William und Joanna - ab 1181 bis 1182

Die Kerzen waren verloschen. Nur eine einzelne brannte noch mit kleiner Flamme auf dem Tisch vor John und erhellte den ansonsten nur vom Kaminfeuer erleuchteten Raum ein wenig. Er hatte die Arme vor sich auf dem Tisch verschränkt und starrte die Kerze an. Auf dem Tisch ein Krug nun leicht abgestandener Wein, der eigentlich für Constance gewesen war und vor ihm ein Becher mit Wasser.
Er hatte sich so viel Mühe gegeben mit diesem Abend, hatte seine Frau überraschen wollen. Er hatte die Kinder alle gut untergebracht, sodass für den gemeinsamen Abend alles vorbereitet war. Er hatte den Raum ein wenig hergerichtet, hatte für sie Beide in der Küche Constances Lieblingsgericht in Auftrag gegeben. Alles war perfekt gewesen.
Nun ja, es wäre perfekt gewesen, wenn Constance aufgetaucht wäre. Sie hatten noch am Morgen darüber gesprochen und sich auf den gemeinsamen Abend gefreut. Doch er saß trotzdem seit Stunden allein hier, denn sie war nicht da. Er wusste ganz genau, wo sie steckte und warum sie ihn vergessen hatte. Als ob sein Gefühl es geahnt hatte...Es kränkte ihn zutiefst, auch wenn er ja verstand, dass Arthur niemandenhier kannte und Freundschaft benötigte. Das war kein Grund seine Frau so zu vereinnahmen, dass für ihn keine Zeit mehr blieb. Er hatte wirklich lange Verständnis, aber Constance hatte es ihm versprochen. Und er war so enttäuscht...

Constance war am Abend wieder bei Arthur gewesen und eine Weile hatten sie über belanglose Dinge geplaudert, über ihr Leben hier und wie Arthur sich allmählich in Truro zurecht fand. Dann waren ihre Themen ernster geworden und irgendwann hatte Arthur begonnen, das erste Mal seit er hier war über seine Gefangenschaft in Frankreich zu sprechen.
Es hatte Constance fast das Herz zerrissen sich diese Dinge anzuhören, doch sie wusste, dass es wichtig war, dass sie nun bei ihm blieb. Zwar hatte sie ein paar Mal daran gedacht, dass sie sich den Abend eigentlich mit John hatte gemütlich machen wollen, aber letztlich hatte sie es nicht übers Herz gebracht, Arthur alleine zu lassen und so hatten sie geredet und geredet.
Irgendwann hatte sie ihn dann doch dazu bewegen können, schlafen zu gehen und hatte sich selbst eilig auf den Weg in ihr eigenes Gemach gemacht. Das schlechte Gewissen plagte sie reichlich als sie die Tür öffnete und eintrat.
Und noch schlimmer wurde es, als sie John am Tisch sitzen sah, eine einsame Kerze noch vor sich, sowie einen Krug ... Constance schluckte. Er hatte doch nicht etwa ...?
"John?" fragte sie leise und trat an den Tisch heran. Sie spähte möglichst unauffällig in den Krug hinein und konnte eine dunkle Flüssigkeit erahnen, die dafür sorgte, dass sich ihr Magen schmerzlich zusammen zog.
Oh bitte Gott, nicht schon wieder. Lass ihn nicht meinetwegen wieder anfangen zu trinken.
Constance legte die Hand auf seine Schulter. "John ... es tut mir Leid. Ich hatte nicht so spät kommen wollen." murmelte Constance reumütig.

John sah nicht auf, als sich die Tür öffnete. Er wusste ganz genau, wer da herein kam und was er sich vermutlich gleich würde anhören müssen. Innerlich brodelte es, aber äußerlich blieb er ruhig. Er durfte jetzt nicht aus der Haut fahren.
Als sie die Hand auf seine Schulter legte, hob er kurz den Blick und schaute sie ärgerlich an, doch seine Stimme war völlig ruhig. "Wie oft willst du mit diese Entschuldigung noch auftischen? Das sagst du jeden Abend. Und wir waren verabredet. Ich hatte alles vorbereitet, weil ich dachte, wir machen uns einen schönen Abend. Und wo warst du? Nein, du brauchst es nicht zu sagen. Ich weiß es, du warst bei Arthur."
Und diese Tatsache machte ihn unfassbar wütend. "Jeden Abend sitze ich hier und warte auf dich. Und gerade heute hatten wir etwas geplant. Was also ist deine Rechtfertigung?" Der Blick in den Krug war ihm nicht entgangen, aber er sagte absichtlich nichts. Wenn sie ihm nicht vertraute, sollte sie doch glauben, er hätte getrunken.

Ein leichter Schauer fuhr Constance bei Johns Worten über den Rücken und sie wünschte sich fast, er würde sie anschreien. Die Ruhe mit der er seine Anschuldigungen vortrug, war entnervend.
Sie atmete tief durch und seufzte leise. "Ich weiß, ich hatte versprochen zu kommen. Es tut mir so Leid, John. Aber er hat ... er hat angefangen von Frankreich zu erzählen und das hat ihn wirklich mitgenommen. Ich wollte ihn nicht einfach so alleine lassen." erwiderte Constance und hob leicht die Schultern. "John, bitte, ich will ihm doch nur helfen wieder auf die Beine zu kommen."
Constance strich sachte über seinen Oberarm. "Verzeih mir, dass ich dich habe warten lassen. Ich weiß, dass das wirklich nicht die feine Art war, gerade wo du dir so viel Mühe gegeben hast."

John schüttelte leicht den Kopf. "Es ist mir völlig gleichgültig, was er dir erzählt hat. Es gibt viele Dinge, die einen mitnehmen. Wenn er Verständnis braucht, soll er zur Beichte gehen. Außerdem sitzt ihr stundenlang zusammen, weiß der Himmel, was ihr euch alles erzählt! Er ist alt genug, um allein zurecht zu kommen. Das ist für mich kein Grund ganze Nachmittage und Abende bis in die Nacht bei ihm zu hocken und Händchen zu halten. Du willst ihm helfen auf die Beine zu kommen, vernachlässigst dabei aber alles Andere. Nicht die feine Art? Du lässt mich seit Tagen auf dich warten, heute hast du mich gleich völlig versetzt. Hast du mal aus dem Fenster geschaut? Es ist mitten in der Nacht!"
Er stand auf, trank den letzten Schluck aus dem Becher und entzog sich ihr, als sie ihm über den Arm strich. Er wollte heute einfach seine Ruhe. Sollte sie ruhig ein bisschen mit ihrem schlechten Gewissen leben. Auf Dauer würde er ihr ohnehin verzeihen, lange hielt er das nicht ruhig. Aber sollte sie ruhig einmal spüren, wie sich das anfühlte.
"Ich gehe schlafen, ich muss früh aufstehen.", erklärte er und wandte sich ab. Er hielt noch einmal kurz inne. "Der Wein war im Übrigen für dich, da du ja darauf brennst es zu erfahren.", fügte er noch an.

"Stimmt, für dich ist es kein Grund deinem Bruder Zeit zu widmen." bemerkte Constance trocken. Sie war hin und her gerissen zwischen ihrem schlechten Gewissen und dem Befremden, dass Johns Reaktion in ihr auslöste. Sie blinzelte verwirrt und schüttelte den Kopf. "Was spielt es denn bitte für eine Rolle was wir uns erzählen? Wenn es dich interessiert, könntest du mich ja einmal begleiten und mit ihm reden." schlug sie vor und biss die Zähne aufeinander als John sich von ihr losmachte und aufstand.
"Es ist mitten in der Nacht, ja. Jetzt siehst du mal, wie das ist, wenn man bis spät in die Nacht hinein alleine ist und warten muss." erwiderte sie eine Spur gereizt. Wie viele Nächte hatte sie alleine im Bett gelegen und vergeblich gewartet, weil John sich lieber irgendwo betrunken hatte? Eigentlich hatten sie das alles hinter sich gelassen, aber Constance fand es alles andere als gerecht, dass er ihr nun ein noch schlechteres Gewissen machen wollte, nur weil sie sich um seinen Bruder und ihren Freund aus früheren Tagen kümmerte.
Constance zuckte leicht zusammen als John den Wein ansprach. Also hatte er ihren Blick bemerkt - etwas, was ihre Schuldgefühle noch schlimmer werden ließ.
"Dann geh schlafen, John. Und es tut mir Leid, dass dir dein Bruder so furchtbar egal ist, mir ist er es nicht. Ich habe getan, was ich für richtig hielt, weil er jetzt Hilfe braucht, nicht nächste Woche oder in einem Monat ... John, wir haben noch so viele Abende vor uns, die wir gemeinsam verbringen können ..."

"Für mich ist es kein Grund, ihm den halben Tag zu widmen! Ich hätte absolut nichts dagegen, wenn es sich im Rahmen halten würde! Aber du verbringst deine gesamte freie Zeit mit ihm. Da frage ich mich schon, was an mir so uninteressant ist, dass es dich so von mir wegtreibt. Ich habe ihm eine Stelle besorgt, das sollte an Fürsorge vorerst reichen, oder? Constance, mein Bruder ist ein Fremder für mich. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war ich vielleicht fünfzehn Jahre alt, wenn überhaupt!"
John schnaubte leise. "Und ich dachte eigentlich, du würdest mir das nicht mehr ewig vorwerfen. Offensichtlich habe ich mich da geirrt. Und ja, ich gehe jetzt schlafen. Er ist mir nicht egal, aber weißt du, ich warte seit einer Woche jeden Abend auf dich und ich hatte Verständnis. Es war ein einziger Abend, an dem wir etwas vor hatten. Eine einzige Verabredung. Und du bist nicht in der Lage sie einzuhalten. Tu, was du für richtig hältst, aber dann wundere dich nicht darüber, wenn ich es nicht für richtig halte. Ich wollte Zeit mit dir verbringen. Einen Abend, Constance, nicht mehr. Und du versetzt mich. Ich bin sehr enttäuscht davon. Viele Abende sind aber nicht dieser Abend. Weißt du, ich habe gar keine Lust mehr, ständig diese Ausreden zu hören, wenn du mir wieder erzählst, dass Arthur dich braucht und warum er gerade wichtiger ist als ich. Ich dachte, ich wäre dein Mann und nicht er. Soll ich es vielleicht auch noch toll finden, dass du mich für ihn versetzt? Weißt du, dir ist Arthur wichtig, mir war dieser Abend wichtig."

"Oh John, jetzt wirst du wirklich ungerecht! Nichts treibt mich von dir weg! Herrje, wenn er dir ein Fremder ist, solltest du vielleicht versuchen ihn kennen zu lernen." erwiderte Constance und verschränkte die Arme vor der Brust, fuhr sich dabei unbehaglich mit den Händen über die Oberarme.
"Du wartest doch nur darauf, dass ich es dir vorwerfe! Sonst hättest du doch nicht selbst noch diesen bissigen Kommentar gemacht! Na und, dann habe ich eben in den Krug gesehen, Herr Gott, John, ich habe nun einmal Angst, dass so etwas wieder passieren könnte und ich möchte dich nicht noch einmal fast an den Wein verlieren."
Constances Schultern sanken herab und sie schloss für einen Moment die Augen. "Es tut mir Leid, John, wirklich. Ich wünschte, ich könnte es wieder gut machen." erklärte sie leise, dann wandte sie sich ab, um die letzte Kerze auszupusten und dann ebenfalls nach nebenan zu gehen, um sich schlafen zu legen.
Sie hasste solche Nächte. Nächte in denen John neben ihr lag und sie sich beide trotzdem so fern waren. Sie hatte gedacht, dass so etwas nie wieder vorkommen würde, aber scheinbar hatten sie nun noch eine Probe vor sich. Sie seufzte leise. Irgendwie musste sie einen Weg finden, um das wieder gut zu machen, was sie heute Abend angerichtet hatte. Sie wusste nur noch nicht wie.

John zog es vor zu schweigen. Es hatte keinen Zweck sich weiter so mit Constance zu streiten, das war Arthur einfach nicht wert. Warum hatte er unbedingt hierher kommen müssen? Warum hatte er nicht einfach nach Surrey gehen können, damit Simon sich mit ihm herum schlug?
"Ich warte darauf? Du hast als erstes in den Krug gesehen, als du herein kamst, bevor du irgendein Wort gesagt hast! Du vertraust mir nicht, dass ich das im Griff habe. Also sag mir nicht, ich würde darauf warten, dass du es mir vorwirfst."
John legte sich ins Bett und schloss die Augen. Er hasste es im Streit mit ihr zu liegen, aber er war einfach zu gekränkt, als dass er ihr heute verzeihen konnte. Er hatte das Gefühl hinten an stehen zu müssen und das wollte er nicht.

Constance beobachtete versonnen wie Johnny und der kleine William zusammen vor dem Kamin auf dem Boden saßen und einvernehmlich miteinander spielten. Da die beiden Jungen nur ein Jahr voneinander trennte, verbrachten sie viel Zeit miteinander und passten hervorragend zusammen. Und Joanna und Constance hatten somit noch einen Grund mehr oft genug zusammen zu sitzen.
Constance seufzte leise und sah ihre Freundin an. "Ich weiß langsam wirklich nicht mehr weiter. Es tut mir so Leid, dass John sich zurück gesetzt fühlt und ich würde das gerne ändern, aber Arthur liegt mir ebenfalls am Herzen und ich habe einfach das Gefühl, dass er mich im Moment wirklich braucht." begann sie schließlich das Thema, was sie nun schon seit Tagen belastete. "Ich wünschte, John und Arthur hätten mehr Zeit miteinander verbracht, stünden sich näher. John ist sonst ein so barmherziger und verständnisvoller Mensch, aber wenn es um Arthur geht ..." Constance seufzte. "Vielleicht hätte ich John nicht erzählen sollen, wie es früher zwischen Arthur und mir stand. Ich schätze, er ist einfach furchtbar eifersüchtig."

Joannas Blick ruhte ebenfalls glücklich auf den beiden Kleinen, die so hervorragend miteinander spielten. Sie hatte Freude daran die Beiden zu beobachten und gleichzeitig ein wenig mit Constance zu plaudern, auch wenn es manchmal ernstere Themen waren. So wie heute....Constance hatte ihr von ihrem Streit mit John berichtet und Joanna war durchaus besorgt darüber.
"Ich denke, es wird schwierig da eine gute Lösung zu finden. Natürlich liegt Arthur dir am Herzen und braucht dich, aber vielleicht solltest du einfach zwischendurch etwas mehr Zeit mit John verbringen. Er muss nur begreifen, dass es für ihn nicht viel ändert, wenn du dann und wann mit Arthur redest. John kennt seinen Bruder kaum und ja, vielleicht hemmt ihn auch das Wissen um eure frühere Verbindung ihn ein bisschen darin, Arthur näher kennenlernen zu wollen. Jeder Mann ist eifersüchtig. William wäre es auch, würde ich viel Zeit mit jemandem verbringen, in den ich einmal verliebt war. Wäre es umgelehrt, ginge es mir oder dir genauso. Du musst John einfach zeigen, dass deine Liebe nur ihm gehört."

Constance nickte langsam. "Ja, vermutlich hast du recht. Es ist nur so schwierig ... ich verstehe mich gut mit Arthur, fast so, als wäre er nie weg gewesen und manchmal denke ich, dass nicht nur ich ihm gut tue, sondern auch anders herum." Constance schloss kurz die Augen, ehe sie den Kopf schüttelte. "Ich habe in letzter Zeit oft genug über Arthur nachgedacht und musste dabei an William und dich denken. Was du ihm alles verziehen hast ... und was Arthur mir damals angetan hat, war für mich wirklich schrecklich, aber ich habe es ihm verziehen und wenn ich ehrlich bin, wäre er damals aus Frankreich zurück gekommen und hätte mich um meine Hand gebeten, ich hätte sofort eingewilligt."
Constance fuhr sich mit der Hand über die Augen. "Oh Gott, ich dürfte über solche Dinge nicht einmal nachdenken." murmelte sie und lehnte den Kopf gegen die kühle Steinmauer hinter sich.

Joanna seufzte leise. "Vermutlich ist das das Problem. Es ist schwer für ihn zu verstehen, dass du nach so vielen Jahren plötzlich wieder so eng befreundet bist. Gerade nachdem, was er dir angetan hat. John hätte nie so reagiert, verstehst du?"
Sie schüttelt den Kopf. "Die Frage ist doch nicht, was du damals getan hättest, Constance. Die Frage ist, was würdest du heute tun, wenn er dich fragen würde? Abgesehen davon, dass du verheiratet bist...Was empfindest du für Arthur heute noch? Hat John wirklich keinerlei Grund zur Eifersucht?"
John tat ihr wirklich leid. Wenn Constance selbst so unsicher war, wie sollte sie ihm dann beweisen, dass sie nur ihn liebte? Und Constance.....warum hatte dieser Kerl nur hier auftauchen müssen?

Constance nickte langsam und sah Joanna zweifelnd an. "Ist es verwerflich, dass ich ihm verziehen habe?" fragte sie langsam. "Ist es für dich auch so unverständlich?" Es war so schwierig für Constance zu sehen, was in dieser Sache richtig und was falsch war.
Ein trauriges Lächeln huschte über Constances Lippen. "Wenn er mich heute fragen würde, würde ich ihm sagen, dass er rund 18 Jahre zu spät kommt. Heute bin ich verheiratet und habe eine Schar von Kindern. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht ja sagen." erwiderte sie.
Constance strich sich unbehaglich über den Hals und schloss einen Moment die Augen. "Ich weiß es nicht." erwiderte sie schließlich, die Augen noch immer geschlossen. "Ich weiß es wirklich nicht." Sie sah Joanna wieder an und hob die Schultern. "Als die Nachricht kam, dass Arthur gefallen sei, habe ich ihn betrauert und danach musste ich akzeptieren, dass er tot ist und ich habe nach vorne gesehen. Ich hätte nie erwartet, dass ich überhaupt noch etwas für ihn empfinde, dass er mehr sein könnte als eine Erinnerung an frühere Tage. Aber jetzt steht er plötzlich sehr lebendig wieder vor mir." Constance spürte, wie ihre Kehle eng wurde. "Oh Gott, ich liebe John, ich will nicht, dass er meinetwegen so leiden muss." murmelte sie und schluckte schwer.

Joanna lächelte leicht. "Nein, das ist es nicht. Ich habe William doch auch schon so viele Dinge verziehen. So wie er mir auch. Ich kann verstehen, warum. 18 Jahre ist eine sehr lange Zeit." Doch sie musste es genau wissen. "Die Frage ist aber doch, was würdest du ihm sagen, wenn du nicht verheiratet wärst? Wenn du entscheiden könntest, wie du wolltest? Würdest du dich für John oder für Arthur entscheiden? Du musst dir über diese Dinge klar werden, Constance. Sonst wirst du niemandem gerecht. Weder dir noch den Männern, ganz besonders nicht John." Dass sie überhaupt jemals ein solches Gespräch führen würden...
"Er steht lebendig vor dir und du musst wissen, wo du wirklich hin gehörst. Werde dir darüber klar. John hat immer alles für dich getan, Constance. Bedenke, dass er dich nie im Stich gelassen hat, wenn du ihn wirklich gebraucht hast. Aber ich weiß, dass die erste Liebe immer irgendeine Bedeutung hat."

Constance ließ den Blick wieder zu den spielenden Kindern gleiten. "Darüber will ich lieber gar nicht zu genau nachdenken. Ich hab viel zu große Angst davor, dass ich letztlich zu einer Antwort komme, die mir nicht gefällt." murmelte sie leise. Sie schnitt eine leichte Grimasse. "Ich habe ja immer schon gesagt, dass John etwas besseres verdient hätte als mich." bemerkte sie seufzend und lächelte matt. "Ich gehöre hier her, nicht wahr? Zu meinem wundervollen, treuen, gutherzigen Ehemann und meinen wundervollen Kindern. Nicht an die Seite eines mittellosen Ritters, der mich einmal im Stich gelassen und fast sein halbes Leben hinter dicken französischen Mauern verbracht hat."
Constance sah Joanna wieder an. "Ja, die erste große Liebe vergisst man nie. Besonders nicht, wenn man viele Nächte stumm in sein Kissen geweint hat, weil man wusste, dass sein Vater nie zulassen würde, dass wir heiraten und man sich hinterher ein dummes Huhn gescholten hat, weil man überhaupt auf solche absurden Ideen gekommen ist."

:Joanna

Joanna verzog das Gesicht. "Irgendwann wirst du vor dieser Frage wohl nicht mehr davon laufen können, Constance. Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen. Allerdings würde ich an deiner Stelle recht einfach diese Entscheidung treffen können. Du sagst es doch, John würde einfach alles für dich tun. Er liebt dich so sehr, er hat alles für dich geändert. Und was hat Arthur getan? Dich im Stich gelassen, als du ihn brauchtest. Er kann dir gar nichts bieten, ist im Prinzip mittellos. Du sagst, du liebst John. Also sollte die Wahl wohl klar sein. Aber das ist meine Meinung. Du selbst muss die Wahl treffen, nicht ich."
Sie legte Constance die Hand auf den Arm. "Und denke gut darüber nach. Wenn du dich entscheidest, wird das möglicherweise alles ändern, verstehst du?"

Constance sah Joanna schweigen und uns seufzte dann schwer. "Herrje, du musst mich für ein fürchterliches, egoistisches Miststück halten. Dass ich darüber überhaupt nachdenken muss ..." murmelte Constance und senkte den Blick.
Es sollte alles klar sein, eindeutig vor ihr liegen ohne jeden Zweifel und doch fiel ihr diese Situation nicht sonderlich leicht.
"Weißt du, wovor ich wirklich Angst habe? Davor, dass ich die nahe liegende und richtige Entscheidung treffe und mein Leben weiter führe wie bisher, bei John und den Kindern bleibe ... und eines morgens aufwache und feststelle, dass ich meine Entscheidung bereue." gestand Constance leise und war erschrocken über sich selbst. Darüber, dass sie überhaupt schon so weit gedacht hatte.
"Was, wenn ..." Sie lachte leise, freudlos. "Wenn Arthur mein William ist, verstehst du, was ich meine? William hat dich sitzen lassen für eine andere und du bist ins Kloster gegangen. Ich konnte nicht ins Kloster gehen, weil Robin mich in Surrey festhielt ..." Constance schüttelte ihren Kopf. "Wieso stellt Gott einem so wundervollen Menschen wie John jemanden wie mich an die Seite? Das hat John wirklich nicht verdient."

Joanna schüttelte den Kopf. "Du bist meine Freundin Constance. Und das werde ich immer sein, egal, wie du dich entscheidest. Es gibt immer Situationen im Leben, die uns nicht leicht fallen. Du musst eine Entscheidung treffen. Tust du es nicht, dann bist du egoistisch, weil du keinem gerecht wirst."
Joanna konnte wirklich verstehen, warum Constance solche Angst hatte. "Ich kann das verstehen. Aber glaub mir, wenn du auf dein Herz hörst, wirst du wissen, was die richtige Entscheidung ist und dann wirst du sie auch nicht bereuen. Und nur für ein kleines Abenteuer seine Familie aufzugeben, das ist es nicht wert. Du musst dir einfach klar werden, wie groß deine Gefühle für Arthur sind. John weiß nicht, dass du so zweifelst, habe ich recht?"
Sie nickte langsam. "Ich denke, ich weiß, was du meinst. William hat mich allerdings nicht wirklich freiwillig zurückgewiesen. Arthur hatte freie Hand darin dir zu helfen. Aber Gott hat sich dabei etwas gedacht, Liebes. John liebt dich. John liebt dich von ganzem Herzen. Vielleicht bist du einfach seine Bestimmung. Und er deine...denn er hat dir ein geregeltes Leben geschaffen, nicht wahr?"
Und innerlich war ihr klar, dass John es nicht verkraften würde, sollte Constance ihn verlassen.

Constance atmete tief durch, griff nach Joannas Hand und drückte diese dankbar. "Weißt du eigentlich, wie froh ich bin, dich als Freundin zu haben?" erklärte Constance leise und lächelte leicht. Sie brauchte jemanden mit dem sie über all das sprechen konnte und zu John konnte sie damit nicht gehen.
Sie schüttelte rasch den Kopf. "Natürlich nicht. Es würde ihn um den Verstand bringen, er ist ja jetzt schon verzweifelt deswegen. Aber Arthur weiß es auch nicht. Wir haben nicht über solche Dinge gesprochen."
Constance nickte. "Das hat er. Und ich liebe ihn ebenfalls unglaublich. Außerdem ... es würde ihn kaputt machen, wenn ich nicht bei ihm bliebe. Das kann ich ihm nicht antun." fuhr Constance fort und fasste sich allmählich wieder.
Bevor sie jedoch noch etwas sagen konnte, erklangen schnelle, leichte Schritte und Johnny und Will kamen zu ihren Müttern hinüber gelaufen. John versuchte auf Constances Schoß zu klettern und sie hob ihn ganz selbstverständlich hoch, drückte ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn. "Na, mein kleiner Schatz, habt ihr schön gespielt?" fragte sie und zeigte ihrem Sohn ein Lächeln, dass nicht mehr erahnen ließ, wie es innerlich in ihr aussah.

Arthur

Arthur hatte sich recht gut in Truro eingelebt und das lag auch und besonders an Constance. Durch die vielen Gespräche waren sie einander immer näher gekommen und es war fast so wie früher, nur dass er jetzt frei war. Er konnte tun und lassen, was er wollte und niemand konnte ihm dazu etwas sagen.
Heute hatte er sie zu einem Spaziergang abgeholt und gemeinsam spazierten sie durch den schönen Garten von Lady Cornwall. "Geschmack hat sie, die Lady Joanna, das muss man ihr lassen." Selbst unter der Schneeschicht gab es einige grüne Gewächse und alles strahlte eine angenehme Ruhe aus.
"Kennst du sie schon lange? Du bist mit ihr befreundet, nicht wahr? Das hättest du dir auch nicht träumen lassen, nicht? Ich meine, Alais und du, ihr wart früher auch unzertrennlich, aber Alais war auch eigentlich nicht für die Rolle der Gräfin vorgesehen."

Constance ging neben Arthur durch den schneebedeckten Garten und musste ihm Recht geben. "Keine Frage, sie weiß genau, wie dieser Garten sich von seiner schönsten Seite zeigen kann. Egal zu welcher Jahreszeit, es sieht hier einfach immer fantastisch aus."
Constance sah ihren Begleiter an und nickte. "Seit John mich mit hier her genommen hat. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und sie ist mir sehr rasch ans Herz gewachsen. Sie ist mir die beste Freundin, die ich mir vorstellen könnte." erklärte sie und lächelte dann leicht. "In der Tat, an so etwas hätte ich früher nie gedacht. Aber es fiel mir nicht allzu schwer aus Surrey weg zu gehen. Alais ist bei Simon in den allerbesten Händen und ich weiß, dass sie glücklich ist. Wir schreiben immer noch hin und wieder Briefe und tauschen die neusten Neuigkeiten aus. Ich denke, wir haben beide einen guten Weg gefunden, einen unerwarteten Weg, aber einen sehr guten."

Arthur

Arthur nickte. "So ist es. Man fühlt sich hier immer gut aufgehoben." Er lauschte ihren Worten aufmerksam, betrachtete sie dabei aber versonnen. Auch nach all den Jahren war Constance eine ausgesprochen gut aussehende Frau. Und wie sehr er sich wünschte, es könne wieder werden wie früher. Wenn er sie doch nur für sich gewinnen könnte. Er hatte sie niemals vergessen.
"Gute Freunde sind wichtig. Und ich bin froh zu hören, dass Alais so glücklich ist. Ich habe mir ein paar Sorgen um meine Schwester gemacht."
Arthur seufzte leise. "Ach, Constance....manchmal sehne ich mir die alten Zeiten zurück. Die gemeinsamen Ausflüge mit dir..."

Constance lächelte sanft. "Keine Sorge, ihr geht es wirklich gut. Wenn du willst, können wir sie im Frühjahr sicher einmal besuchen. Jetzt bei dem Schneetreiben muss ich nicht unbedingt durch England reisen, aber wenn das Wetter besser ist ... sie wird sich sicher freuen dich zu sehen. Und du solltest ihr schreiben!" erwiderte Constance und sah Arthur dann einen Moment lang an. Dann grinste sie leicht und machte eine wegwerfende Geste. "Ach, was sollen wir alten Zeiten nachtrauern? Ich bin sicher, dass auch jetzt wieder schöne Zeiten anbrechen, du wirst sehen. Jetzt wo du endlich wieder in England bist, wird es schon alles werden, da bin ich sicher." erwiderte sie zuversichtlich und schenkte Arthur ein aufmunterndes Lächeln.

Arthur

Arthur nickte und lächelte. "Das wäre wirklich schön Aber meinst du, John lässt dich so einfach mit mir nach Surrey reisen? Er ist in letzter Zeit ein wenig eigen, scheint mir."
Arthur blieb stehen und schaute sie an. "Es wird alles werden, ja. Aber damals...damals hätte ich dich für mich allein haben können. Du hast mir so gefehlt all die Jahre, Constance. Ich habe jeden tag an dich gedacht und nur deinetwegen habe ich durchgehalten."
Er zögerte und zog sie dann mit sich zur Seite hinter einen Busch, dann küsste er sie einfach.
"Oh Constance, ich brauche dich...."