William und Joanna - bis 1188

Rob sah seinen Vater unverwandt an als die Fassungslosigkeit in dessen Miene trat. Es war genau das, was Rob erwartet hatte, genau diese Reaktion, diese Empörung ... obwohl er nicht wollte, weckte das seinen Trotz und er atmete geräuschvoll aus. "Das sagte ich doch gerade, oder nicht? Und komm mir bloß nicht damit, ich sei zu jung." hielt Rob dagegen und verengte im nächsten Moment verärgert die Augen. "Natürlich bin ich sicher!" zischte er ungehalten. "Willst du etwa behaupten, ich würde dich anlügen?" Dass sein Vater diese Möglichkeit in Erwägung zog, traf Rob doch mehr als er erwartet hätte. Es enttäuschte ihn, musste er feststellen. In seinen Augen war es eine Sache, wenn er nicht mit der Sprache raus rücken wollte, etwas ganz anderes aber, wenn er die Unwahrheit sagen würde.

Robert nickte langsam. "Das sagtest du. Und ich dachte eigentlich auch nicht, dass du mich anlügst. Aber Reden ist normalerweise nicht der Grund, warum man zu einer Dirne geht, oder nicht? Schön...du glaubst, ich würde es nicht verstehen. Dann erklär es mir.", forderte er ruhig auf.
"Erzähl mir, wie du an sie geraten bist und warum es dich dorthin zieht. Magst du sie? Bist du verliebt?" Er hatte eigentlich gehofft, dass Rob nicht in seine Fußstapfen treten würde, wenn der Junge alt genug war, sondern sich ein standesgemäßes Mädchen aussuchte.
Auch wenn er natürlich der Letzte wäre, der sich Rob in den Weg stellen würde.
"Was ist sie für ein Mädcchen?"

Rob rutschte unglücklich auf seinem Platz hin und her. Am liebsten wäre er aufgestanden und geflüchtet, aber er wusste, dass er das nicht tun konnte. Zumal es ja auch nichts änderte. Rob zuckte noch ein wenig bockig mit den Schultern. "Ich war jedenfalls zum Reden da. Aber was andere Dinge angeht, die man dort tut, bist du mir mit der Erfahrung zweifelsfrei voraus." erwiderte er trotzig.
Dann atmete Rob geräuschvoll aus, nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. "Ja, ich meine nein! Also, ich mag sie, ja, aber nicht so. Ich bin nicht verliebt in sie, sie ist mir eher eine Freundin, wenn ich sie jetzt überhaupt schon so nennen kann." antwortete Rob schließlich pflichtschuldig und seufzte. "Wir, also Stephan und ich, wir ... wir sind an einem Abend Guillaume gefolgt. Uns war langweilig, wir wollten etwas unternehmen, aber er wollte uns nicht mitnehmen und hat ein riesen Geheimnis daraus gemacht wohin er geht. Wir waren neugierig, also sind wir ihm heimlich gefolgt und standen plötzlich in dem Hurenhaus in dem Emma arbeitet ohne dass wir zunächst wussten, wo wir waren." berichtete Rob langsam und senkte den Blick. Ihm war das, was dann kam ein wenig peinlich, wenn er ehrlich war. "Stephan und ich beschlossen, dass wir jetzt nicht mehr kneifen konnten, zumal wir ja auch neugierig waren, also sind wir mit den Mädchen mitgegangen." Robs Stimme war nun eine ganze Spur leiser geworden. "Aber als ich mit Emma allein war, da ... ich konnte einfach nicht. Ich wollte nicht, dass sie so etwas tut, weil ich sie dafür bezahle. Also habe ich gezahlt und bin wieder gegangen und gestern Abend habe ich sie wieder besucht."

Robert deutete ein Lächeln an und schüttelte dann sachte den Kopf. "Weniger als du glauben magst, Rob. Ich war mein ganzes Leben lang noch nicht ein einziges Mal in einem Hurenhaus." Josephine hatte er schließlich an Henrys Hof kennengelernt und dort hatte alles begonnen, dort war auch Rob letztendlich gezeugt worden.
Er unterdrückte ein erleichteres Ausatmen. Na wenigstens hing sein Herz nicht an dem Mädchen, wie Robert schon befürchtet hatte.
"Ihr hattet also eeure Neugierde nicht im Griff und dachtet dann, wenn wir schonmal da sind, kann man es ja mal probieren. Herrje..." Er fuhr sich durch den dunklen Schopf, lauschte dann aber weiter.
"Ich bin stolz auf dich." Offenbar hatte er Rob doch das Richtige vermittelt.
"So etwas sollte auch nicht für Geld passieren. Das hat immer einen faden Beigeschmack. Es ist so viel...mehr, wenn wirklich Zuneigung im Spiel ist. Liebe. Glaub mir, du hast die richtige Entscheidung getroffen. Man sollte diese Hurenhäuser nicht noch unterstützen."

Rob zog eine Augenbraue in die Höhe, gab jedoch keinen Kommentar zu den Worten seines Vaters ab. Er wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, was sein Vater in diesen Dingen schon getan hatte oder nicht.
Er nickte etwas unglücklich. "So ungefähr. Und keiner von uns wollte einen Rückzieher machen, solange wir dort unten standen."
Rob hob die Schultern. "Da muss ich wohl oder übel auf deine Worte vertrauen." Schließlich hatte er bis auf ein paar flüchtige Küsse und ein paar sachte Berührungen nie mehr mit einer Frau geteilt, er hatte also wirklich keine Ahnung von diesen Dingen.
"Aber solange so viele andere Männer dorthin gehen, wird sich nie etwas ändern." bemerkte Rob, den diese Erkenntnis schon früher getroffen und sichtlich deprimiert hatte. "Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich gestern wieder hingegangen bin. Ich wollte ... Emma einfach noch einen freien Abend verschaffen." Und er hatte reden wollen. Hatte mehr über sie und ihre Arbeit erfahren wollen, um zu begreifen, was seine Mutter alles durchgestanden haben musste bevor er zur Welt gekommen war.

Robert seufzte leise. "Natürlich nicht. Dann hättet ihr euch ja blamiert. Ihr seid wirklich zwei Chaoten." Er neigte den Kopf leicht zur Seite. "Das musst du wohl. Aber irgendwann kommt die richtige Frau für jeden von uns, egal, wie lange es dauert. Und wenn es sich richtig anfühlt, vertraue deinem Bauchgefühl. Deinem Herzen."
Aber natürlich hatte Rob recht. "Nein, es wird nichts ändern, wenn nur ein paar Männer beschließen dort nicht mehr hinzugehen. Und es ist auch nicht so einfach. Was würden all die Mädchen denn tun, würden sie auf der Straße sitzen? Das würde ihr Leben nicht besser machen. Wir können nur der einzelnen Person das Leben etwas erleichtern, so wie du es offenbar mit Emma tust."

Rob grinste schief. "So ist es. Und das wollten wir beide nicht riskieren." Er streckte die Beine etwas aus und starrte einen Moment lang auf seine Stiefelspitzen, ehe er nickte. "Ja. Ich wünschte nur, ich könnte öfter zu ihr gehen. Um ihrer und meiner Selbst willen. Aber so eine Nacht ist verdammt teuer." Es war ja nicht so, dass Rob nichts zur Verfügung hatte, aber ein halbes Pfund war trotzdem nichts, was er einfach so bedenkenlos und beliebig oft ausgeben konnte. Schon gar nicht dafür, dass er einfach nur sein Redebedürfnis befriedigte.
Es klopfte an der Tür und Rob stand auf, um Alice das Essen abzunehmen, das sie extra für ihn aus der Küche geholt hatte. Mit dem vollen Teller kehrte er zu seinem Vater zurück und setzte sich wieder. Bei dem Anblick fragte er sich unwillkürlich, wie Emmas Frühstück wohl jeden Tag aussah. Ob sie genug zu Essen bekam oder ob sie es sich gut einteilen musste ...

"Immer dieser Stolz...ich dachte, ihr seid beste Freunde. Da blamiert man sich doch nicht so leicht voreinander. Aber Stephan hat es genauso faustdick hinter den Ohren wie du, was wundere ich mich überhaupt noch?"
Robert beugte sich leicht vor. "Und warum kommst du nicht zu mir und bittest mich um Hilfe?", fragte er dann leise. "Bist du fest der Meinung, sie freut sich wirklich darüber und nutzt dein großes Herz nicht nur aus?", wollte er prüfend wissen.
"Möglicherweise...solltest du einmal mit deiner Tante reden, Rob.", deutete er an. "Vielleicht kann sie dir behilflich sein. Denk einmal darüber nach."
Schließlich hatte Beatrice auch Josephine damals geholfen. Sie konnte sicher noch eine helfende Hand brauchen.
"Und nun iss, sonst wird es heute nichts mehr mit unserer Übungsstunde."

Rob sah auf seine Hände hinab, die auf seinen Oberschenkeln ruhten und knirschte leicht mit den Zähnen. "Weil ich nicht dachte, dass du sonderlich viel davon halten würdest. Ich dachte, du willst nichts davon hören, dass ich zu einer Hure gehe, ganz gleich, was ich dort tue. Wegen Mutter ... ich meine ... wir reden schließlich nie darüber, nicht wahr?" murmelte er leise. Rob sah wieder auf und nickte. "Ja, ich bin mir sicher." Nach der vergangenen Nacht glaubte er fest daran, denn sonst hätte Emma ihm nicht all diese Dinge erzählt und er sich ihr nicht anvertrauen können.
"Mit Tante Beatrice?" fragte er ein wenig verwundert, doch dann begriff er und Rob musste zugeben, dass diese Idee wirklich gut war. Er würde sich bei nächster Gelegenheit darum kümmern und mit seiner Tante sprechen, vielleicht konnte er Emma so ja helfen.
Auf die Anweisung seines Vaters hin, griff Rob nach etwas Brot und Käse und schnitt sich obendrein noch ein Stück von dem guten Schinken ab. Wenn er ehrlich war, war er mittlerweile nämlich reichlich ausgehungert.

"Nun, aber vermutlich bin ich noch derjenige, der dich am besten verstehen kann, Rob. Schließlich habe ich eine Dirne aus ihrem Teufelskreis geholt und geheiratet." Robert grinste schief. "Ich halte nicht sonderlich viel davon, aber ich kann deine Gedanken dahinter durchaus verstehen. Und was deine Mutter angeht...wir reden nie viel darüber, weil es keine Rolle spielt. Weder für deine Mutter noch für mich. Und was dich angeht...für dich war diese Vergangenheit deiner Mutter oft genug Belastung. Das wollten wir von dir fernhalten."
Robert lächelte, als sein Sohn begriff, was er hatte andeuten wollen und nickte anerkennend. "Versuch es, schaden kann es nicht."
Er beobachtete seinen Sohn beim Essen und dachte darüber nach, wie erwachsen Rob geworden war.

Sophie

Sophie saß im Gemach ihrer Schwester in der Fensterbank und sah aus dem Fenster nach draußen. Beatrice war gerade nach nebenan verschwunden, um einen neuen Stoff zu holen, den sie gestern erst bekommen hatte und den sie Sophie zeigen wollte. Normalerweise wäre Sophie einfach rasch mit hinüber gegangen, aber ihr Leibesumfang machte mittlerweile wirklich jede Bewegung unnötig schwierig, so dass sie hier wartete.
Sie wollte gerade den Kopf wenden, da durchzuckte sie ein stechender Schmerz, der Sophie einen Augenblick lang schier die Luft raubte. Sie presste die Hand auf ihren runden Bauch und schloss die Augen. War es das? War das die erste Wehe? Sophie schluckte schwer. Sie würde ihr Kind bekommen und sie musste zugeben, dass sie sich ein klein wenig fürchtete vor dem, was ihr nun bevor stand.
"Bea?" Ihre Stimme klang ein wenig gepresst und sie war sich nicht sicher, ob ihre Schwester sie nebenan überhaupt hörte. Aber so oder so würde Beatrice ja gleich zurück sein.

Beatrice hatte ein wenig Zeit mit Sophie verbracht und war gerade nebenan verschwunden, um den wundervollen neuen Stoff zu holen, den der Schneider ihr gezeigt hatte. Sie hatte gerade die Truhe geöffnet, als sie leise Sophies Stimme hörte, die nach ihr rief.
Sie runzelte die Stirn. Das klang, als sei irgendetwas in Ordnung. Rasch steckte sie den Kopf durch die Tür und musterte Sophie.
"Was ist, Sophie? Alles in Ordnung?" Sie betrachtete ihre jüngste Schwester genauer und erfasste die Situation mit einem Blick.
"Oh, es geht los, nicht wahr? Mach dir keine Gedanken, das wird schon werden.", versuchte sie ihre Schwester aufzumuntern und bot ihr den Arm an.
"Komm, ich helfe dir in deine Gemächer und unterwegs schicken wir einen Diener nach der Hebamme. Möglicherweise sollten wir Harry im Verlies anketten."

Sophie

Sophie nickte leicht. "Ja, ich schätze schon." erwiderte sie mit einem etwas schiefen Grinsen und ließ sich von Beatrice auf die Beine helfen. "Danke, es tut wirklich gut, dass du da bist." bemerkte sie erleichtert und stützte sich auf ihre Schwester. Sophie verzog leicht das Gesicht. "Es wäre besser, wenn er davon erst erfährt, wenn das Kind da ist. Sonst wird er völlig verrückt. Und bei Gott, egal was er tut, ich will ihn nicht in meiner Kammer haben währenddessen!" erklärte Sophie entschieden. Harry hatte sich wirklich Mühe gegeben, aber er konnte nun einmal nicht aus seiner Haut und dementsprechend nervös war er in letzter Zeit auch gewesen. Daher war Sophie ganz froh, wenn er sich irgendwo verkroch, um Gedichte zu schreiben und sie bei ihrer Schwester etwas Ablenkung finden konnte. Sollte Harry nun davon erfahren, dass sie in den Wehen lag, würde er entweder verschwinden und vermutlich erst in zwei, drei Tagen und obendrein völlig betrunken irgendwo wieder auftauchen oder er würde in ihre Kammer gestürmt kommen aus Angst, ihr könnte etwas passieren - und Sophie würde nur nervös werden, wenn er da war.

Beatrice nickte langsam und lächelte. "Keine Ursache, ich werde doch meine kleine Schwester jetzt nicht allein lassen. Ich weiß, wie viel leichter es gerade beim ersten Mal ist, wenn jemand Vertrautes dabei sein kann. Bei mir war es Mutter."
Langsam führte sie Sophie durch den Gang und gestattete ihr kleine Pausen, wann immer es nötig war. Doch sie hatten noch einige Zeit, das wusste sie sicher.
"Nein, nein, du würdest völlig verrückt werden, wäre er dabei. Das können wir dir nicht zumuten. Ich werde Richard einen Diener schicken. Er soll Harry ein bisschen ablenken, er muss ihm ja nicht sagen, was los ist. Zur Not soll er mit ihm ausreiten oder auf den Markt gehen oder irgendein Gedicht durchgehen. Und nun komm, das letzte Stück schaffen wir auch noch."

Sophie

Sophie nickte und konzentrierte sich dann auf den Weg zu ihrem Gemach. Sie kam nur langsam voran und es erschien ihr als würden sie eine halbe Ewigkeit brauchen, aber schließlich hatten sie es geschafft und Sophie ließ sich mit einem erleichterten Seufzen auf das Bett sinken. "Danke. Wenn Richard bei ihm ist, weiß ich wenigstens, dass Harry keine Dummheiten macht. Ansonsten kann man bei ihm ja nie wirklich sicher sein." bemerkte Sophie ein wenig amüsiert. Sie trug die verrückten Eskapaden ihres Mannes mit Gelassenheit, denn genau so hatte sie Harry kennen und lieben gelernt, würde er sich ändern, wäre er einfach nicht mehr ihr Harry. Sie wusste, dass das besonders für Außenstehende mitunter wohl schwer zu begreifen war, aber sie hatte ihr Herz an diesen verqueren Dichter verloren und sie wusste, dass es ihm ganz genau so ging. Und nun würde ihre Familie um ein Mitglied wachsen. Allein der Gedanke daran wie Harry ihr Kind das erste Mal im Arm halten würde, machte es Sophie schon leichter den bevorstehenden Stunden der Qual mit Fassung entgegen zu sehen.



Beatrice drückte beruhigend Sophies Schulter. "Da hast du wohl Recht. Aber Richard wird schon auf ihn aufpassen und du konzentrierst dich nun schön auf dich selber. Damit hast du genug zu tun. Falls es dich beruhigt, ich konnte Richard auch nie in meiner Nähe ertragen und hatte lieber meine Ruhe." Ihr Vater war da völlig anders. Er war nie von der Seite seiner Gemahlin gewichen, wenn diese in den Wehen lag. Aber ihr Vater hatte auch in dieser Hinsicht ein ausgeglicheneres Gemüt.
Sie trat kurz aus der Tür, um die entsprechenden Anweisungen zu geben, dann kehrte sie zu Sophie zurück und half dieser, sich aus ihrem Kleid zu befreien.
"Kaum zu fassen, dass du heute Mutter wirst...ich weiß noch so gut, wie du zur Welt kamst. Damals war ich frisch mit Richard verheiratet."

Sophie

Sophie lachte leise. "Da hast du wohl Recht." Aber sie musste zugeben, dass sie trotz einer leichten Nervosität eigentlich recht gefasst war. Sir freute sich auf das Kind und solange nur alles gut ging und sie beide am Ende wohlauf waren, war ihr alles andere egal.
Kaum hatte Beatrice ihr aus dem Kleid geholfen und Sophie sich auf dem Bett niedergelassen, als die nächste Wehe durch ihren Körper zuckte. Sophie biss die Zähne aufeinander und versuchte sich zu entspannen als der Schmerz wieder abebbte. "Ja, verrückt, nicht wahr?" erwiderte sie ein wenig atemlos. "Und wer weiß, dein Guillaume ist nur ein Jahr jünger als ich, vielleicht macht er dich bald zur Großmutter." neckte sie ihre Schwester augenzwinkernd.

Beatrice stimmte in das Lachen ein. "Gut, dass Harry dich so abgehärtet hat. Dich schockt so leicht nichts mehr, das steht fest. Es gibt auch keinen Grund zur Beunruhigung. Die Schwangerschaft lief so problemllos, warum sollte das nun bei der Geburt anders sein?"
Beatrice setzte sich neben Sophie und stand ihr bei, als die nächste Wehe einsetzte. "Das Wichtigste ist, dass du einfach weiter atmest."
Dann verzog sie das Gesicht.
"Um Gottes Willen...lass mir damit noch ein bisschen Zeit, so alt bin ich nun auch wieder nicht. Allerdings ist Guillaume ein kleiner Herzensbrecher, fürchte ich. Ich will es nicht hoffen, aber sicher sein kann ich mir nicht, dass ich nicht irgendwo schon ein Enkelkind habe."

Sophie

Sophie schnitt eine leichte Grimasse, grinste dann aber. "Das stimmt. Auch wenn ich auf seine dramatische Art der Abhärtung durchaus hätte verzichten können." Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und strich leicht darüber. "Dein Wort in Gottes Ohr. Solange wir beide hinterher gesund sind, bin ich zufrieden."
Es tat unglaublich gut, dass Beatrice bei ihr war und dass sie beide zwischen den einzelnen Wehen ein wenig plauderten, das beruhigte Sophies Nerven noch ein wenig. "Das ist er wohl." erwiderte Sophie als sie nach einer weiteren Wehe wieder zu Atem gekommen war. "Aber wenn dem so ist, dann weiß er es auch nicht. Andernfalls wäre das Kind sicher hier. Ganz egal wie er den Mädchen den Kopf verdreht, er ist trotzdem anständig." Da Sophie und Guillaume nur ein einziges Jahr Altersunterschied trennte, waren sie sich etwas näher gekommen seit Sophie hier war und sie waren durchaus Freunde geworden. Sophie konnte ihren Neffen gut leiden, er war ein charmanter, höflicher Mann geworden und sie hoffte, dass sie eines Tages auch so von ihren eigenen Söhnen sprechen konnte.

Beatrice grinste zurück. "Das kann ich mir vorstellen. Ich hätte Richard vermutlich hinterher eigenhändig umgebracht, wenn er mich in eine solche Lage gebracht hätte. Aber dein Harry ist nun hoffentlich ein bisschen klüger und erwachsener geworden. Spätestens wenn er dieses Kind auf dem Arm hat, wird er Verantwortung übernehmen müssen. Die hat er für dich zwar auch, aber du kannst auch ausgezeichnet auf dich allein aufpassen."
Sie legte den Kopf zur Seite. "Ja, wenigstens das ist mir gelungen. Er ist seinem Vater so unglaublich ähnlich, das ist manchmal wirklich schwierig. Aber er ein guter Mann geworden. Ich bin sehr stolz auf ihn." Sie hob den Kopf, als es klopfte und die Hebamme hinein kam und schenkte der älteren Frau ein Lächeln. Diese hatte auch ihr schon öfter einmal beigestanden.

Sophie

"Oh, das ist er. Und ich bin sicher, er wird - auf seine Art - ein wundervoller Vater." erwiderte Sophie, musste dann mit dem Sprechen jedoch innehalten da ihr eine weitere Wehe vorerst die Luft raubte. Wenig später lehnte sie sich etwas gegen Beatrice und lächelte matt. "Das kannst du auch. Stolz auf ihn sein, meine ich. Er macht dir alle Ehre und ich bin sicher, dass er das auch tun wird, wenn er irgendwann sein Erbe antritt."
Das Eintreffen der Hebamme brachte ihr Gespräch vorerst zum Erliegen, da die ältere Frau mit ihren Vorbereitungen begann und Sophie ein paar Hinweise und Ratschläge gab. Es würde ein langer Tag werden, so viel stand fest, aber am Ende würde es sich gelohnt haben, das wusste Sophie genau.

Richard hatte Beatrices Botschaft mit gemischten Gefühlen aufgefasst. Es war ihm nicht allzu recht, seinem Bruder etwas derart Wichtiges verschweigen zu müssen wie die Geburt seines Kindes, aber Richard wusste auch, dass Harry unausstehlich sein würde, wenn er erfuhr, dass Sophie in den Wehen lag.
Also hatte er Harry gesucht und ihn in der Halle an einem der großen Tische gefunden.
"Ah, Harry, hier bist du....was treibst du, Bruderherz?", fragte er neugierig und setzte sich ohne zu zögern neben ihn, um ihm aufs Papier zu schauen.
"Ein neues Werk? Lass mich raten, wieder einmal für Sophie?", bemerkte er amüsiert und klopfte Harry auf die Schulter. Er würde ihn schon ablenken.

Harry

Wie so oft saß Harry in der großen Halle, hatte einen Stapel Pergament bei sich und ließ sich von dem Leben um ihn herum inspirieren. Er hatte bereits einen guten Teil seines neuen Gedichtes niedergeschrieben als Richard sich zu ihm setzte. Harry grinste. "Wonach sieht es denn aus?" erwiderte er neckend und schob das Blatt ein wenig zu Richard hinüber, damit er besser lesen konnte. "Wieder einmal, ja." bestätigte er mit sanftem Lächeln. "Sie hat es mit ihrer Schwangerschaft mittlerweile wirklich nicht mehr ganz leicht und ich will sie damit ein wenig aufheitern. Ich hoffe wirklich, dass es nicht mehr lange dauert, irgendwie tut sie mir wirklich Leid." Er versuchte alles mögliche, um Sophie das Leben zu erleichtern, aber letztlich musste sie das Kind austragen und dabei konnte er nicht helfen.

Richard grinste und las den ersten Teil des Gedichtes. "Dein Talent hätte ich manchmal gern....das ist wieder einmal wundervoll. Es klingt sehr stimmig. Wenn ich mich an so etwas versuche, ist es entweder sehr kitschig oder völlig unbrauchbar."
Dabei würde es Beatrice sicher auch gefallen, wenn sie einmal ein Gedicht bekommen würde wie ihre kleine Schwester. Eines, das er geschrieben hatte und nicht Harry.
"Oh, so geht es ihnen am Schluss immer. Aber letztendlich ertragen sie es gutmütig, weil sie später ihr Kind im Arm halten können. Du wirst sehen, Harry, du wirst völlig neue Seiten an deiner Frau und auch an dir selber entdecken. Kinder sind etwas Wundervolles. Aber es wird sie sicher freuen, wenn du sie ein bisschen aufheiterst."

Harry

"Ach, wenn du dir Mühe geben würdest, wäre es schon nicht so schlimm." erwiderte Harry und grinste. "Aber sieh es so, dafür hast du eine deutlich bessere Singstimme als ich." bemerkte er augenzwinkernd und lachte dann auf. "Ja, vermutlich. Es ist irgendwie seltsam, dass ich bald Vater werden soll ... ich glaube, ich begreife es erst, wenn ich das Kind eines Tages wirklich auf dem Arm halte. Im Moment kommt es mir immer noch unwirklich vor."
Harry streckte die Beine unter dem Tisch aus und sah Richard aufmerksam an. "Und was ist mit dir, hm? Hast du plötzlich Langeweile, dass du dich hier am helllichten Tag zu mir gesellst und dich dem Müßiggang hin gibst?"

"Nein, wirklich....es ist nicht gut. Ich habe es einmal versucht. Beatrice war zwar wirklich gerührt, dass ich es versucht habe, aber sie hat mir geraten, mich doch auf andere Talente zu verlassen. Dichten gehöre nicht ganz so dazu. Ich glaube, singen wäre ihr in der Tat lieber."
Richard unterdrückte ein Grinsen. "Oh, das wirst du früh genug erfahren, wenn sie dich nachts aufweckt, weil sie Wehen bekommen hat. Glaub mir, die Kleinen wollen meistens nachts hinaus." Wenn es diesmal auch anders war, aber das musste Harry ja nicht wissen.
Er lehnte sich zurück und erwiderte Harrys Blick. "Ich dachte, ich mache eine Pause. Heute gibt es nur so furchtbar langweiligen Papierkram zu erledigen...und da Bea und Sophie gerade die Köpfe zusammen stecken, wollte ich sie nicht unterbrechen. Du weißt ja, wie sie sind. Wenn sie einmal anfangen zu reden, hören sie nicht mehrauf. Da dachte ich, ich sehe einmal, was deine Nerven so treiben."