William und Joanna - ab 1183

Auch Edwards Blick fiel sofort auf Claire. Einige Augenblicke lang sahen sie sich an, die Welt um sie herum stand still. Es war so viel passiert, es war kaum zu glauben.
Er kam auf sie zu und ihr Blick hing an seinen blauen Augen. Wie konnte man jemanden so sehr lieben, der einen so verletzt hatte? Sie hatte zu Gabriel gesagt, sie wüsste nicht, wie es weitergehen solle, aber nun da sie ihn sah, konnte sie nicht so abweisend sein wie sie es gern wollte.
"Edward....wie kommst du hierher? Bist du wegen Gabriel hier?" So musste es sein. Sicherlich hatte er von Gabriels beabsichtigter Verlobung gehört und wollte die Familie der Braut und auch die Braut selbst besser kennenlernen.

"Mit dem Pferd." erwiderte Edward und hätte sich am liebsten im nächsten Moment selbst geohrfeigt. Verlegen deutete er auf seine Begleiter, die dabei waren dem herbei geeilten Stallburschen die Tiere zu übergeben. "Ich meine ... also ... naja ..." er zuckte leicht mit den Schultern und sah Claire wieder an ehe er den Kopf schüttelte.
"Nein. Ich ... bin hergekommen, weil ich hörte, dass du hier bist." erklärte Edward und trat noch einen Schritt auf seine Gemahlin zu, so dass sie nur noch eine Armeslänge voneinander entfernt standen. "Ich konnte einfach nicht anders, ich musste dich sehen." murmelte er und griff dann vorsichtig nach ihren Händen. "Ich weiß, dass du zornig auf mich bist und das zurecht, aber ... ich liebe dich, Claire. Ich musste einfach herkommen." In der Hoffnung, er könne vielleicht doch irgendetwas wieder gut machen. Und weil er insgeheim Albträume davon gehabt hatte, dass Claire hier irgendeinen Italiener kennenlernen würde, der ihr feurig den Hof machte und ihr gebrochenes Herz heilte. Aber lieber hätte Edward sich die Zunge abgebissen als das zuzugeben.

Bevor Claire es sich verkneifen konnte, hatte sich ihre Augenbraue spöttisch gehoben. "Tatsächlich..." Offenbar war Edward genauso unsicher wie sie selbst, genauso verlegen. Und das war bei einem eher großspurig veranlagten Kerl wie ihm schon eine Seltenheit.
"Du bist meinetwegen hergekommen? Ich dachte, du kämst wegen Gabriel...woher weißt du, dass ich hier bin, wenn nicht von ihm?"
Sie starrte ihn an, als er ihre Hände nahm, wollte sie erst wegziehen, ließ es dann aber sein. Wie sollten sie eine Chance haben, wenn sie ihm keine gab? Wenigstens war er nur ihretwegen den weiten Weg hierher gekommen.
"Ich liebe dich auch immer noch, aber ein Teil von mir hat gelernt dich zu hassen, weil du mir so weh getan hast. Ich versuche seit wir auseinander gegangen sind einen Weg zu finden damit umzugehen, aber es ist mir bis heute nicht gelungen."

Edward grinste ein wenig verlegen als Claire spöttisch die Augenbraue in die Höhe zog. Auf gewisse Weise tat diese Reaktion so gut, denn sie war so natürlich und wenigstens nicht von Hass und Abscheu geprägt.
Dann nickte er langsam. "Deinetwegen." bestätigte er und spürte, dass sie kurz versucht war ihm ihre Hände zu entziehen, sich dann aber umentschied und schon diese kleine Geste rührte ihn so sehr und ließ die Hoffnung in ihm keimen. Vielleicht war es noch nicht alles verloren und seine Reise hier her nicht vergebens.
"Nun, er hat es mir geschrieben, aber ich bin nicht seinetwegen hergekommen. Ich kenne Giovanni von seinen Besuchen bei meinen Eltern und Gabriels Angebetete hätte er früher oder später schon mitgebracht, aber ..." Edward zuckte fast hilflos mit den Schultern. "Ich musste herkommen, um dich zu sehen. Um zu sehen, wie es dir geht und ... und in der Hoffnung, dass ich irgendetwas wieder gut machen kann."
Bei Claires nächsten Worten schloss Edward für einen Moment die Augen. Sie liebte ihn immer noch. Alles andere war egal. Solange sie in ihrem Herzen noch immer Liebe für ihn fand, würde sich alles andere irgendwie fügen, irgendwann.
Edward schlug die Augen wieder auf und nickte. "Das kann ich verstehen und es ist dein gutes Recht. Aber wenn es so ist, wie du sagst und du noch immer auch Liebe für mich empfindest, vielleicht können wir dann gemeinsam einen Weg finden, wie sich alles in Einklang bringen lässt." Sanft drückte er ihre Hände und sah fest in ihre Augen. "Denkst du, wir könnten es zusammen versuchen?"

Claire nickte langsam. "Er wird sich trotzdem freuen, dass du hier bist. Dann wird er sich mit Giulia wenigstens schon verloben können und ihr Bruder kommt nicht auf so viele dumme Gedanken."
Sie neigte den Kopf.
"Etwas gut machen....wir werden sehen. Es wird vermutlich etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber ich denke, hier ist der perfekte Ort dafür. Hier ist es so friedlich und wir sind fernab von allem Druck von außen." Sie erwiderte seinen Blick und atmete tief durch. Das hier würde eine wichtige Entscheidung werden, die ihre Zukunft maßgeblich beeinträchtigte.
"Na gut...lass es uns versuchen. Zusammen."

"Giulia ..." murmelte Edward und nickte. Gabriel hatte den Namen seiner Angebeteten in seinem Brief zwar erwähnt, aber ihn jetzt zu hören ließ in Edward noch einmal eine ganz andere Saite erklingen. Er war wirklich gespannt darauf das Mädchen kennenzulernen, das es geschafft hatte sich in das Herz seines Sohnes vorzuarbeiten, obwohl er dieses doch immer so sorgfältig vor der Welt verschloss.
"Es wird solange dauern wie es braucht. Ich weiß, dass sich so etwas nicht erzwingen lässt und ich will, dass wir soviel Zeit dafür haben, wie nötig." erwiderte Edward ernst. Er wusste natürlich, dass Richard nicht erbaut sein würde, wenn er gar zu lange fortblieb, aber darum würde er sich Gedanken machen, sollte es soweit kommen.
Dann stieß er den Atem geräuschvoll aus, den er unbewusst angehalten hatte bis Claire ihre Antwort gab. Es fühlte sich an als würde eine schwere Last von seinen Schultern fallen. Natürlich war ihm klar, dass die eigentliche Arbeit für ihn nun wohl erst beginnen würde, aber dieses Zugeständnis war der Grundstein für alles weitere.
Einen Augenblick lang sah er Claire noch an, dann zog er sie an seine Brust und vergrub das Gesicht für einen Moment an ihrem Hals. Wie sehr hatte er sich nach ihrer Nähe gesehnt ...
"Danke, mein Herz ..." wisperte er leise.

Claire nickte langsam. "Ich hätte nie gedacht, dass es einer Frau gelingt, Gabriel von seiner festgefahrenen Meinung zu überzeugen. Er wollte sich nie verlieben, nie heiraten. Und jetzt setzt er Himmel und Hölle in Bewegung. Ich bin froh für ihn."
Sie seufzte leise.
"Das ist gut. Aber Richard wird nicht begeistert sein, wenn es lange dauert, nicht? Wir werden sehen. Erst einmal sollten wir unsere Zeit nutzen."
Sie entspannte sich nur langsam, als er sie umarmte, aber sie musste sich eingestehen, dass sie es vermisst hatte.
"Nun komm, du solltest deine zukünftige Schwiegertochter kennenlernen und ihre Familie begrüßen, wie es sich gehört."

"Hm." brummte Edward leise. "Gabriel ist ein kleiner Narr. Er ist viel zu sensibel und viel zu feinfühlig, um sich nicht zu verlieben. In ihm steckt ein kleiner Romantiker, dessen bin ich mir sicher." entgegnete er.
Dann seufzte Edward leise. "Ach Richard ... der ist mit seinem Krieg beschäftigt. Wir sind da nicht besonders wichtig. Wir haben Zeit."
Edward spürte genau, dass sie ein wenig angespannt war und nur langsam sich auf die Umarmung einlassen konnte, doch sie tat es und das war für den Anfang das wichtigste. "Weißt du" wisperte er leise. "Ich würde dich wirklich gerne küssen. Aber ich fürchte, das ist noch zu früh, hm?"
Nur unwillig löste er sich von Claire, nickte dann aber. "Ja, da hast du wohl recht. Alles andere wäre unhöflich."

Claire schüttelte den Kopf. "Er ist kein Narr. Nur sehr vorsichtig. Er hat sehr früh erfahren, wie schmerzhaft die Liebe sein kann. Deshalb wollte er sich gleich davor schützen, und das ist sicher klug." Sie hatte immer Verständnis für ihn gehabt, jetzt umso mehr.
"Gib mir noch ein bischen Zeit, hm? Wir haben uns lange nicht gesehen und viel ist passiert.", erwiderte sie ebenso leise. "Überstürze nichts."
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn langsam zurück zum Haus. "Du wirst Giovanni sehr willkommen sein, er schätzt deine Mutter sehr."
Und sie war gespannt, was er zu Giulia sagte.

Edward zuckte leicht mit den Schultern. "Vielleicht, ja." Mit den schmerzlichen Seiten der Liebe kannte er sich schließlich auch mehr als genug aus. Dennoch hatte ihn das nie gehindert, hatte ihn nie dazu gebracht diesen Gefühlen gänzlich abzusagen. Aber sein Sohn war ohnehin meist ein Buch mit sieben Siegeln für ihn, daher wunderte es ihn auch nicht wirklich, dass sie sich auch in diesem Punkt unterschieden.
Er seufzte leise, nickte aber sogleich. "Geduld ist nicht meine größte Stärke. Aber ich werde mir Mühe damit geben, versprochen." erklärte Edward und drückte sachte Claires Hand als sie die seine ergriff und ihn zum Haus führte.
"Oh ja, die beiden hatten schon immer eine besondere Verbindung zueinander." Aber mehr noch war er gespannt auf dessen Tochter. Giulia ... Edward schauderte leicht bei dem Gedanken an ihren Namen. Vielleicht war ja auch er der Narr, aber er war überzeugt davon, dass das einfach kein Zufall sein konnte.

Gabriel

Gabriel stand überrascht auf, als Claire mit seinem Vater das Guthaus betrat. "Vater! Du hier? Welche Freude..." Er lächelte glücklich und umarmte ihn fest.
"Ich hatte nicht geahnt, dass du gleich anreisen wirst, wenn ich dir von meinem Vorhaben berichte." Er tauschte einen kurzen Blick mit Claire. Natürlich ahnte er, dass sein Vater vor allem ihretwegen hier war und das war auch höchste Zeit, wenn Edward seine Ehe noch irgendwie retten wollte.
Gabriel wies auf Giulia.
"Nun, das hier ist Giulia. Giulia, mein Vater.", stellte er dann fröhlich vor. Giulia knickste anmutig. "Eine Ehre, Mylord.", sagte sie leise auf Englisch. Sie hatte keine Ahnung, ob der Earl diese Verbinung gut hieß oder ob er sie verurteilte. Am Ende war er hier um diese Verlobung zu verhindern?

Edward grinste als sein Sohn ihn überrascht, aber freudig begrüßte und erwiderte die Umarmung herzlich.
"Nun, wenn solch ein Vorhaben kein Grund für eine Italienreise ist, was dann?" erwiderte er augenzwinkernd und gab vor den Blick nicht zu bemerken, den Gabriel mit Claire tauschte.
Glücklicherweise war ja aber auch Gabriels Angebetete da, so dass Edward sich mit seinem charmantesten Lächeln an sie wenden konnte. Er verneinte sich mit der Hand auf der Brust. "Die Ehre ist ganz meinerseits, Mylady. Es freut mich sehr die Herzensdame meines Sohnes kennenzulernen, zumal ich fast geglaubt hätte, dass dieser Tag nie kommen würde." bemerkte er mit schelmischem Grinsen.

Gabriel Giulia

"Nun, ich dachte eben nicht, dass du so leicht abkömmlich bist. In der Regel beansprucht Richard dich ja auch öfter einmal.", erwiderte Gabriel, beäugte seinen Vater aber mit Argusaugen, als er mit Giulia sprach.
Gabriel verdreht die Augen, beinahe ein wenig verlegen. Das war nun wieder so typisch sein Vater. Natürlich hatte er ihn blamieren müssen.
Giulia neigte leicht den Kopf. "Nun, vielleicht musste nur die richtige Dame kommen. Dann war es gar nicht mehr so schwierig, Mylord. Vielleicht habt Ihr Euren Sohn auch einfach ein wenig unterschätzt. Und es ist ja doch so, dass wir noch jung sind."
Sie ließ sich von Edward nicht beeindrucken, denn sie ahnte, dass er gern blendete mit seinem strahlenden, charmanten Auftreten. Aber sie erkannte viel von Gabriel in ihm wieder, aber sah auch die gravierenden Unterschiede.
"Setzt Euch und trinkt einen Becher unseres hervorragenden Weines."

Edward machte eine leicht wegwerfende Geste. "Im Moment geht ohnehin nichts voran, es war insofern ein günstiger Zeitpunkt." erklärte er seinem Sohn und schenkte Giulia dann ein warmes Lächeln. "Und zweifelsohne seid Ihr die richtige Dame, wenn Ihr sein Herz so leicht erobert habt." erwiderte Edward und sein Blick wanderte wohlwollend zwischen seinem Sohn und dessen Verlobten hin und her.
"Ah, ein hervorragender Vorschlag! Bei dem Wein Eures Vaters kann man einfach nicht ablehnen." willigte er fröhlich ein, setzte sich und nahm dankend einen gefüllten Becher entgegen. Er hob den Becher und dieses Mal war sein Blick eine Spur melancholisch als er seinen Sohn ansah. "Auf das junge Glück." erklärte Edward und räusperte sich kurz bevor er fortfuhr. "Auf das deine Mutter dir dieses Zeichen geschickt hat und ihr gemeinsam unendlich viele, glückliche Stunden verbringen dürft."
Denn dass Gabriels Geliebte ausgerechnet diesen Namen trug, musste in Edwards Augen ganz klar ein Zeichen sein, alles andere war unmöglich.

Gabriel Giulia

"Wenn du das sagst...dein Besuch ist unerwartet, aber sehr willkommen." Er ahnte, dass sein Vater vor allem wegen Claire hier war. Er freute sich trotzdem.
Gabriel hob ebenfalls seinen Becher und prostete seinem Vater zu. Er war ihm dankbar, dass er die nicht gänzlich standesgemäße Verlobung so einfach durchwinkte. Aber auch er musste kurz schlucken, nickte dann langsam.
"Ja, der Gedanke kam mir auch schon. Und wenn dem so ist, bin ich ihr ausgesprochen dankbar." Er hatte an seine Mutter nicht mehr allzu viel Erinnerung, aber er wusste, sie war ein sehr gütiger Mensch gewesen. Und deshalb würde eine solche Geste auch ausgesprochen gut zu ihr passen.
Vielleicht waren sie auch deshalb alle hier. Damit Claire und Edward einen neuen Anfang machen konnten.

Edward lachte leise. "Wie großzügig von dir, mein Sohn, dass ich dir sehr willkommen bin." bemerkte er und nahm dann einen großen Schluck aus dem Becher in der Hoffnung, er könne so den Kloß hinunterspülen, der in seiner Kehle steckte.
Der Gedanke an Julia bewegte ihn ziemlich und das gepaart mit der Tatsache, dass sein ältester heiraten würde ... auch wenn Edward oft genug ein Holzklotz war, hatte er im Grunde ja doch einen ziemlich weichen Kern.
Er nickte leicht. "Ich denke, dessen kannst du dir ziemlich sicher sein. Es würde zu ihr passen. Und sie hätte sich so gewünscht, dass du glücklich wirst ..." erwiderte Edward gedämpft. Eigentlich hatte er noch mehr sagen wollen, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst und eilig widmete er sich wieder dem Wein, um seine Rührung zu überspielen.

Gabriel

Gabriel hatte sich von Giulia für diesen Abend verabschiedet, denn natürlich schliefen sie in getrennten Räumen. Aber er konnte es kaum abwarten, dass es anders sein würde. Wenn sie endlich verheiratet waren...
Allerdings hatte Gabriel beinahe schon erwartet, dass sein Vater unten auf ihn warten würde, um ein par ungestörte Worte mit ihm zu wechseln. Und er hatte recht. Sein Vater saß noch in der Stube, sah ihn aber erwartungsvoll an, als er die Treppe hinab kam.
"Wolltest du noch nicht schlafen? Du hast eine lange Reise hinter dir.", sagte Gabriel leise und setzte sich dennoch zu ihm. Auch Claire war schon ins Bett gegangen.
"Du bist hauptsächlich ihretwegen hier, nicht wahr?"

Es war Abend geworden und Edward saß allein in dem großzügigen Wohnraum, einen Becher Wein vor sich und dachte über den Tag nach. Sein Treffen mit Claire und die damit verbundene Hoffnung auf einen Neuanfang, das Kennenlernen von Gabriels Angebeteter ... es gab viel zum Nachdenken. Trotzdem war er nicht böse darum als er Schritte näher kommen hörte und lächelte leicht als sein Sohn zu ihm trat.
Edward winkte ab. "Ach, schlafen kann ich später immer noch. Es war eine lange Reise, ja, aber noch bin ich kein alter Mann und darüber hinaus habe ich viel zum Nachdenken. Vermutlich würde ich ohnehin kein Auge zumachen, würde ich mich jetzt hinlegen." erklärte er und holte noch einen leeren Becher, um seinem Sohn etwas aus der Karaffe einzuschenken. "Hier, du siehst auch ein bisschen aus als könntest du noch einen Schluck vertragen." bemerkte Edward, setzte sich dann wieder und schwieg einen Moment.
Dann seufzte er und nickte. "Ja, ich wäre ein Narr, wäre ich nicht gekommen, denkst du nicht?" antwortete er langsam und drehte den Becher einen Moment lang in den Händen, ehe er Gabriel nachdenklich ansah. "Hat sie irgendetwas gesagt seit sie hier ist? Ihr zwei redet doch ständig miteinander ... über alles, hm?"

Gabriel

Gabriel lächelte leicht. "Wenn du das sagst...Aber ich kann mir gut vorstellen, dass dich zu viel beschäftigt, als dass du ruhig schlafen könntest. Es ist viel passiert."
Er nahm den Becher entgegen und nickte dankbar. "Gern. Auch wenn ich ihn nicht so nötig habe wie du, denke ich."
Er erwiderte den Blick seines Vaters nachdenklich. "Wir reden viel, das ist wahr. Aber ich werde dir nichts sagen, was sie mir anvertraut hat. Das müsst ihr allein wieder hinbekommen. Aber...sie zweifelt sehr. Sie weiß nicht, ob sie dir verzeihen kann. Und...ich begreife dich einfach nicht. Du hast alles getan, damit du sie haben kannst. Und dann gehst du zu Helene ins Bett, die du nicht mehr haben wolltest? Ich dachte, du würdest sie lieben....Ich kann es nicht verstehen."

Edward atmete geräuschvoll aus. "Natürlich nicht." murmelte er leise. Es hätte ihn im Grunde ja auch gewundert, wenn sein Sohn sich anders verhalten hätte und ihm erzählt hätte, was Claire ihm anvertraut hatte. Dennoch hätte er es gerne gehört.
Edward nahm einen großen Schluck aus seinem Becher und nickte leicht. "Ich glaub nur zu gern, dass du das nicht verstehst. Und ich gehe jede Wette ein, dass sich daran auch nichts ändert, wenn ich es dir erkläre." bemerkte er trocken und leerte seinen Becher. In der Hinsicht unterschieden Gabriel und er sich einfach zu sehr.
"Weißt du" begann er langsam während er nach der Karaffe griff und sich nachschenkte. "als ich bei Helene in Dover war, haben wir viel miteinander geredet. Über ihren Verlust, aber auch ... über meinen. Es waren sehr tiefgründige Gespräche, sehr intime. Und es ist ja auch nicht so als wären Helene und ich uns nie nahe gewesen. Möglicherweise hätte unsere Ehe auch einen anderen Verlauf genommen, wenn ich sie zu einem anderen, einem späteren Zeitpunkt erst geheiratet hätte. So war ich nie wirklich mit dem Herzen dabei und das gepaart mit der Tatsache, dass ich nun mal so bin, wie ich bin, hat unsere Ehe zum Scheitern verurteilt." erklärte Edward nachdenklich und nippte an seinem Wein, ehe er fortfuhr. "Ich bin nach Dover geritten, um ihr beizustehen, um sie zu trösten. Und dabei ist mir erst wirklich klar geworden, dass ich ... dass ich den Tod deiner Mutter noch immer nicht wirklich überwunden hatte."

Gabriel

"Vermutlich liegst du da nicht falsch. Dasweiß ich. Ihr hattet auch gute Zeiten. Es wundert mich nicht, dass ihr noch eine gewisse Ebene habt, auf der ihr sprechen könnt. Insbesondere auch, weil euer Verlust ähnlich war."
Gabriel seufzte tief. "Ich weiß nicht, ob man so einen Verlust jemals wirklich überwindet. Aber ich dachte, du hättest zumindest dann das Ganze hinter dir gelassen, als du dich dafür entschieden hast Claire zu heiraten. Denn sie hast du ja wohl freiwillig geheiratet im Gegensatz zu Helene. Aber wenn du sie so sehr liebst, wieso betrügst du sie? Du konntest doch erahnen, dass sie unglaublich verletzt sein würde und du obendrein noch jeden gegen dich aufbringst, der ihr nahe steht. Helene steht mir auch nahe und ihr Verlust schmerzt mich sehr, aber ich wäre froh gewesen, nicht ausgerechnet du hättest sie getröstet. Aber letztlich ist es ja deine Sache...Ich bin nur nicht sicher, ob es so einfach wird. Sie ist wirklich sehr verletzt und sie zweifelt an der Zukunft dieser Ehe."

Edward seufzte leise. "Vielleicht nicht. Aber man kann ihn zumindest bewältigen, wenn man sich ernsthaft damit auseinander setzt. Und ... das habe ich nie wirklich getan. Irgendwann habe ich all meine Gefühle, meine Trauer, einfach alles, was damit zu tun hatte, nun, sagen wir weggedrückt. Ich habe einfach versucht ihnen keine Beachtung mehr zu schenken und habe stattdessen einfach funktioniert." erwiderte Edward und fuhr sich dann mit der freien Hand über das Kinn. "Tja, das ist wohl der Punkt, den du am Allerwenigsten verstehen wirst, mein Junge." murmelte er. "Ich ... bin nicht gut darin ein treuer Ehemann zu sein. Das war ich noch nie. Und Claire hat in dieser Hinsicht noch einmal ganz andere Ansprüche an mich als Helene und selbst deine Mutter es hatten. Und ich habe es wirklich versucht, weißt du. Bis zu dieser Sache mit Helene war ich ihr wirklich treu." Edward fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut, denn so vor seinem Sohn Rechenschaft abzulegen war eigentlich nichts worauf er wert legte. "Natürlich konnte ich das nicht nur ahnen, es war absolut klar, dass das passieren würde. Trotzdem konnte ich in dem Moment einfach nicht anders. Dieses sonderbare Gefühl von Nähe zu Helene, gemischt mit den Erinnerungen an die guten Zeiten unserer Ehe ... ich bin einfach schwach geworden." erklärte er und zuckte leicht mit den Schultern. "Nichts worauf ich stolz bin, aber es war nun einmal so." Er seufzte schwer. "Tja, die Zukunft unserer Ehe ... das ist wohl wirklich ein Thema das noch völlig im Dunkeln liegt ..."

Gabriel

Gabriel nickte langsam. "Ja, da könntest du recht haben. Schließlich musstest du auch für uns da sein und besonders Thomas hat es dir nicht so leicht gemacht. Und Helene....hast du vor allem meinetwegen geheiratet." Damit er eine neue Mutter bekam. Er war so verloren gewesen und hatte sich erst an Amelie, dann an Helene geklammert.
"Ja, das sehe ich ein. Unsere Familie ist einfach besonders, was eheliche Treue angeht.", gab er zu. "Großvater ist ein sehr leuchtendes Beispiel, nicht wahr?" Er lachte leise, wurde dann aber ernst. "Ja, ich denke, ich kann es zumindest ein bisschen nachvollziehen.Wenn ich es auch nicht gut heiße. Du wirst dich anstrengen müssen, damit sie dir vergibt."
Aber da Claire sich sicher war, dass sie ihn liebte, sah es für die Zukunft der Beiden doch nicht so schlecht aus. Darüber aber schwieg er lieber...

Edward atmete geräuschvoll aus und nickte dann. "Das war meine einzige Bedingung als König Henry damals eine erneute Heirat von mir wollte. Ganz gleich wer es sein würde, sie musste gut zu euch Kindern sein, gut zu dir." Edward hatte gewusst, dass die Kinder einen Mutterersatz gebraucht hatten, besonders da er ihnen nicht so viel Geborgenheit geben konnte.
Nachdenklich nippte er an seinem Wein, dann wiegte Edward langsam den Kopf hin und her. "Mittlerweile, ja. Mittlerweile hat dein Großvater sehr eiserne Grundsätze was das angeht. Aber auch sein Weg dahin war keineswegs tadellos, denk nur einmal an deinen Onkel Philippe." Wenngleich Edwards lange Liste an Eskapaden wohl kaum mit den gelegentlichen Ausschweifungen seines Vaters zu vergleichen waren.
"Ich weiß, deshalb bin ich schließlich auch hier, um mich anzustrengen in dieser Sache. Also werde ich genau das tun und hoffen, dass sie in ihrem Herzen genug Großmut findet, um mir zu vergeben."

Gabriel

Gabriel legte den Kopf leicht zur Seite. "Nun, das hat zumindest funktioniert. Helene war mir eine gute Mutter, mir hat es an Zuwendung nicht gemangelt." Trotzdem war es nicht einfach gewesen, die schwankende Stimmung zwischen seinem Vater und seiner Stiefmutter mitzuerleben. Er hatte gespürt, dass Helene oft etwas unglücklich gewesen war.
"Zugegeben, das ist ein Argument. Aber inzwischen ist er wirklich ein recht mustergültiger Ehemann geworden. Großmutter kann sich glücklich schätzen."
Gabriel trank einen großen Schluck.
"Dabei wünsche ich dir jedenfalls viel Erfolg. Ich denke, ich wäre froh, wenn ihr euch wieder zusammen rauft. So seid ihr ja beide unglücklich...Und gerade jetzt, wo ich Giulia habe, kann ich umso mehr verstehen, wie es an einem nagen muss, solchen Unfrieden zu haben."