William und Joanna - ab 1183

"Oh, das ist wahrhaftig ein Fortschritt. Du hast wirklich so großen Einfluss auf sie wie wir gehofft haben. Wir haben oft versucht sie in unsere Mitte zu holen, wenigstens für eine Weile, aber sie hat immer frostig abgelehnt. Mary war schon ziemlich geknickt, eigentlich sind sie ja Freundinnen." Aber es war nicht Mary, die Helenes Herz nahe genug stand um sie auch in Schockstarre berühren zu können. "Es wird ihr gut tun einmal wieder unter Menschen zu kommen."
Auch Charles verzog leicht das Gesicht, als sie von Raphael sprachen. "Ich weiß. Mir tut es auch jedes Mal furchtbar leid. Du wirst ihn sicher etwas aufheitern und wenn Helene langsam ein bisschen ins Leben zurück findet, wird das auch helfen."
Er lächelte matt. "Wie geht es Claire und den Kindern? Hat Michael sich gut in Oxford eingelebt?" Der Junge war schließlich lange hier in Dover bei Helene groß geworden.

Edward schenkte seiner Schwester ein mattes Lächeln. "Nimm's nicht zu tragisch. Ich glaube, du bist auch einfach zu feinfühlig dafür. Ich ... habe ziemlich drastische Worte gefunden in unserem Gespräch vorhin, das hat sie natürlich in Tränen ausbrechen lassen, aber so bin ich wenigstens durch diesen Wall gekommen, den sie um sich gezogen hat. Wenn sie sich jetzt erst einmal wieder heraus traut, wird sie schnell merken, wie gut es tut, eine Freundin wie dich ebenso an ihrer Seite zu haben. Nicht nur so einen Holzklotz wie mich."
Edward nickte. Er würde sein Bestes geben, um auch Raphael wieder in gute Stimmung zu versetzen und er hoffte darauf, dass der Junge noch klein genug war, um diese düstere Phase einfach abzustreifen.
"Gut. Claire war ... nicht allzu erbaut darüber, dass ich hergekommen und hätte mich gerne begleitet. Ich glaube, sie versteht nicht wirklich, was Helene und mich noch verbindet ... aber letztlich hat sie mich ziehen lassen." Auch wenn Edward das Gefühl hatte, dass diese Sache noch ein Nachspiel haben würde. "Und Michael macht sich hervorragend. Er hat sich im Handumdrehen alle Bewohner der Burg zu Freunden gemacht. Sicher vermisst er seine Mutter, euch und seine alten Freunde hier ab und an, aber er kommt in Oxford immer besser zurecht und seit einer Weile stecken Raymond und er viel zusammen und ... naja, stellen einigen Unfug an, wenn man sie unbeobachtet lässt. Ich hoffe, meine Burg wird nicht vollständig geschleift während ich weg bin."

"Ich denke aber, drastische Worte waren dringend einmal notwendig. Du weißt immerhin genau, wovon du redest. Eine solche Regung ist schon mehr, als wir gehofft haben. Es ist einfach, als hätte man die Mauer durchbrochen."
Charles hob die Schultern. "Man kann es irh vermutlich nicht verdenken. Du warst nie ein Kind von Traurigkeit und Helene ist eine Weile ihre Konkurrentin gewesen. Doch Helenes Gesundheit ist in dieser Hinsicht wichtiger als Claires vielleicht verletzter Stolz. Es freut mich, dass Michael sich so gut eingefunden und Freude gewonnen hat. Wir haben ihn immer gern hier gemacht, er macht dir wirklich Ehre. Ich bin sicher, er wird ein hervorragender Ritter. Aber ich hoffe, dein Steward ist ein fähiger Mann, sodass du deine Mauern noch intakt vorfindest."
Er grinste ein wenig breiter. "Zwei Söhne mit deinem Feuerkopf können schließlich nur Unfug fabrizieren, hm?"

"Ja und ich hatte nicht wirklich etwas damit zu verlieren, nicht wahr? Mir ist es lieber, sie wird wütend auf mich, weil meine Worte sie treffen als dass sie vollkommen unbeteiligt bleibt. Und es ist bei Weitem nicht so schlimm gewesen, wie ich erwartet hatte. Helene hätte ich zugetraut, dass sie mir die Augen auskratzt." Aber was nicht ist, konnte ja noch werden. Edward machte sich nichts vor, nur weil er Helene heute einmal aus ihrem Schneckenhaus heraus zwang, bedeutete das noch lange nicht, dass es von nun an jeden Tag so weiter gehen würde. Er wusste wie schwer dieser Weg war und wie leicht man auch wieder zurück fiel in dieses düstere Loch der Trauer.
Edward seufzte leise. "Wohl wahr. Und ich bin froh, dass sie mir keine große Szene deswegen gemacht hat. Sie war nicht wirklich glücklich, aber ich denke, sie hat es letztlich doch verstanden." Er lächelte und neigte leicht den Kopf. "Danke. Ich weiß wirklich zu schätzen, was ihr für mich und meine Kinder tut und es freut mich, dass ihr solchen Gefallen an den Jungen habt. Ich weiß, dass das, was Michael und auch Raphael heute sind, Helenes und euer Verdienst ist, nicht der meine." Er war zwar öfter zu Besuch gekommen, aber das machte letztlich nicht die tägliche Erziehung aus, die in vor allem in Helenes Händen gelegen hatte. Und auch deswegen war Edward hier, denn Helene hatte ihm nicht nur zwei Söhne geschenkt, sondern sie auch zu wundervollen Menschen herangezogen.
"Und wie steht es bei euch? Neben diesem Schicksalsschlag ist hoffentlich alles in Ordnung?"

Charles nickte. "Du hast Recht. Alles ist besser als diese Starre, in die sie verfallen ist." Er hob die Schultern. "Sie ist manchmal etwas unberechenbar. Ich hätte nicht vorhersehen können, wie sie auf dich reagiert. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass sie dich nicht sehen will. Eure Beziehung konnte ich noch nie verstehen."
Charles winkte ab. "Wir sind froh mit ihnen. Sie sind lebhafte kleine Kobolde und verstehen sich gut mit unseren Kindern."
Er legte Mary den Arm um die Schultern. "Es geht uns gut. Wir hatten ein bisschen...unerwarteten Besuch, aber wir haben uns alle ganz gut arrangiert. Wir können uns nicht beschweren. Alexanders Tod hat uns auch nochmal vor Augen geführt, dass man jeden Moment zusammen genießen sollte. Daran versuchen wir uns zu halten."

Edward musste grinsen. "Da bist du wahrlich nicht der Einzige." Er konnte von sich selbst auch kaum behaupten, dass er sein Verhältnis zu Helene je wirklich verstanden hätte. Am Anfang ihrer Ehe hatten sie nicht aufeinander treffen können ohne dass sie beide einander fast den Hals umgedreht hätten und irgendwann war diese Energie zwischen ihnen umgeschlagen und sie hatten zum ersten Mal miteinander geschlafen. Von da an hatte sich nach und nach so einiges geändert, verrückt gewesen war es aber bis zum Ende ihrer Ehe, ja bis heute geblieben.
Edward musterte seine Schwester und ihren Gemahl und entschied, Mary in einem ruhigen Moment einmal nach diesem unerwarteten Besuch zu fragen, aber nicht jetzt. "Es freut mich, dass es euch gut geht. Das habt ihr wirklich mehr als verdient." bemerkte er und seufzte dann leise. "Aber ich fürchte, ich muss euch fürs Erste wohl auch schon wieder verlassen und mein Versprechen Raphael gegenüber einlösen. Ich schätze, ich werde hier jede Menge zu tun bekommen in den nächsten Tagen."

Es war ein paar Tage her, dass Edward nach Oxford gekommen war. Jeden Tag versuchte er sie hinaus zu locken und hielt ihr mal mehr, mal weniger hart den Spiegel vor. Es tat gut, dass er ihr sagte, was sie tun sollte. Und er verstand sie. Besser, als jeder andere hier. Und auch, wenn sie immer wieder in die Düsternis fiel, hatte sie immer wieder Phasen in denen ihr nicht mehr alles ganz egalwar. Manchmal schafte sie es auch für eine Stunde mit den Kindern in den Garten.
Edward hatte sie heute nach einem Spaziergang wieder zurück in ihre Gemächer begleitet. "Ich...bin wirklich froh, dass du hier bist."
Das gab ihr das Gefühl nicht mehr allein zu sein. Es war Unsinn, auch Mary und Charles waren für sie da gewesen. Es war trotzdem etwas Anderes.
"Wie lange wirst du bleiben?" Was sollte sie nur ohne ihn tun?

Edwards Vermutung hatte sich durchaus bewahrheitet, denn er verbrachte nahezu jede Minute seines Tages mit Helene oder mit den Kindern, versuchte seine einstige Gemahlin aus ihrem düsteren Loch zu ziehen und gleichzeitig den Kindern, allen voran natürlich Raphael, ein wenig Sicherheit zu vermitteln. Und abends fiel er meist wie ein gefällter Baum ins Bett, erschöpft von der mentalen Stärke, die er aufbringen musste. Die Zeit mit Helene erinnerte ihn immer wieder auch an seine eigenen finsteren Stunden, Tage und Wochen nach Julias Tod und diese Erinnerungen zu bändigen, war ebenfalls ein gutes Stück Arbeit.
Aber es schien Erfolg zu haben, Helene traute sich jeden Tag ein wenig vor die Tür, manchmal sogar zu den Kindern und allein das war für Edward Lohn genug für die Anstrengungen.
Auch heute hatten sie einen Spaziergang durch den Garten gemacht und Edward hatte Helene nun zurück zu ihrem Gemach begleitet. Er schloss die Tür hinter sich und grinste schief. "Wer hätte jemals erwartet, dass du so etwas einmal wieder sagen würdest, hm?" bemerkte er, zuckte dann aber mit den Schultern. "Solange wie es nötig ist. Mach dir nur keine Hoffnungen, du wirst mich nicht in ein paar Tagen schon wieder los sein." neckte Edward.

Helene seufzte leise, lächelte matt und hob die Schultern. "Ich sicherlich nicht. Wobei wir uns wirklich gut verstanden haben zwischenzeitlich. Bevor alles den Bach hinunter gegangen ist, waren wir glücklich. Es war eine gute Zeit."
Das hatte sie immer zugeben können. Und auch Alexander hatte das gewusst. Alexander....immer wenn der Gedanke an ihn nach einer Weile der Ablenkung aufkam, schmerzte es heftig und sie musste sich wirklich zusammen nehmen, damit sie nicht sofort wieder in Tränen ausbrach. Immer wieder dachte sie, sie müsse einen Gedanken mit ihm teilen und dann fiel ihr ein, dass das nicht mehr ging.
"Ich weiß nicht, wie es ohne dich gehen soll, wenn ich ehrlich bin. Also ist mir nicht sonderlich daran gelegen, dass du wieder gehst.", gestand sie dann.
"Ich fürchte mich ein wenig...die Ablenkung tut gut, aber sobald ich allein bin, kommen die Schatten wieder. Manchmal bin ich wütend, weil ich denke, ich verrate ihn, wenn ich mich meiner Trauer nicht hingebe und mich von dir ablenken lasse."

Edward lächelte, nicht ohne Selbstironie. "Bevor ich alles ruiniert habe, meinst du?" Sicher, Helene hatte sich in seiner Abwesenheit Alexander zugewandt und das hatte ihn bei seiner Rückkehr wirklich hart getroffen, aber er hatte ihr vorher immerhin mehr als genügend Gründe dazu geliefert. Er war sich durchaus bewusst, dass er die meiste Schuld am Scheitern ihrer Ehe trug.
Edward zuckte unbekümmert mit den Schultern. "Das wird sich schon finden. Gib dir und allem anderen einfach Zeit, ich bin ja im Grunde erst hier angekommen. Und bisher schlägst du dich wirklich gut, besser als ich seinerzeit, so viel ist sicher." Edward trat zu Helene und griff nach einer ihrer Hände, um sie leicht zu drücken. "Du wirst lernen die Schatten auch zurück zu halten, wenn du alleine bist. Aber ... vorher musst du aufhören, solche törichten Dinge zu denken. Glaubst du wirklich, was du da erzählst? Wieso solltest du ihn verraten, wenn du versuchst, dein Leben zu leben? Was bringt es ihm, wenn du hier in Trauer versinkst? Nichts. Und seinem Andenken hilft das auch nicht weiter. Das tut es viel mehr, wenn du in das Leben zurück kehrst und all die guten Werke fortführst, die er begonnen hat. Besonders in Form eurer Kinder. Solange ihr euch an ihn erinnert, wird er niemals ganz aus der Welt verschwinden."

Helene schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht...Wir sind Beide Schuld daran. Du hast mir Grund genug gegeben, aber ich hätte dich nicht anlügen dürfen. Ich hätte dir sofort reinen Wein einschenken sollen. Ich hatte nur einfach solche Angst..."
Sie seufzte tief. "Manchmal vielleicht....aber ich habe nicht das Gefühl, als hätte ich mich sonderlich gut im Griff." Sie erwiderte seinen Händedruck.
"Es wird lange dauern, bis ich das gelernt habe. Und ja, bedauerlicherweise glaube ich das wirklich. Es fühlt sich so an. Ich frage mich, warum mir das Leben vergönnt ist, ihm aber nicht. Du hast wahrscheinlich Recht und es nützt niemandem etwas, wenn ich mein Leben verschwende. Aber ich muss das erst begreifen. Und du hast ja Recht, die Kinder tun mir gut. Meistens zumindest."
Helene biss sich auf die Unterlippe. "Und obwohl ihr alle hier um mich seid, fühle ich mich verlassen und einsam. Kennst du dieses Gefühl? Einsam zu sein unter all diesen Menschen um einen herum..."

Edward lächelte schief. "So versöhnlich heute. Du lässt mich ja beinahe in gutem Licht dastehen." bemerkte er und nickte dann. "Es wird lange dauern, da hast du Recht. Aber du wirst es lernen und verinnerlichen, sei versichert."
Als Helene sich auf die Unterlippe biss, betrachtete er sie einen Moment lang versonnen und ihm kamen unzählige Gelegenheiten in den Sinn bei denen sie das früher schon getan hatte. Edwards Blick wanderte wieder zu ihren Augen und er seufzte leise. Und wie er dieses Gefühl kannte. Es war so unglaublich lange sein ständiger Begleiter gewesen. "Man fühlt sich leer und dumpf, fast wie hinter Mauern ... nein, wie hinter Pergament oder Glas. Man kann hindurchsehen, aber der Blick, den man auf seine Welt um sich herum erhascht ist verschwommen und man ist nicht wirklich Teil von allem." erwiderte er leise. "Man steht in einem Raum voller Menschen, voller Leben und fühlt sich dennoch als wäre man allein in einer finsteren Höhle." Und er hatte weiß Gott vieles angestellt in dem Versuch dieses Gefühl zu vertreiben. Er hatte sich verkrochen, hatte gesoffen, gehurt, schließlich zum Opium gegriffen, aber nichts hatte dauerhaft geholfen. "Und je mehr Menschen um einen herum sind und je mehr sie sich um einen bemühen, desto schlimmer wird die Einsamkeit ..."

Helene warf ihm einen sanften Blick zu. "Mit Abstand lassen sich manche Dinge besser beurteilen, weißt du. Und ich schätze, all das stimmt mich ein bisschen milde. Außerdem weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, was du hinter dir hast...Wie soll ich dir verdenken, dass du dich nie so recht auf mich einlasssen konntest?"
Helene schaute Edward an und ihr Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an.
"Ja...", hauchte sie. "Du verstehst mich noch so viel besser, als ich dachte..." Helene seufzte leise und schlang die Arme um seine Hüfte.
"Und die Wärme eines anderen Körpers ist manchmal das Einzige, was einen in der Welt des Diesseits hält.", murmelte sie.
"Ich bin dankbar, dass du hier bist. Ich wüsste nicht, was ich täte... Dein Herzschlag...er lässt mich spüren, dass wir noch leben."

Edward stieß geräuschvoll den Atem aus. "Es freut mich, dass dein Urteil über mich mittlerweile milder ausfällt, aber ... ich wünschte wirklich, du wärst nicht auf diesem düsteren Weg zu solch neuen Erkenntnissen gekommen." Das konnte man einfach niemandem wünschen.
Der gequälte Ausdruck auf Helenes Miene sorgte dafür, dass sich Edwards Herz schmerzhaft zusammen zog. Wie oft hatte er sie verflucht in ihrer Ehe, wie oft hatte er sich gewünscht ihr den Hals umdrehen zu können ... aber er hatte sie nie wirklich leiden sehen wollen. Und das konnte er auch heute nur schlecht ertragen.
Daher legte er auch ganz von selbst die Arme um Helene, als sie die ihren um seine Hüfte schlang, und zog sie fest an seine Brust. Edward schloss die Augen und vergrub das Gesicht leicht in ihren Haaren. "Ja, das tun wir." murmelte er leise. "Wir haben das, was uns das Liebste auf der Welt war verloren und sind durch wahrlich finstere Täler gewandert, aber wir leben." Und das war eine Menge wert, hatte er gelernt. Nur langsam zwar, aber er hatte erkannt, dass er auch ohne Julia sein Leben weiterführen konnte.

Helene nickte. "Das wünschte ich auch. Aber besser als nie, nicht wahr?" Es verblüffte sie immer wieder, wie sehr ihre Beziehung doch noch existierte. Wie nah sie einander waren, beinahe noch näher als während ihrer Ehe, wenn auch auf anderer Ebene. Sie waren Freunde.
Sie schmiegte den Kopf an seine Brust und fühlte sich zum ersten Mal wieder wirklich geborgen. Er vermittelte ihr eine Sicherheit, nach der ihr Herz sich so sehr sehnte.
Sie regte sich leicht und sah zu ihm auf, dann streckte sie sich und küsste ihn verzweifelt. Sie wollte ihn spüren, damit es sie spüren ließ, dass sie am Leben war.
Sie wollte einmal wieder lebendig sein und vergessen, was passiert war. Das konnte man ihr wirklich nicht übel nehmen, nach allem, was sie hinter sich hatte.
"Bitte, Ed....ich will leben..."

Edward spürte eine leichte Gänsehaut auf den Armen als Helene den Kopf an seine Brust schmiegte. So nah, so vertraut waren sie lange nicht miteinander gewesen. Und es überraschte ihn tatsächlich nicht als Helene zu ihm aufsah und im nächsten Moment ihre Lippen die seinen für einen verzweifelten Kuss fanden. Auch an ihm waren die letzten Tage nicht spurlos vorbei gegangen, auch er hatte dieses altvertraute Knistern zwischen ihnen gespürt. Und auch er konnte nicht widerstehen, wollte diesem Gefühl nachgeben, ganz besonders jetzt, da sie beide durch dieses Erlebnis scheinbar zu einer ganz neuen Art der Verbundenheit gefunden hatten.
Edward legte eine Hand an ihre Wange, die andere schien regelrecht an ihrer Taille zu kleben, und zog den Kuss noch etwas in die Länge. "Das wirst du." wisperte er gegen ihre Lippen und suchte diese dann für einen weiteren Kuss.
Ein leises, kleines Stimmchen in ihm erinnerte ihn an Claire, die zu Hause in Oxford doch auf ihn wartete, aber er ignorierte es. Dafür war das, was sich zwischen Helene und ihm angestaut hatte und sie nun wie ein Sommergewitter zu entladen drohte, viel zu übermächtig.

Helene verspürte vage Erleichterung, als Edward sie nicht abwies. Aber auch er spürte, was zwischen ihnen war und wie sehr sich sich danach sehnten, das was geschen war, so zu verarbeiten. Sie klammerten sich regelrecht verzweifelt aneinander.
Sie erwiderte den Kuss hemmungslos und begann ihn von seinen Kleidern zu befreien, beinahe fiebrig. Sie wollte ihn jetzt haben, auf der Stelle und es tat so gut, diesen warmen, muskulösen Leib an ihrem zu spüren.
Es hatte nichts damit zu tun, dass sie ihre Liebe verriet, denn sie liebte Edward nicht. Nicht auf diese Weise. Es war etwas Körperliches, das ihnen beiden half. Sie Beide wollten das Leben feiern und Erinnerugen schaffen.
"Ich will dich haben..."

Helene zögerte nun auch nicht mehr lange, sondern machte sich sogleich daran ihn auszuziehen. Zwischen zwei Küssen lachte Edward heiser auf und begann dann ebenfalls damit sie aus ihrem Kleid zu schälen.
Dieser Wunsch danach mit Helene zu schlafen, ihnen beiden zu beweisen, dass sie wohlauf und am Leben waren, war einfach viel zu groß, um ihn zu ignorieren. Und erst jetzt, da er diese Sache mit Helene durch stand, wurde Edward bewusst, wie sehr Julias Verlust ihn in gewisser Weise immer noch beschäftigte. Anders als früher, aber seine Erfahrungen und vor allem seine Gefühle mit Helene zu teilen und verstanden zu werden, hatte etwas Befreiendes.
"Wie gut, dass du mich auch bekommst ..." wisperte er als er eilig ihr Kleid samt Unterhemd von ihren Schultern schob und seine Hände sich sogleich daran machten, die nun entblößte Haut zu erkunden.

Gemeinsam taumelten sie zum Bett hinüber und Helene ließ sich bereitwillig von Kleid und Unterhemd befreien. Achtlos blieb es am Boden liegen und sie griff nach seiner Hand, führte sie zu ihrer Brust. Sie kannten einander gut, hatten schon oft das Bett miteinander geteilt und bis auf ihre Hochzeitsnacht auch immer wirklich viel Spaß miteinander gehabt.
Im Bett ergänzten sie sich hervorragend, auch wenn ihre Zusammenkünfte meistens heftig und leidenschaftlich waren. Von Zärtlichkeit waren sie eher seltener geprägt gewesen.
"Überaus gut..."
Sie schnürte seine Hose auf und schob sie hinab, zog ihn dann mit sich auf das breite Bett. Ihre Hände wanderten über seinen Rücken, erkundend, bereit sich an seinem breiten Kreuz festzuhalten. Und man musste ihm lassen, dass er immer wert darauf gelegt hatte, dass sie auch auf ihre Kosten kam. Deshalb sehnte sie sich umso mehr nach ihm.
Er war, wie er war, aber das war gut so.

Edward stöhnte leise auf als Helene seine Hand so ohne zu zögern zu ihrer Brust führte. Es war ein nahezu berauschendes Gefühl ihren Körper neu zu entdecken, die vertrauten Formen nachzufahren und jede kleine Veränderung aufzunehmen.
Er hielt bereitwillig still als Helene seine Hosen aufschnürte und folgte ihr dann aufs Bett, beugte sich über sie und fing sie in einem innigen Kuss. Ohne noch länger zu zögern glitten seine Hände ihre Schenkel entlang und schoben sie auseinander, damit er zwischen sie gleiten konnte. Edward hatte das Gefühl fast zu zerspringen vor Ungeduld und so gab er sich nicht die geringste Mühe sein Stöhnen zurück zu halten als er in Helene eindrang und sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder vereinte.

Helene ließ sich zurück sinken, erwiderte den Kuss. Sie genoss seine rauen Hände auf ihrer Haut und öffnete bereitwillig die Schenkel, als er sie dazu aufforderte. Sie grub die Fingernägel in seinen Rücken, als er ungeduldig in sie eindrang und stöhnte auf.
Es war ein gutes Gefühl und sie bewegte ihm die Hüfte entgegen. Sie erwiderte jede seiner Bewegungen mit Hingabe.
Es war das erste Mal seit Wochen, dass sie sich vollkommen fühlte. Das Schicksal hatte sie unwiderruflich an diesen Mann gebunden, das war ihr klar. Sie ergänzten sich wundervoll, so oft sie auch stritten. Für eine Ehe war es nicht genug gewesen auf Dauer, aber das änderte nichts an dem tiefgreifenden Verständnis, dass sie füreinander besonders in den letzten Tagen entwickelt hatten.
Sie schlang die Beine um seine Hüften, forderte ihn auf, einen Zahn zuzulegen. Sie wollte all die Wucht der Emotionen herauslassen.

Edward keuchte auf als sich Helenes Fingernägel in seinen Rücken gruben und lachte dann leise. "Du kleine französische Furie ..." wisperte er atemlos, ein Grinsen auf den Lippen. Es war nichts neues, dass sie im Eifer des Gefechts grob zueinander wurden, das war früher schon gelegentlich passiert, aber es hatte ihrer beider Verlangen nie Abbruch getan, im Gegenteil. Wenn sie einmal gestatteten, dass ihre Gefühle sie übermannten, dann schenkten sie sich beide nichts, trieben sich immer weiter voran.
Edwards Augen funkelten als Helene die Beine um seine Hüften schlang. Er wusste nur zu gut, was sie von ihm wollte und kam ihrer stummen Aufforderung nur zu gerne nach. Er wurde schneller, seine Stöße energischer und sein Atem heftiger. Edward beugte sich ein wenig vor, damit seine Lippen Helenes Ohr näher kamen. "Komm, lass es mich hören ..." raunte er ihr zu. Er wollte sie schreien hören, wollte hören, wie sie ihre Lust der Welt kundtat und wie sie ihre aufgewühlten Gefühle heraus ließ.

Helene gab jegliche Hemmung auf und genoss diesen heftigen, leidenschaftlichen Akt in vollen Zügen. Es spornte sie nur noch weiter an, wenn er sie so beschimpfte und schließlich kam er ihrer stummen Aufforderung nach, wurde schneller und gieriger.
Sie lachte heiser auf und ließ sich gehen, tat ihm den Gefallen und tat ihre Lust hemmungslos kund. Die Spannung zwischen ihnen entlud sich wie ein Sommergewitter und schließlich lagen sie ermattet nebeneinander.
Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, sie lauschte seinem schnellen Herzschlag. Sie ließ die Fingerkuppen über seine schweißfeuchte Haut wandern.
"Das hat so gut getan, Ed..." Und er hatte sie auch gewollt. Er hatte an dieser Sache genauso zu knabbern wie sie, nur auf andere Weise.

Edwards Augen leuchteten zufrieden auf als Helene auflachte und dann seinem Wunsch nachkam. Ihre Stimme brachte ihn beinahe um den Verstand und so entlud sich die ganze angestaute Energie zwischen ihnen nur wenig später.
Edward ließ sich neben Helene auf das Bett fallen und legte die Arme um sie als sie sich an ihn schmiegte und den Kopf an seine Schulter bettete. Er beobachtete ihre Finger die nun erstaunlich sachte über seine Haut strichen und brummte zustimmend. "Wie gut, dass ich hergekommen bin." Murmelte er und grinste ein wenig matt. Ihn beschlich langsam der Verdacht, dass er diese ganze verrückte Sache hier mindestens genauso sehr brauchte wie Helene und es nicht nur aus Selbstlosigkeit heraus tat, aber er war bei Weitem noch nicht bereit das ihr gegenüber offen zuzugeben.
Stattdessen grinste er und suchte ihren Blick. "Mach nur so weiter, Teuerste, dann fang ich gleich nochmal von vorne an." prophezeite er heiter.

Helene nickte zustimmend. "Oh ja, wirklich gut. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich täte." Und es hatte so gut getan ihn zu spüren.
"Hm, dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Ich habe mich zum ersten Mal seit Wochen wirklich lebendig gefühlt. Und zwischen uns ist es immer noch da, dieses Knistern. Wir haben uns im Bett immer schon gut ergänzt."
Und auch, wenn er verheiratet und sie gerade ihren Liebsten verloren hatte, diese körperliche Sache tat ihnen Beiden gut. Es änderte nichts und doch so viel.
"Du hast jedenfalls nichts verlernt.", lobte sie, für einen Moment völlig zufrieden. Die Schatten waren für eine Weile verschwunden.