William und Joanna ab 09.09.12 - Teil 5

Julia

"Schön für dich. Wenn du etwas daraus lernst, umso besser, auch wenn es mir nichts mehr nutzt." So lange hatte sie gehofft, er würde doch noch zurückkommen, nachdem er sie verlassen hatte. Es war nur ein Traum gewesen. Diese Träume waren lange gestorben.
"Nein, das bin ich vielleicht nicht. Aber ich kann nicht beurteilen, ob du dich zu deinem Vorteil verändert hast oder nicht. Eigentlich ist es mir auch egal."
Sie sah ihn an und hätte um ein Haar wieder gelacht. "Eines hat sich nicht geändert. Du bist genauso naiv wie früher. Wenn du etwas Besseres für mich gewollt hättest, hättest du mich heiraten sollen. Denn weißt du, in meiner Welt gehört er zu den besseren Ehemännern."
Sie erhob sich ein bisschen mühsam.
"Thomas, komm, wir müssen weiter.", rief sie ihren kleinen Sohn zu sich.

 

Edward kratzte sich am Bart, den er sich nun schon seit einiger Zeit stehen lassen konnte ohne das es lediglich wie ein alberner Flaum aussah. "Wer weiß, das wird sich wohl noch zeigen. Aber fest steht, dass ich mich verändert habe. Und ich habe einiges erlebt." Dinge, die aufregend und spannend gewesen war, schöne Dinge, aber auch grausige Dinge, die ihn auf eine harte Probe gestellt hatten. Die Narben seiner letzten Prüfung wurden von seinem Hemd verdeckt und erstreckten sich über seinen Rücken und seine Schulter bis hin zum linken Oberarm ... etwas, das ihn wirklich wie nichts anderes gezeichnet hatte.
Edward sah Julia ernst an und erhob sich eilig als sie aufstand. "Wenn ich könnte, würde ich es tun." erklärte er ernst. "Ich hatte keine Ahnung, dass dein Vater dich gleich an den nächstbesten Schläger verschachern würde. Aber wäre es nicht so gewesen, hätte ich meinen Fehler wieder gut gemacht. Ich hätte dich geheiratet." erklärte Edward dann vollkommen ernst.

Julia

"Es wäre auch schlimm, wenn du nicht wenigstens ein bisschen reifer geworden wärst.", erwiderte Julia und nahm ihren Sohn bei der Hand, der glücklicherweise noch zu klein war um das hier zu verstehen.
"Im Nachhinein ist es immer leicht große Reden zu schwingen, Mylord. Du hättest es nicht getan, sei versichert. Du hättest viel zu viel Angst vor deinem Vater gehabt."
Sie schüttelte den Kopf. "Was hätte er sonst tun sollen, Edward? Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich einen Bastard bekommen hätte? Dann hätte mich niemand mehr geheiratet. Mein Vater war nach der Sache mit dir froh, dass er überhaupt einen Mann für mich gefunden hat und ich bin ihm dankbar dafür, dass er mich versorgt wissen wollte. Also misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen.", erwiderte sie und setzte sich Bewegung.
"Ich muss gehen."

 

Edward knirschte mit den Zähnen. "Ich hätte es getan! Und ich würde es immer noch tun, wenn du nicht verheiratet wärst." erwiderte Edward fest.
Als Julia sich abwandte, biss Edward sich auf die Unterlippe. "Julia, warte!" rief er halblaut und machte einen Schritt nach vorne, griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie auf.
Er sah ihr fest in die Augen und versuchte darin das lebenslustige Mädchen von damals wieder zu finden unter all der Verbitterung und dem Groll. "Ich liebe dich, Julia." erklärte er dann leise, ehe er sich wirklich bewusst wurde, was er da sagte.

Julia

"So ein Pech, dass ich schon fast drei Jahre verheiratet bin. Du kommst ein bisschen spät. Zu spät." Julia bedachte ihn mit einem kühlen Blick und setzte sich in Bewegung, als er nach ihrem Handgelenk griff. Sie sah zurück und erwiderte seinen Blick.
Mit dem, was kam, hatte sie nun wirklich nicht gerechnet und sie wusste auch nicht damit umzugehen. Was sollte das nun werden?
"Was soll das werden, Edward? Du übertreibst es mit deiner Reue...und selbst, wenn es wirklich so wäre...was soll es ändern, Edward?"
Sie war verheiratet und würde es bleiben. Und das Risiko war ihr zu groß sich auf ihn einzulassen, selbst wenn sie es gewollt hätte.
Nein. Edward war für sie ein abgeschlossenes Thema. "Leb wohl, Edward."

 

Edward erwiderte ihren Blick und schüttelte dann den Kopf. "Das hat nichts mit Reue zu tun, Julia. Es ist mein Ernst." entgegnete er fest.
"Es könnte etwas ändern ... wenn du es willst. Wenn du bereit wärst, es zu ändern." fuhr Edward fort. "Julia, kein Ehegelöbnis ist wahrlich in Stein gemeißelt, es gibt Mittel und Wege eine Ehe zu annullieren ... ich könnte dafür sorgen. Dann wärst du frei von diesem Mistkerl, der Hand an dich legt. Frei um mich zu heiraten."
Es war völlig unsinnig, was er hier tat ... er hatte selbst vorher noch gar nicht richtig darüber nachgedacht, aber jetzt schien alles für ihn Sinn zu machen und alles fügte sich zusammen, so dass die Worte nur so aus ihm heraus sprudelten.

Julia

Julia schüttelte den Kopf. "Du bist völlig verrückt. Eine Ehe wird vor Gott geschlossen und sie bleibt es auch. Aus was für einem Grund sollte sie annulliert werden können? Ich bin weder unfruchtbar noch wurde die Ehe nicht vollzogen, ich bin nicht dumm, Edward. Außerdem wären meine Kinder dann Bastarde. Du redest Unsinn, weil du dein schlechtes Gewissen beruhigen willst. Ich werde niemals frei sein um dich zu heiraten und selbst wenn...wer sagt, dass ich dann ausgerechnet dich heiraten möchte? Du hast mir nicht gerade bewiesen, dass du zu mir stehst. Glaubst du, du schnippst mit dem Finger und ich lasse alles liegen, um bei dir zu sein? Edward, lass mich verdammt noch mal mein Leben leben und kümmere dich um deinen eigenen Dreck. Misch dich nicht ein, du wirst es ohnehin nicht ändern können. Und jetzt gehe ich wirklich. Ich muss das Abendbrot auf den Tisch bringen."
Was fiel diesem Mistkerl eigentlich ein?

 

"Das nicht, aber du warst immerhin keine Jungfrau mehr als er dich geehelicht hat. Allein das könnte schon reichen. Ansonsten lässt sich eine zu nahe Verwandtschaft finden ... Julia, wenn du mich lässt, finde ich einen Weg, sei versichert." erwiderte Edward eindringlich.
Er legte die Stirn in Falten. "Julia, ich habe Fehler gemacht, das weiß ich, aber ich bin älter geworden, habe einiges gelernt, solche Dinge würden mir nie wieder passieren. Ich weiß wie viel du mir bedeutest und ich würde dich gerne bei mir haben." fuhr Edward fort, ließ sie jedoch los als sie deutlich machte, was sie von seinen Worten hielt.
Betroffen sah er sie an. "Ich hätte nicht gedacht, dass du solch einen Groll gegen mich hegst ..." bekannte er dann und seufzte leise. "Überleg es dir, Julia. Ich kann dich nicht zwingen, aber denk wenigstens darüber nach was für Möglichkeiten sich damit für dich ergeben würden und auch für deine Kinder. Auch für sie wäre gut gesorgt."

Julia

Julia schüttelte den Kopf. "Wenn du das irgendjemandem gegenüber wiederholst, werde ich nie wieder auch nur ein Wort mit dir sprechen.", drohte sie ihm an. "Du kommst hier her und willst plötzlich mein ganzes Leben über den Haufen werfen. Wie kannst du es wagen dir ein Urteil anzumaßen, wenn du überhaupt erst Schuld daran bist? So schlimm ist dieses Leben nicht. Und was denkst du, werden die Leute sagen, wenn ich mich plötzlich mit dir einlasse? Du machst es dir leicht. Für dich ist es auch leicht...du bist von Adel, du musst dir nie Sorgen um deine Zukunft machen. Lass mich doch in Frieden, Edward, du machst es nur noch schwerer für mich. Auf einmal fällt dir ein, dass es mich auch noch gibt. All die Zeit habe ich dich nicht interessiert. Ich verstehe dich nicht und ich will dich nicht verstehen. Meine Kinder wären Bastarde und dem will ich sie nicht aussetzen. Lass mich endlich gehen...."

 

Edward wollte protestieren, sah dann jedoch ein, dass es sinnlos war. Was sollte er sich mit Julia weiter streiten? Entweder sie dachte darüber nach und traf dann eine Entscheidung oder sie verdrängte es. Ändern konnte er es so oder so nicht.
Edward strich sich die Haare aus der Stirn und schüttelte den Kopf. "Ich will doch nur, dass es dir gut geht, Julia. Ich weiß, was für ein Unrecht ich dir angetan habe und ich weiß auch, was ich für dich empfinde ... was ich dir angeboten habe, ist für mich die logische Konsequenz daraus. Denk darüber nach oder lass es, aber mein Angebot steht. Und du würdest mich glücklich machen damit." erklärte Edward, trat dann aber einen Schritt zur Seite, um Julia den Weg frei zu geben.

Julia

Julia war äußerst froh, dass Edward sie nicht weiter bedrängte. Das alles machte ihr sehr zu schaffen und sie wollte nicht, dass der Kleine es bemerkte.
Sie sah ihn nur an und schüttelte den Kopf, die Tränen niederkämpfend. Dann setzte sie sich in Bewegung und zog den kleinen Thomas mit sich.
Ihre Gedanken waren völlig durcheinander, aber sie musste sich beeilen, sonst würde sie wirklich Ärger mit Tom bekommen un das konnte sie im Moment nicht gebrauchen.

 

Edward hatte noch eine Weile einfach nur da gestanden und hatte auf die Hausecke gestarrt, hinter der Julia verschwunden war. Dann irgendwann hatte er sich einen Ruck gegeben und hatte den Weg zurück zur Burg eingeschlagen.
Seine Gedanken kreisten dabei permanent um Julia und um das, was er in den letzten Tagen beobachtet hatte. Wie sie im Wirtshaus hatte arbeiten müssen und wie sie ihm heute entgegen getreten war. Edward seufzte schwer.
Als er das Dorf hinter sich gelassen und das Burgtor durchschritten hatte, entdeckte er Robert, der gerade auf dem Übungsplatz mit dem Schwert ein wenig an einer Strohpuppe trainierte. Einen Augenblick zögerte Edward, dann schlug er den Weg zu seinem Bruder ein. Vielleicht konnte Robert ihm ja ein wenig helfen ... oder ihn wenigstens ablenken.
Er trat an den Zaun heran und stützte die Hände darauf ab. "Etwas dagegen, wenn ich mit mache?" fragte er und lächelte schief.

Robert wischte sich gerade mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Es war warm, ein schöner Tag und er hatte seine freie Zeit genutzt um ein wenig zu trainieren. Philippe war mit seiner Frau beschäftigt und mit seinem Kind, das konnte er verstehen.
Umso überraschter war er, als plötzlich Edward neben ihm am Zaun stand und ihn bat mitmachen zu dürfen. Irgendwie sah Edward nicht sonderlich glücklich aus. Aber Robert fragte nicht, sondern lächelte nur.
"Blödsinn, nimm dir ein Schwert und komm. Allein ist es sowieso langweiliger als zusammen."

 

Edward war froh, dass Robert einwilligte ohne irgendwelche Fragen zu stellen, obwohl er seinem Bruder genau ansah, dass ihm nichts entgangen war. Auch wenn er die letzten Jahre kaum hier gewesen war, Robert kannte ihn immer noch gut genug, um zu wissen, wenn irgendetwas nicht in Ordnung war.
Aber jetzt stieg Edward erst einmal durch den Zaun hindurch und zog sich kurzer Hand das Hemd über den Kopf. Es war warm genug und so konnte er es wenigstens noch ein wenig schonen und musste es nicht gleich zum Waschen geben heute Abend. Er nahm sich eines der Übungsschwerter, die an der Seite lehnten und trat zu Robert, um das Training aufzunehmen.
Erst nachdem sie sich ein paar Schlagabtausche geliefert hatten, rang Edward sich dann doch dazu, das Thema, das ihn beschäftigte anzusprechen. "Du hast mir nie erzählt, dass Julia geheiratet hat." bemerkte er und versuchte möglichst beiläufig zu klingen.

Robert musterte Edward kurz, dann ging er auf den Kampf ein und lieferte sich einige Schlagabtausche mit seinem Bruder. Überrascht war er indes, als Edward ein Thema anschnitt mit dem er nicht gerechnet hatte. Das war also des Rätsels Lösung. Julia...dass Edward sie noch nicht vergessen hatte, wunderte ihn durchaus, denn Edward war durchaus ein Frauenheld geworden, der nichts anbrennen ließ.
"Julia...ich hätte nicht gedacht, dass es dich interessiert, deshalb habe ich auch nichts gesagt. Es macht doch auch keinen Unterschied, oder? Sie hat den Sohn des Wirtes geheiratet und führt ein normales Leben. Besser als viele Bauern. Es wundert mich, dass du noch an sie denkst. Damals wolltest du nicht an sie erinnert werden.", erwiderte er erstaunt.

 

Edward parierte einen von Roberts Schlägen und nickte dann nachdenklich. Natürlich, wieso hätte Robert es ihm auch sagen sollen. "Nun es ... interessiert mich aber." erwiderte er ein wenig schleppend.
"Ein normales Leben? Hast du sie mal im Wirtshaus gesehen?" fragte Edward ein wenig gereizt und griff ein klein wenig zu heftig an. "Sie ist hochschwanger und muss trotzdem schuften bis der letzte Gast weg ist ... und dieser Mistkerl schlägt sie." grollte Edward und schlug erneut zu. "Damals ... damals war ich auch noch ein Dummkopf."

Robert parierte mit Mühe Edwards wütenden Schlag und hob eine Augenbraue. "Was ist denn in dich gefahren? Man könnte ja glatt meinen, du wärst in die Kleine verliebt. Schlag sie dir aus dem Kopf, Brüderchen, sie ist verheiratet und ich glaube, sie ist damit auch ganz zufrieden. Besser jedenfalls als von dir einen Bastard zu kriegen."
Er schüttelte leicht den Kopf und drängte Edward einen Schritt zurück. "Dann und wann einmal, ich bin nicht oft im Wirtshaus. Aber weißt du, auch wenn es für uns nicht normal ist, für sie ist es das. Sie müssen arbeiten, sonst haben sie einen Verdienstausfall. Und sie brauchen das Geld. Wenn er sie schlägt, kannst du nichts dagegen tun, denn du weißt, dass es sein Recht ist sie zu züchtigen, auch wenn es uns nicht gefällt."

 

Edward schlug zu, so dass die Klingen mit einem dumpfen Knall aufeinander trafen und die beiden Brüder sich in einem kurzen Kräftemessen wieder fanden. "Und wenn dem so wäre?" fragte Edward und wich dann etwas zurück.
"Aber das hat sie nicht verdient, Robert!" erwiderte Edward. "Sie hat mehr verdient als das. Sie war früher so lebenslustig und sprühte über vor Freude und nun? Du hättest sehen sollen, wie verbittert sie ist." Und daran mochte zum Teil er selbst Schuld sein, aber das war doch kein Leben für sie. Julia war kaum drei Jahre verheiratet und würde ihrem Mann bald das dritte Kind schenken. Und so wie Edward Tom einschätzte, würde dieser auch danach keine Rücksicht auf seine Frau nehmen.

"Wenn dem so wäre, wärst du ein ziemlicher Narr. Und ein größerer Dummkopf, als ich glaubte." Robert setzte nach und wider schlugen die Klingen klirrend aufeinander.
"Dann hättest du sie heiraten sollen, als die Gelegenheit da war, jetzt ist es zu spät. Du wirst daran nichts ändern können und es geht uns auch nichts an. Menschen ändern sich und Frauen haben es selten leicht im Leben."
Er schlug Edward die Klinge aus der Hand und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ed...du kannst nichts dagegen tun. Lass ihr ihren Frieden und mach es nicht noch schlimmer. Du weißt, dass es Toms Recht ist, was er tut und dass du nicht unschuldig bist an ihrem Schicksal. Also mach es ihr nicht so schwer. Aber ich weiß, es ist für dich auch schwer...das ist es immer, so etwas mit anzusehen."

 

"Dann bin ich das wohl." antwortete Edward und versuchte Roberts Schlägen Stand zu halten. "Ich weiß, dass ich das hätte tun sollen, aber das habe ich nun einmal nicht. Aber es gäbe doch genügend Mittel und Wege, um ihre Ehe annullieren zu lassen ..." versuchte Edward einen Einwand vorzubringen.
Die Gedanken an Julia beschäftigten ihn so sehr, dass es Robert fast mühelos gelang ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Edward ließ die Arme sinken und biss die Zähne aufeinander als Robert ihm die Hand auf die Schulter legte. "Ich weiß nicht, ob ich das kann, Rob. Ich weiß, ich bin ein Dummkopf, aber ich habe nun einmal erst mit der Zeit realisiert wie viel sie mir bedeutet, wie wichtig sie mir eigentlich ist ..."
Edward seufzte leise. "Sie beschäftigt mich schon eine ganze Weile, schon bevor ich hergekommen bin." Edward kratzte sich nachdenklich an der Brust. "Rob, ich habe seit einer Weile keine Frau mehr angefasst und das nur wegen ihr. Ich würde einiges drum geben, sie wieder bei mir zu haben."

"Aus welchem Grund sollte der Papst einer Annullierung zustimmen? Das ist Unsinn. Sie hat ihrem Mann schon zwei Kinder geschenkt, die Ehe ist vollzogen und eine Verwandtschaft ist nicht nachzuweisen. Nur durch Befragung der Dorfbewohner vielleicht und die werden nicht lügen, Tom ist ein angesehener Mann. Und selbst wenn du meinst, du könntest anbringen, dass sie nicht unberührt in die Ehe gegangen ist....das wird dir nichts nützen, solange Tom nicht diese Anklage erhebt. Warum sollte Julia sich selbst belasten? Solange er sich nicht daran stört, wird der Papst nichts unternehmen und das weißt du. Solange Tom lebt, wird sie nicht frei sein, Edward.", versuchte Robert seinem Bruder die Augen zu öffnen. "Junge, Junge, dich hat es ganz schön erwischt, was? Aber wenn du sie liebst, wirst du sie nicht bedrängen und sie in Frieden lassen, solange sie das will. Mach es ihr nicht so schwer. Wenn euch jemand zusammen sieht, kommt sie in Teufels Küche. Aber wieso musst du nun so plötzlich wieder an sie denken? Vorher war es dir egal."

 

Edward knirschte mit den Zähnen. Was Robert da sagte, wusste er natürlich auch selbst, aber er hatte sich gerne eingeredet, dass es anders war. Dass er einen Weg finden würde.
Edward zuckte mit den Schultern. "Vielleicht." erwiderte er dann unwillig und seufzte schwer. "Das sagst du so leicht. Allein wenn ich daran denke, was sie gerade durch machen muss, wird mir ganz anders. Ich würde ihr so gerne helfen, Rob, aber ich weiß einfach nicht wie."
Ihm waren in dieser Sache die Hände gebunden, besonders solange Julia nichts von ihm wissen wollte.
Edward fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn um ein paar Schweißperlen wegzuwischen. "Wäre ich damals doch nur nicht so blind gewesen ..." murmelte er zerknirscht.

Robert nickte langsam. "Ja, ich weiß, es ist schwer. Wenn du ihr wirklich helfen willst, musst du Geduld haben. Wenn sie dich nicht vergessen hat und immer noch Gefühle für dich hat, wird sie irgendwann deine Nähe suchen. Aber du darfst sie nicht drängen, vergiss das nicht. Dann treibst du sie nur von dir weg. Sei ihr ein Freund, wenn sie dich braucht. Und wenn sie tatsächlich so leidet, wie du sagst, wird sie dich irgendwann brauchen. Sie wird Trost brauchen können."
Robert seufzte. "Hinterher ist man immer schlauer, Brüderchen. Aber es ist zu spät. Du wirst abwarten müssen, was die Zeit bringt. Irgendwann wird deine Geduld belohnt."
Edward tat ihm wirklich leid. Da entwickelte sein Bruder zum ersten Mal wirklich ernsthaft Gefühle und dann ausgerechnet zu einer verheirateten Frau.

 

Edward sah Robert einen Moment lang schweigend an, dann nickte er langsam. Ja, vermutlich musste er geduldig sein, nur leider war das nicht so leicht wie Robert es sagte. "Ich werde es versuchen." erwiderte er und hielt sich nur mit Mühe davon ab laut zu seufzen.
Stattdessen legte er den Kopf ein wenig schief. "Hast du heute Abend schon etwas vor? Wir könnten doch -" Edward unterbrach sich selbst mit einem Kopfschütteln. "Vergiss es, die Frage war dumm. Deine Familie wartet auf dich, nicht wahr ..." Edward machte eine wegwerfende Handbewegung und drehte Robert den Rücken zu, um sein Hemd wieder an sich zu nehmen, dass er über den Zaun geworfen hatte.
Edward hatte sein Leben lang um Roberts Anerkennung gebuhlt und versucht seinem Bruder nachzueifern und nicht mehr in dessen Schatten stehen zu müssen, aber Robert war ihm beständig einen Schritt voraus. So natürlich auch jetzt, Robert hatte eine Familie gegründet und war fleißig dabei in die Fußstapfen ihres Vaters hier in Cornwall zu treten und er?

Robert nickte und klopfte Edward leicht auf die Schulter. "Du schaffst das schon, Brüderchen." Er sah Edward nach, als dieser sich selbst in seiner Frage unterbrach und sich abwandte, um sich wieder anzuziehen. Ein flüchtiges Lächeln glitt über seine Lippen und er trat von hinten an seinen Bruder heran.
"Ich habe heute Abend nichts vor und nur weil ich eine Familie habe, muss ich doch deshalb nicht immer bei ihnen sein. Sie wissen auch so, dass ich sie liebe. Und wenn ich Zeit mit meinem Bruder verbringen will, tue ich das."
Edward brauchte ihn jetzt dringender und Josephine würde das verstehen. Sie verstand ihn immer und sie wusste, wie wichtig seine Brüder für ihn waren. Niemals würde sie ihm daraus einen Vorwurf machen.
"Was hast du denn für Pläne für heute Abend, Ed?"