William und Joanna - ab 1183

Charles wartete, bis sie allein waren und schälte Mary aus ihrem Hemd. Dann hob er sie hoch und setzte sie behutsam in den Zuber mit dem kalten Wasser.
"Ich weiß, es ist nicht angenehm. Aber du bist tapfer...du schaffst das." Charles setzte sich neben den Zuber und hielt ihre Hand.
"Es wird bald besser."
Einer der Diener hatte John in der Zwischenzeit zu William gebracht. Erst, wenn er zurückkam, würden sie auch dahingehend eine Einschätzung erhalten. Charles wusste gar nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Vor lauter Sorge konnte er nicht schlafen, verließ kaum je Marys Bett. Die Erschöpfung machte ihn mürbe, aber er konnte nicht anders.

Mary schnappte nach Luft als Charles sie behutsam in das kalte Wasser hinab ließ. Sie kniff einen Moment lang die Augen zu und rang den Impuls nieder Charles zu bitten sie wieder heraus zu holen. Das kalte Wasser prickelte auf ihrer Haut, aber nachdem sie ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, wurde es erträglicher. Langsam schlug sie die Augen wieder auf und wandte Charles den Kopf zu, der auch jetzt nicht von ihrer Seite wich und ihre Hand hielt.
"Danke ..." wisperte sie leise. "Aber weißt du ... wenn John wieder da ist, solltest du dich ein wenig hinlegen." murmelte Mary selbst mit müder Stimme. "Du ... siehst furchtbar aus ... wenn ich so ehrlich sein darf." stellte sie fest und lächelte matt. Sie wusste ja selbst nur zu gut, wie schwer es zu ertragen war, wenn ein geliebter Mensch krank war und dass man dazu neigte über seine eigenen Grenzen hinaus zu gehen.

Charles ahnte, wie schwierig das für seine Frau war und drückte leicht ihre Hand. "Du hältst es aus. Und wenn es dir hilft, ist es alle Strapazen wert."
Er strich ihr über die Wange und lächelte sanft. "Du darfst immer ehrlich sein, mein Engel. Und ich weiß, u hast recht. Aber ich fürchte, ich kann nicht schlafen. Ich mache mir zu viele Sorgen. Aber du mach dir keine Gedanken. Ein bisschen Schlafmangel zwingt mich nicht in die Knie."
Er konnte sie einfach nicht allein lassen. Er wollte jede Sekunde miterleben und mit ihr durchstehen. "John wird auch William helfen, du wirst sehen."

Mary schmiegte ihre Wange an Charles' Hand und schloss die Augen. Sie würde es aushalten, weil er bei ihr war und ihr half. Seit sie sich kennen gelernt hatten, war Charles immer Marys Fels in der Brandung gewesen. Vom ersten Moment an hatte sie sich in seiner Nähe geborgen und sicher gefühlt und seine Wertschätzung, seine Liebe hatten ihr immer Kraft gegeben. Und daran wollte sie sich auch jetzt halten, denn sie wollte noch nicht gehen, sie wollte bei Charles und ihren Kindern bleiben.
"Dafür bete ich. Er muss ihm helfen können." Etwas anderes wollte sie sich nicht vorstellen. Sicher waren Zwillingsgeburten immer ein Risiko und die Gefahr das eines oder beide Kinder starben war noch größer als unter normalen Umständen, das wusste Mary. Trotzdem wollte sie um keinen Preis noch eines ihrer Kinder verlieren.

Charles versuchte Mary an Kraft zu geben, was er aufbringen konnte. "Ich lasse dich nicht allein, versprochen. Ich werde an deiner Seite bleiben bis es ausgestanden ist." Und er weigerte sich zu glauben, dass Mary sterben würde.
"Er wird ihm helfen, keine Sorge. Alles wird gut. John hat schon so manches Wunder vollbracht und hat ein Leben lang Erfahrung."
Und nun hieß es warten.
Als Mary zu zittern begann, holte Charles sie hinaus und legte sie ins Bett zurück, wickelte sie in einige Decken.
Und so würden sie in den nächsten Stunden fortfahren, bis dieser Kampf überstanden war.

Mary lächelte matt. "Ich weiß." erwiderte sie leise. "Das hast du immer schon getan. Mir beigestanden." Und niemand hatte das so gut vermocht wie Charles. Er war wie das letzte Teil von ihr, das sie erst zu einem großen Ganzen machte. Etwas, das sie erst wirklich begriffen hatte als er in ihr Leben getreten war und sie gespürt hatte, welche Leere zuvor in ihr geherrscht hatte.
Dankbar lehnte sie den Kopf an Charles' Schultern als er sie schließlich aus dem Badezuber hob und sie in warme Decken hüllte. Und kaum hatte ihr Kopf das Kissen wieder berührt, war Mary wieder eingeschlafen, erschöpft von dem Fieber und dem kalten Bad, das ihr aber dennoch ein wenig neue Lebensgeister eingehaucht zu haben schien.

John hatte sich keine Ruhe gegönnt, sondern nach dem kleinen Jungen gesehen. Sicher, er war schwach und klein, aber nicht in so schlechtem Zustand wie er befürchtet hatte. Er hatte den Kleinen mit einer anregenden Paste die Brust eingerieben, hatte ihn aber nun auf dem Arm um ihn zu Mary zu bringen.
Charles sah ihn ausgesprochen zweifelnd an.
"Mary ist nicht ansteckend, Ursache ist eine Entzündung nach der Niederkunft. Daher wird es dem Kleinen nichts schaden, ihm aber sehr viel nutzen, wenn er seine Mutter spüren kann. Hautkontakt ist wichtig für kleine Kinder, die Amme genügt einfach nicht.", erklärte er überzeugt und legte das unruhige, quengelnde Kind neben Mary unter die Decke. Sofort wurde es ruhiger und John war zuversichtlich, dass in den nächsten Tagen auch sein Appetit erwachen würde.

Mary erwachte als sich neben ihr etwas regte und sie schlug langsam die Augen auf. Im ersten Moment sah sie nur verschwommene Formen, doch ihr Blick klärte sich bedächtig und sie erkannte Charles - und John, der gerade etwas neben ihr unter die Decke legte. Jemanden ... nicht etwas. Mary wusste schon bevor sie den Kopf wandte, dass es ihr Kind war. "William ... aber?" ein wenig verwirrt sah sie John an, zögerte jedoch nicht und zog ihren winzigen Sohn vorsichtig dichter an sich. Dieser schien mit der veränderten Situation ausgesprochen zufrieden und wurde ruhig als er so an seine Mutter geschmiegt da lag.
Mary spürte ihre Kehle eng werden und versuchte gar nicht erst die Tränen zurück zu halten. Zärtlich strich sie ihrem Sohn über den Rücken und sah zu den beiden Männern an ihrem Bett auf. "Was ... was denkst du, John?" erkundigte sie sich mit noch immer matter Stimme, doch allein die Anwesenheit eines ihrer Kleinen belebte sie ein wenig.

John nahm erfreut zur Kenntnis, dass Mary wieder zu sich kam. Sie erkannte sie und auch ihren Sohn. Der Säugling war auch ausgesprochen zufrieden und wurde augenblicklich ruhig.
Er lächelte Mary beruhigend an.
"Mach dir keine Sorgen...Ich denke, ihm fehlt einfach ein bisschen Zuwendung und ein bisschen Hautkontakt zu seiner Mutter. In den nächsten Tagen wird sein Appetit erwachen, da bin ich sicher. Er ist schwach, aber nicht zu schwach. Ich bin sicher, wir bekommen ihn durch."
Er strich ihr über die Wange.
"Jetzt müssen wir zusehen, dass wir dich auch noch über den Berg kriegen."

Schon Johns Lächeln beruhigte Mary, denn es war keine Maske, die ihr vorspielen sollte, dass alles gut war, es war ein echtes, warmes Lächeln. "Danke." wisperte sie und sah dann von John zu Charles, um einen sanften Blick mit ihrem Gemahl zu tauschen. Zu hören, dass ihr Sohn scheinbar nicht in ernster Gefahr schwebte, beruhigte sie ausgesprochen.
Mary sah John wieder an als er ihr über die Wange strich und versuchte sich an einem Lächeln. "Ich ... geb mir Mühe." versicherte sie ehe ihr Blick wieder zu ihrem kleinen Sohn glitt. Es tat so gut ihn bei sich zu haben und die Zeit in der sie getrennt gewesen waren, erschien Mary plötzlich wie eine Ewigkeit.
"Henry ... kann er ... könnt ihr ihn auch zu mir bringen?" bat Mary dann und sah die beiden Männer wieder an. Es war einfach nicht richtig, dass sie den einen Sohn hier hatte, aber den anderen nicht, nachdem sie die zwei doch neun lange Monate zusammen in ihr heran gewachsen waren.

John nickte zufrieden. "Warum nicht...Es wird ihnen nicht schaden, wenn es dir nicht zu viel ist." Aber vermutlich würden die beiden Jungen Mary eher gut tun als ihr zu schaden.
Charles zögerte nicht länger und ging, um den kleinen Henry zu holen. Schon bald legte er das Kind zu seinem Brüderchen und Beide schlummerten binnen kürzester Zeit ein.
"Schlaf noch ein bisschen, wie die Zwei hier.", forderte Charles seine Frau auf. "Das wird dir sicher gut tun." Er wollte einfach, dass Mary gesund wurde und zum ersten Mal konnte er wieder Hoffnung schöpfen. Vielleicht würde doch noch alles gut werden...

Mary lächelte als John zustimmte und Charles sich sogleich auf den Weg machte, um auch den kleinen Henry her zu holen. Als sie kurz darauf ihre beiden Söhne friedlich neben sich liegen hatte, atmete Mary tief durch und schloss kurz die Augen. Endlich, endlich hatte sie diese beiden Würmchen wieder bei sich, brauchte sich nicht mehr um sie fürchten ... sie schlug die Augen wieder auf und sah Charles an, ehe sie langsam nickte. "Das werde ich." erwiderte sie bereitwillig. "Ist wohl auch besser bevor ihr mich wieder in dieses kalte Wasser steckt." murmelte sie mit einem schiefen Lächeln, legte sachte einen Arm um ihre beiden Söhne und schloss die Augen.
Sie fühlte sich immer noch furchtbar zerschlagen, ihr Kopf pochte und selbst solch kurzen Gespräche waren mühsam und ließen sie erschöpft zurück, doch allein die Nähe ihrer Kinder und die Gewissheit, dass beide wohlauf waren und auch William in keinem schlimmeren Zustand war, erleichterte sie so ungemein, dass der Schlaf in den sie nun fiel zum ersten Mal ruhiger und dadurch auch erholsamer war als ihre gehetzten Fieberträume zuvor.

Charles hatte sich nach Johns Zureden doch eine Stunde hingelegt, doch nun wachte er wieder an Marys Bett. Sie schlummerte friedlich, zum ersten Mal seit Tagen ruhig und nicht von Fieberträumen geplagt. Als Henry sich neben seiner Mutter regte, hob Charles ihn auf den Arm und wiegte ihn sacht.
Es tat ihm gut, den kleinen warmen Körper zu spüren. Es beruhigte ihn und seine Sorgen waren nicht mehhr ganz so überwältigend.
"Nicht wahr, Kleiner, deine Mutter wird bald schon über den Berg sein und alles geht seinen gewohnten Gang. Dann haben wir mal wieder ein bisschen ruhigere Zeiten.", murmelte er liebevoll.
Er war ausgesprochen dankbar, dass John hergekommen war.

Mary saß aufrecht in dem großen Bett, von zahlreichen Kissen in ihrem Rücken gestützt und ließ den Blick zwischen Henry und William hin und her gleiten. Sie hielt den noch immer kleineren, aber mittlerweile deutlich muntereren William auf dem Arm, während Henry zufrieden in den Armen seines Vaters schlummerte, der neben Mary auf der Bettkante saß.
Mary war noch immer zu schwach, um das Bett zu verlassen, aber das Wunder an das sie kaum noch zu hoffen gewagt hatte, war dennoch eingetreten und Johns Methoden hatten ihr Fieber zurück gedrängt. Und dafür war Mary so dankbar, dass sie die ganze Welt hätte umarmen können.
Sie sah zu Charles auf und lächelte sanft. "Ich bin so froh, dass ich das hier noch erleben darf." murmelte sie leise und lehnte sich sachte an ihren Gemahl. Zwischen durch hatte sie wirklich nicht mehr geglaubt, dass sie diese Sache überstehen würde. Und auch Johns Behandlung mit den kalten Bädern hatte ihr jede Menge abverlangt, so dass sie nun im Nachhinein ihren Vater noch mehr bedauerte, jetzt da sie wusste, was diese Prozedur bedeutete. Aber es war erfolgreich gewesen und allein das zählte.

Charles betrachtete seine Frau liebevoll. Inzwischen sah man ihr an, dass es ihr besser ging und sie über den Berg war. Auch ihr Sohn wirkte deutlich besser und somit war seine größte Sorge von ihm genommen.
"Das bin ich auch." Er küste sanft ihre Schläfe und lehnte den Kopf an ihren. "John sollte sich wirklich in Gold aufwiegen lassen. Ohne ihn hättet ihr Beide nicht überlebt und ich habe keine Ahnung, wie ich dann zurecht gekommen wäre."
Er lächelte leicht.
"Die Bäder waren nicht angenehm, aber effektiv. Das hat das hier wieder einmal gezeigt. Und unser kleiner William scheint ziemlich zufrieden damit, dass er nun mehr bei dir sein darf. Ich habe Gott versprochen eine Kirche zu bauen, wenn er euch leben lässt. Ich schätze, ich sollte mir bei John Rat holen, er hat doch mit deinem Vater gemeinsam die Kirche von Truro geplant..."

Mary schmunzelte und nickte ehe sie kurz die Augen schloss und die Nähe zu Charles genoss als er die Stirn an ihre lehnte. "Da hast du Recht. Und wir sollten zusehen, dass wir ihm unseren Dank angemessen vergelten, ehe er abreist." Wenngleich Mary das Gefühl hatte, so tief in Johns Schuld zu stehen, dass sie nie genug würden tun können, um es gut zu machen. Aber sie wusste auch, dass es dem alten Arzt nicht darum ging für seine Arbeit fürstlich entlohnt zu werden. John war eine der wenigen wirklich gutherzigen Seelen, die anderen wahrlich helfen wollten.
"Oh und ich bin auch sehr zufrieden damit sie beide um mich zu haben. Es ist fürchterlich, wenn man sie neun Monate lang mit sich herum getragen hat und sie dann plötzlich nicht mehr sehen kann." erwiderte Mary und strich ihrem Sohn sachte mit dem Zeigefinger über die Wange.
"Eine Kirche?" wiederholte sie und sah Charles mit einem kleinen Kopfschütteln an. "Tja, offenbar hat Gott beschlossen auf deinen Handel einzugehen, also mach dich besser an die Arbeit." bemerkte sie augenzwinkernd und gab ihm einen Kuss. "Aber ich bin sicher, John wird dir gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und wenn du meinem Vater einen Brief schreibst, kann er dir sicher auch einige gute Kontakte vermitteln." schlug Mary vor.

Charles nickte zustimmend. "Das sollten wir in jedem Fall. Es wird ihm vermutlich unangenehm sein, aber was macht es schon...Verdient hat er es allemal."
Er lächelte leicht. "Ich weiß...aber ich wusste nicht, ob es wirklich gut tut, wenn sie bei dir sind. Du hast schließlich hohes Fieber gehabt."
Charles hob die Schultern. "Ich bin Gott defintiv etwas schuldig, Mary. Immerhin hat er euch alle drei Leben lassen. Aber du hast sicher Recht, ich sollte deinem Vater schreiben, er hat gute Kontakte. Und es ist ja auch nicht eilig. Erst einmal will ich meine Zeit euch widmen."
Seine Familie um sich zu haben war ihm wichtig, seine Kinder und Enkelkinder.

"Mit Sicherheit. Er ist so eine gute Seele, ihm liegt nichts an Geld und Reichtum. Verdient hat er es dennoch und schaden kann es auch nicht, denn wenn er es nicht für sich behalten sollte, wird er es für einen guten Zweck nutzen und das ist es in jedem Fall wert." stimmte Mary zu und nickte dann langsam. "Natürlich nicht und es war ja auch richtig sicher zu gehen, dass sie nicht in Gefahr geraten, weil sie in meiner Nähe sind." erwiderte Mary und strich Charles sanft über die Wange. Sie hätte es sich schließlich nie verziehen, wenn William oder sein Bruder sich bei ihr irgendwie doch angesteckt hätten.
Dann grinste sie leicht. "Das ist gut, dass du dich uns widmen willst." bemerkte sie zufrieden, sah ihn dann aber forschend an. "Aber wird der König nicht ungehalten sein, wenn du nicht an den Hof kommst? Er hat große Pläne für das Frühjahr nicht wahr?" Immerhin hatte Charles schon vor einer ganzen Weile eine Einladung an den Hof bekommen und diese nur wegen Marys Niederkunft und Krankheit aufgeschoben.

"Das ist wahr. Aber mir fällt schon etwas ein." Charles schloss einen Moment die Augen, als Mary ihm über die Wange strich.
"Ich würde am liebsten nichts Anderes tun, weil ich euch beinahe verloren hätte. Du hast Recht, er wird vermutlich ungehalten sein. Ich werde einen Boten schicken und es ihm erklären. Und er wird mir zumindest ein paar Tage gestatten müssen. Ich gedenke wenigstens noch ein, zwei Wochen zu bleiben. Ganz drücken werde ich mich nicht können, auch wenn er genug Ratgeber hat. Er legt wert auf die Anwesenheit der Earls."
Aber ein bisschen Verständnis musste Richard schon aufbringen, so viel stand fest. Er würde schon noch rechtzeitig kommen.

Mary lächelte sanft. "Und ich hätte wahrlich nichts dagegen, wenn du nichts anderes tun würdest, aber ich schätze, noch hast du einige andere Pflichten." Sie lauschte ihm aufmerksam und nickte schließlich. "Das klingt sinnvoll und Richard wird das verstehen, da bin ich sicher. Im Zweifelsfall wird meine Schwester ihn schon zur Vernunft bringen. Hauptsache ist, dass du anschließend wieder zu uns zurück kommst so schnell es geht und nur ja nicht mit aufs Festland gehst." Aber durch Charles' Verletzung hatte er einen durchaus plausiblen Grund sich für die Verwaltung in England einzusetzen und nicht als Feldherr mit Richard zu gehen, schließlich brauchte der König auch jetzt wieder kluge und umsichtige Männer, die hier in England blieben und seine Aufgaben übernahmen. So unschön Charles' Verwundung damals gewesen war, in dieser Hinsicht empfand Mary sie als ein Segen, denn so brauchte sie nicht mehr um ihren Gemahl auf dem Schlachtfeld fürchten. Es reichte, wenn sie sich um ihre Brüder - und Gott bewahre, eines Tages um ihre Söhne - sorgen musste.
"Und es ist ja auch nur richtig, dass er das tut. Wenn er wieder einmal längere Zeit das Land verlässt, ist es wichtig, dass er sich mit allen, die zurück bleiben, gut abstimmt. Es ist schließlich keine leichte Situation für England, wenn sein König nun schon wieder das Land verlässt, um Krieg zu spielen."

"Aber nur ein paar...Und immerhin habe ich einen fähigen Steward. Allerdings ist Hugh nicht mehr der Jüngste. Vielleicht wäre dein Bruder ein würdiger Nachfolger. Verantwortungsbewusst genug ist er ja nun geworden."
Charles lächelte leicht. "Das werde ich. Ich bin nun einmal im Krieg nicht viel zu gebrauchen." Er legte kurz die Hand auf das verletzte Knie. "Ich schätze, er wird mich hier lassen. Also wirst du mich so leicht nicht los. Aber leicht wird es keinesfalls...Eigentlich müsste Richard sich um England kümmern. England braucht seinen König. Er müsste sich zweiteilen können.."
Charles seufzte tief.
"Aber genug von Politik. Wichtig seid jetzt ihr."

Edward starrte in die kleine, flackernde Kerzenflamme vor ihm. Es war spät geworden und ein dienstbarer Geist hatte in dem ganzen Gemach Kerzen angezündet, damit der König mit seinen Vertrauten nicht plötzlich völlig im Dunkeln saß. Es war eine wichtige Besprechung, die hier vor sich ging ... so wie alle in der letzten Zeit ... aber Edward konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren. Was interessierte ihn der Kontinent, wenn seine Welt hier doch in Scherben lag?
Er konnte sich jetzt nicht mit irgendwelchen Belagerungsstrategien und Bauvorhaben beschäftigen und erst recht nicht mit der Frage, wer von ihnen hier bleiben und wer Richard begleiten würde. Eigentlich war diese Sache für ihn völlig klar gewesen, Richard war sein König und so wie er ihn ins Heilige Land begleitet hatte, würde er ihn auch in den Krieg gegen Philippe begleiten. Aber so einfach war es nicht mehr. Wie konnte er ans Gehen denken, wenn Claire hier zurück blieb - wütend und bitter enttäuscht von ihm? Er konnte doch nicht im Streit abreisen, das würde niemals gut gehen und er wollte gar nicht daran denken, was er dann dieses Mal bei seiner Rückkehr in Oxford vorfinden würde.

Richarrd bemerkte schon seit einer ganzen Weile, dass Edward nicht bei der Sache war. Es gab wohl eine Streitigkeit mit Claire, aber dass ihn das so sehr aus der Bahn warf. Jedenfalls konnte er es gerade nicht gebrauchen, dass einer seiner wichtigsten Earls nicht bei der Sache war.
"Ed...du hörst gar nicht zu. Kann ich auf dich zählen, wenn wir aufs Festland reisen? Ich würde ungern auf einen meiner besten Kommandanten verzichten."
Er zwinkerte ihm zu.
"Wir werden die Franzosen schon das Fürchten lehren..." Richard musste Edwards Ehrgeiz und seine Aufmerksamkeit wecken.

Edward fuhr fast ein wenig zusammen als er seinen Namen aus dem Mund des Königs hörte und wandte Richard den Blick zu. "Wie? Verzeih, ich ... ich war in Gedanken." murmelte er entschuldigend und fuhr sich mit einer Hand über die Augen. "Richard, ich ... du weist, dass ich immer zu dir stehe." begann er dann langsam, unsicher, wie er fortfahren sollte. "Es ist nur so, dass ich in England noch wichtige Dinge zu klären habe, ich ... ich weiß nicht, wie lange mich das noch in Anspruch nehmen wird." Wie lange er brauchen würde, um Claire zurück zu gewinnen oder sie endgültig zu verlieren. Und sollte letzteres geschehen, dann konnte er sich auch gleich von der nächsten Klippe oder in sein Schwert stürzen, denn dann war sein Leben nicht das geringste mehr wert.
Edwards Herz wurde schwer als Richard ihm zuzwinkerte, denn er war hin und her gerissen zwischen seiner Loyalität zu seinem König und seiner Liebe zu seiner Gemahlin. "Wen lehrt Ihr nicht das fürchten, Sire?" erwiderte er, allerdings nur mit einem matten Grinsen, bei weitem nicht so schelmisch, wie es sonst seine Art war.

Richard hob die Augenbrauen. "Was könnte es wichtigeres geben als für unser Land zu kämpfen?", neckte er Edward gutmütig. "Was auch immer es ist, es kann sicher etwas Distanz gebrauchen. Das löst viele Probleme, so viel ist sicher."
Er grinste breit.
"Nun ja, das ist wahr. Aber mit dir an meiner Seite ginge das doch viel leichter. Komm schon, Ed....sag, dass du mich begleitest. Sogar dein zurückhaltendes Brüderchen Rob kommt mit uns."
Er musste einfach alles aufbieten, was er konnte um Philippe in die Knie zu zwingen. Er musste einfach siegen.