William und Joanna - bis 1188

Rob ging langsam die kleine Gasse entlang und erreichte die größere Straße, die ihn auch wieder zur Burg führen würde. Er dachte darüber nach, ob er jetzt einfach schnell in der Burg verschwinden oder besser auf Stephan warten sollte. Dieser würde ja so oder so herausfinden, was heute Nacht passiert war, dann konnte Rob es eigentlich auch gleich hinter sich bringen ...
Er schob die Hände in die Hosentaschen und seufzte. Hätte er doch nur nicht gekniffen. Aber er hatte es einfach nicht fertig gebracht, er war zu nervös und zu gehemmt durch das, was er früher schon erlebt hatte. Und Emma tat ihm Leid, sie war ihm so offen entgegen getreten, hatte sich nicht über ihn lustig gemacht, ihn so genommen wie er war.
Als er an der kleinen Brücke angekommen war, die zu dem letzten Wegesstück zur Burg lag, entschied er sich dazu, hier auf Stephan zu warten. Er setzte sich auf die steinerne Brüstung, die erst vor kurzem fertig gestellt wurden war und dachte nach während er auf seinen Freund wartete.

Stephan

Stephan fühlte sich wie berauscht, als er das Haus verließ und langsam die Straße Richtung Burg schlenderte. Er hatte eine interessante Nacht hinter sich, das musste er sagen. Marie hatte ihm völlig neue Welten eröffnet und nach anfänglicher Scheu hatte er sich darauf eingelassen. Es hatte ihm mehr als zugesagt. Kein Wunder, dass Guillaume hierher kam.
Er pfiff leise vor sich hin, als er die Brücke erreichte und dort eine einsame Gestalt stehen sah. Es dauerte einen Moment, bis er die Silhouette erkannte.
"Rob?" Er gesellte sich zu seinem Freund. "Bist du schon lange hier? Du warst aber schnell wieder raus...Es war echt ein Abenteuer, nicht wahr? Ich schätze, ich kann Guillaume verstehen. Wie war Emma?"

Er hörte das leise Pfeifen, eine vertraute Melodie, die ihm verriet, dass Stephan sich näherte, noch ehe er die Umrisse seines Freundes in der Dunkelheit erkennen konnte. Rob atmete tief durch ehe Stephan bei ihm ankam und stehen blieb. Dieses Funkeln in den Augen seines Freundes ... fest stand, dass Stephan nicht gekniffen hatte.
Rob lächelte unverbindlich. "Ein klein wenig, aber nicht schlimm, ich hätte ja auch vorgehen können. Aber ich dachte, ich warte auf dich, damit wir zusammen zurück können." erwiderte er und hob dann leicht die Schultern an. "Emma war ... sehr nett." gab Rob zurück und überlegte, wie er seinem Freund begreiflich machen sollte, wieso er einen Rückzieher gemacht hatte, obwohl er schon mit Emma in einem der Zimmer verschwunden gewesen war.

Stephan

Stephan klopfte Rob freunschaftlich auf die Schulter. "Gut von dir. Jedenfalls habe ich es nicht bereut, dass wir ihm hinterher gegangen sind. Das war wirklich...faszinierend."
Er schaute Rob schief an und schüttelte leicht den Kopf.
"Sehr nett? Das klingt nicht sonderlich begeistert...vielleicht solltest du nächstes Mal mit Marie gehen.", bemerkte er und setzte sich langsam in Bewegung. Dass er nicht das letzte Mal dort gewesen war, stand für ihn fest.
"Wie war das für dich? Es ist...wie eine neue Welt, oder?"
Er wollte sich so gern mit Rob darüber austauschen, begriff aber nicht, warum sein Freund nicht so wirklich mit der Sprache herausrücken wollte.

Rob schüttelte kurz den Kopf. "Nein, nein, Emma ist schon in Ordnung, daran lag es nicht." erwiderte er und atmete geräuschvoll durch. "Hör zu, Stephan, ich ... ich habe es nicht getan, verstehst du? Es freut mich, wenn du deinen Spaß hattest, aber ich kann dir nichts weiter dazu sagen. Ich habe mich mit Emma kurz unterhalten, habe sie bezahlt und bin wieder gegangen." Rob schluckte und starrte geradeaus. "Nenn mich ruhig einen Feigling, wenn du willst, aber es ging einfach nicht. Nicht nach all dem, was ich durch meine Mutter erfahren habe." erklärte er mit etwas rauer Stimme. Das fiel ihm wirklich nicht leicht und das, obwohl Stephan sein bester Freund war und er ihm alles anvertrauen konnte.

Stephan

Stephan runzelte die Stirn, als Rob erst so herumdruckste, dann aber mit der Sprache heraus rückte. Daher wehte der Wind. "Du meinst, du hast gekniffen? Aber warum? Ich dachte..."
Er verstummte, legte den Kopf schief und schaute Rob nachdenklich an. Ehrlich gesagt hatte er völlig vergessen, woher Robs Mutter stammte und was sie früher getan hatte, auch wenn er es natürlich wusste. Er rieb sich unbehaglich den Nacken.
"Hey Kumpel, es tut mir leid...ich habe nicht mehr daran gedacht. Es war 'ne blöde Idee, schätze ich. Ich wollte nicht, dass du dich schlecht fühlst. Ich glaube, ich kann verstehen, dass du nicht konntest. Es gibt bestimmt eine Menge anderer Mädchen, die dich wirklich gern bei sich hätten.", versuchte er ihn aufzumuntern.

"Ja, ich habe gekniffen." erwiderte Rob trocken und sah Stephan wieder an als dieser ihn so nachdenklich musterte und schließlich ein wenig verlegen wirkte. Rob machte eine abwehrende Geste. "Ach, schon gut. Es war ja genau so meine Idee dort zu bleiben. Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht erwartet, dass es mich so trifft. Aber als ich da vor Emma stand, kamen all die Erinnerungen hoch und ... ich wollte einfach nicht, dass eine Frau so etwas für mich tut, nur weil sie das Silber zum Leben braucht." Rob zuckte leicht mit den Schultern. "Ja, vielleicht gibt es die." Allerdings schien ihm der Gedanken gerade auch nicht so richtig verlockend. Was, wenn er sich auf eines dieser Mädchen einließ und sie schwanger wurde? Er wollte doch kein illegitimes Kind in die Welt setzen, wusste er doch genau wie es war ein Bastard genannt zu werden.

Stephan

Stephan seufzte. "Ja, ich schätze, sie hat dich einfach zu viel daran erinnert. Letztendlich bist du darin wohl auch der Tugendhaftere von uns Beiden. Aber wenn wir nicht dort hin gehen, tut es eben ein Anderer. Retten kann man sowieso nichts mehr. Es gibt so viele Dirnen auf dieser Welt...ich weiß nicht. Ich hatte den Eindruck, es geht Emma und Marie an sich ganz gut dort, wo sie sind. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, es wäre schlimm für sie."
Mit einem Mal hatte er doch ein schlechtes Gewissen.
"Lass uns ins Bett gehen, was meinst du? Wir waren lange genug unterwegs und noch hat Guillaume keine Ahnung, dass wir ihm gefolgt sind."

Rob zog eine Augenbraue in die Höhe. "Der Tugendhaftere ... ich würde einfach nur sagen, dass ich aus meinem eigenen Schaden gelernt habe. Zumindest für den Moment." Rob spürte das Unbehagen seines Freundes und berührte ihn kurz an der Schulter. "Ich wollte dir die Sache damit wirklich nicht schlecht reden, tut mir Leid. Den beiden geht es da sicher noch sehr gut und wir können den Lauf der Dinge ohnehin nicht ändern." Außerdem war es ja nicht so, dass er jetzt plötzlich vor hatte Emma zu heiraten oder so etwas.
"Ja, gute Idee. Hoffen wir mal nur, dass wir unbemerkt in die Burg kommen." antwortete Rob grinsend und setzte sich in Bewegung.

Stephan

Stephan grinste schwach. "So kann man es vermutlich auch nennen. Aber ich bin irgendwie froh, dass du so anders bist als ich. Das lässt mich die Dinge mit anderen Augen sehen, als ich es tun würde.", erklärte er dann sanft und lächelte ihn an.
"Schon gut. Ich sollte vermutlich einfach ein bisschen mehr nachdenken, bevor ich etwas tue. Dann müsste ich mich nicht hinterher fragen, ob es das Richtige war. Aber du hast Recht. Wir können nichts ändern, also sollten wir einfach nach vorne sehen."
Er zwinkerte Rob zu.
"Nun los, wir kommen unbemerkt hinein. Ich kenne einen Weg. Im Garten gibt es eine verborgene Tür. Mutter benutzt sie gern, weiß aber nicht, dass ich sie kenne..."

"Wir ergänzen uns einfach gut." scherzte Rob augenzwinkernd. "Es kann nie schaden darüber nachzudenken, was man im Begriff ist zu tun. Aber ich kann nun wirklich nicht behaupten, dass ich das immer tun würde." bemerkte er lachend und nickte. "Na dann los. Und die Tür sollten wir gut hüten, so einen geheimen Ein- und Ausgang kann man schließlich immer gebrauchen. Besonders wenn wir uns so spät noch unerlaubt herum treiben."
Die nachdenkliche Stimmung war etwas verflogen. Emma geisterte ihm zwar noch immer etwas durch den Kopf, doch Rob hatte sich von Stephan hervorragend ablenken lassen. Aber vielleicht war das wirklich nicht der letzte Abend an dem er hier her gekommen war.

Stephan

Stephan grinste breit. "Oh ja, das tun wir. Man sollte darüber nachdenken und ich bin sicher, Vater würde das von mir erwarten. Dabei tut er es selber nicht immer, so viel steht fest."
Er ging voraus zum Garten, schaute sich immer wieder ein bisschen verstohlen um, ob ihnen auch nur ja niemand in die Quere kam. Über die niedrigen Büsche waren sie schnell im Heiligtum seiner Mutter, dem Garten.
Und hinter dem Efeu verbarg sich eine alte Holztür. "Sicher, das bleibt unser Geheimnis. Deshalb hab ich es ja auch nur dir gezeigt."
Und er liebte es solche Dinge mit seinem besten Freund zu teilen. "Pass auf, es geht ein paar Stufen hinauf, aber es ist ziemlich dunkel."

Ein paar Tage waren vergangen seit Stephan und Rob Guillaume heimlich in die Stadt gefolgt waren. Ein paar Tage seit dem Rob Emma kennen gelernt hatte und ein paar Tage in denen er immer wieder einmal an dieses Erlebnis hatte denken müssen. Und heute Abend war es soweit, er hatte nicht mehr ruhig in der Burg sitzen können also hatte er sich auf den Weg in die Stadt gemacht, ging langsam die Straßen entlang und stand schließlich vor der Tür an die sie vor einigen Tagen gekommen waren - vollkommen ahnungslos.
Dieses Mal wusste er, was ihn erwartete als er anklopfte und herein gebeten wurde. Er fragte nach Emma und das Mädchen, das ihn herein gelassen hatte, bat ihn lächelnd einen Moment zu warten, während sie ging und Emma holte.

Emma

Es war noch recht früh an diesem Abend, als Giselle ihr sagte, dass jemand sie sehen wollte. Emma hatte nur selten jemanden, der explizit nach ihr verlangte. Also musste sie denjenigen wohl beeindruckt haben. Lächelnd ordnete sie ihr Haar noch einmal und ging dann hinunter in die Halle. Sie fragte sich, wer es denn wohl war und in dem Moment, als sie ihn sah, dachte sie bei sich, dass sie es hätte wissen können.
Ihr Lächeln wurde breiter. "Rob!"
Sie freute sich wirklich ihn zu sehen, denn der Junge war so ungewöhnlich freundlich zu ihr gewesen und hatte ihr eine freie Nacht geschenkt.
"Schön dich zu sehen...was führt dich hierher? Komm doch mit hinauf, dort sind wir ungestört."

Als Emma herunter kam, beobachtete Rob sie aufmerksam und ihm entging nicht, wie ihr Lächeln breiter wurde als sie ihn sah. Bei ihrem Anblick wurde ihm zugleich leicht und schwer ums Herz - etwas wovon er nicht gewusst hatte, dass es möglich war. Es freute ihn sie zu sehen, aber gleichzeitig stimmte es ihn ein wenig traurig.
Er legte eine Hand auf seine Brust und verneigte sich leicht. "Emma." Er lächelte ein wenig scheu. "Naja, du hast mich hergeführt ... das ist doch offensichtlich, oder?" erwiderte er möglichst locker und nickte dann. Er bot ihr seinen Arm an. "Nach oben gehen klingt vernünftig."

Emma

Emma war wieder einmal hingerissen von so viel Höflichkeit und Galanterie. Das war sie nun wirklich nicht gewohnt. In den Kreisen hier war das längst nicht vorherrschend.
"Das freut mich zu hören, ich habe manchmal an dich denken müssen und mich gefragt, ob ich dich jemals wieder sehe. Aber wie ich sehe, scheine ich dich doch beeindruckt zu haben."
Sie lachte leise, nahm seinen Arm und begleitete ihn nach oben, damit sie ihre Ruhe hatten. Sie versperrte die Tür und ließ sich dann auf dem Bett nieder.
"Nun, was meinst du?"

Rob grinste leicht. "Offensichtlich." Er führte Emma nach oben und beobachtete, wie sie die Tür abschloss und sich auf dem Bett niederließ. Einen Moment lang betrachtete er sie nachdenklich und schüttelte dann den Kopf. "Deswegen bin ich nicht hier." eröffnete er schließlich und machte ein kleines Beutelchen von seinem Gürtel ab in dem er das nötige Silber für die Nacht abgezählt hatte.
Er trat zu Emma hinüber und setzte sich auf die Bettkante. "Hier, ich hoffe, die Nacht ist nicht teurer geworden?" Er überreichte ihr mit einem etwas verlegenen Lächeln den Beutel.

Emma

Emma hob leicht die Augenbrauen. "Nein? Warum dann? Ich verstehe ehrlich gesagt nicht so ganz, warum du her kommst, wenn du kein Interesse daran hast. Versteh mich nicht falsch, ich freue mich wirklich über deinen Besuch! Aber irgendwie werde ich nicht schlau aus dir."
Sein verlegenes Lächeln ließ ihr Herz weich werden und sie strich ihm sanft über den Arm. "Nein, das ist sie nicht...ich danke dir wirklich, aber ich...es ist irgendwie nicht richtig es anzunehmen, wenn ich nichts dafür tue. Ich komme mir vor, als würde ich dich ausnutzen, Rob."
Und sie wollte nicht, dass der Junge glaubte, ihr ginge es schlecht hier.

Rob hob leicht die Schultern. "Ich aus mir auch noch nicht, aber vielleicht finden wir ja gemeinsam noch raus, was mich hertreibt." erwiderte er. Rob betrachtete ihre schlanken Finger, die über seinen Arm strichen und ein wohliges Kribbeln in seiner Magengegend hervorriefen. Er war durchaus empfänglich für Emmas Reize, aber seine moralischen Bedenken überwogen dennoch.
"Nun, du könntest mir ja trotzdem etwas Gesellschaft leisten. Und ... ein wenig mit mir reden. Ich ... ich würde gerne mehr über dich erfahren, wenn es für dich in Ordnung ist. Wieso du hier bist und wie du mit deiner Arbeit zurecht kommst zum Beispiel. All solche Dinge. Ich ... ich habe sonst niemanden mit dem ich darüber sprechen kann." Niemanden mit dem er die Vergangenheit seiner Mutter aufarbeiten konnte, um vielleicht endlich einmal damit abzuschließen.

Emma

Emma nickte langsam. "Ja, vielleicht werden wir das." Sie war sich wirklich nicht sicher, in welche Richtung das alles gehen würde, aber sie war durchaus bereit sich darauf einzulassen. Sie hatte so eine Ahnung, dass es eigentlich mehr mit Robs Mutter zu tun hatte, dass er hier war. Auch wenn er sich da selber nicht so sicher war.
"Sicher, wenn dir der Sinn danach steht, gern. Ich habe keine Probleme damit über mich zu reden, auch wenn es keine allzu spannende Geschichte ist. Aber wieso hast du denn niemanden zum reden? Spricht deine Mutter nicht mit dir darüber?"
Sie seufzte.
"Weißt du, meine Eltern waren arme Leute, Bauern...wir hatten kaum genug zum leben und für eine Mitgift hätte es auch nicht gereicht. Ich hatte genug vom ständigen Hunger und der Plackerei auf dem Feld, ich dachte, das Leben hielte irgendetwas Besseres für mich bereit. Also bin ich abgehauen. Es hat sie wahrscheinlich nicht viel gekümmert, ich habe noch fünf Geschwister. Ein unnützer Esser weniger..." Sie hob die Schultern.
"Aber wie es eben so ist, wenn man als naives Dummchen allein durch die Gegend reist, kannst du dir vorstellen. Eine Gruppe Schausteller hat mich aufgegabelt und mit her genommen, da bin ich dann Pierre begegnet. Er betreibt dieses Haus und er fand mich hübsch genug, also hat er mir ein Angebot gemacht. Zu retten war ohnehin nichts mehr, also habe ich angenommen...hier habe ich ein Dach über dem Kopf und immer etwas zu essen. An alles Andere....gewöhnt man sich mit der Zeit."

Rob sah Emma einen Moment irritiert an, dann schüttelte er den Kopf. "Nein, sie spricht nicht darüber und mein Vater auch nicht. Nur wenn es sich überhaupt nicht vermeiden lässt, aber ich frage auch nicht danach, weil ich weiß, dass es den beiden unangenehm ist. Es schickt sich nun mal nicht ..." Und niemand wollte mehr als nötig daran erinnert werden.
Rob lauschte Emma aufmerksam und beobachtete sie dabei bis sie schließlich endete und ein Gefühl des Unbehagens in ihm zurück blieb. Fast so etwas wie Schuld. "Das tut mir Leid." murmelte Rob bedrückt. "Niemand sollte dazu genötigt sein so etwas zu tun, um genug zu Essen zu bekommen."
Er kaute auf seiner Unterlippe herum und griff dann nach Emmas Hand. "Ich danke dir, dass du es mir erzählt hast." Es war eine so traurige Geschichte und doch alltäglich. Wie viele der Bauern mussten gerade im Winter oft hungern? Rob wusste, dass es den Menschen in Truro verhältnismäßig gut ging, doch auch unter ihnen gab es genug, die sich genau einteilen mussten, wann sie was essen konnten. Im starken Kontrast dazu stand sein eigenes Leben auf der Burg oder hier am Hof und das weckte fast noch mehr Schuldgefühle in ihm. Was gab ihm das Recht dazu so zu leben, während andere hungern mussten? Der simple Umstand, dass er als Sohn des richtigen Mannes auf die Welt gekommen war?

Emma

Emma nickte langsam. "Vielleicht solltest du sie einmal fragen, Rob. Ich glaube nicht, dass sie nicht mit dir darüber reden würde, du bist alt genug. Es schickt sich nicht...es ist ihre Vergangenheit, oder nicht? Du bist ihr Sohn, du hast ein Recht darauf alles zu erfahren. Man sollte sich nicht selbst verleugnen. Man macht es nicht ungeschehen, indem man es tot schweigt."
Emma lächelte und neigte den Kopf. "Das muss es nicht. Es ist kein wirklich schlechtes Leben, weißt du. Wir sind versorgt und wir helfen uns untereinander, wie eine Art Familie. Es könnte viel schlimmer sein. Es war eine Chance. Sicher hätte ich auch versuchen können irgendwo sonst unter zu kommen, aber das ist ein wenig schwierig. Und ich erzähle es dir gern, es gehört eben zu mir dazu. Wenn es dich interessiert, warum nicht..."
Sie drückte leicht seine Hand. "Und nun hör auf Trübsal zu blasen."

Rob seufzte leise. "Ja, schon. Nur ... ich weiß, dass sie nicht allzu gerne daran zurück denkt und mein Vater erst recht nicht. Ich möchte sie nicht unnötig an diese schwierige Zeit erinnern. Zumal jetzt ja alles gut ist, meine Eltern haben geheiratet und wir sind zusammen glücklich. Da sollte es nicht nötig sein solche Dinge wieder auf zu rütteln." Er betrachtete Emma eine Weile und nickte dann. "Es ist gut, dass ihr so zusammen haltet. Freunde und Familie sind so unglaublich wichtig, besonders wenn man nicht ganz einfache Zeiten durchmacht." erwiderte er und sprach dabei aus tiefster eigenen Erfahrung. Ihm hatte es gut getan hier her zu kommen. Hier hatte er in Stephan seinen besten Freund gefunden, aber auch darüber hinaus viel Unterstützung, denn die Aquitanier waren deutlich offener als es die Engländer waren und hatten Rob eine Menge Selbstvertrauen gegeben.
Bei Emmas Worten musste er grinsen. "Ich gebe mir Mühe. Vielleicht kennst du ja noch eine erheiternde Geschichte." neckte er sie etwas.

Emma

"Ich verstehe, was du meinst. Aber gerade wenn alles gut ist, sollte sie sich nicht daran stören. Es gehört doch dazu und auch sie hatte bestimmt nicht nur schlechte Zeiten."
Sicher gab es unangenehme Kunden, aber oft genug war auch ein Mann dabei, der sie zu schätzen wusste und zumindest freundlich war.
"Du sprichst aus Erfahrung, scheint mir. Aber du hast Recht. Ich glaube, ohne Marie und die Anderen wäre es hier nicht so einfach. Aber unter uns Frauen hilft man einander."
Sie grinste ihn an.
"Du glaubst nicht, was für haarsträubende Dinge man hier erlebt. Geschichten hat jede hier wahrlich genug für einen ganzen Winter am Feuer."

"Ja, womöglich hast du recht. Aber du hast mir schon mal einen neuen Blick auf die Sache verschafft, schätze ich." erwiderte Rob ein wenig gelassener. Dann atmete er tief durch und nickte. "Ja, das stimmt wohl. Hier habe ich wirklich gute Freunde gefunden und das war sehr wichtig für mich. Eine Zeit lang hatte ich ziemliche Probleme zu Hause, habe mir alle möglichen Dinge sehr zu Herzen genommen. Es tut gut festzustellen, dass es Menschen gibt, die hinter einem stehen, ganz egal wer man ist, woher man kommt ..."
Rob lachte und lehnte sich nach hinten, so dass er sich mit den Ellenbogen auf der Matratze abstützen konnte. "Na, dann fang mal an. Ich verschwinde zwar bald wieder, damit du deine Ruhe hast, aber mit einer Geschichte könntest du mir schon ruhig noch die Zeit vertreiben."