William und Joanna ~ 1178

Joanna saß neben ihrem mann vor dem Kamin und bestickte eines seiner Hemden, während er noch einige Dokumente durchlas. In letzter Zeit verbrachten sie oft gemeinsam zeit, auch wenn William noch arbeitete. Es gefiel ihnen einfach gut, trotzdem Zeit miteinander zu verbringen.
Sie sah auf und bemerkte, dass er die Stirn in Falten gelegt hatte.
"Was ist los? Was beschäftigt dich, hm?", fragte sie schließlich nach. Sie teilte gerne seine Probleme und versuchte ihm zu helfen, wo es ging.
Gerade, weil im Moment auch einige Dinge das bevorstehende Weihnachtsfest betrafen. Noch hoffte sie ja, dass auch Lizzy kam...

William runzelte die Stirn und las den Brief noch einmal, ehe er aufsah. "Dieser Brief ..." begann er und schüttelte einen Kopf. "Kennst du einen George Dernam ... nein, warte ... Dermond. George Dermond. Sagt dir der Name etwas?" fragte er seine Frau dann. Vielleicht konnte sie ihm auf die Sprünge helfen, denn ihm wollte zu dem Namen partout kein Gesicht in den Sinn kommen.
Und dabei war das, was hier in dem Brief stand doch ausgesprochen wichtig, vor allem für Mary.

Joanna lehnte sich ein wenig zur Seite, damit sie mit in den Brief schauen konnte. Sie überlegte einen Moment. "Ja, ich kenne ihn. Und du kennst ihn auch, zumindest vom sehen. Er scheint einer ihrer Verehrer zu sein, sie haben in London bis zu unserer Abreise fast jeden Abend miteinander getanzt. Er wirkt ganz nett, aber ich kenne ihn auch nicht näher. Mary jedenfalls schien ihn zu mögen. Und er bittet um ihre Hand? Das ist interessant."
Joanna strich ihm durch den Schopf.
"Was meinst du? Willst du ihn gewähren lassen, wenn sie ihn mag?"

William zog eine Augenbraue in die Höhe. "Das ist George Dermond?" Er schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf. Ja, er hatte Mary und den Kerl beobachtete, aber dass er tatsächlich einen Brief schreiben und um ihre Hand anhalten würde, hatte William nicht erwartet.
"Ja, das tut er wohl. Wenngleich ich gestehen muss, dass ich überrascht bin. Hätte er solche Absichten gehegt, hätte er doch in London bereits mit mir sprechen können." Andererseits waren sie ja auch sehr überstürzt abgereist, vielleicht hatte das ein solches Gespräch verhindert.
William legte die Stirn in tiefe Falten. "Ich weiß nicht." bekannte er dann. "Ich meine ... wenn sie wirklich will, dann schon. Ich will nicht noch einmal ein solches Desaster erleben wie mit Elizabeth. Andererseits hätte ich mir durchaus eine bessere Partie für sie gewünscht." So wie Isabella ... das Mädchen hatte es William wirklich leicht gemacht in ihre Heiratspläne einzuwilligen.

Joanna nickte. „Ja, genau dieser Kerl. Sie schien ihn zu mögen, zumindest hat sie viel mit ihm getanzt, als wir in London waren. Ich kann nicht sagen, dass es mich immens überrascht. Ich denke, er hätte dich persönlich gefragt, wenn wir länger in London geblieben wären, wir sind wegen Robert schon sehr rasch abgereist. Sie hat sich sicherlich kaum verabschieden können. Immerhin hat sie offenbar bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen.
Joanna trat zu ihm hin und legte die Arme um seinen Hals, während sie ihm über die Schulter sah. „Bessere Partien sind nicht alles, für dich hätte es auch bedeutend bessere Partien gegeben, nicht wahr? Trotzdem wolltest du mich. Solange sie glücklich wird, ist es mir eigentlich egal, selbst wenn sie einen Bauern heiratet. Überleg es dir und frag sie einfach, ob sie ihn haben möchte. Vorher solltest du ohnehin keine Entscheidung treffen.“

"Ja, da hast du Recht. Wir mussten sehr rasch aufbrechen." stimmte William zu. Vielleicht hätte der junge Mann dann noch den direkten Weg gewählt.
William legte seine Hände auf Joannas Arme, als sie hinter ihn trat und grinste breit. "Oh, sie haben Schlange gestanden, die besseren Partien. Aber ich habe mich einmal für eine solche entschieden, das zweite Mal war endlich mein Herz an der Reihe." William drehte den Kopf und gab Joanna einen Kuss. "Die einzig richtige Entscheidung."
Dann seufzte er leise. "Vielleicht möchtest du den Part lieber übernehmen? Du bist feinfühliger in solchen Dingen als ich." bemerkte er ein wenig skeptisch.

"Ich denke, du solltest ihn in jedem Fall nicht gleich abweisen. Wir kennen ihn kaum, aber er ist sicher kein schlechter Kerl, wenn Mary ihn mag. Sie hat eigentlich keinen schlechten Geschmack."
Joanna erwiderte sein Grinsen und küsste ihn auf die Wange. "Das ist auch gut so, noch länger hätte ich auch nicht auf dich gewartet. Sechs Jahre sind wirklich genug, denkst du nicht auch? Das Herz sollte viel öfter entscheiden, dann würden viele schreckliche Dinge in dieser Welt nicht passieren." Joanna seufzte leise.
"Natürlich, vor solchen Sachen drückst du dich nur allzu gerne, was? Feinfühlig kannst du auch sein, wenn du gern möchtest. Aber meinetwegen, ich werde sie fragen."

William zuckte mit den Schultern. "Erst einmal soll Mary entscheiden und dann mache ich mir ein genaues Bild von ihm, wenn sie tatsächlich Interesse hat." erwiderte William dann und lachte leise. "Oh, sechs Jahre waren eigentlich sieben zu viel, aber Gott sei es gedankt, ich bin ja noch zur Vernunft gekommen."
William schnitt eine Grimasse. "Nun, dafür übernehme ich die unbequemen Parts, wenn es darum geht sich mit unseren Kindern zu überwerfen, weil sie einfach tun und lassen wonach ihnen der Sinn steht." erinnerte er seine Gemahlin und lächelte dann. "Ich danke dir. Ich kann zwar feinfühlig sein, aber ich bin voreingenommen, ich will meine Tochter nicht an irgendjemanden abgeben, also läuft so ein Gespräch mit mir ohnehin nur in eine Richtung." scherzte William dann.

Joanna nickte. "So machen wir es. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie durchaus Interesse hat. Sie war auch so traurig, dass Isabella bereits verlobt ist. Sie hat Angst zurück zu bleiben und ein bisschen kann ich das schon verstehen. Eigentlich ist sie ja die Ältere."
Joanna lachte ebenfalls und schloss die Augen. "Oh ja, Gott sei Dank bist du das. Im Kloster wäre ich nun wirklich versauert. Das ist einfach nicht meine Welt, was hätte ich alles verpasst."
Sie löste sich wieder von ihm. "Ich denke, du hast recht. Und wir wollen ja nicht noch eine Tochter vergraulen, nicht wahr?"

William schnaubte leise. "Weil sie ein paar Minuten eher auf die Welt gekommen ist? Ich bitte dich." bemerkte er amüsiert und zuckte dann mit den Schultern. "Ich hoffe nur, dass sie jetzt nicht ja sagt, nur um irgendjemanden zu haben. Für solch eine Heirat gäbe es dann nämlich wahrlich bessere Kandidaten."
William strich Joanna über die Wange. "Eine ganze Menge. Und ich ebenfalls, wenn ich dich im Kloster gelassen hätte. Es war schon zweifelsohne die richtige Entscheidung." er küsste sie liebevoll und lächelte dann. "Willst du gleich mit ihr darüber sprechen? Dann haben wir es hinter uns, Mary kann noch ein wenig nachdenken und ich diesem Kerl dann entsprechend eine Antwort schicken."

Joanna lachte leise. "Doch, für die Mädchen ist das wirklich wichtig, mein Liebster. Du unterschätzt die Bedeutung dieser paar Minuten bei Weitem. Aber ich denke nicht, dass sie aus diesem Grund zustimmen wird. Sie ist ein kluges Mädchen und ich werde es ihr auch noch einmal nahe legen. Ich rede mit ihr darüber, keine Sorge."
Sie gab im einen sanften Kuss. "Das war sie...ich bin froh, dass Gott unsere Wege ein zweites Mal gekreuzt hat. Sonst wäre vieles anders gelaufen. Ich werde gleich zu ihr gehen und mit ihr sprechen, danach sehen wir weiter. Soll sie sich noch einmal Gedanken darüber machen..."

Mary

Mary sah zum Fenster hinaus und beobachtete, wie der Schnee sachte vom Himmel rieselte und die Landschaft noch weiter bedeckte. Sie seufzte leise und lehnte den Kopf gegen die kühle Mauer. Sie war hin und her gerissen zwischen ihren Gefühlen und wusste einfach nicht, was sie davon halten sollte.
Sie hatte sich furchtbare Sorgen um Robert gemacht als dieser krank im Bett gelegen hatte, doch nun wo es im von Tag zu Tag besser ging, machte sich ein leichter Unmut in ihr breit, weil sie so überstürzt vom Hof hatte abreisen müssen. Und es störte sie, dass sie so empfand, schließlich war ihre Abreise nur richtig gewesen und niemand konnte etwas dafür. Dennoch ... sie hatte es so genossen in London zu sein. Die Feste, die gefeiert wurden und selbst die Abende, die normal zugingen, waren ungleich spannender als hier in Truro. Und sie hatte die Aufmerksamkeit genossen, die sie dort bekommen hatte. Oh, es war himmlisch gewesen! Die Männer, die sie wie eine junge Dame behandelt hatten und nicht wie ein kleines Kind ... hier kannten sie die meisten seit sie klein war und gingen dementsprechend noch immer mit ihr um. Dort am Hof jedoch, dort war sie stets Lady Mary gewesen.
Mary schloss die Augen. "Lady Mary ..." murmelte sie leise.
Dann wurde sie jedoch von einem Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen und sie sah überrascht auf. Da Isabella unterwegs war, hatte sie nicht unbedingt damit gerechnet Gesellschaft zu kriegen. Dennoch bat sie den Besucher herein und lächelte leicht.

Joanna hatte sich gleich auf den Weg zu ihrer Tochter gemacht, um sie nach George zu fragen. Sie war gespannt, was Mary antworten würde. Sollte am Ende auch ihr zweites Zwillingsmädchen bald heiraten? Sie war nicht sicher, was sie von diesem Kerl halten sollte, aber letztlich zählte Marys Wille.
Sie klopfte und trat ein.
"Mary, Liebes, was treibst du so? Wo ist Isabella?", wollte sie wissen und setzte sich neben ihrer Tochter auf die Fensterbank.
"Ich wollte ohnehin mit dir reden. Dein Vater hat einen Brief bekommen...von George Durham."

Mary

Marys Lächeln wurde herzlich als sie ihre Mutter erkannte. "Dem Schnee beim Fallen zusehen und nachdenken." erwiderte sie amüsiert. "Isabella ist unterwegs. Sie wollte kurz bei Robert vorbei sehen und dann noch ein wenig spazieren gehen ... vermutlich mal sie sich gerade aus, wie ihr Hochzeitskleid aussehen soll."
Mary hob überrascht die Augenbrauen. "So? Was gibt es denn?" erkundigte sie sich neugierig, starrte ihre Mutter dann jedoch verblüfft an. "Einen Brief von George?" Aber wieso sollte ihr Vater einen solchen Brief erhalten und nicht sie? Es sei denn ... Mary schluckte leicht. "Was ... schreibt er denn?" fragte sie dann vorsichtig, wenn gleich sie die Antwort bereits zu kennen glaubte.

Joanna lachte leise. "Eine schöne Beschäftigung, das tue ich auch sehr gern. Oh ja, vermutlich tut sie das und wartet gerade darauf, dass ihr Verlobter endlich anreist. Schließlich ist bald Weihnachten."
Sie nickte langsam und legte Mary eine Hand auf das Bein.
"Ja, George Dermond. Er hat deinen Vater um deine Hand gebeten. Und dein Vater möchte, dass ich mit dir rede. Möchtest du ihn haben? Aber du solltest nicht ja sagen, nur damit du jemanden bekommst. Überleg es dir gut, es ist eine weitreichende Entscheidung. Magst du ihn gerne?"
Sie war wirklich gespannt auf Marys Antwort und hoffte, dass der Kerl es ernst mit ihr meinte, sollte sie sich für ihn entscheiden.

Mary

Marys Mundwinkel zuckten belustigt. "Ja, ich werde die Zeit mit meiner Schwester gut nutzen müssen, sobald ihr Liebster erst einmal hier ist, bekomme ich sie nur noch nachts zu Gesicht, wenn sie ihr eigenes Bett aufsuchen muss." Dann würde Isabella nur noch Augen und Ohren für ihren Verlobten haben, aber Mary gönnte es ihrer Schwester von ganzem Herzen. Und nach ihrem Besuch in London sogar noch aufrichtiger, denn dort hatte sie begriffen, dass sie keineswegs als alte Jungfer enden würde, im Gegenteil. Sie war jemand und das war ein gutes Gefühl.
Mary zog ihre Unterlippe zwischen die Zähne und dachte nach. George. diese Nachricht hatte sie überrascht, aber tatsächlich war sie mehr verblüfft darüber, dass sie überhaupt überrascht gewesen war. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, so wie George sich benommen hatte.
Aber wollte sie ihn heiraten?
Mary sah ihre Mutter nachdenklich an. "Ja, ich mag ihn gerne." beantwortete sie zunächst die einfachere Frage. George war nett zu ihr gewesen, hatte sich um sie bemüht, ihr Komplimente gemacht, mit ihr getanzt, sie hatte die Zeit mit ihm genossen, aber ... "Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn heiraten will." erklärte Mary dann leise. "Ich meine, wenn ich dich und Vater zusammen sehe oder Bella mit William ..." Sie machte eine kurze Pause und schüttelte den Kopf. "George ist wirklich ein feiner Mann, aber der Gedanke an ihn versetzt mich nicht in solche Hochstimmung wie Isabella, wenn sie an ihren Verlobten denkt."

-------

https://joanna-und-william.forumieren.com/viewtopic.forum?t=23