William und Joanna - ab 1183

Giulia

"Und wie stellt Ihr Euch das vor? Ich spreche kaum zwei Brocken Englisch, geschweige denn, dass ich es lesen könnte. Ich bezweifle, dass dieses so wunderbare Gedicht auf Italienisch, Französisch oder gar Latein verfasst ist.", erwiderte Giulia ein bisschen ungehalten.
"Nun, aber Ihr wollt auch intime Dinge wissen, denn Ihr wollt mein Gefühlsleben erkunden. Über das ich mir selber kaum im Klaren bin."
Giulia neigte langsam den Kopf zur Seite. "Oh, Ihr seid hier geboren? Das wusste ich nicht. Es gibt sicherlich schlechtere Orte um zur Welt zu kommen, Truro ist für eine englische Stadt doch recht annehmbar."
Sie runzelte die Stirn. Ganz offenbar hatte sie einen Nerv getroffen.
"Nein, woher soll ich das auch wissen? Da Ihr mich ja nicht einweihen wollt..." Sie gab sich einen Ruck. "Vergebt mir, ich wollte Euch nicht kränken."

Gabriel

Gabriel zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ihr könnt es ja einfach mal versuchen." erwiderte er ungerührt. "Oder jemanden um Hilfe bitten, wenn Ihr Euch dafür nicht zu fein seid." stichelte Gabriel und zuckte dann mit den Schultern. "Aber nur soweit, wie Euer Gefühlsleben auch mich betrifft, das ist dann durchaus ein Unterschied, will ich meinen."
Langsam nickte Gabriel. "Das bin ich und Ihr habt durchaus Recht, es gibt schlechtere Orte und ich bin immer wieder gerne hier." Nur war es nicht die Burg auf der er geboren worden war und Gabriel argwöhnte, dass sie ihre Stirn über ihn nur noch mehr runzeln würde, wenn sie erfuhr wo und unter welchen Umständen er geboren war. Vermutlich würde sie ihn mit Verachtung strafen, wenn sie erfuhr, wer seine Mutter gewesen war und dieser Gedanke ließ sein Herz schon jetzt schwer werden.
Gabriel hatte bereits eine bissige Erwiderung auf der Zunge als Giulia sich einen Ruck gab und sich tatsächlich entschuldigte. Das nahm ihm schlagartig den Wind aus den Segeln und Gabriel nickte zögerlich. "Schon gut." murmelte er mit einer kleinen abwehrenden Geste. Ihm behagte nicht so recht, dass Giulia ihn so schnell aus der Reserve lockte und zudem so tief in seine Gefühlswelt eindrang.

Giulia

Giulia bedachte ihn mit einem finsteren Blick. "Vielleicht werde ich Madeleine fragen." Wenn er sich dachte, dass sie bei ihm bettelte, damit er ihr das Gedicht übersetzte, dann hatte er sich geschnitten. Sie wusste sich schon zu helfen.
"Ich verstehe Euch wirklich nicht. Ihr messt mit verschiedenem Maß, wenn es um Euch oder um mich geht." Doch letztlich brachte diese Diskussion sie auch nicht weiter. Sie war dagegen wirklich überrascht, dass er so besonnen reagierte und ihre Entschuldigung annahm.
"Ich sollte gehen."
Sie kamen ohnehin nicht weiter hier und sie würde ein wenig nachdenken müssen. Gabriel war schon ein seltsamer Kauz. Nett, aber mit einigen verqueren Ansichten.

Gabriel

Gabriel hatte noch eine ganze Weile allein auf der Bank gesessen nachdem Giulia sich verabschiedet hatte und hatte versucht seine Gedanken zu ordnen - allerdings recht erfolglos. Alles in seinem Kopf schien sich noch immer zu drehen und durcheinander zu sein.
Also gab er es schließlich auf und ließ den Garten hinter sich und machte sich auf den Weg nach drinnen. Er war lange bei Amélie und ihrer Familie gewesen und würde auch morgen wieder bei ihnen vorbei schauen, übernachten würde er während seines Aufenthaltes allerdings in der Burg, zumal er offiziell ja auch hier war um seine Großeltern zu besuchen. Und in der Burg war auch die Wahrscheinlichkeit größer Giulia zu begegnen ... wenngleich ihr Gespräch heute Abend ihm eigentlich schon genug zum Nachdenken für mehrere Tage gegeben hatte.
Mit leisem Seufzen betrat er die Halle in der hier und da ein paar Menschen zusammen saßen und sich unterhielten, dienstfreie Wachen, ein paar Diener und Mägde ... er schenkte ihnen keine große Beachtung und machte sich lieber auf den Weg nach oben zu den Wohngemächern der Familie und überlegte, ob er gleich sein eigenes Gemach aufsuchen und zu Bett gehen sollte oder ob er noch einmal nachsah, ob seine Großeltern oder irgendwer von der Familie noch wach war.

Joanna hatte am Abend noch keine Ruhe gefunden und so noch einen Rundgang durch die Burg gemacht. Das tat sie oft, wenn sie sich noch nicht müde genug zum schlafen fühlte. William hatte es sich mit ein bisschen Lektüre und seinem Hund schon gemütlich gemacht.
In der Halle begegnete sie ihrem Enkel.
"Gabriel..." Sie legte ihm sanft die Hand auf die Schulter und lächelte. "Alles in Ordnung? Du wirkst ein wenig niedergeschlagen."
Sie liebte ihren Enkel wirklich sehr und er war ihr ähnlich, vor alle äußerlich, denn er war eines der wenigen Kinder, die ihre rote Haarfarbe geerbt hatte. So wie sein Vater.
"Begleite mich ein Stück, hm? Ich bin noch viel zu unruhig zum schlafen."

Gabriel

Gabriel hatte die Halle noch nicht ganz durchquert als ihm seine Entscheidung, was er nun tun sollte, abgenommen wurde, denn seine Großmutter kam ihm entgegen. Er erwiderte das Lächeln und zuckte leicht mit den Schultern. "Ein wenig vielleicht, aber es war schlimmer bevor ich hergekommen bin." räumte er ein. Denn bevor er Truro erreicht hatte, war er in dieser beständigen Ungewissheit gefangen gewesen, ob er Giulia je wiedersehen würde. Nun hatte sich immerhin dieser Wunsch erfüllt, auch wenn er noch nicht wusste, ob er wirklich Chancen bei ihr haben würde.
Ohne zu zögern willigte er ein und machte kehrt, damit sie beide draußen ein wenig spazieren gehen konnten. Dort war man besonders um diese Zeit doch am ungestörtesten. Vielleicht war seine Großmutter auch genau die Richtige, um mit ihr über das zu reden, was in ihm vorging. Immerhin kannte sie Giulia mittlerweile auch schon ein Weilchen und womöglich deutlich besser als er es tat.
"Es ... es ist wegen Giulia." räumte er ein, kaum dass sie die Halle und die Menschen in ihr hinter sich gelassen hatten. "Sie wiederzusehen hat mich ziemlich durcheinander gebracht."

Joanna musterte ihn nachdenklich. "Und was ist es, das deine Gedanken so beschäftigt und dich betrübt, hm?"
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, dann aber ergriff er das Wort. Er brauchte einfach ein bisschen Zeit, da war er seinem Großvater durchaus ähnlich.
"Giulia also...Ich habe gemerkt, dass du sie nicht bloß flüchtig kennst. Du findest sie ziemlich faszinierend, deshalb hat es dich durcheinander gebracht. Aber ich wurde den Eindruck nicht los, dass ihr ein bisschen frostig zueinander seid. Was ist vorgefallen? Vertrau dich deiner alten Großmutter an, mein liebster Enkel. Ich kenne euch schließlich Beide."
Vielleicht konnte sie ja helfen. Aber Gabriel würde es mit Giulia nie leicht haben.

Gabriel

Gabriel fuhr sich mit der Hand durch den roten Schopf und atmete tief durch. Er zögerte nicht, weil er sich in dieser Sache seiner Großmutter nicht anvertrauen wollte, sondern nur, um seine Gedanken etwas zu sortieren und richtig anzufangen.
"Nun, irgendwie kenne ich sie schon nur flüchtig. Wir haben uns in Paris kennengelernt und etwas unterhalten, es war kein über die Maßen langes Gespräch, aber ... sie hat mich einfach nicht mehr losgelassen. Aber ich musste ja nach England zurück und wollte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ich nie wieder etwas von ihr hören würde. Also habe ich ... ihr schließlich einen Brief geschrieben. Und vorher Italienisch dafür gelernt." erklärte Gabriel und spürte, wie er ein klein wenig rot wurde, wandte den Blick aber nicht ab.
"Tja und dann habe ich nie eine Antwort bekommen. Keine einzige Zeile. Es ... hat mich fast verrückt gemacht, dieses Warten. All meine Hoffnungen hatten schließlich darauf geruht, dass Giulia als Königin Eleonores Hofdame mit zur Hochzeitsfeier kommen würde, aber auch dort ist sie nicht aufgetaucht." berichtete Gabriel was geschehen war.

"Ah, die schöne Giulia hat dir gleich den Kopf verdreht. Nun, sie ist ein hübsches Ding, wenn auch mit einer ausgesprochen spitzen Zunge. Und du hast wirklich Italienisch gelernt? Dich hat es ja ganz schön erwischt....aber das ist schön, jeder sollte es erleben."
Joanna seufzte leise. "Sie hätte die Mühe wirklich würdigen sollen. Aber glaub mir, wenn sie einfach nur abgeneigt gewesen wäre, hätte sie geantwortet. Sie hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Dass sie nicht geantwortet hat, zeigt nur, dass sie unsicher ist und du sie auch nicht völlig unbeeindruckt gelassen hast."
Joanna legte ihrem Enkel, der ihr an Größe in nichts mehr nachstand, den Arm um die Taille. "Ich verstehe, wie bitterlich enttäuscht du gewesen sein musst. Und was für ein Zufall, dass es euch hier zusammen geführt hat. Giovanni ist ihr Vater, weißt du? Von dem wir den Wein bekommen. Er wollte, dass sie ein bisschen Englisch lernt und ich habe es angeboten."

Gabriel

Gabriel nickte seufzend. "Aber nicht einfach, weil sie hübsch ist." widersprach er. "Ich meine, natürlich ist sie das, aber ... das war es nicht, was mich so beeindruckt hatte. Es war einfach etwas an ihrer Art ..." Gabriel zuckte leicht mit den Schultern. Er wusste ja selbst nicht so recht, was genau es war, dass sich ausgerechnet Giulia so in seinem Kopf und seinem Herz festgesetzt hatte.
Er grinste matt und nickte erneut. "Ziemlich verrückt, hm? Ich habe Onkel James um Hilfe dabei gebeten und er hat mich unter einem Vorwand nach Winchester eingeladen, damit Vater nichts davon erfährt." erzählte er ohne zu zögern und dachte darüber nach, ob es eigentlich sehr merkwürdig war, dass er seiner Großmutter so vorbehaltlos von Giulia erzählte, der Gedanke, sein Vater könne davon erfahren ihn jedoch nach wie vor abschreckte?
Als Joanna ihm den Arm um die Taille legte, seufzte Gabriel leise und legte den seinen leicht um die Schultern seiner Großmutter. "Das war ich." räumte er ein. "Ich habe es einfach nicht begriffen und ... ja, sie sagte vorhin auch, dass sie nicht gewusst hatte, was sie antworten sollte, aber ... ich tue mich immer noch schwer damit das zu begreifen, fürchte ich." Dann nickte er verstehend. "Ah, Giovanni, das erklärt, wieso sie nun ausgerechnet hier bei euch ist." Und ihm fiel auf, dass er Giulia vorhin überhaupt nicht danach gefragt hatte. Manchmal schien er ebenso ein Holzklotz wie sein Vater zu sein ...

"Ja, ich weiß. So oberflächlich bist du nicht. Nur ein hübsches Köpfchen ist nicht genug. Sie hat Temperament und ist ziemlich eigenwillig, aber eigentlich ein nettes Mädchen. Wenn sie sich einmal darauf einlässt, mögen die Leute sie auch ganz gern. Sie war mit Madeleine auf einem Fest im Dorf. Unsere Madeleine ist wirklich ein Goldstück."
Joanna schüttelteden Kopf. "Nicht verrückter als ich damals war, als ich nach Frankreich gereist bin, schwanger und nur mit Geoffrey als Begleitung. Die Liebe stellt die seltsamsten Dinge mit uns an, also keine Sorge. Und vergeudet ist es keinesfalls, Italienisch ist so eine schöne Sprache. So melodisch. Und eigentlich ist sie dem Französischen gar nicht so unähnlich. Dein Vater ist nicht gerade ein sensibler Mensch, daher kann ich verstehen, dass du es ihm nicht gesagt hast. Und ich bin froh, dass du nicht so ein Filou bist."
Sie lächelte ihn aufmunternd an. "Gib ihr ein bisschen Zeit. Was hältst du davon, wenn ich ihr ganz beiläufig vorschlage, von dir ein bisschen Englisch zu lernen, da es ihr sicher leichter fällt, wenn sie die italienischen Worte dazu von dir bekommen kann? Das gäbe dir Zeit mit ihr."

Gabriel

Verblüfft sah Gabriel seine Großmutter an. "Im Dorf? Wirklich? Und dabei betont sie mir gegenüber doch immer, sie wolle von allem Englischen nichts wissen und würde auch die Sprache nicht beherrschen." erwiderte Gabriel mit einem leichten Kopfschütteln.
Dann musste er unweigerlich lächeln. "Das ist sie. Es hat wirklich Spaß gemacht sie zu lernen." Und er hatte die Zeit in Winchester wirklich genossen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Gabriel legte den Kopf leicht in den Nacken, sah einen kurzen Moment zum Himmel hinauf und seufzte leise. "Nicht gerade sensibel trifft es ganz gut. Aber es ist nicht nur das, er ... er ist so merkwürdig, wenn es um Frauen geht." murmelte Gabriel. "Ich verstehe ihn in dieser Hinsicht wirklich nicht und ich glaube, ihm geht es mit mir genau so. Und ich fürchte, er hat das Gefühl irgendetwas tun zu müssen in dieser Hinsicht und fängt daher an merkwürdige Dinge zu tun. Wenn er nun hören würde, dass ich ... dass ich verliebt bin, dann verliert er glaube ich völlig den Verstand." Gabriel wollte sich gar nicht ausmalen, was sein Vater dann alles anstellen würde in dem Versuch ihm zu 'helfen'.
Gabriel betrachtete seine Großmutter einen Moment und zuckte dann leicht mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Es ist eine gute Idee, aber ... denkst du nicht, sie wird das im Nu durchschauen? Und dann wird sie es erst recht nicht tun wollen, fürchte ich."

"Nicht nur dir gegenüber, jedem gegenüber. Aber Madeleine hat es geschafft sie zu überreden. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie sogar getanzt hat. Also glaub mir, das ist eine Schutzbehauptung, weil sie ihr Zuhause vermisst. Sie hat ein paar Brocken Englisch gelernt inzwischen, wenn auch nicht sonderlich gut."
Joanna seufzte tief. "Ja, ich weiß. Und ich kann dir einfach nicht sagen, warum er so ist. Dein Vater war schon immer so. Er ist ein Filou, stellt jedem Rock nach. Ich bin ganz zufrieden, dass du nicht so geworden bist. Edward hatte dafür auch noch nie Verständnis, auch für Robert nicht. Lass ihn noch ein bisschen im Ungewissen, bis du dir sicher bist."
Joanna grinste.
"Na und? Sie wird es trotzdem tun, weil ich ihr keine Wahl lasse. Ich werde sie fragen, ob sie etwa Angst vor dir hat, wenn sie ablehnt und spätestens dann wird ihr Stolz ihr keine Ruhe lassen. Sie ist eine sehr stolze Frau."

Gabriel

Gabriel nickte nachdenklich. In gewisser Weise konnte er verstehen, dass Giulia sich mit solchen Behauptungen schützen wollte. Er hatte es ja ganz ähnlich getan als er immer steif und fest erklärt hatte, er würde sich nie verlieben. Was es ihm nun letztlich gebracht hatte, sah er ja nun. Aber er hoffte, dass auch Giulia vielleicht verstehen würde, dass es sie glücklicher machen würde, hier nicht alles und jeden auf Abstand zu halten, wenn Madeleine schon etwas zu ihr hatte durchdringen können.
Gabriel fuhr sich mit der freien Hand durch den Schopf und grinste leicht. "Tut gut das mal wieder zu hören. In seinen Augen bin ich diesbezüglich wohl eher eine herbe Enttäuschung."
Das Grinsen seiner Großmutter brachte ihn kurz aus dem Konzept, dann musste er lachen als sie ihren Plan offenbarte. "Also wirklich ... du weißt ganz genau, wie man sie zu nehmen hat, hm?" Er grinste und hauchte dann einen Kuss auf ihre Wange. "Das wäre wirklich großartig." Und vielleicht würde Giulia sich dann ja auch mehr auf ihn einlassen und ihm eine wirkliche Chance geben.

Joanna hob die Schultern. "Vielleicht in seinen Augen. Aber du solltest nicht vergessen, dass die Ansichten deines Vaters nicht das Maß aller Dinge sind, hm? Gott dürfte dein Lebensstil besser gefallen als der deines Vaters."
Sie stimmte in sein Lachen ein und zwinkerte ihm zu. "Ich kenne sie ja auch schon ein paar Wochen, mein Lieber. Und ich habe ein Leben voll Erfahrung mit den unterschiedlichsten Menschen, also sei nicht zu überrascht."
Und schließlich hatte sie William auch manchmal bei seinem Stolz packen müssen.

Gabriel

"Ich gebe mir Mühe es nicht zu vergessen, versprochen. Zumal ich auch kein Interesse daran habe, ihm in diesen Dingen nachzueifern. Das was er früher getan hat, hat allen immer nur eine Menge Ärger bereitet. So schwer es mir manchmal auf fällt, dass er ausgerechnet Claire geheiratet hat ... ich bin wirklich froh, dass er mit ihr endlich so glücklich ist, dass er offenbar nicht mehr die Neigung hat, alle ins Chaos zu stürzen." erwiderte Gabriel nachdenklich.
Ein breites Grinsen trat auf seine Lippen. "Ich schätze, ich werde in dieser Hinsicht eine ganze Menge von dir lernen können. Vielleicht kannst du mir ja ein wenig Unterricht darin erteilen, wie man diese Dinge geschickt anstellt." Dann eins war sicher, im Umgang mit Giulia würde er von den Erfahrungen seiner Großmutter auf jeden Fall profitieren.

Joanna hatte nicht lange gefackelt und ihren Plan ihrem Enkel zuliebe in die Tat umgesetzt. Sie saß wieder einmal mit Giulia zusammen und unterhielt sich mit ihr. Die Versuche mit ihr Englisch zu sprechen, verliefen immer wieder im Sande und das gab ihr die perfekte Vorlage.
"Giulia, ich habe beschlossen, dass dein Englisch ein bisschen Verbesserung bedarf. Ich habe genug Pflichten und du bist auch nicht gerade eine willige Schülerin. Du wirst bestimmt von jemandem in deinem Alter besser lernen.", begann sie.
"Ich wünsche, dass mein Enkel dir in Zukunft täglich wenigstens zwei Stunden Unterricht gibt. Dann könntest du dich wenigstens auch mit jemandem verständigen, der kein Französisch spricht." Und sie schlug absichtlich einen befehlsgewohnteren Ton an, Widerstand war zwecklos. Sie wollte Gabriel unter die Arme greifen.

Giulia

Giulia hatte in der letzten Nacht nur unruhig geschlafen, viel zu sehr hatten ihre Gedanken immer wieder um Gabriels Auftauchen hier in Truro gekreist. Bis dahin hatte sie ihn und seinen Brief immer ganz gut bei Seite schieben können, aber jetzt war er plötzlich hier, hatte sie im Garten zur Rede gestellt und sie würde ihm nun zwangsläufig öfter über den Weg laufen solange er hier war. Irgendwie musste sie also einen Weg finden, damit umzugehen.
Und als wäre das nicht schon genug, kam Lady Joanna nun auch noch auf die Idee sie müsse vermehrt Englisch lernen ... Giulia unterdrückte ein Seufzen. "Mylady, es liegt nicht am Alter, ich ... ich denke, das bisschen Englisch, das ich beherrschte, reicht aus, um hier zurecht zu kommen solange ich noch bleiben muss." erwiderte sie und runzelte dann die Stirn. "Euer Enkel? Aber wieso sollte -" Guilia brach ab. Im ersten Moment hatte sie an den jungen Lord Robert gedacht, aber der war es nicht, den Joanna meinte. Ihre Bemerkung, dass ihr Enkel kein Französisch mit ihr sprechen musste, hatte sie stutzig gemacht, aber jetzt begriff sie. Nicht Französisch, da er Italienisch konnte ... Joanna meinte nicht Robert, sondern Gabriel.
Giulia starrte sie einen Moment lang an, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. "Nein, danke. Ich verzichte auf seinen Unterricht."

Joanna hatte geahnt, dass Giulia nicht gerade begeistert sein würde, aber letztendlich hatte sie in jedem Fall den längeren Atem.
"Es reicht nicht aus, weil dich kaum jemand versteht, der nicht zur Familie gehört. Ohne Madeleine könntest du dich mit den anderen Mägden nicht einmal verständigen. Wer weiß schon, wie lange du uns beehren wirst. Du könntest uns allen wenigstens diesen Respekt erweisen."
Sie hob eine Augenbraue.
"Es ist mein Wunsch, dass du an diesen Sprachlektionen teilnimmst. Also wirst du tun, was ich dir sage. Gabriel wird dich unterweisen." Sie bedachte Giulia mit einem betont spöttischen Blick. "Oder...muss ich davon ausgehen, dass du Angst vor meinem Enkel hast?"
Damit würde sie sie sicher ködern.

Giulia

Giulia zuckte mit den Schultern. "Sonst braucht mich doch auch niemand verstehen. Was soll ich mit den Mägden schon reden?" In ihren Augen reichte ihr Englisch vollkommen aus, um den Mägden Anweisungen zu geben.
Giulia hob das Kinn ein wenig und wollte protestieren als der spöttischen Blick der Lady sie inne halten ließ. Das konnte nichts Gutes bedeuten. .. und sie sollte Recht behalten als Joanna weiter sprach. Giulia spürte einen Knoten in ihrem Magen, der sich unangenehm fest zog. "Unsinn." Erwiderte sie ein wenig scharf. "Wieso sollte ich Angst vor ihm haben?" widersprach sie entschieden. Giulia wusste durchaus was das für eine Taktik sein sollte und es ärgerte sie maßlos, dass sie vermutlich aufgehen würde. Denn wenngleich sie wusste, dass es ein Trick der alten Gräfin war, so konnte sie dem dennoch nichts entgegen setzen ohne dass ihr Stolz verletzt wurde.

Joana hob die Augenbrauen. "Nun, ein freundliches Wort über eine Anweisung hinaus hat noch niemandem geschadet und sichert dir ihr Wohlwollen. Und ich lege Wert darauf, dass man unser Gesinde anständig behandelt. Außerdem warst du doch auch im Dorf unterwegs. Die Verständigung war sicherlich nicht so einfach."
Sie lächelte unschuldig. "Nun, wie sonst soll ich deine Reaktion deuten? Gabriel ist schließlich etwa in deinem Alter und wirklich kein Rüpel, er ist ein wahrer Gentleman. Es gibt also keinen Grund ihn zu meiden, es sei denn, du fürchtest die Begegnung mit ihm, weil ihr euch aus Paris kennt."
Joanna lehnte sich zurück und legte die Fingerkuppen aneinander.
"Ich erwarte also, dass du meiner Anweisung Folge leistest. Du wirst sicher nicht enttäuscht sein. Dein Vater wird sich freuen, wenn er ab und an mit dir Englisch sprechen kann."

Giulia

"Es hat funktioniert." Erwiderte Giulia achselzuckend. Dann jedoch verschloss sich ihre Miene und sie biss die Zähne fest aufeinander. "Was hat er Euch über Paris erzählt?" Fragte sie angespannt. Was wenn Gabriel seiner Großmutter mehr erzählt hatte als tatsächlich passiert war? Wenn er sein Wunschdenken geäußert hatte und sie damit nun in Verlegenheit brachte.
Sie legte die Stirn in Falten. "Er wird sich freuen ... und was ist mit mir? Was ist mit meinen Wünschen?"

"Ja, aber vielleicht hättest du mehr gesagt, wenn du es besser könntest. Es ist ein wenig respektlos nicht wenigstens ein bisschen zu versuchen unsere Sprache zu lernen. Ob du willst oder nicht, du lebst nun einmal jetzt hier."
Joanna neigte den Kopf und lächelte vielsagend. "Dass ihr euch dort kennengelernt und euch nett unterhalten habt. Oder hätte er etwa mehr erzählen sollen?" Giulia war beunruhigt, das war ein kleiner Triumph für sie.
"Es ist jedenfalls mein Wunsch, dass du es tust. Und natürlich wird dein Vater sich freuen. Er ermöglicht dir viel, also könntest du ruhig einmal dankbar sein und ihm seine Wünsche erfüllen. Wir Frauen sind oft nicht in der Lage Wünsche zu äußern. Wir werden nicht gefragt. Je eher du das lernst, desto besser wird es für dich sein.", riet sie ihr ernst.
Giulia war ihrer Ansicht nach einfach ein bisschen zu verwöhnt.

Giulia

Giulia straffte die Schultern. "Nein, keineswegs. Aber ich will nicht, dass er mehr daraus macht als es war. Euer Enkel, Mylady, scheint etwas zuviel in unsere Begegnung hineinzudeuten." erwiderte sie. Giulia hoffte wirklich, dass Gabriel seiner Großmutter nicht mehr erzählt hatte, denn sie wusste doch selbst einfach nicht, wie diese ganze Sache weiter gehen sollte und wollte keineswegs auch noch von Lady Joanna in dieser Sache bedrängt werden.
Dann wurde ihre Miene finster. "Von mir verlangt ihr also, ich müsse mich fügen und dürfte meine Wünsche nicht äußern ... aber mit welchem Recht? Mit welchem Recht verwehrt ihr mir, was ihr euch selbst genommen habt und noch immer nehmt? Das, was ihr Euch wünscht."

Joanna hob die Augenbraue. "Du kennst ihn auch kaum, woher willst du das wissen? Ihr habt euch unterhalten und er kann dich gut leiden. Was ist verwerflich daran, wenn er dich besser kennenlernen will? Das sehe ich nicht als "zu viel hinein deuten"."
Sie bedachte Giulia mit einem tadelnden Blick. "Du darfst deine Wünsche äußern. Aber du musst lernen, dass man nicht immer bekommt, was man will. Ich schätze, das wurde in deiner Erziehung ein wenig vernachlässigt, weil dein Vater dich so abgöttisch liebt. Wenn du glaubst, ich habe immer alles bekommen, was ich wollte, liegst du ziemlich falsch. Ich hatte ein bisschen Glück, habe lange gekämpft um meine Ziele zu erreichen und ich habe auch ziemlich oft zurück gesteckt. Das bringt es mit sich, wenn man einen Politiker heiratet. Ich bin jetzt in der Lage mir ein paar Schrullen zu leisten und ich setze meinen Kopf durch, wenn ich es darauf anlege, aber das war beileibe nicht immer so. Kind, ich habe auch die andere Seite der Medaille oft genug kennengelernt. Ich war schonmal verheiratet."