William und Joanna - ab 1183

Ray

"Aber wenn ich weg bin und du noch hier, wird Oliver dann nicht sehr zornig sein? Ich will nicht, dass er es an dir auslässt. Du musst also mit mir kommen!" beharrte Ray voller Sorge. Wenn er ging und seine Mutter blieb, würde Oliver seinen Unmut über das entgangene Geschäft zweifellos an ihr auslassen, das konnte Ray einfach nicht ertragen.
Ray erwiderte den Blick seiner Mutter, dann kletterte er auf ihren Schoß, legte die Arme um ihren Hals und bettete seinen Kopf an ihre Schulter. "Wir werden beide gehen." erklärte er leise. "Und wenn er nicht dafür sorgen kann, dass du mitkommst, dann finde ich einen Weg." beschied Ray entschlossen. Er kannte viele Leute hier in London, vielleicht konnte er etwas finden, wo seine Mutter und er unterkommen konnten. Er würde sie nie zurück lassen!

Mira


"Er wird sicherlich zornig sein. Aber er will meine Dienste trotzdem, daher wird er mir nichts tun, Großer. Aber ich werde trotzdem versuchen mit dir zu kommen. Dein Vater wird schon dafür sorgen, dass es uns gut geht. Er wird uns helfen.", beruhigte sie ihn.
Als er auf ihren Schoß kletterte, schlang sie die Arme um ihn und hielt ihn fest. Solche Situationen waren eher selten, schließlich hielt Ray sich schon für erwachsen und war ein kleiner Wildfang. "Wir finden schon einen Weg, sorge dich nicht so viel."
Mira schloss die Augen und lehnte die Stirn an seine. "Vertrau mir, Ray. Alles wird gut. Wir sind bald in Sicherheit und müssen uns nie wieder Sorgen machen."

Ray

"Bist du sicher? Ich meine ... ich glaube eigentlich nicht, dass Oliver dir etwas tut, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass er will, dass ich ..." Ray brach ab, weil er das einfach nicht aussprechen konnte. Oliver war für ihn immer eine gewisse Respektsperson gewesen. Er war nie wie ein Vater für Ray gewesen, aber der Junge hatte ihn respektiert ohne ihn zu fürchten. Heute aber hatte er eine ganz neue Seite entdeckt und war darüber noch sichtlich verstört, doch viel mehr als um sich, fürchtete er nun plötzlich um seine Mutter.
Ray schmiegte sich in die Arme seiner Mutter und deutete ein kleines Nicken an. "Ich versuch's, versprochen." erwiderte er leise. "Aber ich mache mir halt Sorgen um dich." erklärte Ray. "Ich muss doch schließlich auch auf dich aufpassen." Seine Mutter hatte schließlich keinen Mann an ihrer Seite, der das tat und deshalb musste er die Verantwortung übernehmen. "Und ich will doch, dass es dir gut geht. Und dass wir zusammen glücklich sein können." wisperte Ray und drückte sich ein wenig fester an seine Mutter.

Mira

"Ich bin sicher. Oliver geht es vor allem um das Geld und das ist auch der Grund, warum du auf diese Weise arbeiten sollst. Weil besondere Wünsche besonders teuer sind und er somit wirklich viel verdienen würde. Genauso ist es mit mir....Ich bringe ihm gute Einnahmen, daher wird er mir nichts tun." Er würde niemals ihr hübsches Gesicht verschandeln.
Sie lächelte leicht. "Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du so denkst. Dass du auf mich aufpassen willst. Aber das ist eine große Aufgabe für einen so jungen Mann wie dich. Doch zusammen schaffen wir das schon. Du wirst schon sehen."
Sie küsste ihn auf das rote Haar und genoss die Nähe zu ihm. "Ich liebe dich, Großer. Und du wirst immer das Wichtigste für mich sein. Doch warte nur, dein Vater wird uns holen, du wirst sehen."

Edward schlug das Herz bis zum Hals als er durch die Gänge eilte, um Claire zu finden. Ein Diener hatte ihm gesagt, dass sie hinaus in den Garten gewollt hatte also wollte Edward es dort zuerst versuchen. Er musste ihr Bescheid sagen, dass er umgehend nach London aufbrechen musste, denn gerade hatte man einen etwas abgerissenen Boten vor ihn geführt, der Nachricht von Mira gebracht hatte. Und zwar eine Nachricht, die Edward bis ins Mark erschüttert hatte.
Keine Sekunde hatte er gezögert, sondern hatte umgehend Anweisungen für seine Abreise erteilt, denn je eher er in London war, desto besser.
Umso größer war seine Erleichterung als er den Garten erreichte und dort auch schon auf der ersten kleinen Wiese seine Gemahlin entdeckte, die mit ihrer Zofe zusammen gemütlich über das Grün schlenderte.
"Claire!"

Claire war gemütlich im Garten unterwegs gewesen und hatte das schöne Wetter genossen, als Edward ihr entgegen eilte. Sie sah ihrem Mann sofort an, dass etwas geschehen sein musste, denn er wirkte regelrecht aufgelöst. Und es war bei Edward doch höchst selten der Fall, dass ihn etwas so sehr aus der Bahn warf.
Sie wandte sich um und bedeutete ihrer Zofe mit einem Nicken, den Weg erst einmal allein fortzusetzen. Dann ging Claire ihrem Mann ein wenig entgegen und streckte die Hände nach seinen aus. "Edward, was ist passiert? Du bist ja ganz blass."
Hoffentlich hatte er keine schlechte Kunde aus Cornwall. Nicht, dass jemandem aus der Familie etwas zugestoßen war.
"Erzähl es mir."

Edward war froh, dass sie beide sich so gut kannten, dass Claire sofort sah, dass etwas nicht in Ordnung war, die Zofe aufforderte weiter zu gehen und zu ihm kam. Er griff nach ihren Händen und drückte sie leicht. "Ich muss sofort nach London aufbrechen, Claire." begann er ohne Umschweife. "Mira hat einen Boten geschickt. Ich muss den Jungen dort umgehend wegholen, er ist dort nicht mehr sicher. Sie hat dem Boten nicht allzu viel anvertrauen wollen, aber es muss dringend sein, sonst hätte sie diese Mühe nicht auf sich genommen." erzählte er und strich Claire dann sanft über die Wange. "Ich will noch heute los damit ich so schnell wie möglich bei ihnen bin und ihnen helfen kann. Das verstehst du doch, hm?" Er konnte Mira und seinen Jungen nicht einfach in ungewisser Gefahr in London lassen.

Claire hörte ihrem Mann aufmerksam zu und im ersten Moment spürte sie ein bisschen Widerwillen. Diese Hure rief und Edward sprang sofort. Aber letztlich ging es um den Jungen und sie musste einsehen, dass Mira wohl viel zu stolz war, um Edward ohne Grund um Hilfe zu bitten. Sie hatte schließlich all die Jahre auch nie Ansprüche an ihn gestellt. Hilfe hatte Edward ihnen freimütig angeboten und das war wohl nur recht so, da Mira in einer sehr stürmischen Zeit gut auf ihn aufgepasst hatte ohne sich daran zu bereichern.
"Ja, dann solltest du gehen und sehen, was du tun kannst. Sie wird dir keinen Boten schicken, wenn es nicht notwendig ist. Ich verstehe das." Sie seufzte leise und küsste ihn sanft.
"Pass gut auf dich auf und sei schnell zurück."

Edward konnte Claire ansehen, was in ihr vorging und trotzdem erhob sie keine Einwende. Wie sehr er diese Frau doch einfach liebte!
Er schlang die Arme um ihre Taille und vertiefte den Kuss, den sie ihm gab noch etwas. "Danke." wisperte er schließlich gegen ihre Lippen. "Ich liebe dich." Er wusste, dass es keine ganz einfache Situation für Claire war und er war sich noch nicht sicher, wie er es gut lösen konnte, wenn er Ray und Mira mit nach Oxford bringen musste, aber das würde sich schon irgendwie fügen. Das musste es einfach. Er befürchtete nämlich, dass er Raymond ohne dessen Mutter nicht aus London wegbekommen würde.
Edward lächelte sanft. "Das werde ich. Und du glaubst doch nicht, dass ich länger als notwendig von dir fern bleibe?" bemerkte er amüsiert und küsste sie noch einmal. "Es wird nur ein paar Tage dauern, dann hast du mich wieder." versprach er.

Claire erwiderte den Kuss und lächelte dann. "Und ich liebe dich...Wir finden schon eine Lösung für alles, mach dir keine Sorgen."
Irgendwie würden sie sich schon arrangieren, selbst wenn er Mira und Raymond bringen würde. Je nachdem, was in London vorgefallen war, würde es so kommen, da war sie siche. Aber sie vertraute Edward und er hatte ihr noch nie Grund gegeben zu zweifeln.
"Nein, wahrscheinlich nicht. Und ich warte sehnsüchtig auf dich....", erwiderte sie verheißungsvoll und lachte dann leise.
"Dann hoffe ich, dass du mich auch wirklich nur ein paar Tage warten lässt, sonst werde ich ein wenig verstimmt sein."

Edward war nur mit zwei Begleitern zusammen nach London aufgebrochen, hatte diese beiden aber nun auch in ihrer Unterkunft zurück gelassen und war allein zu dem Hurenhaus gegangen in dem Mira und Raymond lebten. Er wollte kein großes Aufsehen erregen und er war auch ganz bewusst nicht zum Tower geritten, um dort unterzukommen, denn er wollte all das hier möglichst schnell und diskret abwickeln.
Auch wenn es erst Nachmittag war, hatte der Diener ihn hereingelassen, so dass Edward nun an die Tür zu Miras Kammer klopfte und auf eine leise Aufforderung von drinnen eintrat.
"Mira." Er lächelte leicht, doch die Anspannung hatte ihn fest im Griff, denn seit ihr Bote eingetroffen war, rätselte Edward was hier vorgefallen war. "Ich bin so schnell gekommen, wie es mir möglich war. Was ist geschehen? Wo ist Raymond, ist er wohl auf?"

Mira

Mira war immer angespannter, je mehr Zeit verstrich. Die Woche Zeit, die Oliver ihr eingeräumt hatte, war beinahe abgelaufen und sie hatte keine andere Chance als auf Edward zu vertrauen. Wenn er nicht kam, würde es zu spät sein.
Als es an ihrer Kammer klopfte, zuckte sie zusammen und bat den Besuch etwas beklommen herein. Es war zu früh für Freier, es war erst Nachmittag. Sie sprang auf, als sie Edward erkannte und trat ihm entgegen. "Oh, Edward, ich bin so froh, dass du hier bist." Sie atmete tief durch. "Es geht ihm gut, noch. Aber....Oliver hat andere Pläne mit ihm. Edward, du musst ihn sofort hier weg holen. Er soll....er soll anfangen Freier zu empfangen und ich konnte nur eine Woche Zeit herausschinden." Sie brach unvermittelt in Tränen aus. "Bitte, Edward, ich weiß, ich habe kein Recht dazu, aber nimm ihn mit. Ich will nicht, dass er das erleben muss, er soll ein besseres Leben haben. Ray sagt, er will nur gehen, wenn ich mitkomme, aber ich bekomme ihn sicher überzeugt...."

Edward hörte Miras aufgewühltem Bericht zu und wollte sich gerade über die Pläne des Hurenwirtes auslassen als Mira in Tränen ausbrach vor Sorge um ihren Sohn. Ohne zu zögern trat Edward noch einen Schritt vor und zog Mira in seine Arme, um ihr Trost zu spenden.
"Hab keine Angst, er wird das nie tun müssen." murmelte er und strich Mira sachte über den Rücken. "Und du hast jedes Recht mich darum zu bitten, immerhin ist er unser Sohn. Du hast dich all die Jahre um ihn gekümmert und nie Ansprüche an mich gestellt, es ist wohl mehr als nur meine Pflicht euch jetzt zu helfen." erklärte Edward und legte dann die Hand an Miras Kinn, damit sie ihn ansah.
"Du musst nicht hier bleiben, das weißt du, oder? Ihr beide könnt mit nach Oxford kommen." Zumal er fürchtete, dass Mira ihren Einfluss auf ihren Sohn in diesem Punkt überschätze, denn so wie Edward den Jungen bisher kennengelernt hatte, würde dieser sich eher hier einem finsteren Schicksal ergeben als seine Mutter allein zurück zu lassen.

Mira

Mira schmiegte sich in seine Arme, einen kurzen Moment einfach nur dankbar für seine Zuwendung. Endlich einmal hatte sie nicht mehr das Gefühl, die ganze Last allein tragen zu müssen. Sie hätte nicht gewusst, was sie tun sollte, wenn Edward ihnen nicht half.
Sie erwiderte seinen Blick und schluckte dann. "Ich danke dir...ich werde dein Angebot gern annehmen, Edward. Aber denkst du nicht, deine Frau wird Schwierigkeiten machen, wenn du mich mitnimmst?" Sie seufzte tief.
"Oliver wird mich nicht so einfach gehen lassen. Aber ich habe ein bisschen Geld gespart, vielleicht lässt er sich darauf ein, dass ich mich frei kaufe." Aber ihr war eigentlich klar, dass das Geld nicht reichen würde. Die Hilflosigkeit ihrer Lage wurde ihr immer deutlicher bewusst.
"Ray wird froh sein. Aber ohne mich wird er sich wahrscheinlich wirklich quer stellen und nicht mitkommen wollen. Er tut sich ohnehin schwer damit London zu verlassen."

Edward schüttelte leicht den Kopf und deutete zugleich ein Schulterzucken an. "Sie wird vermutlich nicht überglücklich sein, aber sie wird verstehen, wieso es notwendig war. Außerdem vertraut sie mir. Ich bin nämlich ein anständiger Kerl geworden, weißt du? Treu und solche Dinge." erklärte Edward augenzwinkernd.
Er betrachtete Mira und lächelte dann leicht. "Lass Oliver nur meine Sorge sein. Und untersteh dich dein gespartes Silber dafür anzurühren, ich kümmere mich um alles. Sieh es als ... Wiedergutmachung dafür, dass du Ray all die Jahre allein hast durchbringen müssen, einverstanden?"
Edward nickte und löste dann die Umarmung wieder. "Das glaube ich gern. Umso besser, wenn du uns sofort begleitest, dann wird er sein geliebtes London leichter aufgeben können." erwiderte er und sah sich kurz in dem Raum um. "Weißt du wo er sich gerade herum treibt? Ich würde nämlich vorschlagen, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ich kläre alles mit Oliver und du holst Ray und ihr packt eure Sachen, in Ordnung?"

Mira

Mira lächelte leicht. "Man sollte es kaum für möglich halten." Schließlich hatte sie Edward in einer seiner wildesten Zeiten kennengelernt. Sie mochte diesen Kerl wirklich gerne und sie hatte auch immer geschätzt, dass sie mit Ray ein kleines Geschenk von ihm hatte. Und Ray war die Freude ihres Lebens, der Grund, warum ihr all das nie viel ausgemacht hatte.
"Ich danke dir wirklich sehr, Edward...." Mira nickte langsam. "So machen wir es. Ich denke, ich weiß, wo ich ihn finden kann. Aber sei vorsichtig, Oliver ist ein wenig aufbrausend."
Trotzdem machte sich eine gewisse Erleichterung in ihr breit und sie entspannte sich. Es würde alles besser werden....
Ray würde in Sicherheit sein und nicht seine Dienste leisten müssen. Er würde ein unschuldiges Kind bleiben.

Edward grinste schelmisch. "Schwer zu glauben, nicht wahr? Aber es ist so und ich schätze, wenn ihr erst einmal in Oxford seid, wirst du auch verstehen wieso." erwiderte er amüsiert. Es hatte noch keinen einzigen Tag gegeben an dem er auch nur mit dem Gedanken gespielt hatte, Claire mit einer anderen Frau zu hintergehen, sie war einfach die einzige Frau, die für ihn noch zählte.
Edward nickte und lächelte dann unbekümmert. "Mach dir um mich keine Sorgen, ich werde mit ihm schon zurecht kommen. Sieh lieber zu, dass ihr bereit für die Abreise seid, wenn ich zurück komme." Er zwinkerte Mira zu und verließ dann die kleine Kammer wieder, um sich auf die Suche nach dem Hurenwirt zu machen. Edward ahnte, dass Miras Warnung durchaus berechtigt war, aber er hatte nicht vor sich von Oliver einschüchtern zu lassen. Er hoffte allerdings, dass es zu einer schnellen, einfachen Lösung kam und war durchaus gewillt eine entsprechende Summe an Oliver für Mira und Ray zu zahlen.

Mira

Mira hatte sich sofort auf den Weg gemacht, denn sie vermutete ihren Sohn in einer der Nischen. Dort wurde sie auch fündig. Sie ging zielstrebig auf ihren Sohn zu und legte die Hände an seine Wangen. "Komm, Ray, rasch...", forderte sie ihn auf und lächelte dann leicht. "Dein Vater ist hier. Er wird uns Beide mitnehmen, er redet gerade mit Oliver."
Sie seufzte ein wenig erleichtert und griff nach seiner Hand. "Lass uns unsere Sachen holen, du hast doch schon gepackt, hm?"
Endlich würde alles gut werden. "Ich weiß, du möchtest nicht gern fort, aber ich komme mit und dann werden wir ein schönes Leben haben, versprochen." Und wenn Ray groß war, konnte er immer noch wieder nach London gehen.

Ray

Seit seine Mutter ihm offenbart hatte, was Oliver für Pläne mit ihm hatte, fühlte Ray sich elend. Er war hier in diesem Haus aufgewachsen, hatte sich immer wohl gefühlt und keinerlei Berührungsängste gehabt, doch das hatte sich vor ein paar Tagen schlagartig geändert. Mit einem Mal fühlte er sich als wäre er ständig auf der Flucht und das hielt er nur wirklich schwer aus.
Deshalb war er auch ungewöhnlich ruhig gewesen und zog es vor sich alleine irgendwo herum zu treiben. Auch jetzt hatte er sich in einer abgelegenen Ecke verkrochen und hing seinen Gedanken nach als eilige Schritte ihn hochschrecken ließen, doch da erkannte er auch schon seine Mutter.
"Er ist hier?" fragte Ray skeptisch, doch dann hellte sich seine Miene auf. "Du wirst mitkommen?" fragte er hoffnungsvoll und ergriff sofort ihre Hand, die sie ihm entgegen streckte. Wenn seine Mutter ihn begleitete, würde er gehen auch wenn es ihm schwer fiel seine geliebte Stadt zu verlassen.
Er nickte und lächelte ein wenig scheu. "Hab ich, so wie du wolltest." Seine Mutter hatte ihn schon am ersten Tag aufgetragen er solle seine Habseligkeiten zusammen sammeln. Es war nicht viel, aber ein paar Kleinigkeiten gab es dennoch, die Ray mitnehmen wollte und so lag nun alles schon bereit für ihren Aufbruch.
"Und ... Oliver wird uns einfach gehen lassen?" fragte Ray skeptisch als er neben seine Mutter trat.

Mira

"Ja, er ist sofort gekommen, nachdem mein Bote ihn erreicht hatte. Er hat uns nicht im Stich gelassen, mein Großer. Und er wird uns Beide mitnehmen, ja. Ich komme mit euch.", beruhigte sie ihn lächelnd. Dann nahm sie mit sich, damit sie ihre Sachen holen konnten.
"Gut gemacht. Hm, ich weiß nicht, ob es einfach geht. Aber Edward wird schon entsprechend verhandeln und ich denke, er wird uns freikaufen. Anders wird Oliver sich auf die Sache nicht einlassen. Ich habe angeboten mich selbst freizukaufen, aber er wollte es tun. Weil ich mich ja all die Jahre schon allein um dich gekümmert habe. Also wird alles gut. Und wir haben bestimmt in Oxford bald auch ein genauso nettes Zuhause. Vielleicht gefällt es dir besser, als du denkst, hm?"
Sie erreichte ihre Kammer und packte die letzten Sachen in ihr eigenes Bündel. Jetzt mussten sie nur noch hoffen, dass Edward Erfolg hatte.

Ray

Ray schauderte leicht und senkte den Blick. Freikaufen, wie fürchterlich das klang ... irgendwie hatte er ja immer gewusst, dass Oliver über sie verfügte, dass sie von seinem Wohlwollen abhängig waren hier in seinem Haus, aber das ganze Ausmaß ihrer Lage begriff Ray erst jetzt nach und nach.
Als sie ihre kleine Kammer erreichten, holte Ray sein Bündel hervor, das er sorgsam in seiner Strohmatratze versteckt hatte. Nur so zur Sicherheit, damit man es nicht sofort finden konnte. Unschlüssig ging er zu seiner Mutter, das Bündel an die Brust gepresst und setzte sich auf ihr Bett während sie ihre letzten Sachen zusammen packte.
Unruhig kaute Ray auf seiner Unterlippe herum und sah schließlich unsicher auf. "Und was ist ... wenn es uns dort nicht gefällt?" fragte er dann leise. "Und was wird dort überhaupt aus uns? Musst du ..." Er brach ab, weil er nicht aussprechen konnte, was ihm gerade durch den Kopf ging. Würde ihr Leben in Oxford wieder genau so weiter gehen wie hier?

Mira

Mira setzte sich neben ihren Sohn und legte den Arm um ihn, ihren Beutel neben sich. "Es wird uns bestimmt gefallen, es soll schön dort sein. Und wenn wir uns gar nicht damit anfreunden können, wird Edward sicher eine Lösung für uns finden. Wir können dann nach Cornwall gehen oder ganz woanders hin. Wir sind frei, wenn wir eine Weile hier weg sind und Oliver uns nicht mehr finden kann."
Sie dachte einen Moment nach.
"Weißt du, ich denke, ich werde schon Arbeit finden. Normale Arbeit. Vielleicht können sie dort noch eine Magd gebrauchen oder eine Näherin, ich kann ganz passabel nähen. Ich werde mit deinem Vater sprechen. Und du wirst eine gute Ausbildung dort bekommen, du kannst sogar Ritter werden, Ray." Dann stand ihm die Welt offen.
"Und dann kannst du immer noch in dein geliebtes London zurückkehren."

Ray

Ray fühlte sich gleich ein klein wenig besser als seine Mutter sich zu ihm setzte. Natürlich konnte auch sie nicht mit völliger Sicherheit sagen, dass es ihnen gefallen würde, sie kannte Oxford ja genauso wenig wie er, aber ihre Nähe und ihre Zuversicht halfen auch Ray dabei nicht allzu pessimistisch zu sein.
Dann lächelte er erleichtert. "Das ist gut. Ich ... ich will nicht, dass du das noch länger machen musst." Wenn sie nun schon hier weggingen und einen neuen Anfang machten, dann sollte es auch wirklich anders werden.
Ray runzelte leicht die Stirn. "Muss ich Ritter werden?" fragte er skeptisch. "Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich was für mich ist." Das war eine vollkommen andere Welt als das, was er bisher in seinem Leben gehabt hatte.

Mira

"Ich weiß. Und du hast ja auch Recht. Ich werde nicht jünger, ich kann diesen Beruf auch nicht mehr ewig ausüben. Ich bin froh, wenn unser Leben etwas ruhiger und normaler wird. Ich bin lange genug hier." Und sie konnte froh sein, dass sie nicht mit ihrem Kind auf der Straße gesessen hatte, als sie damals schwanger geworden war. Oliver war nicht begeistert gewesen, hatte ihr aber geholfen und dafür war sieihm unwahrscheinlich dankbar.
"Ich denke nicht. Wenn du einen anderen Beruf erlernen willst, wird dein Vater sicher auch gern eine Lehrstelle für dich finden. Aber es ist eine große Chance für dich und du könntest es dir immerhin einmal ansehen, hm? Vielleicht macht es dir ja doch Spaß."
Allzu gut kannte Ray diese Welt schließlich auch nicht. "Du musst dir jetzt gerade auch noch nicht sicher sein, du hast Zeit."

Ray

Ray sah seine Mutter mit einem dankbaren Lächeln an und lehnte sich etwas mehr an sie. "Ich schaue es mir an, versprochen." Wenn ihr so viel daran lag, würde er sich davor nicht verschließen, aber es war beruhigend, dass sie ihn nicht sofort drängte und er Zeit haben würde. Blieb nur zu hoffen, dass sein Vater das auch so sah.
Ray hatte sehr gemischte Gefühle wenn er an Edward of Oxford dachte. Seit dieser hier irgendwann aufgetaucht war und erzählt hatte, er sei sein Vater, war Ray völlig durcheinander. Doch solange Ray und seine Mutter die meiste Zeit über hier allein in London gewesen waren, hatte er diese verwirrenden Gefühle meist gut bei Seite schieben können. Nun aber würden sie nach Oxford gehen und er würde seinen Vater direkt vor der Nase haben - Ray wusste noch nicht, ob er sich darüber freute oder ob es ihm Sorgen bereitete. Aber auch das würde er wohl einfach auf sich zukommen lassen müssen.