen. Du weißt, wie schnell etwas schief gehen kann und ich will auf keinen Fall Josephine erklären müssen, warum ihr Sohn tot ist. Bei Gott, ich würde es nicht ertragen, wenn dem Jungen etwas passiert. Also verlasse ich mich auf dich..."
Er seufzte tief.
"Was denkst du, wie das hier weiter geht? Wir kommen nicht wirklich voran. Man hat das Gefühl, für jeden Schritt nach vorne, müssen wir am nächsten Tag gleich noch einen zurück machen..."
Und er hatte keine Ahnung, wie Richard hier einen Durchbruch schaffen wollte.

Edward nickte leicht. "Ich weiß und du wärst nicht du, wenn du nicht um ihn fürchten würdest. Aber er wird sich schon gut machen. Dein Ältester hat ihn wirklich umsichtig vorbereitet auf seine Aufgaben und Isaac ist ein kluger Kopf. Und zudem glaube ich nicht, dass wir wirklich in ernsthafte Schlachte verwickelt werden. Es wird von einer Belagerung zur nächsten gehen und vielleicht mal kleine Scharmützel, das wars." erwiderte Edward und zuckte dann leicht mit den Schultern. "Eine mühselige Arbeit, aber wenn es jemandem gelingt Philippe wieder abzunehmen, was er sich ergaunert hat, dann Richard. Und wenn die Bauarbeiten in Les Andeleys erst wirklich los gehen und die Festung dort entsteht, die Richard sich erträumt, dann haben wir einen großen Trumpf in der Hand, um die Normandie zu sichern." Das würde ihnen einen wichtigen Stützpunkt gegen französische Begehrlichkeiten sichern.

Robert nickte langsam. "Du hast ja Recht. Danke für deinen Zuspruch, Bruderherz. Ich denke, das hatte ich nötig, um mich damit abzufinden."
Er seufzte. "Ich hoffe, du hast Recht. Ich weiß nicht richtig, ob es wirklich so einfach ist. Natürlich ist Richard der Einzige, der das Zeug dazu hat, aber wenn uns die Mittel ausgehen....Ich frage mich ehrlich, wovon er die Festung bezahlen will. Nach dem Lösegeld....wird es schwierig. Philippe hat mehr Männer, befürchte ich."
Robert hob die Schultern. "Aber Richard wird schon wissen, was er tut. Vertrauen wir ihm, wie wir es immer getan haben...."
Und dann würden sie vielleicht wirklich den Sieg davon tragen.

Edward Blick huschte kurz zum Zelteingang, dann sah er seinen Bruder wieder an und zuckte mit den Schultern. "Er bezahlt mit seinem Namen und hübschen Versprechungen." entgegnete Edward. "Oder glaubst du etwas, dass du auch nur einen Penny von dem Geld, dass du für diesen Feldzug aufbringst und ihm 'geliehen' hast, wiedersehen wirst?" fragte Edward mit hochgezogener Augenbraue. "Wenn wir erfolgreich sind bei diesem Feldzug wird einiges an Beutel abfallen, aber all das wird in Richards Schatullen fließen, um die immensen Löcher darin zu flicken. Wir werden uns mit Ruhm und Ehre begnügen müssen und ich sage dir ganz ehrlich Robert, ich bete zu Gott, dass die meisten Lords so genügsam sein werden. Sonst bekommen wir wirklich große Probleme." Eine Rebellion der englischen Lords war wirklich das letzte, was Richard nun gebrauchen konnte, aber die Lage war nun einmal angespannt.

Robert nickte. "Du hast recht. Nein, die Hoffnung habe ich schon lange aufgegeben...Glücklicherweise mussten wir unsere Grafschaft dank des Gestüts nicht ganz so plündern wie manch andere Lords es müssen. Und es werden diejenigen in Geldnöten sein, die sich mit Ruhm und Ehre nicht ganz so zufrieden geben werden..."
Er seufzte.
"Aber er kann das Geld schließlich nicht her zaubern, von daher...müssen wir der Dinge harren, die da kommen. Und nun nimm dich deines neuen Knappen an, hm? Damit er sich nicht hier herum treibt und noch mehr Unsinn anstellt."

Edward seufzte leise. "Ja, das ist wirklich ein echter Bonus. Ich fürchte nur, dass nicht nur die in Nöten murren werden. Es gibt genug ehrgeizige Männer, die von ihrem angesammelten Geld nichts abgeben wollen, nicht einmal für ein solches nationales Anliegen. Richard mag gerne die Augen davor verschließen, aber er ist im Moment angreifbarer denn je. Vor allem wenn Männer wie sein Bruder insgeheim noch immer Stimmung gegen ihn machen. Denn eins ist sicher, ich glaube John kein einziges Wort, wenn er immer wieder beteuert, dass er mit Richards Kurs einverstanden ist und doch ach so loyal zu ihm steht. Ich schwöre, Robert, wenn John Plantagenet eine Chance dafür wittert, wird er uns wieder in den Rücken fallen."
Dann nickte Edward jedoch und grinste leicht. "Ja, du hast ja Recht. Ich sollte seine Geduld nicht sofort zu sehr auf die Probe stellen." bemerkte er augenzwinkernd und legte seinem Bruder zum Abschied noch eine Hand auf die Schulter. "Gräm dich nicht, Robert. Er wird nun einmal erwachsen." Damit wandte er sich ab, um seinen neusten Schützling eine kleine Einweisung in dessen neue Pflichten zu geben.

Rob freute sich wirklich, seine Mutter und seine Großeltern wieder zu sehen, aber gleichzeitig wusste er, dass ihm die unangenehme Beichte nicht erspart bleiben würde, dass Isaac fort war.
Er hatte sie alle herzlich im Innenhof begrüßt und sie waren gemeinsam nach oben gegangen, um einen Becher zu trinken und Neuigkeiten auszutauschen.
Rob wartete, bis sie allein waren. "Ich bin sicher, ihr habt interessante Dinge erlebt. Lasst uns ein bisschen teilhaben am Hofleben. Ich höre die Geschichten gern, auch wenn ich nicht erpicht darauf bin selbst hinzugehen."
Rob hoffte, das leidige Thema noch ein bisschen aufschieben zu können.

William war mit sehr gemischten Gefühlen vom Hof abgereist. Joanna und er waren dort gewesen, um ihre Söhne zu verabschieden und dabei hatte er einmal mehr festgestellt, dass seine Zeiten am Hof vorbei waren. Früher hatte er das Treiben dort geliebt, es hatte ihn rastlos gemacht zu lange in Truro zu sein, aber das lag hinter ihm. Mehr und mehr war er sich dort eher fehl am Platz erschienen und so war ihre Rückkehr nach Truro an sich ein Segen, hätte sie nicht auch den Abschied von einem Teil seiner Familie bedeutet - und vor allem was Robert und Edward betraf, war es ein ungewisser Abschied, denn man wusste nie, wer aus einem Krieg tatsächlich zurück kam und wer nicht.
Und dann war da noch Claire, derer sich Josephine angenommen hatte und die sie zurück nach Truro begleitet hatte - blass, mit versteinerter Miene und dunklen Rändern unter den Augen, so dass William fürchtete sein Zweitgeborener habe wieder einmal irgendein Chaos losgebrochen von dem er nicht wusste, ob er genaueres erfahren wollte oder nicht.
Aber nun waren sie am Ziel ihrer Reise und schon die Begrüßung im Innenhof von Rob und Giselle mit den kleinen Jungen hatte sein Herz gewärmt, so dass er nun etwas müde von der Reise, aber mit gehobener Stimmung im Wohngemach der Familie saß und seinem Enkel einen amüsierten Blick zuwarf. "In der Hinsicht kommst du wahrlich nach deinem Vater." bemerkte er, denn auch Robert sah das Leben am Hof eher als notwendiges Übel an. Aber vielleicht würde die Zeit für seinen Enkel eines Tages noch kommen ...
"Es war schön einige bekannte Gesichter wieder zu sehen, aber die Stimmung war sichtlich angespannt, wie du dir denken kannst. So kurz vor einem Feldzug scheint man die Spannung immer regelrecht mit den Händen greifen zu können. Aber was hältst du davon, wenn wir die illustren Geschichten vom Hof später beim Essen zum Besten geben, denn ich bin sicher, dein Bruder wird auch ganz versessen darauf sein sie zu hören." Isaac war in dieser Hinsicht doch eher das Gegenteil seines großen Bruders. "Erzähl uns also lieber erst einmal wie es hier ging?" schlug William lächelnd vor.

Rob lächelte schief. "Ja, vermutlich. Wobei du Vater noch mehr hin prügeln musst als mich. Jetzt, wo Giselle schon wieder richtig gut laufen kann, ist es für uns viel einfacher an den Hof zu gehen. Trotzdem sind unsere Wurzeln hier und ich möchte, dass auch für unsere Kinder Truro der Zufluchtsort ist."
Er nickte leicht. "Natürlich. Was denkst du, wie stehen Richards Chancen?" Im nächsten Moment musste er sich daran hindern zusammen zu zucken.
"Tja, er würde sich sicher freuen, dass du an ihn denkst, aber..." Rob gab sich einen Ruck. "Ich fürchte, du musst keine Rücksicht auf ihn nehmen...Er ist nicht hier. Im Großen und Ganzen lief hier alles ruhig und zufriedenstellend, aber Isaac war das Ganze wohl zu langweilig. Er wollte....seinen eigenen Weg gehen, seinen Mut beweisen und hat sich ins Heer eingeschleust...."

William erwiderte das Lächeln seines Enkels. "Das ist wahr. Aber es freut mich sehr, dass du dich so wohl hier fühlst." In Robs jungen Jahren hatte das ja noch ganz anders ausgesehen. Eine Zeitlang hatte der Junge hier wirklich zu kämpfen gehabt, aber er hatte sich durchgebissen und William fand, dass aus seinem Enkel ein wirklich hervorragender junger Mann geworden war, der wusste was er wollte und der in sich ruhte.
Dann wiegte er leicht den Kopf hin und her. "Das hängt ganz davon ab wie schnell und entschlossen Philippe reagieren wird. Wenn es ihm gelingt Richard schnell mit einer ausreichenden Zahl Männer entgegen zu treten, dann stehen sich zwei recht gleichstarke Parteien gegenüber. Wenn Richard seinen Vorteil jedoch schnell und gut nutzen kann, werden unsere Truppen schon auf besten Wege Richtung Paris sein, ehe Philippe ernsthaft handeln kann." mutmaßte William nachdenklich, stutzte im nächsten Moment jedoch verblüfft.
Er blinzelte und ließ die Informationen, die Rob ihm da gerade gab erst einmal sacken, dann atmete er geräuschvoll aus. "Er hat sich eingeschleust?" vergewisserte sich William und sah von Joanna zu Josephine, die merklich blasser geworden war. "Soll das heißen, er ist einfach von hier verschwunden?"

"Sagen wir, ich habe zu schätzen gelernt, was ich hier habe. Ich wollte nirgendwo anders sein.", räumte Rob ein. "Auch, wenn ich eine Weile gebraucht habe, um das zu verstehen."
Die Einschätzung seines Großvaters gefiel ihm nicht besonders, denn je schlechter Richards Chancen, desto mehr Sorgen musste er sich um Vater und Bruder machen.
Rob nickte zerknirscht.
"Ja...Er hat einen Brief hier gelassen. Er hat sich entschuldigt, aber er meinte, hier hätte er nie eine Chance seinen eigenen Weg zu gehen und seinen Mut zu beweisen. Er müsse es tun. Er hat es so arrangiert, dass wir den Brief erst viel später gefunden haben. Er war längst über alle Berge. Meine einzige Hoffnung ist, dass er Vater oder Onkel über den Weg läuft. Es tut mir leid."

William nickte verständnisvoll. "Gut Ding will manchmal Weile haben." erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, denn in gewisser Weise waren Rob und er sich in diesem Punkt sehr ähnlich. Auch er war in seiner Jugend am liebsten nicht in Truro gewesen, wenngleich seine Beweggründe etwas andere gewesen waren und doch hatte er auch ungleich länger als sein Enkel gebraucht, um hier wirklich wieder Fuß zu fassen und zur Ruhe zu kommen.
Dann lehnte er sich mit einem Seufzen zurück und fuhr sich nachdenklich über den Bart. Was Rob da erzählte gefiel ihm nicht besonders, denn wie alle seine Enkelkinder war auch Isaac seinem Herzen nahe und er machte sich Sorgen, um den jungen, ungestümen Bengel. Auf der anderen Seite verstand er dessen Herzenswunsch nach einer gewissen Freiheit und Selbstbestimmtheit jedoch auch.
Josephine hatte währenddessen die Hände vors Gesicht geschlagen und die Augen geschlossen. "Großer Gott." Wie hatte ihr Junge nur so etwas törichtes tun können? Sie schluckte schwer und hatte mühe gegen die kalte Hand anzukämpfen, die sich um ihr Herz schloss. Hilfesuchend sah sie schließlich zu ihren Schwiegereltern. "Wir ... wir müssen irgendetwas tun." wisperte sie leise. Sie konnte doch nicht einfach die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, dass ihrem Sohn nichts zustieß.

Rob schaute seine Mutter zerknirscht an. "Was sollen wir tun, Mutter? Er ist längst dort. Ich muss gestehen, ich habe auch erst dazu geneigt ihm nachzureiten, aber er hat schon recht. Er muss seinen Weg finden. Gib ihm die Chance. Ich war auch auf dem Kreuzzug, um meinen eigenen Weg zu gehen. Ich wollte mir selbst Ruhm erwerben, ohne Hilfe durch meine mächtige Verwandschaft."
Er hob die Schultern.
"Er wird sich außerdem nicht ewig bedeckt halten können, wenn er die Aufmerksamkeit des Königs möchte. Spätestens dann wird er Vater oder Onkel Edward begegnen."
Isaac war alt genug, das mussten sie alle einsehen.
"Er ist kein kleines Kind mehr."

"Das mag ja sein, aber wir können doch nicht einfach abwarten!" erwiderte Josephine angespannt. Die Vorstellung, dass ihr kleiner Junge ganz auf sich allein gestellt irgendwo in dem rauen Heer des Königs untergetaucht war, gefiel ihr ganz und gar nicht.
Josephine spürte die Panik in sich aufsteigen, doch sie zwang sich dazu ruhig zu bleiben. "Ja, du warst auch auf dem Kreuzzug und ich sehe durchaus, dass ihr Männer meint 15 wäre ein gutes Alter um Krieg zu spielen, aber von deiner Anwesenheit im Heer wussten wenigstens genug Menschen dort vor Ort!" hielt sie ihrem Ältesten vor, dann atmete sie tief durch. "Ich werde deinem Vater einen Brief schreiben, dann weiß er von dieser verrückten Sache und kann nach deinem Bruder Ausschau halten. Und ich bete zu Gott, dass er ihn findet, damit Isaac dieses aberwitzige Abenteuer gut übersteht."

Rob seufzte tief. Er hatte geahnt, dass seine Mutter das Ganze nicht sehr gut aufnehmen würde. "Isaac ist ja schließlich auch schon eine Weile bei mir in Ausbildung gewesen, er ist kein unwissender, dummer Junge. Er kommt schon klar. Er muss langsam erwachsen werden, Mutter."
Rob hob die Schultern.
"Tu das. Aber ich bin nicht sicher, ob du Isaac einen Gefallen damit tust. Ich bin allerdings auch fast sicher, dass man ihn bereits gefunden hat. Sicher kann Vater dich beruhigen."
Er hoffte es.
Nicht auszudenken, was passierte, wenn seinem Bruder etwas zustieß. Er würde sich das nie verzeihen, er hätte besser aufpassen müssen.

Josephine bedachte ihren Ältesten mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem mehr als skeptischem Blick. Natürlich war Isaac bei seinem Bruder in der Ausbildung gewesen und sie zweifelte auch nicht daran, dass Isaac über altersgemäße Fähigkeiten verfügte, aber dennoch fand sie sein Handeln einfach leichtsinnig.
"Tja, damit wird er leben müssen. Er kann nicht im Ernst erwarten, dass er heimlich davon läuft und ich einfach gute Miene zum bösen Spiel mache. Mit einem Brief an euren Vater kommt er wahrlich leicht davon, so viel ist sicher." erwiderte Josephine und erhob sich, um sich sogleich daran zu machen diesen Brief zu schreiben. Sie hoffte, dass Rob recht hatte und Isaac schon längst entdeckt worden war, wenn ihr Bote das Heer erreichte, aber sicher sein konnte sie nicht, also würde sie ihrem Mann eine entsprechende Nachricht zukommen lassen.

Claire fühlte sich grauenvoll, als sie nach Truro zurückkehrten. Sie wünschte wirklich, sie hätte nach Oxford gehen können, aber dort wäre sie allein gewesen und unter den jetzigen Umständen wollte sie das nicht. Sie konnte es immer noch nicht begreifen und konnte sich nicht vorstellen, wie sie ihm verzeihen sollte. Ausgerechnet Helene...
Alleine in ihren Gemächern hatte sie sich rastlos gefühlt, daher hatte ihr Weg sie ziemlich schnell ins Gestüt geführt, zu ihrem Elternhaus.
Vorsichtig klopfte sie an die Tür und trat ein. Vielleicht würde sie ja Mutter oder Vater hier antreffen. Das würde sie sich ein bisschen trösten können. Hier hatte sie sich noch immer geborgen gefühlt.

Amelié war dabei noch ein wenig Ordnung im Haus zu schaffen und überlegte, ob sie die gerade herrschende Ruhe nutzen und sich etwas Zeit zum Entspannen in ihrem kleinen Garten gönnen sollte, als es fast zaghaft an der Tür klopfte und diese sich öffnete, kaum das Amelié sich herum gedreht hatte.
Zu ihrer großen Überraschung war es ihre älteste Tochter, die dort ihm Türrahmen stand und Amelié brauchte gar nicht genau hinzusehen, um zu wissen, dass etwas nicht in Ordnung war. "Claire!" Trotz der Sorge, die sich sofort in ihr breit machte, lächelte Amelié freudig und schloss ihr Mädchen herzlich in die Arme. "Liebes, wie gut dich zu sehen." murmelte sie und strich Claire über die Wange als sie die Umarmung ein wenig lösten.
Wortlos sah sie ihrer Tochter einen Moment lang in die Augen und ergründete, was sie darin sah, dann griff sie nach Claires Hand. "Komm, wir gehen in den Garten. Das hatte ich ohnehin gerade vor und dort sind wir ungestört." entschied sie ohne weiteres Zögern.

Claire war unglaublich erleichtert ihre Mutter zu sehen und musste sich daran hindern sofort in Tränen auszubrechen, als diese sie in den Arm nahm. Natürlich hatte ihre Mutter sofort bemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie kannte sie viel zu gut.
Bereitwillig folgte sie ihr in den Garten und ließ sich mit ihr auf die Bank sinken.
"Ich bin auch so froh dich zu sehen. Ihr habt mir gefehlt." Es dauerte auch nicht lange, bis es auch schon aus ihr herausbrach:" Oh maman, ich weiß, ihr habt mich alle gewarnt, aber ich wollte nicht hören. Jetzt bin ich auf die Nase gefallenund weiß nicht, wie es weitergehen soll. Und jetzt ist er auch noch im Krieg..." Und schwanger war sie auch nicht, nicht einmal das könnte ein Trost sein. Wie konnte Edward mit jeder Frau ein Kind zeugen, nur mit ihr nicht?

Amélie ließ sich neben ihrer Tochter auf der kleinen Bank im Garten nieder und wartete einfach bis Claire zu reden begann. Sie wusste, dass ihre Tochter sich ihr anvertrauen würde, sobald sie bereit war und sie sollte Recht behalten. Im ersten Moment zog sie verwundert eine Augenbraue in die Höhe, dann wurde ihr klar, worum es hier ging. Kurz schloss sie die Augen und atmete geräuschvoll aus, dann sah sie Claire wieder an und griff nach ihren Händen. "Sch sch, ich bin sicher, dass sich alles irgendwie fügen wird." erwiderte sie sanft. "Aber erzähl erst einmal von vorn, hm? Was ist geschehen, dass du so verzweifelt bist?" Natürlich hatte sie eine ganz konkrete Vorstellung davon, was ihre Tochter bewegte: Edward, dieser Schuft hatte offenbar die Finger nicht mehr von anderen Frauen lassen können, aber letztlich war das wohl auch nur eine Frage der Zeit gewesen. Trotzdem wusste Amélie, dass damit für ihre Tochter eine Welt zusammen gebrochen war, so verliebt wie sie gewesen war.