William und Joanna - ca. 1186 - ?

"Das habe ich nicht, da habt Ihr Recht. Weil ich nie eine Frau zwingen würde! Was habe ich davon, wenn Ihr wie ein Stück Holz unter mir im Bett liegt? Nicht, außer höchstens Eurer Feindschaft."
Edwards Augen verengten sich noch ein wenig mehr. "Ach nein? Vielleicht wird es dann höchste Zeit, dass Ihr Angst bekommt. Denn immerhin mangelt es ja reichlich an Respekt vor mir, sonst würdet Ihr nicht wagen in solch einem Ton mit mir zu sprechen."
Es war wieder so weit. Sie machte ihn unfassbar wütend und das obwohl er doch eigentlich auf eine Aussöhnung aus gewesen war. Doch so war es ihm einfach unmöglich ruhig zu bleiben und er würde wirklich erleichtert sein, wenn Helene ihm aus den Augen ging.

Richard las irritiert den Brief noch einmal, die Stirn in Falten gelegt. Diese Nachrichten hatte er nicht erwartet, sie kamen überraschend. Es klopfte und der erwartete Besuch trat herein. "Ah, Harry, da bist du ja. Setz dich. Ich habe einen Brief aus London bekommen."
Er lächelte leicht und reichte seinem Halbbruder den Brief über den Schreibtisch.
"Von Aileen. Es geht ihr gut, alles in Ordnung. Aber sie möchte nicht her kommen. Sie will in London bleiben. Es scheint, als wäre sie...verlobt."
Für Harry würde das vermutlich einem Weltuntergang gleich kommen, dass seine Schwester nicht nach Bordeaux kommen und dann noch heiraten wollte.

Harry

Harry war überglücklich in Bordeaux. Nach seiner mehr als unbequemen Reise hier her, hatte er die erste Zeit genutzt, um sich zu erholen und hatte nach und nach die Gegend erkundet. Mittlerweile sah man ihm nicht im Geringsten mehr an, dass er auf seinem Weg hier her mitunter tagelang Hunger gelitten hatte und nichts weiter gehabt hatte als seine Kleider am Leib. Im Gegenteil, Harry war aufgeblüht und wirkte nun kräftiger denn je.
Das Einzige, was ihm Sorgen bereitete, war seine Schwester. Er brannte darauf sein Versprechen endlich einlösen zu können und Aileen hier her zu holen.
Da Richard einen Diener zu ihm geschickt hatte, hatte Harry sich auf den Weg zu seinem Bruder gemacht, klopfte nun an dessen Tür und trat ein als er von drinnen Antwort erhielt. Lächelnd ließ er sich Richard gegenüber nieder und sah überrascht auf als dieser von einem Brief aus London sprach. "Wirklich? Von Aileen?" Harrys Augen leuchteten auf und er nahm das Pergament entgegen, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung als Richard den Inhalt zusammen fasste. "Wieso sollte sie nicht kommen wollen, sie hatte doch -" Harrys Kehle wurde eng. Verlobt? "Wie bitte?" flüsterte er leise und begann dann Aileens Brief zu lesen. Mit jeder Zeile wurde Harry blasser und blasser. Er spürte wie sich alles in ihm zusammen zog und eine leichte Übelkeit in ihm aufstieg. "Das kann nicht stimmen." brachte er schließlich heiser hervor und sah beinahe gehetzt zu Richard hinüber. "Richard, das ... sie müssen sie gezwungen haben, das zu schreiben. Sie würde doch nie ... nie freiwillig Johns Schoßhund heiraten. Diesen widerlichen Mistkerl ... das glaube ich nicht." Harrys Hände begannen leicht zu zittern als er den Brief sinken ließ. "Sie wollte doch her kommen." murmelte er verzweifelt.

Richard nickte langsam. "Ja, von Aileen. Und mir scheint, als hätte sie den Brief auch selbst geschrieben. Es hält sie wohl in London, jetzt wo sie verlobt ist. Offensichtlich ist unsere kleine Schwester verliebt, Harry." Er beoachtete Harry beim lesendes Briefes und dachte nach.
"Ich glaube nicht, dass man sie so einfach zwingen kann einen Brief zu schreiben. Das hier klingt außerdem wohl überlegt, ist ordentlich geschrieben. Wenn sie unter Druck geschrieben hätte, würde der Brief anders aussehen, glaube mir. Vielleicht ist Johns Schoßhund gar nicht übel, wie ihr Beide dachtet. Immerhin hat er ihr geholfen dich zu finden, oder?" Harry hatte diese Episode schließlich erzählt.
"Oder er ist nicht mehr Johns Schoßhund und kein Mistkerl. Ich weiß, du hast dich auf sie gefreut, aber du weißt doch, wie sehr sie Anschluss braucht. Wenn sie ihn jetzt findet, sollten wir uns darüber freuen und Vater wird sie dann auch in Ruhe lassen. Elias of Cornwall ist keine allzu schlechte Partie. Ich werde einen Mann meines Vertrauens hinschicken, um darüber nachzuforschen, wie die Dinge in London wirklich stehen. Und wenn alles seine Ordnung hat, willst du sicherzur Hochzeit ohnehin hin reisen."

Harry

Harry schüttelte ungläubig den Kopf. "Aber wie kann das sein? Wie ... ich verstehe das nicht. Sie wollte doch unbedingt herkommen, damit wir wieder zusammen sind und sie konnte diesen Kerl nicht leiden. Er hat ihr dabei geholfen, ja, aber ich wäre jede Wette eingegangen, dass er es nur getan hat, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Irgendetwas muss dahinter stecken, ich kann das nicht glauben ..."
Ich weiß, du hast dich auf sie gefreut.
Harry erschauderte. Gefreut war gar kein Ausdruck, er hatte sich danach gesehnt seine Schwester endlich wieder bei sich zu haben. Mit Einem Ruck stand er auf, trat an das Fenster und starrte hinaus. Er schlang die Arme um seinen Oberkörper und schluckte schwer. Er hatte sich all die Zeit Vorwürfe gemacht, dass er Aileen hatte zurück lassen müssen und hatte alles vorbereitet, damit sie herkommen konnte. Er hatte so oft irgendwo gestanden und davon geträumt, wie seine Schwester reagieren würde, wenn er ihr diesen und jenen wundervollen Ort hier zeigen konnte.
Und nun wollte sie nicht kommen.
Harry wusste, dass er sich für sie freuen sollte, wenn es wirklich der Wahrheit entsprach, doch er konnte das einfach nicht glauben. Und vor allem war er unglaublich traurig. Er war schon immer ein Mensch gewesen, dessen Gefühle leicht und schnell die Oberhand übernahmen - ein Umstand, der ihn offen auf andere Menschen zugehen ließ, der dafür sorgte, dass er als lustig und charmant angesehen wurde, kurzum als gute Gesellschaft. Aber es sorgte auch dafür, dass er unter negativen Erfahrungen und Wendungen umso mehr litt als andere.
Er wusste, dass es albern und selbstsüchtig war, aber mit dieser Nachricht fühlte er sich plötzlich ausgesprochen einsam. Seit er hier war, hatte er den Tag herbei gesehnt an dem Aileen her kam und nun würde sie nicht kommen.
Harry erschauderte bei Richards letzten Worten. "Henry wird bei der Hochzeit sein." wandte er ein und drehte sich unwillig zu seinem Bruder um. "Ich kann nicht dorthin, er bringt mich um, wenn er mich in die Finger kriegt." erwiderte Harry düster.

Richard seufzte leise. "Manchmal ändern sich Dinge im Leben einfach, Harry. Vielleicht mochte sie ihn nicht, jetzt hat sie aber seine guten Seiten entdeckt. Vielleicht hat sie ihm auch geholfen seine gute Seite zu finden. Du solltest dich für sie freuen, wenn sie das Glück hat aus Liebe zu heiraten und nicht als Vaters Pfand verschachert zu werden."
Richard erhob sich und trat zu Harry ans Fenster, legte ihm den Arm um die Schultern. "Sie wird eines Tages hierher kommen. Mit ihrem Mann. Gib ihm eine Chance. Sie sehnt sich doch ebenso nach dir, sie wird ihn bitten mit ihr hierher zu reisen. Und dann kannst du ihr ausgiebig von deinem Leben hier berichten."
Er wusste, wie traurig sein kleiner Bruder nun war und er würde sich bemühen die rechten Worte zu finden um ihn zu trösten.
"Oh, Harry...ich begleite dich zur Hochzeit. Es wird gehen und Vater wird dir nichts tun. Wenn Elias und Aileen in Truro heiraten, umso besser, dann kommen wir Henry nicht in die Quere. Wir werden sehen. Vertrau mir, du siehst sie bald wieder."

Harry

Harry kaute unruhig auf seiner Unterlippe herum. "Ich weiß, dass ich das sollte, aber ganz so einfach ist das nicht." erwiderte er bedrückt.
Als Richard zu ihm trat und einen Arm um seine Schultern legte, rang Harry kurz mit der Fassung, doch dann hatte er sich wieder im Griff. Er lehnte sich leicht gegen seinen Bruder und seufzte leise. "Ich hoffe es. Ich wollte ihr so viel hier zeigen, so viel mit ihr unternehmen ..." murmelte Harry, sah dann jedoch zweifelnd auf. "Bist du sicher, dass das funktioniert? Du kennst Henry doch, er wird außer sich sein vor Wut, wenn er mich sieht ..." Er wollte lieber gar nicht so genau darüber nachdenken. Das würde eine fürchterliche Auseinandersetzung werden und soviel Vertrauen er auch in Richard hatte, Harry war sich nicht sicher, ob er ihn in London vor dem Zorn ihres Vaters beschützten konnte.

Richard nickte langsam. "Ja, ich weiß, Brüderchen. Aber wenn du sie siehst und sie ist glücklich, dann wirst du dich mit ihr freuen. Du wirst gar nicht anders können."
Er löste seinen Griff um Harrys Schultern nicht und lächelte sanft. "Und das wirst du noch. Du wirst ihr hier alles zeigen. Sie wird uns sicher besuchen, davon bin ich überzeugt." Richard musste lachen. "Glaub mir, ich habe einige Jahre mehr Erfahrung darin Vater zu händeln als du. Er wird sich ein wenig ärgern, aber letztendlich kann er seinen Ruf doch nicht aufs Spiel setzen. Wenn sie in Truro heiraten, haben wir ohnehin keine Probleme. Dann erfährt er nicht einmal, dass du in England bist. Und in London werde ich mir schon etwas einfallen lassen."

Elias

Elias konnte sich wirklich nicht erinnern, dass er sich in seinem Leben schon einmal so glücklich gefühlt hatte, wie in den letzten Wochen. Unbeabsichtigt hatte John mit seiner hinterhältigen Lüge dafür gesorgt, dass Elias Aileen seine Gefühle viel schneller gestanden hatte, als er es sich sonst wohl getraut hätte und in seinen Augen war das, das beste, was ihm hatte passieren können. Seine Eltern waren mit der Heirat einverstanden und auch Henry hatte eingewilligt, nachdem Elias' Vater mit ihm gesprochen hatte.
Seit Kurzem war ihre Verlobung offiziell und Elias sehnte den Tag herbei an dem er Aileen endlich heiraten konnte. Doch bis dahin übte er sich in Geduld und versuchte einfach so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. So war er auch heute Abend auf dem Weg in ihr Gemach, damit sie noch ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten.
Gedankenverloren lief er durch die Gänge und malte sich währenddessen aus, womit er Aileen zu ihrer Hochzeit eine ganz besondere Freude würde machen können.

John

John war wütend wie nie zuvor in seinem Leben. Nicht nur, dass Elias sich mit Aileen abgab, nun verriet er auch noch den Eid, den er geleistet hatte, indem er sich von seinem Vater davon entbinden ließ. Angeblich sei Elias noch nicht mündig gewesen, der Eid ungültig. Was für ein Unsinn!
John fühlte sich ausgesprochen verraten. Und das würde dieser Bastard jetzt büßen. John hatte zwei seiner Männer mitgenommen, diese hielten sich aber noch im Hintergrund.
Als Elias nun die Gänge durchwanderte, vermutlich auf dem Weg zu Aileen, trat John ihm mit verschränkten Armen in den Weg.
"Sieh an, sieh an...da ist ja der Verräter. Bist also wie ein kleines Kind zu Papi gerannt, was?"

Elias

Elias hörte die Schritte vor sich und sah auf. Als er John erkannte, erwog er für einen Sekundenbruchteil einfach umzudrehen, schalt sich dann jedoch einen Narren und ging weiter bis John ihm den Weg versperrte.
Verärgert runzelte Elias die Stirn. "Wer ist denn hier von uns der Verräter, hm? Du hast mich hintergangen und Aileen irgend so ein abartiges Lügenmärchen aufgetischt! Also komm mir ja nicht mit sowas." knurrte Elias verärgert. "Und ich Dummkopf hatte wirklich gedacht, dass wir Freunde sind. Wenn so jedoch keine Freundschaft aussieht, John, kann ich wirklich getrost darauf verzichten. Und nun entschuldige mich, ich habe noch eine Verabredung." erklärte Elias und trat an John vorbei mit dem festen Entschluss ihn einfach stehen zu lassen.

John

John streckte den Arm au und bockierte Elias den Weg, als dieser einfach weitergehen wollte. Missbilligend schnalzte er mit der Zunge. "Na, na...wer wird denn so nachtragend sein? Wenn das Gör dir gefällt, meinetwegen. Aber dass du deinen Eid einfach zurückgezogen hast, das verletzt mich noch viel mehr, Elias. Dass du deinen Vater vorschickst."
Er trat noch einen Schritt vor und hielt Elias auf. "Freunde...Freunde ziehen auchn nicht bei erster Gelegenheit ihren Eid zurück. Ein Eid sollte etwas Bindendes sein. Ich schätze, diese Lektion sollten wir verinnerlichen."
Er pfiff leise und seine Männer kamen um die Ecke. "Zeit für eine Lehrstunde, mein Freund."

Elias

Elias kannte John gut genug, um darauf vorbereitet zu sein, dass dieser ihn nicht einfach gehen ließ. Er verdrehte die Augen als John ihn aufhielt und warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir noch einmal vertrauen könnte, oder? Du bist so ein hinterlistiger, missgünstiger Kerl ... ein Wunder, dass mir das nicht eher aufgefallen ist. Aber ich wollte es nicht wahr haben, obwohl alle Welt mich vor dir gewarnt hat. Ironie des Schicksal, dass ausgerechnet du selbst mir geholfen hast, die Augen zu öffnen, nicht wahr?"
Elias verengte leicht die Augen. "Ein Eid, der ohnehin ungültig war." bemerkte er, wandte jedoch überrascht den Kopf als John einen leisen Pfiff ausstieß und zwei stämmige Kerle um die Ecke herum kamen und zu ihnen traten. "Oh, und nun? Willst du mir mit deinen beiden Finstermännern hier ein wenig Angst einjagen?" erwiderte Elias beinahe gelassen, wenngleich er sein Herz deutlich heftiger in seiner Brust schlagen spürte als noch einen Moment zuvor.

John

John hob die Augenbrauen. "Oh, um von mir Vergünstigungen zu beziehen war ich immer gut genug, oder nicht? Eine Schande, dass du den Eid plötzlich als ungültig ansiehst, der dir vor ein paar Tagen noch heilig war. Ich wollte dir nur die Augen öffnen über sie, aber du bist blind. Weiß der Himmel, was sie dir versprochen hat, dass du dich so täuschen lässt. Sie ist nichts als die armselige Tochter einer Hure. Du hättest so viel mehr haben können."
Er lächelte böse.
"Angst einjagen? Nicht direkt. Aber ich schätze Verräter nicht. Darum haben wir noch eine Rechnung offen. Solange du einen Nutzen von mir hattest, war meine Freundschaft gut genug. Aber jetzt....das hat mich sehr enttäuscht. Diese Beiden hier werden dir zeigen, wie sehr..."
Er machte einen auffordernden Wink und die Beiden schritten zur tat.

Elias

"Das ist Unsinn und das weißt du auch! Ich habe immer alles für dich getan, was ich konnte, egal was du von mir gefordert hast. Also tu nicht so als hätte ich dich ausgenutzt!" erwiderte Elias zornig und verengte die Augen. "Heilig ... ja, vor einigen Tagen dachte ich auch noch, unsere Freundschaft sei dir heilig, aber das war ein großer Irrtum. Und sprich gefälligst nicht so von meiner Verlobten!" zischte er wütend und war fast versucht sich auf John zu stürzen, doch die beiden grobschlächtigen Kerle kamen jeder solchen Überlegung zuvor.
Ein gezielter Schlag in Elias' Magengrube sorgte dafür, dass er keuchend nach vorn kippte und zweifelsohne auf den Knien gelandet wäre, hätte der zweite Kerl ihn nicht im gleichen Moment an den Armen gepackt und ihm diese wenig zimperlich auf den Rücken verdreht.
"John! ... Komm schon, was soll das?" keuchte Elias atemlos und sah zu seinem ehemaligen Freund hinüber. "Damit wirst du nicht durch kommen, dass weißt du doch. Selbst du kannst es dir nicht erlauben mich hier mitten auf dem Gang verprügeln zu lassen!"

John

John seufzte gespielt betrübt. "Sicher...sicher hast du das. Freundschaft ist sehr vielseitig, Elias. Du hast diese Freundschaft mit Füßen getreten, als du mit Aileen angebändelt hast, obwohl du wusstest, dass sie mir ein Dorn im Auge ist. Das nenne ich Verrat. Und ich rede von deiner ach so tollen Verlobten, wie ich es will. Was willst du dagegen tun?"
Ungerührt sah er zu, wie die beiden Männer sich über Elias hermachten. Der hatte eine Abreibung verdient, das stand fest.
"Ich weiß so etwas nicht. Ich kann mir alles erlauben, was ich will. Mein Vater wird mir immer glauben und für mich einstehen. Also...hab noch viel Spaß mit den Beiden, Elias. Au revoir..."
Er lächelte Elias mokant an und wandte sich dann ab.

Elias

Elias versuchte sich aus dem Griff von Johns Schläger zu befreien, doch da der Kerl mindestens einen Kopf größer und deutlich massiger war, hatte Elias einfach keine Chance.
"John!" Elias hatte noch etwas hinterher rufen wollen, doch in dem Moment landete eine Faust krachend in seinem Gesicht und raubte ihm für einen Moment fast das Bewusstsein. Die beiden Kerle waren weiß Gott nicht zimperlich und Elias musste einmal mehr feststellen, was John doch im Grunde für einen miesen Charakter hatte.
Er war sich nicht sicher, wie lange es gedauert hatte bis die beiden Kerle sich an ihm ausgetobt hatten und schließlich von ihm abließen. Er wusste nur, dass ihn seine Beine nicht mehr aus eigener Kraft hielten als die kräftigen Hände ihn mit einem Mal los ließen. Er taumelte einen Schritt zurück und sank im nächsten Moment hustend zu Boden.
Diese Mistkerle hatten wirklich ganze Arbeit geleistet, jede Faser in seinem Körper schmerzte fürchterlich und er hatte mindestens eine gebrochene Rippe. Bei seiner Nase war er sich noch nicht so sicher, aber auf jeden Fall blutete sie so unaufhörlich, dass sein Hemd bereits zahlreiche rote Flecken aufwies.
Und dabei hatte er den heutigen Abend doch gemütlich mit Aileen zusammen verbringen wollen ... und nun kniete er hier auf allen Vieren und hatte nicht einmal die Kraft um wieder aufzustehen.

Aileen

Aileen hatte vergeblich auf ihren Verlobten gewartet. Längst hatte er da sein wollen um den Abend gemeinsam mit ihr zu verbingen. Also hatte sie sich nun auf die Suche nach ihm gemacht. Als sie um die Ecke bog, die den Gang zu seinem Gemach verbarg, erstarrte sie.
Da hockte eine Gestalt zusammen gekrümmt auf dem Boden. Elias! Sie eilte zu ihm und ging neben ihm auf die Knie. "Oh Gott, Elias, was ist passiert? Wer hat dir das angetan?"
Und wie sah er aus? Das Gesicht blutverschmiert, eine Hand auf die Rippen gepresst. Jemand hatte ihn ziemlich übel zugerichtet.
"Kannst du aufstehen? Du brauchst einen Arzt!"

Elias

Elias hörte die Schritte näher kommen und wünschte sich, er könne hier und jetzt im Boden versinken. Das Letzte, was er wollte war, dass ihn hier jemand in diesem Zustand fand - dachte er zumindest bis er Aileens Stimme hörte. Und mit einem Mal war er unglaublich erleichtert, dass sie es war, die ihn hier gefunden hatte.
Elias holte schwer atmend Luft und sah dann zu ihr auf. "Ich ... schätze schon. Nur einen Moment noch ..." entgegnete er und grinste freudlos. "Ach, das wird auch so schon wieder." brachte er stockend hervor und legte eine Hand dann auf Aileens Schulter. Er holte tief Luft und drückte sich dann stöhnend in die Höhe, nur um sogleich die Hand haltsuchend nach der Mauer auszustrecken.
"Ich hatte eine kleine ... Meinungsverschiedenheit mit ... John." erklärte er schließlich als er wieder etwas zu Atem gekommen war.

Aileen

Aileen atmete erleichtert auf, als er antwortete und half ihm auf. Besorgt musterte sie ihn und fuhr ihm über die Wange. "Oh, Elias...bist du sicher, dass du keinen Arzt willst? Du siehst furchtbar aus. Komm, wenn du etwas Luft geholt hast, lass uns zu mir gehen. Dort kannst du ausruhen."
Sie schluckte schwer.
"Oh, John ist ein Scheusal. Das ist alles meine Schuld. Nur, weil er mich nicht mag und du dich mit mir abgibst und mich sogar heiraten willst. Dann hast du noch den Eid zurück genommen. Es war klar, dass er ausrasten würde. Aber so? Wir sollten es deinem Vater sagen..."

Elias

Elias nickte langsam. "Das wird alles schon wieder. Glaub mir, sobald ich mich gewaschen und umgezogen habe, sieht es nur noch halb so schlimm aus." beschwichtigte er Aileen und versuchte sich an einem Lächeln. Er atmete tief durch, dann legte er den Arm um Aileens Taille. "Komm, lass uns gehen. Bevor noch irgendwer vorbei kommt." murmelte er etwas verdrossen. Ihm war es lieber, wenn ihn so erstmal niemand weiter zu Gesicht bekam.
"Unsinn, es ist nicht deine Schuld." widersprach Elias entschieden. "Du kannst nichts dafür, dass John so ein widerlicher Kerl ist." Elias runzelte leicht die Stirn und schüttelte dann den Kopf. "Nein, wir sollten es ihm nicht sagen. Niemandem sollten wir es erzählen. Es bleibt schön unter uns wie das hier passiert ist. Sollen sie glauben, ich sei vom Pferd gefallen oder sonst etwas." Sein Vater würde nur einen Streit mit Henry vom Zaun brechen und das wollte Elias vermeiden. Außerdem hallten Johns Worte noch immer in seinem Kopf nach und ob er wollte oder nicht, sie hatten ihn in gewisser Weise in seinem Stolz verletzt.

Aileen

Aileen betrachtete ihn zweifelnd, stimmte dann aber zu. "Na gut, wie du willst." Vorsichtig setzten sie sich in Bewegung und schlenderten gemütlich zu ihrem Gemach. Sie half Elias sich auf ihr Bett zu setzen und schloss die Tür ab. Dann holte sie ein nasses Tuch um ihm das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Wie er nur aussah...
"Aber wenn er mich nicht so hassen würde, hätte er dir das gar nicht angetan. Ich verstehe nicht, wie so etwas mein Bruder sein kann." Aileen zögerte.
"In Ordnung...ich werde es niemandem sagen. Aber wie soll es weitergehen? Was, wenn John es wieder versucht?"

Elias

Elias seufzte leise als er endlich auf Aileens Bett saß. Nun konnte er sich ausruhen ohne fürchten zu müssen, dass jemand vorbei kam. Als Aileen mit dem nassen Tuch zurück kam, biss er die Zähne aufeinander, damit er nur ja keinen Laut von sich gab. Sie ging vorsichtig vor, doch seine Nase schmerzte schon bei einer leichten Berührung ungemein.
"Ich weiß auch nicht ... irgendetwas muss bei John gründlich verkehrt gelaufen sein." murmelte Elias verdrossen und seufzte dann. "Ich denke, das Beste wäre, wenn wir mittelfristig nach Truro gingen. Dort sind wir John los und ich brauche mir auch keine Sorgen machen, dass er sich vielleicht eines Tages über dich her macht." erwiderte Elias nachdenklich.

Aileen

Aileen bemerkte, dass er trotz ihrer vorsichtigen Berührung Schmerzen hatte und bemühte sich, noch behutsamer zu sein. "Natürlich ist etwas bei ihm schief gelaufen, Elias. Nicht einmal seine Mutter mag ihn und ich befürchte, das ist auch der Grund, warum er ist wie er ist. Er ist praktisch inmitten von Intrigen aufgewachsen."
Sie seufzte leise und schaute Elias zweifelnd an. "Nach Truro...Ich weiß nicht, ob Vater mich mit dir gingen ließe, wir sind noch nicht verheiratet. Und ich dachte, wir heiraten hier."
Irgendwie hoffte sie immer noch, dass Harry zu ihrer Hochzeit kommen würde. Aber mit ihrem Vater in der Nähe? "Ich hätte Harry so gern in meiner Nähe, wenn wir heiraten.", erwiderte sie traurig. "Aber ich weiß, das geht vermutlich nicht. Und ohne John zu leben ist so verlockend."

Elias

Elias nickte langsam. "Wir könnten ihn zumindest fragen, oder? Aber wir können auch bis zur Hochzeit noch hier bleiben. Ich finde schon einen Weg, um John nicht ständig über den Weg zu laufen und du ... du gehst am Besten einfach nirgendwo alleine hin, hm? Nimm deine Zofe mit, wenn du das Gemach verlässt, ich glaube, dass wird selbst John abhalten irgendetwas anzustellen." Immerhin gäbe es damit eine Zeugin und John war jemand, der sich verhasste Menschen lieber alleine vornahm.
Elias legte eine Hand an Aileens Wange und versuchte sich an einem Lächeln. "Vielleicht findet er ja einen Weg herzukommen. Und wenn nicht ... dann reisen wir nach der Hochzeit einfach nach Aquitanien und besuchen ihn. Hast du denn in letzter Zeit etwas von ihm gehört? Hat er schon auf deinen Brief geantwortet?"