William und Joanna - ab 1184 bis 1185

Charles

"Trotzdem weiß sie eigentlich ganz genau, dass sie zu hören hat, wenn ich sie rufe. Aber wie könnte ich gegen eine hübsche, junge Dame ankommen?", erwiderte der Earl of Kent ruhig.
"Oh, nicht so gut, wie Ihr denken mögt.", winkte er ab. "Cassy ist der beste Jagdhund, den ich je hatte. Trotz ihrer kurzen Beine. Ich schätze, das habe ich einfach geahnt." Er wollte nicht, dass sie in ihm den Samariter sah.
"Dennoch, Mylady. Ihr könnt Euch nicht verteidigen, wenn Euch jemand angreift. Gesindel gibt es immer. Ich kann verstehen, dass Ihr Ruhe gesucht habt. Aber ich bitte Euch inständig, nehmt nächstes Mal jemanden zur Begleitung mit. Ich ersuche Euch mit mir zurück zu reiten. Ich werde Euch auch gern noch eine kleine Weile Gesellschaft leisten, bis Ihr Euch lösen könnt."
Warum konnte er den Gedanken nicht ertragen, dass ihr etwas passierte? Er runzelte etwas unwillig die Stirn, setzte sich dann zu ihr ins Gras, woraufhin Cassy sich auf seinem Schoß zusammen rollte. Charles seufzte und strich über durch das dichte Fell.
"Du bist unverbesserlich."

Mary hob ein wenig das Kinn und lächelte entschlossen. "Wir Frauen müssen nun einmal zusammen halten, Mylord. Dagegen kommt Ihr wohl wirklich nicht an." entgegnete sie und schüttelte dann leicht den Kopf. "Wieso habe ich den Eindruck, Ihr bemüht Euch stets darum, Euch schlechter dazustellen als Ihr seid? Wollt Ihr verhindern, dass ich einen guten Eindruck von Euch erhalte?" fragte sie forschend und bedachte ihren Gegenüber kurz mit einem trotzigen Blick, ehe ein schelmisches Funkeln in ihre Augen trat. "Nun, vielleicht erbarmt Ihr Euch ja das ein oder andere Mal mich zu begleiten. Dann muss ich nicht noch einmal alleine ausreiten." erklärte sie und wunderte sich ein wenig, da sie tatsächlich den Eindruck hatte, echte Sorge in den Augen des Earls zu sehen. Er sorgte sich um sie ...
Als sie einen Moment später nebeneinander im Gras saßen und Cassy auf den Schoß ihres Herren kletterte, konnte Mary ein schmunzeln nicht zurück halten. "Hm, vielleicht war es doch nicht nur Euer Sohn, der den Hund nicht hatte sterben lassen wollen ..." bemerkte Mary und stellte fest, dass ihr bei dem Anblick ein wenig warm ums Herz wurde.

Charles

"Scheint so." Charles hob leicht die Schultern. "Warum Ihr diesen Eindruck habt, kann ich Euch nicht sagen, Mylady.", erwiderte er beiläufig. "Wenn Ihr einen guten Eindruck von mir habt, kann ich das ohnehin nicht verändern und ich denke, ich fühle mich geehrt."
Der Earl of Kent neigte leicht den Kopf. "Ich denke, das ließe sich einrichten. Wenn Euch meine Gesellschaft behagt."
Er hatte keine Ahnung, warum er das tat und wieso er sich hier gleichzeitig so wohl, aber auch so unbehaglich fühlte. Sie durchschaute ihn so mühelos, das tat kaum jemand. Selten hielt ihn jemand für angenehme Gesellschaft oder für jemanden mit einem weichen Herzen.
"Möglicherweise.", bemerkte er ausweichend, strafte seine Worte aber damit Lügen, dass er sanft durch Cassys Fall strich und sie hinter den Ohren kraulte.

Mary neigte huldvoll den Kopf. "Es ... würde mich ausgesprochen freuen, wenn Ihr mich ab und zu begleiten würdet. Ich habe den Eindruck, Ihr seid eine sehr angenehme Gesellschaft." gab Mary ehrlich zu.
Sie betrachtetet Charles aus dem Augenwinkel heraus und kam nicht umher, festzuhalten, dass er wirklich eine weiche Seite hatte, so selbstverständlich wie er Cassy auf seinem Schoß duldete. Mary lächelte und nahm dann den Blumenstrauß, den sie gepflückt hatte, um ihn Charles of Kent entgegen zu halten. "Habt Dank dafür, dass Ihr mich einmal mehr gerettet habt und Euch tatsächlich opfern wollt, um mit mir auszureiten. Das weiß ich sehr zu schätzen, Mylord."

Charles

"Dann werde ich Euch gern Gesellschaft leisten. Ich muss zugeben, ich finde Eure Gesellschaft ebenfalls sehr erbaulich.", gab Charles schließlich zu und nahm dann sehr überrascht den Blumenstrauß entgegen, musterte ihn skeptisch.
"Ich danke Euch, aber ein Dank wäre nicht nötig. Ich bin sicher, ich werde die Ausritte mit Euch ebenfalls zu schätzen wissen. Es ist doch recht angenehm jemanden um sich zu haben, der einen nicht für einen griesgrämigen Haudegen hält."
Charles hob Cassy von seinem Schoß und erhob sich, reichte Mary dann die Hand um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein.
"Mylady, wenn ich bitten darf...Wir sollten zur Burg zurückkehren."

Mary biss sich leicht auf die Unterlippe, damit kein Laut über ihre Lippen kam. Als sie sicher war, dass sie sich selbst wieder trauen konnte, nickte sie mit einem seligen Lächeln. "Das ist überaus reizend, Mylord. Es wäre sonst wahrlich schwierig geworden, es gibt eher weniger Menschen, die Lust haben, mich auf meinem Weg zu begleiten."
Sie lachte heiter über seine Worte und ließ sich von ihm aufhelfen. "Ihr seid kein griesgrämiger Haudegen, ganz im Gegenteil. Ich denke, Ihr habt eine sehr mitfühlende Seite, so wie Ihr Euch bisher zeigt und das gefällt mir sehr gut, Mylord." Wenn sie bei ihm war, erfasste sie obendrein ein eigentümliches Gefühl von Sicherheit, etwas, das Mary so überhaupt nicht kannte. Und ohne es bewusst zu entscheiden ließ Mary ihre Hand einen Moment länger in der seinen liegen als sie schon längst auf den Beinen stand. Sie konnte sich einfach nicht so recht lösen und Mary fragte sich, ob es nur ihr so ging, ob nur sie sich so eigentümlich in Charles' Nähe fühlte oder ob es ihm ähnlich ging.

Charles

Charles schüttelte leicht den Kopf. "Das glaube ich nicht. An gesellschaft hat es Euch hier doch nie gemangelt, oder? Ich bin sicher, es gäbe einige, die mich um das Privileg beneiden mit Euch auszureiten.", erklärte er ernst und erfreute sich an ihrem Lächeln.
Er hob leicht eine Augenbraue über ihre Worte und schaute dann auf ihre Hände hinab. Ihre Hand lag in seiner, immer noch, obwohl er sie längst hätte loslassen müssen.
Vorsichtig suchte er ihren Blick, schluckte schwer und riss sich dann von dem Anblick los. "Wir sollten gehen, Mylady.", brachte er dann mit rauer Stimme hervor.

Mary grinste. "Wenn wir das erste Mal gemeinsam ausgeritten sind, werde ich Euch fragen, ob Ihr das immer noch so seht. Die meisten Männer würden sich sicher dazu bereit erklären, aber zum einen ist bei weitem nicht jeder von ihnen wirklich gute Gesellschaft und zum anderen werde ich viele nach dem ersten Ritt vermutlich verschreckt haben." erklärte sie mit funkelnden Augen. Immerhin war Mary auch in diesem Punkt die Tochter ihrer Eltern und sie hielt nichts von kurzen, langweiligen Ausritten im Schritt, sondern ließ sich gerne von einem schnellen Galopp die Laune erhellen.
Mary erwiderte den Blick, den Charles ihr schenkte und sah sich bestätigt, sie war nicht alleine mit diesem Gefühl, ihm schien es zumindest ähnlich zu ergehen, so wie er sie ansah. Aber wieso nur? Was war das zwischen ihnen, das sie offenbar beide in den Bann schlug?
Mary nickte kurz. "Das sollten wir wohl." bestätigte sie, rührte sich aber trotz ihrer Worte nicht vom Fleck.

Charles

"Dann fragt mich und ich werde Euch eine ehrliche Antwort geben. Darauf gebe ich Euch mei Wort. Ich glaube nicht, dass Ihr mich verschrecken würdet, ich habe Euch schließlich schon mehrfach Gesellschaft geleistet, Lady Mary."
Aber er konnte sich vorstellen, dass sie recht eigenwillig war. Wie bei allem...Langweilig würde es jedenfalls nicht werden.
Er löste seine Hand von ihrer und wandte sich ab, um diesen merkwürdigen Bann zu brechen, der über ihnen lag. Das durfte er nicht einmal denken! Dieses Kribbeln in den Fingern hatte er sich eingebildet. Nachdenklich wandte sich der Earl of Kent seinem Pferd zu und pfiff nach seinem Hund.

"Das werde ich, Mylord. Und ich glaube auch nicht, dass sich ein griesgrämiger Haudegen wie Ihr sich so leicht von einem sprunghaften, jungen Ding wie mir verschrecken lässt." erwiderte sie lächelnd.
Mary war dankbar als Charles seine Hand von ihrer löste und sich abwandte, doch gleichzeitig spürte sie auch ein leises Bedauern. Sie sah dem Earl of Kent nachdenklich hinterher als er sich zu seinem Pferd wandte und tat es ihm dann gleich.
In Gedanken versunken löste sie die Zügel ihrer Stute und strich dem Pferd sanft über den Hals. Was hatte das nur alles zu bedeuten? Sie durfte solch ein Gefühl für keinen anderen Mann haben außer für Gerard, das wusste sie genau. Vermutlich war es auch einfach der Situation geschuldet ... Sie war durcheinander und traurig wegen ihres Streites mit Gerard und Charles of Kent lenkte sie ein wenig ab. Es war nichts von Bedeutung und sie sollte besser ohnehin nicht zu viel darüber nachdenken.

Charles

Ohne dass er es erklären konnte, zog es den Earl of Kent immer öfter in Marys Gesellschaft. Heute streiften sie zu Fuß mit Cassy durch ein nahegelegenes Waldstück und unterhielten sich über ein paar Dinge. Und Charles konnte nicht an sich halten, er musste sie fragen...
"Habt Ihr etwas von Eurem Mann gehört, Mylady? Wird er kommen?" Es wurde wirklich Zeit und es verwunderte ihn, dass der Earl of Essex seiner wundervollen Frau nicht sofort nachgereist war.
Und er musste wissen, wann diese schöne Zeit mit Mary ein Ende hatte. Er hatte immer noch keine Ahnung, was genau sie da verband. Es war merkwürdig... Er konnte es nicht benennen und wollte auch gar nicht weiter darüber nachdenken, damit es nicht real wurde.

Zu Marys Freude hatte der Earl of Kent Wort gehalten und war mit ihr ausgeritten. Und so, wie er angekündigt hatte, hatte sie ihn mit ihrer stürmischen Art tatsächlich nicht davon abgehalten sie erneut zu begleiten. Im Gegenteil, er schien nur noch häufiger ihre Gesellschaft zu suchen und Mary ging es nicht anders. Sie genoss ihre gemeinsamen Ausritte oder wenn sie, so wie jetzt, einen kleinen Spaziergang unternahmen und über Gott und die Welt redeten.
Die Frage, die Charles ihr jetzt jedoch stellte, sorgte dafür, dass Mary ihn kurz ansah und den Blick dann fest auf den Weg vor sich richtete. "Ich habe einen Brief von ihm erhalten. Er fragt, ob ich nicht wieder zurück nach Hause kommen will." erklärte Mary langsam. "Ich werde später einen Boten mit meiner Antwort nach Essex schicken. Wenn er mich wieder haben will, wird er schon herkommen müssen. Aber ich schätze, dass wird er dann bald, wenn er merkt, dass ich von alleine nicht komme." erwiderte sie und seufzte leise. Sie wollte lieber gar nicht genau daran denken, was es bedeutete, wenn Gerard her kam.

Charles

Charles schlenderte langsam neben Mary her und lauschte ihrer Antwort. "Verzeiht, aber Euer Gemahl ist ein ausgemachter Dummkopf.", erwiderte er ungewöhnlich leidenschaftlich. "Wie kann er eine Frau wie Euch einfach warten lassen? Wie kann er darauf warten, dass Ihr zu Kreuze kriecht, wo Ihr und Eure Kinder hier sind? Es wäre an ihm Euch zurück zu holen."
Er seufzte leise.
"Ihr solltet Euch das nicht gefallen lassen. Aber es ist natürlich voll und ganz Eure Entscheidung. Doch ich verstehe langsam, was Ihr mit dem Makel andeuten wolltet, den ich benannt habe."

Mary wandte den Kopf und sah Charles überrascht an als dieser so ungewöhnlich leidenschaftlich reagierte. Ihre Mundwinkel zuckten kurz verräterisch, dann hatte sie sich wieder im Griff. Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass ihr auffiel, wie viel sie ihm offenbar bedeutete.
Mary nickte langsam. "Das ist er in der Tat, aber ich bin zugegebener Maßen ganz froh, dass er sich Zeit gelassen hat. Ich weiß noch immer nicht genau, wie ich ihm wieder gegenüber treten soll und wie es danach weiter gehen kann mit uns. Ich habe schon einiges mit ihm durchgestanden, doch allmählich fällt es mir schwer ihm Vertrauen entgegen zu bringen, wenn ich ehrlich sein darf." bekannte Mary offen.
In letzter Zeit hatte sie sich immer öfter bei dem Gedanken ertappt, Gerard möge doch wenigstens ein bisschen mehr so sein, wie Charles ... aber sie bemühte sich jedes Mal diesen Gedanken bei Seite zu schieben.

Charles

Charles schüttelte leicht den Kopf. Wie konnte ein Mann so dämlich sein und so eine Frau gehen lassen? Er wusste genau, dass er so nicht einmal denken durfte, aber wie stellte man das ab? Er kannte es von sich nicht so emotional zu reagieren. Was war nur los mit ihm?
"Ich an seiner Stelle würde Euch niemals Grund geben das Vertrauen zu verlieren. Was hat er Euch angetan, Mylady, dass Ihr so denkt? Warum könnt Ihr ihm nicht vertrauen? Vielleicht sollte ich ihm einmal die Leviten lesen, wenn er her kommt."
Wo zur Hölle war nur eine stoische Ruhe hin, seine Ernsthaftigkeit? Was war heute mit ihm los?

Mary sah ihren Begleiter mit leicht geneigtem Kopf an und lächelte kurz. "Nein, ich glaube auch nicht, dass Ihr mir einen solchen Grund geben würdet." erwiderte sie leise und sah dann wieder nach vorne.
Ein wenig unsicher kaute Mary auf ihrer Unterlippe herum und wog ab, ob sie sich Charles tatsächlich anvertrauen sollte oder nicht. Im Grunde durfte sie mit ihm darüber gar nicht sprechen, es war unendlich taktlos von ihr, solche Dinge mit ihm zu erläutern, aber andererseits ...
"Das ist eine etwas schwierige Geschichte." begann sie langsam und schluckte leicht. "Wir ... ich habe mich damals für Gerard entschieden, weil ich verliebt war und überzeugt davon, dass er der richtige für mich ist. Mein Vater hätte mich nie zu einer Heirat gezwungen, es war also meine freie Entscheidung. Und ich war auch wirklich glücklich mit ihm, nur ... nachdem sein Vater gestorben war und Gerard dessen Platz als Earl of Essex eingenommen hatte, wurde es schwieriger. Es war sehr viel Verantwortung, die wir beide tragen mussten und er ... er ist ein sehr impulsiver Mensch und verliert schnell die Fassung, wenn wir streiten. Ihm ist ein paar Mal die Hand ausgerutscht." berichtete Mary mit ruhiger, aber ernster Stimme. "Mein Vater hat davon erfahren und mich von heute auf morgen gegen meinen Willen aus Essex fortgeholt und erst zugelassen, dass Gerard mich wieder sieht, nachdem dieser hart an sich gearbeitet hatte. Er hat sich wirklich Mühe gegeben und sich verändert, er hat sich besser unter Kontrolle und ich dachte, wir hätten diese Hürde überstanden, aber ..." Mary brach ab und überlegte einen Moment, wie sie die Episode beschreiben sollte, die den Auslöser für ihre Abreise geliefert hatte.
"Mylord, ich bin wahrlich nicht frei von Fehlern und ich kann verstehen, wenn Ihr Eure Meinung über mich gründlich überdenkt nach dem, was ich Euch gleich erzählen werde, aber ich denke, Ihr habt verdient, dass ich Euch die Wahrheit erzähle, damit Ihr Euch kein falsches Bild von der Situation macht. Ich bin bei weitem nicht so unschuldig, wie Ihr vielleicht denken mögt." fügte Mary hinzu, ehe sie sich einen Ruck gab, um zu enthüllen, was sie getan hatte.
"Ihr wisst, dass ich bereits fünf Kinder zur Welt gebracht habe, die letzten beiden sind Zwillinge. Nach dieser Anstrengung habe ich meinen Gemahl gebeten mir ... eine Pause zu ermöglichen. Ich will ihm gerne weitere Kinder schenken, aber nach einer solchen Anstrengung wie mit den Zwillingen war ich der Ansicht, dass mir ein oder zwei Jahre bis zur nächsten Schwangerschaft wohl gut tun würde. Damit wir ... nicht all die Zeit aufeinander verzichten müssen, habe ich mich kundig gemacht und begonnen einen Trank zu nehmen, der eine Schwangerschaft fürs Erste verhindern sollte. Ich weiß wie schändlich so etwas ist, aber ich ... ich wusste einfach keinen anderen Weg.
Gerard war zunächst einverstanden, aber bevor ich hier her kam, habe ich ihn dabei erwischt, wie er hinter meinem Rücken die Kräuter austauschen wollte, die ich für den Trank benötige. Das hat mich tiefer getroffen als ich es für möglich gehalten hatte und wenngleich es nicht richtig von mir war einen solchen Trank zu nehmen, war ich ausgesprochen enttäuscht von ihm und ich ... ich konnte einfach nicht in Essex bleiben." erklärte Mary mit belegter Stimme. Sie fürchtete sich ein wenig vor Charles' Urteil, weil es sie sichtlich treffen würde, wenn er sich nun von ihr abwenden würde, doch sie hatte ihn auch nicht anlügen wollen.

Charles

Charles blieb stehen, um Mary ansehen zu können, während er ihrer Geschichte lauschte. Er hatte fast nicht erwartet, dass sie ihm alles so ehrlich offenbaren würde, doch offenbar hatte sie mehr Vertrauen zu ihm, als er geglaubt hatte. Und das freute ihn wiederrum mehr, als es sollte.
"Viel Verantwortung ist kein Grund seine Frau zu schlagen.", erwiderte er nüchtern und war stolz darauf, dass er die Wut aus seiner Stimme halten konnte. "Euer Vater hat recht getan, ich hätte wohl genauso gehandelt."
Oh was war Gerard von Essex für ein dummer Junge. Da hatte er so eine wundervolle Frau und er trat sie mit Füßen.
"Nun, er hat Euer Vertrauen missbraucht, Mylady. Ich kann verstehen, dass Ihr hergekommen seid um Abstand zu gewinnen." Charles sah sie einen langen Moment schweigend an, dann legte er wie in Trance die Hand an Marys Wange. Er konnte einfach nicht anders.
"Mylady, niemals könnte ich schlecht von Euch denken. Ihr seid eine gute Frau und ich denke, Gott hätte das Wissen um solche Tränke nicht in die Welt gesetzt, wenn sie nicht eingesetzt werden dürften. Ihr benutzt sie ja nicht um wahllos herum zu huren - verzeiht mir meine rüde Wortwahl. Ihr tut es, um Euch zu schützen und das sollte Euer Gemahl respektieren. Er sollte dankbar sein, dass Ihr ihm fünf Kinder geschenkt habt, andere Ehepaare bleiben ihr Leben lang kinderlos."
Charles' Stimme war leise und sanft und er sah in die blauen Augen. "Niemals könnte ich ein schlechtes Bild von Euch haben....", wiederholte er.

Mary schnitt eine kurze Grimasse und lächelte traurig. "Es ehrt Euch einmal mehr, dass Ihr so denkt, die meisten Männer sehen das anders und Tatsache ist, dass es sein Recht ist, das zu tun." erwiderte Mary und sah Gerard an, der stehen geblieben war. "Ihr scheint so manches mit meinem Vater gemeinsam zu haben. Ihr vertretet die gleichen Werte, wie mir scheint."
Mary senkte traurig den Blick, doch dann spürte sie Charles' Hand an ihrer Wange - etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte. Instinktiv schmiegte sie sich leicht an diese warme, etwas raue Hand und sah auf. Die Gefühle, die dieser Mann in ihr auslöste, waren fast überwältigend und verwirrten sie völlig.
Im nächsten Moment kamen Mary die Tränen ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. "Oh Charles ..." wisperte sie leise und erwiderte diesen sanften, vertrauenserweckenden Blick.
Ihre Hand zuckte kurz, dann legte Mary sie auf seine Brust und schluckte schwer. Sie spürte wie seine Brust sich im Rhythmus seiner Atmung hob und senkte und spürte das Kribbeln, dass durch ihre Fingerspitzen strömte und sich in ihrem ganzen Körper auszubreiten schien.
Dann, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, stellte Mary sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen zärtlichen Kuss auf Charles' Lippen.

Charles

"Das mag sein. Doch die Werte, die Euer Vater und ich vertreten, sollte jeder anständige Mann vertreten. Gerechtigkeit, Ehre, Treue....Niemand hat das Recht sich an Schwächeren zu vergreifen und eine unbewaffnete Frau zu schlagen, die sich nicht wehren kann."
Er schluckte schwer, als sie sich in seine Handfläche schmiegte und wusste ganzgenau, dass sie es auch spürte. Da war dieses Knistern in der Luft, eine angenehme Spannung zwischen ihnen hatte sich aufgebaut. Als sie die Hand auf seine Brust legte, atmete er tief durch. Es fühlte sich an, als würde lauter Ameisen über seinen Körper wandern.
"Mary..."
Und dann tat sie, womit er nicht gerechnet hatte. Sie küsste ihn - und es fühlte sich an wie die Erfüllung seiner kühnsten Sehnsüchte. Nach einem Moment des Zögerns erwiderte er den Kuss, ließ sie nicht einfach gehen, sondern vertiefte den Kuss ein wenig. Er konnte einfach nicht widerstehen.

"Wie edelmütig Ihr seid, Mylord. Allerdings solltet Ihr mich auch nicht unterschätzen, einmal habe ich meinen Gemahl mit einem Dolch von mir fern gehalten. Als wehrlos würde ich mich also nicht ganz bezeichnen." erwiderte sie amüsiert.
Als sie Charles küsste, fühlte sie sich wie im Himmel, es war ein merkwürdiges Gefühl, das sie so seit Ewigkeiten nicht mehr empfunden hatte. Und dann erwiderte er ihren Kuss. Sie hatte es insgeheim gehofft und doch gefürchtet, weil sie wusste, dass sie selbst nicht in der Lage sein würde, den Kuss zu unterbrechen. Doch es fühlte sich so richtig an und Mary überbrückte die letzte Distanz zwischen ihnen, schmiegte sich vertrauensvoll an Charles und legte die Arme um seine Taille. Sie genoss den Kuss in vollen Zügen, zog ihn in die Länge und gab sich ganz diesem wundervollen Gefühl hin.

Charles

Charles schmunzelte leicht, unterbrach den Kuss aber nicht. Viel zu sehr genoss er dieses Gefühl, das sie ihm vermittelte. Wie sie sich in seine Arme schmiegte. Er wollte sie so gern beschützen, ihr Geborgenheit bieten und sie nie wieder zurück lassen zu diesem Mann, der sie nicht zu schätzen musste.
Ihr Mann...
Ein gefühl wie ein Eimer kaltes Wasser überkam ihn und er löste sich von ihr, erschrocken über sich selbst. Rasch trat er einen Schritt zurück und verneigte sich.
"Vergebt mir, Mylady, ich weiß nicht, was über mich kam! Das hätte nicht passieren dürfen, ich bitte inständig um Vergebung."

Während sich der Kuss langsam angebahnt hatte, ein leichtes Knistern in der Luft, dass stärker geworden war, endete es mit einem schnellen Ruck als Charles sich plötzlich von ihr löste und einen Schritt zurück trat. Es hatte passieren müssen, das war Mary klar gewesen, schließlich taten sie etwas Verbotenes und Charles war ein Mann von Ehre, dennoch betrübte es sie, dass dieser wundervolle Moment ein so jähes Ende fand.
Mary betrachtete ihren Gegenüber und schüttelte den Kopf. "Es gibt nichts zu vergeben, Mylord. Ihr habt keinen Fehler begangen und ich bitte Euch, wenn Ihr es wenigstens ein klein bisschen genossen habt, so bittet mich nicht um Vergebung. Nicht für etwas, das so wundervoll war, wenngleich Ihr Recht habt und es nicht hätte passieren dürfen." erwiderte Mary mit heiserer Stimme. Sie spürte die Traurigkeit und Verzweiflung in sich aufsteigen und bemühte sich redlich die Tränen zurück zu halten.
Was war das hier für eine Probe, die Gott ihr auferlegte? Sie konnte es nicht wirklich begreifen.

Charles

Charles atmete heftig und versuchte sich in den Griff zu bekommen. Er musste sich beherrschen, für sie Beide. Er hatte es Mary schon schwer genug gemacht mit seinem elenden Verhalten. Was sollte er nur tun? Er musste das hier schleunigst vergessen und sich die junge Frau aus dem Kopf schlagen.
"Ich..." Er schluckte. "Ich habe es sehr genossen, doch es darf nicht sein, Mylady. Ihr seid verheiratet. Das darf nicht passieren und ich hätte mich besser im Griff haben müssen." Charles atmete durch.
"Wir sollten zur Burg zurück gehen und vergessen, was heute hier passiert ist. Ich bitte Euch..." Warum musste es so schwer sein?
Seit dem Tod seiner Frau hatte er kaum eine Frau angefasst und diese hier fesselte ihn so voll und ganz, aber es durfte nicht sein.

Mary nickte niedergeschlagen. "Ich weiß. Wer wüsste das besser als ich ... aber Ihr seid nicht Schuld, Mylord. Ich war es immerhin, die Euch geküsst hat." gab Mary zurück. Sie wollte nicht, dass er sich ihretwegen Vorwürfe machte.
Mary senkte den Blick, damit Charles nicht sah, dass die Tränen bereits in ihren Augen schimmerten. "Das sollten wir wohl." stimmte sie zu. "Aber ich bitte Euch, Mylord, geht Ihr schon einmal vor. Ich verspreche Euch, ich werde nicht mehr lange bleiben." Aber sie konnte jetzt nicht mit ihm zurück gehen und so tun als wäre nichts geschehen. Mary hatte das Gefühl, ihr Herz müsse zerbrechen und sie konnte so niemandem in die Augen sehen, wollte nicht, dass irgendjemand sie mit Tränen in den Augen an der Seite des Earl of Kent sah.

Charles

"Aber ich habe es erwidert. Ich habe mich Euch bereits zuvor mehr genähert, als ich es hätte tun dürfen. Also macht auch Ihr Euch keine Vorwürfe. Wir werden den Vorfall vergessen und tun, als wäre niemals etwas vorgefallen. Ich bitte Euch."
Der Earl of Kent lauschte ihrer Bitte und verneigte sich vor ihr. "Wie Ihr wünscht, Mylady." Damit wandte er sich ab und verließ den Wald mit schnellen, energischen Schritten. Bloß fort von hier. Weg von diesem Ort und von der Versuchung, die Mary für ihn darstellte.
Nie wieder durfte er so schwach werden.