William und Joanna - ca. 1186 - ?

Sophie

"Ich weiß. Aber trotzdem fühlt es sich so an. Ich will diese Entscheidung einfach nicht treffen müssen." Sophie seufzte schwer. "Du wolltest dein Leben in geordnete Bahnen bringen, das wollte ich auch. Mein Vater respektiert im Übrigen das, was ich möchte." Sie war doch noch so jung, sie wollte so etwas nicht entscheiden müssen. Sie hatte geglaubt, endlich den richtigen Weg für ihre Zukunft gefunden zu haben, da kam Harry und stellte alles auf den Kopf. Das überforderte sie maßlos. Sie brauchte dringend den Rat ihres Vaters.
Im ersten Moment brachte sie nur ein leichtes Nicken zustande, ehe sie Worte fand. "Ich weiß es nicht.", bestätigte sie. "Ich weiß nicht, ob ich dich liebe. Ich bin und war in dich verliebt, das sicher, aber ob ich dich liebe? Ich weiß es nicht. Woher soll ich denn auch wissen, wie es sich anfühlt? Aber vermutlich sollte ich dann sicherer in der Entscheidung sein, die du gern hättest. Ich muss darüber nachdenken." Sie biss sich auf die Unterlippe, löste sich und wandte sich ab. Sie musste mit ihrem Vater sprechen. Jetzt...

Harry

Harry nickte. „Ich wünschte nur, ich wäre mit dem ordnen schneller gewesen als du.“ erwiderte er leise. Dann stünden sie jetzt nicht vor diesem Dilemma und er müsste nicht darum bangen, wie Sophie sich entscheiden würde.
Ihre Worte fühlten sich an, als würde ein Eimer voller eiskaltem Wasser über ihm ausgegossen werden. Sie wusste nicht, ob sie ihn liebte, war sich unsicher … und ja, sie hatte Recht, würde sie ihn lieben, würde die Entscheidung wohl schneller, leichter fallen.
Als sie sich abwandte, machte Harry einen Schritt in ihre Richtung. „Sophie ...“ Seine Stimme hatte etwas flehendes, er wollte nicht, dass sie ging, aber er wusste, dass er sie jetzt auch nicht aufhalten durfte. Er hatte sie schon viel zu sehr gedrängt, er musste ihr Zeit geben, das war ihm bewusst. Nur war es so unfassbar schwer sie gehen zu lassen.

Sophie

Sophie hatte den direkten Weg in das Arbeitszimmer ihres Vaters gesucht und nur gehofft, dass sie in ihrem aufgelösen Zustand nicht William de Ferrers über den Weg lief und ihr Vater allein war. Sie klopfte und öffnete dann das Zimmer. Ihr Vater war allein und die Anspannung fiel von ihr ab, sodass die Tränen in ihre Augen traten.
"Papa, ich...ich muss mit dir reden. Hast du Zeit für mich?", fragte sie mit unsicherer Stimme. "Ich weiß nicht, was ich machen soll. Harry ist hier und..."
Sie schluchzte leise auf. Das alles war ihr viel zu schwierig. Sie wollte Harry nicht vor den Kopf stoßen, aber ihren Verlobten doch auch nicht.

William bat den Besucher wie gewohnt herein und sah auf als sich die Tür öffnete, um zu sehen, wer es eigentlich war, der ihn hier aufsuchte. Zu seiner Überraschung war es seine Tochter – und das in einem aufgewühlten Zustand. William erhob sich umgehend und trat ihr entgegen. „Natürlich habe ich Zeit.“ erwiderte er, schloss die Tür hinter Sophie und zog sie in die Arme als er die Tränen in ihren Augen sah.
Und im nächsten Moment wusste er auf, was der Ursprung dieser Tränen war. Er schloss kurz die Augen und verfluchte Harry FitzRoy still und leise. Dann strich er Sophie beruhigend über den Rücken. „Sch sch, ist ja alles gut. Beruhig dich erst einmal ein wenig, dann erzählst du mir in Ruhe, was passiert ist. Was hat Harry getan, hm?“ fragte er leise, wenngleich William sich sicher war, dass er die Antwort bereits kannte.

Sophie

Sophie schmiegte sich an die Brust ihres Vaters und genoss die vertraute Wärme, auf die sie sich seit ihrer Kindheit immer verlassen konnte. Sie liebte ihren Vater von ganzem Herzen.
"Harry hat mich im Garten gefunden. Und er kam....und er hat mir gesagt, dass er mich von ganzem Herzen liebt und dass er mich heiraten will. Er möchte, dass ich die Verlobung mit William auflöse und stattdessen ihn heirate. Ich weiß nicht, was ich machen soll, Papa. Ich mag Harry, vielleicht bin ich immer noch in ihn verliebt. Ob ich ihn liebe...weiß ich einfach nicht. Ich will Harry nicht vor den Kopf stoßen und abweisen. Er hat schon so viel Abweisung erfahren in seinem Leben. Aber ich mag auch William und er hat es einfach nicht verdient, dass ich ihn so abserviere für eine unsichere Beziehung mit Harry. Hilf mir...ich weiß nicht, was ich tun soll."

Ein leises Stöhnen kam über Williams Lippen als Sophie von Harrys Liebesschwur berichtete, ansonsten schwieg er jedoch und ließ seine Tochter in aller Ruhe erzählen. Aufmerksam hörte er ihr zu und sah seine Befürchtungen bestätigt. Sanft strich er Sophie über den blonden Schopf, dann führte er sie zu der breiten Fensterbank hinüber, die Joanna mit zahlreichen Kissen ausgestattet hatte, damit sie hier sitzen und ihm Gesellschaft leisten konnte, wenn er arbeitete. Jetzt drückte William seine Tochter auf den Platz dort hinunter und setzte sich neben sie.
Dann wischte er ihr vorsichtig die Tränen von den Wangen. „Erst einmal beruhigst du dich wieder. Vergieß die Tränen, die raus wollen, an meiner Schulter kann man sich schließlich gut ausweinen und dann denken wir in Ruhe nach.“ erwiderte William leise und legte einen Arm um Sophies Schultern.
„Letztlich kann ich dir die Entscheidung nicht abnehmen, meine Kleine. Aber eins solltest du dir klar machen: du solltest Harrys Schwüre nicht erhören, nur weil er dir Leid tut. Er hatte Gelegenheit genug dir zu sagen, was er empfindet und wenn er nun zu spät kommt, ist das nicht deine Schuld, sondern allein seine. Aber du solltest in Ruhe darüber nachdenken, was du für Harry noch empfindest und was es ist, dass du dir von deiner Heirat mit William erhoffst, immerhin hast du ja nicht einfach aus einer Laune heraus zugestimmt.“ Er selbst würde ihr natürlich am liebsten dazu Raten Harry wieder nach Bordeaux zu schicken und zu heiraten, wie sie es geplant hatte, aber er konnte seine Wünsche nicht über Sophies Wohlergehen und ihre eigenen Wünsche stellen, also musste sie diese Entscheidung treffen.

Sophie

Sophie ließ sich auf der Fensterbank nieder und lehnte sich an ihren Vater. Sie seufzte leise undließ sich die Tränen von den Wangen wischen.
"Ich weiß, dass du das nicht kannst. Aber ich weiß garnicht mehr, was ich machen soll. Du hast ja recht, er ist zu spät, er hat mich so lange warten lassen ohne ein Zeichen. Ich würde heute noch warten, wenn er nichts von dieser Verlobung mitbekommen hätte. Ich mag ihn ja wirklich gern, aber William habe ich auch ins Herz geschlossen und er würde mir ohne jeden Kompromiss seine Welt zu Füßen legen. Er bietet mir eine sichere Zukunft und er....er liebt mich wirklich. Doch wovor ich wirklich Angst habe, ist, dass ich die falsche Entscheidung treffe und sie dann mein Leben lang bereue. Ich mag sie Beide. Wie soll ich entscheiden einen von ihnen vor den Kopf zu stoßen und zu verletzen? Ich wünschte, Harry hätte sich früher entschieden oder gar nicht."

William nickte bedächtig. „Ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst.“ erwiderte er ruhig. „Ich wurde damals von meinem Vater mit seinem Entschluss konfrontiert, dass ich Isabel heiraten sollte, eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte und die er für eine gute Partie hielt. Zugleich war ich aber in deine Mutter verliebt und wollte sie heiraten … dein Großvater war nicht gerade das, was man umgänglich nennen würde und ich bin damals eingeknickt, habe meine Entscheidung nach seinem Willen gerichtet. Ich habe die wissentlich die falsche Entscheidung getroffen und ich habe sie all die Jahre bereut. Dennoch bin ich mit Isabel glücklich geworden, sei hat mir mit Beatrice und Robert zwei wundervolle Kinder geschenkt und ich habe sie mit der Zeit so sehr lieben gelernt, dass ihr Tod mich wirklich getroffen hat.“ William hielt kurz inne und legte den Kopf ein wenig schief. „Ich erzähle dir das, damit du weißt, dass eine falsche Entscheidung dich nicht unweigerlich ins Unglück stürzen muss. Denn manchmal ist es nur in unseren Augen die falsche Entscheidung und tatsächlich ist es genau das, was Gott mit uns vorhatte. Es kann sein, dass du dich für William de Ferrers entscheidest und du dein Leben lang an Harry denken wirst. Dennoch wird er dir sicherlich ein guter Mann sein und dir ein gutes Leben bieten. Genauso kann es sein, dass du dich für Harry entscheidest und dir irgendwann wünschst, du hättest doch William erhört. Aber du wirst dich auch nicht ohne Grund in Harry verliebt haben, daher wirst du sicher auch an seiner Seite Freude finden.“ William seufzte leise. „Liebes, du musst in dich gehen und dein Herz entscheiden lassen. Ich weiß, was ich dir raten würde zu tun, aber das kannst du dir ohnehin denken. Nur ist das zweitrangig, Sophie. Wichtig ist, dass du mit der Entscheidung, die du triffst leben kannst. William und Harry werden es tun, ganz gleich wie du dich entscheidest.“

Sophie

Sophie spürte, wie sie allein durch die Anwesenheit und die bedachten Worte ihres Vaters ruhiger wurde und ihm besser folgen konnte. Er hatte ja recht, vielleicht war die Entscheidung doch nicht ganz so schrecklich. Vielleicht wollte Gott einfach nicht, dass sie Harry heiratete.
"Danke...du hast ja recht. Ich muss darüber nachdenken und vermutlich eine Nacht darüber schlafen. Aber mich überfordert das Ausmaß der Konsequenzen, die diese Entscheidung auf einige Menschen haben wird. Ich bin nichgt sicher, ob Harry so gut damit leben könnte, wenn ich mich gegen ihn entscheide. Aber er hat so lange gewartet...ich kann doch nicht alles umwerfen, nur weil es ihm plötzlich einfällt."
Sophie schluckte.
"Ich danke dir für deinen Rat. Ich werde nochmal darüber nachdenken, doch je ruhiger ich werde, desto klarer sehe ich."

William lächelte leicht. "Das solltest du. Nimm dir die Zeit dafür, die du brauchst. Ich werde dafür sorgen, dass Harry ein Zimmer bekommt und für heute Ruhe gibt. Und ich werde Robert bitten sich um deinen Verlobten zu kümmern ... er soll ihn ein wenig einspannen, dann hast du heute deine Ruhe und musst mit keinem der beiden sprechen." entschied William dann.
Er bedachte seine Tochter mit einem langen Blick und lächelte liebevoll. "Du wirst die richtige Entscheidung treffen, meine Kleine. Und ganz gleich wie sie aussieht, du hast meine vollste Unterstützung dabei, dessen kannst du dir sicher sein." erklärte er entschlossen und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Sophie

Sophie nickte. "Das ist wahrscheinlich eine sehr gute Idee. Ich kann Harrys flehende Blicke heute nicht mehr ertragen und William wird vermutlich auch bemerken, dass ich nicht wirklich bei der Sache bin. Robert wird sich schon gut um ihn kümmern. Wenn er fragt, soll Rob ihm einfach sagen, dass ich mich nicht wohl fühle und mich ausruhen will. Das wird zur Not als Ausrede für beide Männer taugen."
Sie umarmte ihren Vater lange und stand dann auf.
"Danke, dass du michso unterstützt. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich und Mutter tun würde. Und ohne Robert, er hat mir auch sehr geholfen. Ich werde jetzt einfach noch einmal lauschen, was mein Herz so sagt und was mein Kopf."

Harry

Harry war unruhig. Er hatte seit gestern nicht noch einmal mit Sophie gesprochen, ja sie nicht einmal mehr zu Gesicht bekommen. Das konnte nicht allzu viel Gutes verheißen. Dennoch, er weigerte sich zu glauben, dass sie ihn wirklich abweisen würde.
Langsam ging er durch den Garten, versuchte sich mit dem Anblick hier ein wenig abzulenken, aber es wollte nicht gelingen. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu Sophie und er schickte ein Gebet nach dem anderen zum Himmel, dass sie endlich kommen würde, um ihn zu erlösen. Dass sie kam und ihm sagte, dass sie ihn liebte und dass sie William de Ferrers nicht heiraten würde.

Sophie

Sophie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich gebracht, aber ihr Entschluss hatte sich gefestigt und diesen wollte sie Harry nun mitteilen. Sie hatte geahnt, dass sie ihm am ehesten im Garten begegnen würde, wo er sie gestern gefunden hatte. Sie sollte recht behalten.
Sophie atmete noch einmal tief durch, dann straffte sie die Schultern und trat auf die blonde Gestalt zu, die dort ein wenig verloren wirkte.
"Harry...", sprach sie ihn an. "Wir müssen reden." Und sie würde ihm vermutlich das Herz brechen, aber sie konnte nicht anders.
"Ich habe beschlossen, meine Verlobung nicht zu lösen, sondern William zu heiraten. Ich habe ihm ein Versprechen gegeben und das will ich halten. Meine Gefühle für dich sind einfach nicht genug, um alles fort zu werfen, weil du mit dem Finger schnippst. Ich habe meinen eigenen Weg eingeschlagen und dafür habe ich lange genug gebraucht."

Harry

Harry hörte die Schritte näher kommen und drehte sich um als er Sophies Stimme hörte. Er musste lächeln bei ihrem Anblick, wenngleich die Angst ihm fast die Kehle zuschnürte. Er nickte und trat einen Schritt auf Sophie zu. "Ja, das sollten wir."
Abwarten sah er sie an, doch es kamen nicht die Worte, die er sich so sehnlichst gewünscht hatte. Im Gegenteil, das, was Sophie das sagte war ein einziger Albtraum. "Du ... du wirst ihn heiraten?" wiederholte Harry und erschrak beinahe selbst bei dem klang seiner heiseren Stimme. Er war mit der festen Überzeugung hergekommen, dass sich alles zum Guten wenden würde und nun lag seine Welt mit einem Mal in Scherben. Wieder einmal.
"Deine Gefühle sind für mich sind nicht genug? Aber ich dachte, wir ..." Er stockte und würgte den Kloß im Hals hinunter. "Du liebst ihn mehr als mich?" fragte er leise.

Sophie

Sophie hatte gewusst, dass er so reagieren würde und hoffte einfach, dass er es ihr nicht allzu schwer machte. Das war einfach nicht fair. Sie tat doch einfach nur, was sie für richtig hielt. Wenigstens würde ihr Vater hinter ihr stehen.
"Ja, ich werde ihn heiraten. Ich liebe ihn nicht mehr als dich. Ich mag ihn sehr gerne, aber ich liebeihn nicht. Denke ich. Trotzdem habe ich ein Versprechen gegeben. Wer wäre ich, wenn ich meine Versprechen einfach so brechen würde aus einer Laune heraus? Außerdem hattest du fast ein Jahr Zeit um zu mir zu kommen und mich um meine Hand zu bitten. William hat kaum zwei Wochen gebraucht. Es wäre nicht fair ihn einfach abzuservieren. Ich denke, meine Zukunft liegt bei ihm und ich erwarte, dass du das akzeptierst. Seien wir ehrlich, Harry, in Wirklichkeit lebst du doch ohnehin hauptsächlich für deine Gedichte und Geschichten und das ist doch auch gut so. Du brauchst keine Ehefrau, du kannst auch so glücklich werden."

Harry

Harry konnte kaum glauben was er da hörte und doch klang es alles wohl überlegt, gut durchdacht ... vernünftig. Harry zögerte kurz, dann griff er nach Sophies Hand. "Aber ich brauche dich." erwiderte er leise. "Du bist die wundervollste Frau, die ich kenne, du verstehst mich, weißt was in mir vorgeht und ... bisher warst du immer diejenige, die mich so genommen hat, wie ich bin." murmelte Harry.
Er schluckte schwer und spürte wie sich eine eiskalte Hand um sein Herz schloss. "Sophie ..." Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. "Ich liebe dich. Zählt das wirklich so wenig?"

Sophie

Sophie seufzte. "Nicht so sehr, wie du glaubst. Sieh doch, du bist das letzte Jahr doch auch gut ohne mich ausgekommen, seit du aus Truro fort bist. Seit du in Aquitanien bist erst recht und das weißt du doch auch selbst, Harry."
Es schmerzte so ihn so vor den Kopf zu stoßen, aber sie musste nun einen klaren Strich ziehen, sonst würde es nie etwas werden.
"Und ich werde dich auch weiterhin verstehen und dich nehmen wie du bist, wie ich es bisher auch getan habe. Als deine Freundin. Das hier bedeutet nicht, dass wir uns nicht wieder sehen oder uns nicht weiter schreiben können."
Sie senkte leicht den Blick. "Es zählt nur einfach nicht genug, Harry. Respektiere das."

Harry

Als deine Freundin
Harry konnte es kaum glauben, aber es schien tatsächlich vorbei zu sein. Er sah Sophie an und konnte kaum fassen, dass er wirklich umsonst hier hergekommen war. Seine Schultern sanken langsam herab und er spürte seine Hände zittern. Er hatte so sehr darauf vertraut, dass sie ihn erhören würde, dass es Sophie ebenso ging wie ihm.
Schweigend sah er sie einfach eine ganze Zeit lang an, dann schließlich gab er sich einen Ruck. "Das muss ich wohl." erwiderte er leise. "Ich kann dich nicht zwingen und das wäre auch das Letzte, was ich wollte. Ich ..." Harry schluckte schwer, trat vor und legte eine Hand an Sophies Wange. "Ich wünsche dir alles Glück der Welt Sophie. Ich will, dass du glücklich wirst, dass du Freude in deinem Leben hast und immer das lebenslustige Mädchen bleibst, das ich kennen gelernt habe. Und ... und damit du glücklich werden kannst, werde ich ... werde ich dir nicht länger im Weg stehen." erklärte er heiser. Harry rang einen Moment mit den Tränen, dann hatte er sich wieder halbwegs im Griff. "Werde glücklich, meine kleine, süße Sophie. Und vergiss nicht, dass ich dich trotz allem liebe, hörst du?" wisperte er leise und hauchte dann einen Kuss auf ihre Wange, ehe Harry wieder zurück trat und sich abwandte. Wenn er noch einen Augenblick länger hier stand, würde er sich vergessen und das konnte er ihr nicht antun, das wusste er.
Aber dieser Schmerz in seiner Brust war schier unerträglich ...

Sophie

Sophie rang einen Moment mit ihrer Fassung. Sie konnte ganz genau sehen, wie sehr Harry unter ihrer Entscheidung litt. "Es tut mir so leid, dass ich dir nicht geben kann, was du willst. Aber irgendwann verstehst du es.."
Sie schluckte und erwiderte seinen Blick. "Das wünsche ich dir auch. Du bleib immer der Wirrkopf, den ich damals kennengelernt habe. Ich werde das nicht vergessen. Und dich auch nicht, keine Sorge. Bis zum nächsten Mal, Harry Fitzroy. Ich bin mir sicher, dass wir uns bald wieder sehen werden. Und ich werde dir schreiben."
Sie sah ihm nach, als er ging und atmete tief durch. Eine Last war von ihren Schultern genommen, denn endlich hatte sie diese Sache geklärt. Die Würfel waren gefallen...

Harry

Harry hatte wie in Trance seine Sachen gepackt. Für den heutigen Tag war es zu spät, um noch aufzubrechen, zwar würde die Sonne erst ein wenigen Stunden untergehen, aber bis dahin würden sie sich nur unwesentlich von Truro entfernt haben und daher machte es Sinn erst morgen früh aufzubrechen.
Aber schon während er packte, wusste Harry genau, dass er Truro nicht verlassen würde. Er hatte Sophie gesagt, dass er ihrem Glück nicht im Wege stehen wollte und das hatte er auch so gemeint. Nur würde er das nicht fertig bringen, wenn er einfach abreiste. Er würde sie nicht vergessen können und sie und sich selbst nur unnötig damit quälen. Außerdem sah er auch keinen Sinn darin, nun wieder nach Bordeaux zurück zu kehren. Richard hatte Recht behalten und Sophie hatte ihn abgewiesen. Ein schier unerträglicher Gedanke, der Harry nicht zur Ruhe kommen ließ.
Und schließlich setzte er sich an den kleinen Schreibtisch in seiner Kammer, holte Papier und Feder hervor und schrieb. Er dachte gar nicht groß darüber nach, sondern schrieb einfach nieder, was ihm in den Sinn kam und als er die Feder niederlegte, hatte er sowohl für Aileen als auch für Richard einen Brief zu Papier gebracht. Er faltete das Pergament und legte die Briefe oben auf seine Sachen, dort würde sie sicher jemand finden. Dann suchte er alle Gedichte zusammen, die er mitgebracht hatte und die er Sophie hatte zeigen wollen. Sorgfältig legte er sie zusammen und band ein dünnes Seidenband darum, damit sie in einem ordentlichen Stapel blieben. Harry atmete tief durch und nahm noch ein kleines Stück Pergament hervor.
Ich wollte sie dir geben, damit sie jemand bekommt, der sie zu schätzen weiß und damit du vielleicht hin und wieder mit einem Lächeln an mich denkst, wenn du sie liest.
In Liebe,
Harry Clifford
Es hätte noch so viel gegeben, dass er Sophie hätte schreiben können, aber es war müßig. Außerdem wollte er sie nicht noch mehr damit belasten, also beließ er es dabei.
Dann, als er sicher war, dass alle beim Abendessen waren, stahl Harry sich in Sophies Kammer, um den kleinen Stapel auf ihr Bett zu legen. Er ließ den Blick noch einmal durch den Raum gleiten und seufzte dann leise. Er spürte die Tränen in den Augen, wischte sie jedoch unwillig mit dem Ärmel davon.
Dann verließ er ihr Gemach und schlug den Weg zu den Stallungen ein. Er wusste, dass die Pferde für heute versorgt waren und da alle anderen zu Tisch saßen, würde er hier ungestört sei ...

Schon früher hatte Robert dann und wann gewisse Ahnungen gehabt. Ein schlichtes Gefühl der Unruhe, das ihn nicht los ließ und ihm schlaflose Nächte bereitete. Und oft genug hatte dieses Gefühl ihn nicht getäuscht.
Auch heute Abend fand er keine Ruhe, seine Gedanken zogen ihn in die Stallungen und er wusste jetzt schon, dass er weder das Essen noch die Nacht in Ruhe verbringen konnte, wenn er nicht nach seinen vierbeinigen Schützlingen sah. Also entschuldigte er sich und machte sich in der Dämmerung auf den Weg um nachzusehen.
Er runzelte die Stirn, als er schwachen Lichtschein entdeckte, der dort eigentlich nicht sein sollte. Hier war derzeit niemand. Philippe war Zuhause und die Stallburschen auch. Vorsichtig näherte er sich der Tür und sein ungutes Gefühl verstärkte sich.

Harry

Harrys Herz hämmerte wie wild in seiner Brust als er in dem Stallgebäude endlich fündig wurde und den dicken Strick in den Händen hielt. Kurz befühlte er das raue Material, dann atmete er tief durch und spürte, während er eine Schlinge knüpfte, wie sein Herzschlag langsamer wurde und er sich allmählich beruhigte. Es war fast so als würde nun jede Faser seines Körpers akzeptieren, was nun folgen würde. Es war der richtige, der einzig mögliche Schritt, davon war Harry überzeugt. Wenn er es nicht tat, würde er Sophie früher oder später wieder aufsuchen und sie letztlich ins Unglück stürzen. Und vor allem wollte er nicht ohne sie leben, nicht ohne sie nach Bordeaux zurück kehren und nicht ohne sie sein Leben weiter führen ... für was für eine Zukunft sollte er das auch, wenn sie nicht bei ihm war?
Harrys Plan war aufgegangen und er war bisher vollkommen ungestört geblieben, als er nun das Seil über den Balken warf. Als er sich den Strick um den Hals legte, bebten seine Finger ein klein wenig, aber dann ging alles so unglaublich schnell, dass er gar nicht weiter darüber nachdenken konnte.
Das nächste, was Harry spürte, war wie das raue Seil in die weiche Haut an seinem Hals schnitt, die Fasern seine Haut aufscheuerten und seine Kehle zugedrückt wurde. Er rang nach Atem als seine Lungen immer weniger Luft bekamen, versuchte instinktiv dagegen anzukommen, aber wenigstens dieses Mal hatte er gründlich gearbeitet und es dauerte nicht mehr so furchtbar lange wie er befürchtet hatte bis die Atemnot dafür sorgte, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Der letzte Gedanke, der Harry durch den Kopf ging, halt Sophie und hätte er gekonnt, hätte er gelächelt. Sophie ... seine liebe, kleine Sophie ...

Robert betrat vorsichtig die Scheune, die direkt an die Stallungen angrenzte und erschrak zu Tode. Er hatte alles erwartet, aber nicht das, was er finden würde. Nicht, dass sein ehemaliger Schützling dort hängen würde, offenbar von eigener Hand. "Harry!!", brüllte er entsetzt.
Und das alles nur, weil Sophie ihn abgewiesen hatte? Ohne weiter nachzudenken handelte Robert einfach nur. Er sprintete zu Harry hinüber, zog den Dolch aus seinem Gürtel und zerschnitt den Strick. Gemeinsam gingen sie Beide zu Boden, als Harry mit ganzem Gewicht in seine Arme sackte.
Robert richtete sich halb auf und löste angestrengt den engen Strick um Harrys Hals, fühlte dessen Puls und lauschte auf seine Atmung.
Erleichtert atmete er aus. Er war rechtzeitig gekommen, der Junge lebte noch. Warum machte der Junge nur solchen Unsinn? Nur wegen Sophie? Hatten sie etwa alle unterschätzt, wie tief seine Gefühle gingen? Niemand hatte erwartet, dass er sich umbringen würde, weil Sophie sich für William entschieden hatte. Harry hatte ganz eindeutig ein Problem. Er brauchte Hilfe...
Sanft strich er Harry die blonden Strähnen aus dem jungen Gesicht und wartete. Es war besser, wenn er hier aufwachte. Ungestört...unbeobachtet.

Harry

Harry wurde mit einem Mal bewusst, dass er atmete. Seine Lungen gierten nach Luft und genau das bekamen sie auch, zwar etwas mühsam, aber er spürte, wie er ein und ausatmete. Aber wie war das möglich? Er war doch ... als nächstes wurden ihm die Halsschmerzen bewusst und als er zu schlucken versuchte, stöhnte er leise auf und öffnete unwillig die Augen.
Wie ... Harry blinzelte, dann wurden die Umrisse schärfer und er erkannte ein vertrautes Gesicht über sich, spürte, wie eine Hand durch seine Haare strich.
"Robert ..." Er versuchte zu sprechen, aber es war kaum mehr als ein Krächzen, dass über seine Lippen kam und selbst das schmerzte fürchterlich und er musste husten.
War Robert etwas gekommen und hatte ihn los geschnitten? Harry schloss wieder die Augen. Wieso nur? Wieso nur konnte er nicht einmal in Ruhe aus dem Leben scheiden, jetzt, da er sich schon dazu entschlossen hatte ...

Robert wartete, bis Harry aufwachte und strich ihm durch das Haar, beruhigte ihn sanft, als er nach Atem rang. Sicher würde Harry eine Weile Schmerzen haben, aber daran war er selbst Schuld, wenn er solchen Unsinn fabrizierte.
"Ja, ich bin es. Was machst du nur für einen Unsinn, Harry? Willst du uns allen solchen Kummer bereiten? Ich weiß, was dich umtreibt, aber glaubst du wirklich, Sophie hätte es sich jemals verziehen, wenn du dich ihretwegen umgebracht hättest?"
Er seufzte leise. "Versuch gar nicht erst viel zu sprechen, das wird ohnehin nicht funktionieren. Ich werde dich zu John bringen, der soll nach dir sehen. Dann sehen wir weiter. Für jedes Problem gibt es eine Lösung und nichts auf der Welt ist es wert, das wir unser Leben einfach fortwerfen."