William und Joanna - ab 1183 bis 1184

Thomas

Thomas konnte schon am Tonfall hören, dass sein Stiefvater nicht sondelrich gut gelaunt war. Und nicht besonders erfreut ihn zu sehen, das ließ seinen Mut doch ziemlich sinken. Er schluckte schwer, wollte sich aber nicht unterkriegen lassen. Schließlich fauchte Edward ihn völlig grundlos so an! Andere Männer würden sich über solche Umgangsformen freuen.
"Ich weiß nicht, was Ihr an meinem Verhalten auszusetzen habt, Mylord. Das entzieht sich leider meiner Kenntnis.", bemerkte er ein wenig arrogant. Er wusste ganz genau, was Edward störte, aber er würde es nicht ändern.
"Ich habe meine Aufgaben erledigt.", bestätigte er dann. Eric hatte ihm wieder bei seinen Lateinaufgaben geholfen, so waren sie schneller fertig gewesen.

Edward verengte die Augen ein wenig. "Du weißt ganz genau wovon ich spreche!" erwiderte er säuerlich. Er wollte ja durchaus, dass der Junge ihm Respekt erwies, aber nicht, dass er so auf Distanz ging. "Außerdem solltest du deine Zunge etwas hüten." Es war kaum zu glauben, wie arrogant dieser Bengel sein konnte!
Edward trank einen Schluck Wein und zog eine Augenbraue in die Höhe. "So? Du scheinst dich dann ja sehr beeilt zu haben, wie? Wenn du deine Aufgaben erledigt hast, wirst du sie mir ja sicher zeigen können." Zwar hatte Edward wenig Lust, sich damit auseinander zu setzen, aber so wie Thomas ihn herausforderte, konnte und wollte er ihm nicht einfach so den Gefallen tun und ihm erlauben alleine mit Eric auszureiten.

Thomas

Thomas mimte die Unschuld vom Lande und schaute Edward nur ruhig an. "Es tut mir leid, Mylord, ich gebe mein Bestes Euch mit Respekt zu begegnen.", antwortete er schlicht. Er genoss es geradezu, Edward ein wenig auf die Palme zu treiben und ihn zu reizen.
Er wollte kein gutes Verhältnis zu Edward haben. Nicht zu dem Mann, der ihm seine Mutter genommen hatte und versuchte sich als sein Vater aufzuspielen.
"Ich habe alles ganz normal erledigt." Einen kurzen Moment bildete sich ein Knoten in seinem Magen. Edward würde Erics Hilfe sicherlich erkennen. Ihm blieb allerdings keine Wahl und so nickte er. Thomas verschwand kurz um seine Aufgaben zu holen und sie schließlich vor Edward auf den Tisch zu legen.

"Ja ja, du gibst dein Bestes ..." brummte Edward ungehalten. Es war nicht gerade einfach, nachsichtig mit dem Bengel zu sein, wenn dieser es so darauf anlegte, ihn zu provozieren.
Während Thomas nach draußen verschwand, um seine Hausaufgaben zu erledigen, gönnte Edward sich noch einen weiteren Becher Wein - vielleicht konnte er die Frechheiten des Jungen dann etwas besser ertragen
Als Thomas wieder kam, betrachtete Edward die Arbeit des Jungen und runzelte die Stirn. "Das hast du doch nie im Leben alleine gemacht, oder?" hakte er nach. An und für sich hatte er nicht dagegen, wenn Thomas sich etwas Hilfe holte, aber dabei sollte er noch immer den größten Teil der Arbeit erledigen.
Die Aufgaben waren zwar in Thomas' Schrift abgefasst, aber die Art der Übersetzung passte so gar nicht zu dem Jungen, der sich mit Latein immer eher schwer tat und sich nur schlecht die Vokabeln merken konnte.

Thomas

Thomas blickte Edward nur vorwurfsvoll an und wartete dann auf eine Reaktion zu seinen Aufgaben. Er stand dicht vor Edward und zog ein wenig angewidert die Nase kraus, als er den Alkohol roch. Wie viel hatte sein Stiefvater wohl schon getrunken, wenn es so stank?
Wie befürchtet erkannte Edward natürlich gleich, dass er die Lateinaufgaben nicht ganz allein gemacht hatte. Aber letztendlich war doch auch nichts dabei, wenn er etwas Unterstützung bekam. Er war doch erst acht Jahre alt und hatte vorher nie etwas mit Lesen, Schreiben oder Latein zu tun gehabt. Edward konnte froh sein, dass er inzwischen überhaupt passabel schreiben konnte.
"Doch, habe ich.", widersprach er. "Zumindest das Meiste. Bei der Übersetzung hat Eric mir ein bisschen geholfen."

Edwards Augen verengten sich. "Passt dir etwas nicht, dass du so das Gesicht verziehst?" fragte er lauernd. Dieser Junge machte ihn noch wahnsinnig. Warum konnte er nicht wie sein jüngerer Bruder sein? Mit Jonah kam Edward von Anfang an gut zurecht und der Junge war immer bemüht es Edward Recht zu machen. Thomas hingegen ... vermutlich steckte einfach zu viel von seinem Vater in dem Bengel.
Edward zog eine Augenbraue in die Höhe. "Widersprich mir nicht so frech!" forderte er gereizt. "Und wieso hilft Eric dir eigentlich bei deinen Aufgaben? Es sind deine Hausaufgaben und du lernst es nur, wenn du es auch selbst erledigt. Ich bezahle schließlich nicht das teure Schulgeld, damit Eric all die Arbeit macht."

Thomas

Thomas rang einen Moment mit sich, sah Edward dann aber fest in die Augen. "Ich stellte nur fest, dass Ihr nach Wein riecht, Mylord. Ein Geruch, den ich als nicht sehr angenehm empfinde.", sagte er abweisend. "Nichts weiter."
Edwards Worte sorgten dafür, dass die Wut in ihm brodelte und er biss kurz die Zähne zusammen, um sich zu beherrschen.
"Ich habe mir ja nicht ausgesucht ins Kloster zur Schule zu gehen, also beschwert Euch nicht über das teure Schulgeld.", erwiderte er zornig. "Eric hilft mir eben, weil ich in Latein nicht so gut bin. Er hilft mir es zu lernen. Etwas dagegen?"

Edward runzelte verärgert die Stirn. "Unverschämter Bengel." knurrte er leise. Im nächsten Moment sorgten Thomas Worte jedoch dafür, dass Edward nicht mehr ruhig sitzen bleiben konnte. Er erhob sich - wobei er sich unauffällig an der Tischkante fest hielt, um nicht zu schwanken - und trat vor seinen Stiefsohn.
"Ja, du hast es dir nicht ausgesucht. Ginge es nach dir, würdest du wohl den lieben langen Tag nur auf der faulen Haut liegen, aber so läuft es im Leben nicht, Bürschchen." erwiderte Edward scharf. "Ich habe nichts dagegen, wenn er dir beim Lernen hilft, aber ich habe sehr wohl etwas dagegen, wenn er dir deine Übersetzungen regelrecht vorsagt. Dann wirst du es nie lernen und ich habe deiner Mutter versprochen, dass du ein anständiger Kerl wirst. Das kannst du aber nur, wenn du gut durch die Schule kommst." fuhr Edward den Jungen an und wurde sich erst hinterher bewusst, dass er von Julia gesprochen hatte - ein Umstand, der den Schmerz in ihm wieder so heftig aufflammen ließ, dass es ihm fast die Luft raubte.

Thomas

Thomas musste sich zwingen nicht zurückzuweichen, als sein Stiefvater aufstand und sich vor ihm aufbaute. Er fürchtete sich ein wenig, aber nie würde er das zugeben. Es kostete ihn viel Mut sich mit seinen acht Jahren gegen seinen Stiefvater zu behaupten.
"Nein, aber ich will kein Latein lernen in einem Kloster! Ich kann doch auch Zuhause lernen.", erwiderte er ein wenig verzweifelt. Und er fühlte sich so ungerecht behandelt.
"Er hat mir die Übersetzung nicht vorgesagt! Er hat mir geholfen, damit ich es selber hinkriege!" Thomas musste heftig blinzeln, als Edward seine Mutter erwähnte und drängte die Tränen zurück. Stattdessen wurde er wütend, dass Edward sie einfach so als Vorwand missbrauchte.
"Dann dürft Ihr eben keine Versprechen geben, die Ihr nicht halten könnt!"

"Und wer soll es dir hier bitte beibringen? Ich werde sicher nicht extra einen Lehrer einstellen, der dich unterrichtet, undankbar wie du ohnehin schon bist!" zischte Edward wütend. Es wurde immer schwieriger sich an seine guten Vorsätze zu halten. Er hatte sich wirklich bemüht mit Thomas, aber jetzt war es nur schwieriger geworden. Seit Julia tot war, schienen sie beide immer mehr aneinander zu geraten und Edward litt so sehr unter dem Verlust, dass er nicht mehr in der Lage war, die Provokationen des Jungen einfach herunter zu schlucken.
Edwards Augen verengten sich zu Schlitzen. "Du kleiner, undankbarer Mistkerl! Ich werde mein Versprechen ihr gegenüber halten, egal wie sehr du versuchst mich zu sabotieren. Eigentlich hast du es gar nicht verdient, dass ich mich um dich bemühe."

Thomas

"Weiß ich doch nicht...Eric kann mir das doch beibringen, der kann es doch schon.", schlug Thomas halbherzig vor. Undankbar...Er wollte das alles einfach nur nicht, er wollte seine Ruhe.  
Die Beleidigungen verletzten ihn nur noch mehr und er verschloss sich völlig. Wie er diesen Mann doch verabscheute, der ihn einfach nicht leiden konnte.
"Ich sabotiere Euch nicht, aber ich habe keine Lust dieses dämliche Zeug zu lernen, nur damit Ihr Euer schlechtes Gewissen beruhigen könnt. Ohne Euch würde sie schließlich noch leben! Nicht verdient? Ich hab Euch nicht gezwungen Euch zu bemühen. Ich mag Euch nicht und das wird sich auch nicht ändern! Ihr seid ohnehin Schuld an allem. Lasst mich doch einfach in Ruhe! Ihr werdet sowieso nie mein Vater sein, Ihr habt mir gar nichts zu sagen. Also werde ich jetzt nicht mehr zur Schule gehen."

"Eric ist mein Knappe, er ist ganz sicher nicht hier, um dir Latein beizubringen." erwiderte Edward hitzig. Es war unglaublich, wie sehr dieser Junge ihn auf die Probe stellte. Wie konnte er nur so undankbar sein?
Edward hatte ihm ein gutes neues zu Hause gegeben, hatte ihm die Möglichkeit eröffnet etwas aus seinem Leben zu machen und alles was er zu hören bekam, war dieses rebellische Geschwätz.
Edward wollte gerade etwas erwidern, als Thomas' Worte ihm Übelkeit verursachten.
Ohne Euch würde sie schließlich noch leben!
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und ehe Edward darüber nachdenken konnte, hatte er die Hand gehoben und verpasste Thomas eine ordentliche Ohrfeige. "Kleiner Bastard! Wie kannst du es wagen so mit mir zu sprechen! Ich habe sie über alles geliebt." zischte er zornig und spürte seine Kehle eng werden. Es waren genau diese Vorwürfe, die er sich selbst immer machte und sie nun aus Thomas' Mund zu hören, war mehr als Edward ertragen konnte.

Thomas

"Aber Eric ist mein Freund, er würde mir sicher helfen." Und dann passierte es. Edward schlug einfach zu. Thomas' Kopf wurde hart zur Seite gerissen und seine Augen füllten sich augenblicklich mit Tränen. Wie in Trance tasteten seine Fingerspitzen über die gerötete Wange.
"Ich bin kein Bastard, meine Eltern waren verheiratet.", sagte er mechanisch. Dann liefen zwei Tränen über seine Wangen.
"Du bist trotzdem Schuld, dass sie mich allein gelassen hat! Du bist auch nicht besser als mein Vater!", schluchzte er zornig auf und drehte sich auf dem Absatz um, um aus der Tür zu stürmen. Sie schlug krachend hinter ihm zu.
Er hatte Edward nicht sonderlich leiden können, aber er hatte darauf vertraut, dass dieser ihm nie wehtun würde. Dass er wenigstens ein anständiger Mann war. Aber jetzt war es doch passiert und er schlug ihn. Er würde keine Sekunde länger in seiner Nähe bleiben, da schlief er lieber im Stall!

"Es ist mir egal, ob er dein Freund ist oder nicht. Eric hat wichtigeres zu tun als dir täglich all den Unterricht zu erteilen, den du bekommen sollst!" erwiderte Edward bissig. So weit kam es noch, dass Eric seine Zeit damit verschwendete Thomas irgendetwas beizubringen, was dieser mindestens genauso gut in der Klosterschule lernen konnte.
Edward war versucht Thomas am Kragen zu packen, doch da drehte der Junge sich bereits um und rannte zur Tür. Der Zorn kochte in ihm hoch, doch er blieb stehen und ließ den Bengel ziehen. Das Maß war endgültig voll! Edward hatte genug von dem Jungen und er war nicht gewillt sich weiterhin von ihm beleidigen zu lassen, das würde umgehend ein Ende nehmen.
Er trat vor die Tür und schickte den nächsten Diener, der vorbei kam, los, um Eric zu holen. Er musste ein paar Dinge mit seinem Knappen besprechen und zwar dringend.
Mit einem leisen Stöhnen ließ Edward sich wieder auf seinen Stuhl sinken und rieb sich über die Augen. "Ach Julia, warum nur? Warum konntest du nicht noch bei uns bleiben?" murmelte er leise und rang einen Moment lang um Fassung.

Eric

Eric hatte schon nichts Gutes vermutet, als ein ziemlich verstörter Thomas wortlos an ihm vorbei gehastet war, um sich offensichtlich wieder im Stall zu verkriechen. Als er gerade überlegte, ob er ihm folgen sollte, kam ihm ein Diener entgegen und schickte ihn zu seinem Herrn. Das verhieß nichts Gutes, aber er leistete der Aufforderung ohne zu Zögern Folge. Es war besser, Edward nicht allzu sehr zu reizen, wenn er sowieso schon schlechter Laune war.
Er atmete doch einmal durch, dann klopfte Eric an die Tür und trat ein. Er fand Edward ein wenig mitgenommen an seinem Schreibtisch. Das war nicht gut.
"Mylord, Ihr wolltet mich sprechen?"

Edward sah auf als Eric den Raum betrat, nickte und wies auf den Stuhl vor sich. "Setz dich doch." forderte er und goss sich mit etwas bebenden Finger wieder neuen Wein ein. "Bedien dich, wenn du magst." murmelte er und schob Eric die Karaffe entgegen. Er nippte an seinem Wein und starrte einen Moment lang vor sich hin, dann sah er seinen Knappen wieder an.
"Ich will, dass du Thomas morgen früh zur Klosterschule begleitest und sicher gehst, dass er auch dort ankommt. Ich werde dir ein Schreiben für den Abt mitgeben und etwas Silber, ich will, dass der Junge bis auf weiteres dort bleibt bis er gelernt hat, was er lernen muss. Es ist nicht mehr praktikabel den Bengel hier zu behalten." erklärte Edward düster.
Wenn Thomas in der Klosterschule blieb, hatte Edward wenigstens ein Problem weniger und er musste sich keine Sorgen machen, dass er dem Jungen gegenüber noch einmal die Beherrschung verlor.

Eric

Eric folgte der Aufforderung und setzte sich auf den Stuhl, lehnte den Wein jedoch mit einem Kopfschütteln dankend ab. Er hatte so das Gefühl, als dass er für dieses Gespräch einen nüchternen Kopf brauchte. Edwards folgende Worte bestätigten ihm das und überraschten ihn doch ziemlich. Er runzelte die Stirn.
"Thomas soll dort bleiben? Weiß er davon schon? Ich könnte mir vorstellen, dass er davon nicht allzu begeistert ist." War der Junge deshalb vorhin so verstört an ihm vorbei gerannt?
"Darf ich fragen, warum es nicht mehr praktikabel ist, Mylord? Ich hatte in letzter Zeit den Eindruck, dass er sich Mühe gibt seine Aufgaben ordentlich zu erledigen."
Das hier war doch wirklich seltsam.

"Nein, er weiß es noch nicht, aber vermutlich wird es ihn nicht überraschen, so wie er sich benommen hat." brummte Edward verdrossen. Er bedachte seinen Knappen mit einem langen Blick und entschied sich dann dafür Eric reinen Wein einzuschenken.
"Vor allem legt er sich dabei ins Zeug mich zu provozieren. Der Bengel kann einfach nicht hier bleiben, egal was ich tue, er ist nie zufrieden damit und ich bin es Leid mit ihm. Er will ohnehin nicht in meiner Nähe sein, dann kann er genauso gut in der Klosterschule bleiben, vielleicht begreift er dann irgendwann einmal, dass ich nicht an all seinem Leid Schuld bin." Edward fuhr sich durch die ohnehin schon zerzausten Locken. "Außerdem muss ich bald auch wieder nach London und Thomas ist der letzte, den ich dort mit hin nehmen kann, so wie er sich benimmt. Aber ich werde ihn sicher auch nicht einfach hier lassen. Es ist also für alle am Besten, wenn er für eine Weile in der Klosterschule bleibt."

Eric

Eric hob eine Augenbraue. Dann wusste er wirklich nicht, warum der Kleine so durch den Wind gewesen war. Er würde ihn nachher fragen müssen. "Darf ich fragen, was er angestellt hat?"
Er lauschte Edward aufmerksam und legte den Kopf leicht zur Seite. "Mit Verlaub, Mylord, ist das nicht etwas hart? Der Kleine ist erst acht Jahre alt und hat erst seinen Vater und jetzt seine Mutter verloren. Er musssich furchtbar einsam vorkommen.", merkte er zaghaft an.
"Sicher wird er begreifen, dass das nicht Eure Schuld ist, aber wenn Ihr ihn wegschickt, wird er sich abgeschoben vorkommen. Seine Geschwister schickt Ihr schließlich nicht in die Klosterschule. Was passiert mit den Kleineren, wenn wir nach London zurückkehren?"

Edward runzelte die Stirn. "Denkst du nicht, dass dich das eigentlich nichts angeht?" erwiderte er trocken. Sein Blick verfinsterte sich ein wenig und er sah zum Fenster hinüber, um Eric nicht ansehen zu müssen. "Er hat mir vorgeworfen, ich sei Schuld an ... an Julias Tod." brachte Edward es dann schließlich mit rauer Stimme hervor.
Er biss fest die Zähne zusammen und ermahnte sich, hier vor Eric nicht die Fassung zu verlieren, ganz egal, wie sehr es schmerzte. "Ich denke nicht. Ich habe ihm mehrfach die Hand gereicht und alles was ich geerntet habe, war Undank und eine Provokation nach der anderen. Soll er sich abgeschoben vorkommen, das hat er sich alles ganz alleine eingebracht." erwiderte Edward verbissen.
"Die Kleineren bleiben entweder mit den Kinderfrauen hier oder ich bringe sie für eine Weile zu meinen Eltern nach Truro, dort sind sie auch sehr gut aufgehoben. Jonah könnte ich im Grunde sogar mit an den Hof nehmen, der Junge weiß sich zu benehmen."

Eric

Eric nickte leicht. "Vielleicht, aber ich habe mich in letzter Zeit ein bisschen um Thomas gekümmert, darum hat es mich interessiert." Er verzog leicht das Gesicht. Es war nicht klug von Thomas gewesen, diese Gedanken laut auszusprechen. Aber er hatte geahnt, dass es irgendwann dazu kommen würde. Thomas Hass und Unsicherheit gingen viel zu tief. Der Junge fühlte sich einfach völlig entwurzelt, hatte keine Ahnung, wohin er gehörte.
Eric hatte unfassbares Mitleid mit dem Jungen, dem Edward jetzt auch noch den letzten Rest Heimat nahm. Das würde nicht gut gehen, er fürchtete, der Junge würde im Kloster ohne die Pferde eingehen wie eine Blume ohne Wasser.
"Ich bin sicher, er hat es nicht so gemeint. Er ist verzweifelt, das ist alles. Wie Ihr wünscht, Mylord, doch ich glaube, er meint es wirklich nicht so böse. Aber sicher ist es Eure Entscheidung." Er würde hier nichts für Thomas bewirken können. Doch er wusste, für Thomas würde die Welt endgültig einbrechen. Besonders, weil man ihn so unendlich bestrafte und sein kleiner Bruder mit zum Hof durfte, obwohl es sein Vorrecht als Älterer gewesen wäre.
"Ich bin sicher, sie würden sich in Truro wohl fühlen."

Edwards Miene wurde finster. "Er hat es so gemeint, sei versichert. Der Bengel kann mich doch ohnehin nicht leiden, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht und er meint durchaus, was er sagt." erwiderte Edward bitter. "Aber ich bin es leid mit ihm. Mir fällt all das hier so schon schwer genug, da brauche ich mir von so einem Rotzlöffel nicht auch noch Vorwürfe machen lassen. Schon gar nicht deswegen!" Edwards Hand ballte sich für einen Moment zur Faust und er wandte das Gesicht ab, damit Eric nicht sah, dass er mit den Tränen kämpfte. Wie sehr wünschte er sich doch, alles wäre anders verlaufen ... wäre Julia doch nur noch bei ihm ...
Edward versuchte sich zusammen zu reißen und stürzte den Wein in einem großen Zug hinunter. "Ja, das werden sie wohl. Truro wird ihnen gut tun, dort werden sie auch nicht immer an ihre Mutter erinnert." murmelte er. Nicht so wie hier, wo die Erinnerung an Julia hinter jeder Ecke lauerte.
Edward hatte es seit ihrem Tod nicht fertig gebracht, wieder in ihrem gemeinsamen Gemach zu schlafen. Er konnte sich keine Sekunde lang in das Bett legen, das sie beide geteilt hatten. In dem sie sich so oft geliebt hatten, aber auch viele Nächte einfach nur aneinander geschmiegt da gelegen und geredet hatten.

Eric

Eric seufzte leise. "Als Kind sagen wir oft Dinge, die uns in dem Moment richtig vorkommen, von denen wir aber nachher einsehen müssen, dass sie nicht richtig waren. Ich dachte eigentlich, Ihr würdet Euch besser mit ihm verstehen, seit Ihr ihm Reitunterricht auf Chouchou gegeben habt. Es fällt ihm einfach ebenso schwer wie Euch." Er versuchte, durch seine Miene so wenig Missbilligung wie möglich auszudrücken, auch wenn ihm Edwards Einstellung nicht gefiel. Schließlich war Edward der Erwachsene und obendrein Thomas' Stiefvater. Er hatte gefälligst über der verzweifelten Wut eines Achtjährigen zu stehen, der gar nicht wusste wohin mit sich.
Aber er sah, wie Edward mit der Fassung rang und schluckte die tadelnden Worte hinunter, die ihm ohnehin nicht zustanden.
"Das ist richtig. Nun, wie Ihr wünscht, Mylord. Ich werde Thomas morgen begleiten." Auch wenn er nicht wusste, ob Thomas ihm das je verzeihen würde.

Hal ging langsam durch die kleine Kapelle, die sich auf der Burg befand und tauschte die herunter gebrannten Kerzen aus. Seit die große Kirche im Bau so weit voran geschritten war, dass dort die Messen gehalten werden konnten, hatte die Kapelle ein wenig an Bedeutung verloren, aber Hal hielt sich noch immer gerne hier auf und achtete darauf, dass sie immer in tadellosem Zustand war, denn für die Burgbewohner war der Weg in die Kapelle immer noch kürzer, als zu der Kirche, wenn sie zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten den Wunsch nach einem ruhigen Ort für ein Gebet überkam.
Er war gerade dabei, die Kerzen auf dem Altar auszutauschen als er die Tür hörte. Langsam drehte er sich um und lächelte dann leicht. "John, schön dich zu sehen. Flüchtest du vor deinen allzu wissbegierigen Schülern oder den vielen eingebildeten Kranken?" fragte er heiter und entzündete die Kerze auf dem Altar, die er gerade bereit gestellt hatte.

John hatte sich viele Gedanken gemacht, seit er zurück in Truro war. Julias Tod ging ihm immer noch nahe und immer öfter fragte er sich, wie es Edward und den Kindern wohl erging. Er machte sich Sorgen, aber letztendich musste Edward selbst damit zurecht kommen, so schwierig es auch war. Doch je öfter er darüber nachdachte, desto schlechter wurde auch sein Gewissen. Er hatte es immer noch nicht gebeichtet, dass er Julia die Beichte abgenommen hatte. Und um endlich reinen Tisch zu machen, wollte er es heute angehen.
Er vermutete Hal in der Kapelle, wo er um diese Zeit oft zu finden war und er behielt recht. Er begrüßte Hal mit einem Lächeln.
"Nicht wirklich, nein. Heute ist es sogar recht ruhig....Ich habe dich gesucht, um ehrlich zu sein. Ich möchte, dass du mir die Beichte abnimmst, Hal.", sagte er ernst.