William und Joanna - ab 1183

Louis

Louis gab ein kleines Brummen von sich, dass halb verständnisvoll, halb verwundert klang und dachte einen Moment darüber nach, ehe er Eleonore wieder an sah. "Das war nicht sehr klug von ihnen. Man sollte doch zu seinem Wort stehen, nicht wahr? Und wenn es nun in solchem Streit endet, ist es noch viel verwerflicher." überlegte Louis unbehaglich und seufzte dann leise. Er hoffte wirklich, dass bald Frieden einkehren würde, um ihrer aller Willen.
Als Eleonore lachte, trat ein Lächeln auf Louis Lippen und er fühlte sich gleich ein wenig besser. "Das ist gut. Denn seit du hier bist, ist alles so viel besser geworden, weißt du?" erklärte er entschlossen. Nicht nur weil er sich bei Eleonore geborgen fühlte, auch sein Vater kam ihm so verändert vor und das hatte auch Louis' Verhältnis zu ihm besser werden lassen.
Der junge Dauphin dachte einen Moment lang über Eleonores Worte nach und nickte schließlich. "Ja, ich schätze du hast Recht. Vielleicht wird es ja sogar ganz schön, wenn er hier ist und wir zusammen Unterricht bekommen und spielen können." Vielleicht würde er dann auch Gui nicht mehr so fürchterlich vermissen.

Eleonore nickte. "Da gebe ich dir Recht. Aber was geschehen ist, ist geschehen. Man wird es nicht mehr ändern und sie werden sich nicht mehr vertragen. Es macht die Dinge nicht leichter, aber wir werden das Beste daraus machen."
Eleonore war zufrieden, dass Louis' Laune sich etwas besserte. "Das freut mich sehr zu hören. Ich bin auch wirklich froh mit euch. Und es ist gut, dass du so positiv denkst."
Sie legte ihm kurz die Hand auf die Schulter.
"Was denkst du, wollen wir einen kleinen Spaziergang unternehmen? Ich denke, etwas frische Luft wird dir gut tun, ich werde es vor deinem Vater schon rechtfertigen."

Edwin

Edwins Atem ging rasselnd und obwohl er sein Ziel nun tatsächlich schon vor Augen hatte, war er sich nicht sicher, ob er es noch erreichen würde. Er fühlte sich elend und Greg, der schon seit Tagen nicht mehr richtig zu Bewusstsein gekommen war, schien Edwin immer schwerer und schwerer zu werden. Trotzdem gab er sich einen Ruck und setzte erneut einen Fuß vor den anderen und versuchte seinen Gefährten und sich endlich zu diesem Hospital hinüber zu schaffen von dem der Bauer ihm erzählt hatte als Edwin heute Morgen bei ihm um einen Kanten Brot gebettelt hatte. Der Mann hatte ihnen eine Schale Haferbrei und Wasser gegeben und geraten zum Hospital zu gehen, dort würde man ihnen sicher helfen. Edwin war zwar nicht überzeugt, ob das stimmte, denn außer den Fetzen, die sie trugen besaßen sie ja nichts mehr, aber es war der letzte Funken Hoffnung, den er noch hatte. Und noch war er nicht bereit sich einfach hier auf die Straße zu legen und sich seinem Fieber zu ergeben, wenngleich diese Möglichkeit immer verlockender wurde.

Elena hatte gerade ihren Dienst im Hospital begonnen, nachdem Constance auf die Kinder aufpasste. Die Lage hatte sich wieder entspannt, jetzt, da John wieder wohlauf hier war und so ging alles seinen normalen Gang.
Sie hatte nach ihren aktuellen Sorgenkindern gesehen und sah mehr durch Zufall im Vorbeigehen aus der Pforte. Zwei Gestalten torkelten dem Hospital entgegen und ließen sie innehalten.
"Mortimer, schick mir Tom und Bill her, sie werden gebraucht. Und dann holst du John, ja? Ich schätze, er muss sich das ansehen."
Sie konnte auf den ersten Blick sehen, dass die beiden Ankömmlinge nicht gut dran waren. Sie ging ihnen entgegen.
"Was ist passiert?" Fiebrige Augen blickten ihr entgegen. "Hier bekommt ihr Hilfe, keine Sorge." Die beiden Pfleger Tom und Bill kamen ihr zur Hilfe und nahmen die Männer entgegen, um sie in einen der separaten Räume zu bringen. Wer wusste schon, was sie für eine Krankheit mitbrachten, die am Ende gar alle anstecken konnte....

Edwin

Edwins Herz stolperte als er eine Gestalt am Eingang des Hospitals sah und feststellte, dass sie ihnen entgegen kam. Es war eine junge Frau, die zu ihnen trat, die Miene ernst, aber keineswegs abweisend, eher aufmerksam, so als würde sie sich einen genauen Eindruck über die Lage verschaffen.
Edwin schluckte und sah kurz zu Greg, ehe er die Frau wieder ansah. "Wir ... wir brauchen Hilfe, bitte." erwiderte er mit rauer Stimme. "Er ... Greg ist krank geworden. Vor ... einer Woche ungefähr. Husten, dann Fieber, er wird immer schwächer." Und ich habe mich zu allem Elend auch noch bei ihm angesteckt ... Doch Edwins Kehle war zu trocken und er zu müde, um weiter zu reden.
Ein wenig verwirrt sah Edwin die beiden Männer an, die zu ihnen traten, zögerte jedoch nicht und ließ sich seine Last abnehmen. Ohne Gregs Gewicht zusätzlich tragen zu müssen, konnte er sich wenigstens etwas besser auf den Füßen halten, aber trotzdem ließ er sich von dem zweiten Mann ein wenig stützen.
Er sah die junge Frau noch einmal an als sie sich in Bewegung setzten und schluckte sichtlich. "Ich danke Euch." erklärte er leise. "Ich wusste wirklich nicht mehr wohin ..."

Elena nickte. "Keine Sorge, wir werden euch helfen können." Sie folgte den Männern und band sich unterwegs ein Tuch vor Nase und Mund. Dann beugte sie sich über den bewusstlosen der Beiden, dem es offensichtlich schlechter ging.
"Hm, das sieht nicht allzu gut aus. Ich denke, eine Infektion. ViAber ich will jedenfalls den Leiter unseres Hospitals hinzuziehen, bevor ich etwas unternehme."
Elena hob leicht die Schultern.
"Nun, es war jedenfalls klug herzukommen. Hier bekommt jeder Hilfe, der sie benötigt. Ich bin sicher, es wird euch bald besser gehen."

Edwin

Die Erleichterung war gewaltig als sie eine kleine Kammer erreichten in der Greg ein Bett beziehen konnte und Edwin selbst sich zunächst auf einen freien Schemel sinken ließ und für einen kurzen Moment die Augen schloss. Die Stimme der jungen Frau riss ihn jedoch wieder aus seinen Gedanken und er sah zu ihr hinüber, nickte beklommen. "Er ist schon seit einer Weile nicht mehr zu sich gekommen." murmelte Edwin, der schon seit ein paar Tagen vermutete, dass es ziemlich schlecht um Greg stand, doch so unausstehlich dieser manchmal auch sein konnte, Edwin hatte ihn trotzdem nicht zurücklassen können. Vielleicht hätten seine eigenen Chancen dann besser gestanden, aber so etwas hätte er einfach nicht übers Herz gebracht.
"Das ist sehr gut von euch." erwiderte Edwin dann, sah sich jedoch gezwungen zu beichten: "Allerdings haben wir nichts, womit wir Euch bezahlen könnten." Es fiel ihm nicht leicht das einzugestehen und eilig senkte Edwin wieder den Blick. Es war lästige Gewohnheit geworden, dass sie von der Hand in den Mund leben mussten, aber dies offen auszusprechen fiel Edwin trotz allem noch schwer.

Elena nickte. "Wir werden sehen, was wir tun können. Nicht alles liegt in unserer Hand, aber wenn das Fieber sinkt, wird er sicher auch bald wieder zu sich kommen."
Sie legte Edwin kurz die Hand auf die Schulter. "Keine Sorge. Hier finden Notleidende immer Hilfe. Jeder gibt, was er kann. Und der Earl sorgt dafür, dass auch den Ärmsten Hilfe angedeihen kann.", beruhigte sie ihren Schützling und wandte sich kurz zum Regal um.
"Hier, trinkt das. Es hilft gegen das Fieber, einstweilen. John müsste auch gleich kommen."
Und sie sollte Recht behalten, John betrat gerade den Raum und öffnete den Mund zu einer Begrüßung, als ihm die Worte im Hals stecken blieben.
Elenas Lächeln erstarb, als sie den so unbekannten Ausdruck auf Johns Gesicht erkannte: Verachtung. "John, was ist los?", fragte sie leise. John schüttelte leicht den Kopf. Am liebsten würde er sie vor die Tür setzen, aber das widersprach seiner Berufsehre. "Du kommst ohne mich zurecht, da bin ich sicher. Aber ich werde mich diesen Kreaturen sicher nicht annehmen."

Edwin

Edwin schluckte schwer. "Das ist wirklich gut von Euch." erwiderte er, nahezu überwältigt von diesem Entgegenkommen, das ihnen hier zuteil wurde. Bisher war sein Leben ein ziemliches Jammertal gewesen und dass er von jemandem mal ein gutes Wort gehört hatte, war auch schon eine halbe Ewigkeit her.
Dankend nahm er den Becher entgegen und wenngleich der Trank ein wenig bitter war, war Edwin trotzdem froh über jeden Schluck, der seine Kehle hinab rann.
Er wandte den Kopf als er Schritte hörte und dann die irritierte Stimme seiner Gönnerin erklang, dann fühlte auch Edwin, wie er erstarrte. Das Gesicht dieses Mannes hatte ihn in so manchem Albtraum heimgesucht seit Greg und er ihn überfallen hatten, denn in Edwins Augen war dieser Überfall vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Er hätte sich gern mit ein paar Pennys zufrieden gegeben ...
Edwins Lippen zuckten, so als bereiteten sie Worte vor, doch kein laut entwich seiner Kehle. Er hätte auch gar nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Sich entschuldigen? Das hätte der alte Arzt ihm wohl ohnehin nicht geglaubt ... und dabei wäre es durchaus die Wahrheit gewesen, denn dieser Vorfall belastete Edwins Gewissen nicht gerade wenig.

John konnte beinahe sehen, wie der Mann vor ihm sich innerlich wand. Immerhin, es war derjenige, der noch versucht hatte das Ganze im Rahmen zu halten. Sein Kumpan war noch bewusstlos. Dennoch widerstrebte es ihm unglaublich, dass die Beiden hier Hilfe bekommen sollten. Aber dafür war das Hospital da, er musste an sich halten.
"Tu, was du tun musst und sieh zu, dass unsere Gäste sich baldmöglichst auf den Weg machen können, Elena.", sagte er kühl und wandte sich ohne einen weiteren Blick ab.
Er wusste, Elena würde ihn wohl zur Rede stellen, aber er konnte nicht länger hier bleiben. Allein Edwins Anblick verursachte ihm Übelkeit und Schweißausbrüche. Sein Körper erinnerte sich ganz genau an diese Begegnung.

Edwin

Edwin wünschte sich nichts sehnlicher als dass sich ein Loch im Boden auftun und ihn einfach verschlucken würde, so unangenehm war ihm diese Situation. Nie im Leben hatte er erwartet diesen Mann noch einmal wiederzusehen und nun geschah es ausgerechnet unter solchen Umständen ... als wäre es ihm nicht so schon schwer genug gefallen hier um Hilfe zu bitten.
Edwin starrte in seinen Becher hinab und rührte sich erst wieder als der alte Arzt ihnen den Rücken kehrte. Eilig leerte er den Becher mit dem helfenden Trank, dann stand er ein wenig mühsam auf.
"Ich ... wir müssen gehen." erklärte er mit belegter Stimme und trat zu der Liege auf der Greg ausgestreckt lag, noch immer bewusstlos. "Ich danke Euch für Eure Hilfe, aber ... wir können nicht bleiben." Sie hatten großes Unrecht an diesem Mann getan, hatten ihn nicht einfach nur ausgeraubt, sondern schließlich sogar allein in einem Gebüsch zurückgelassen, inkaufnehmend dass er hätte sterben können. Und nun sollten sie ausgerechnet hier in seinem Hospital Hilfe bekommen? Das war unmöglich.
Edwin schickte sich an Greg wieder auf die Füße zu ziehen und überlegte fieberhaft wohin sie nun gehen sollten. Das hier war zugegebenermaßen seine letzte Hoffnung gewesen.

Elena war einen Moment wie erstarrt, dann schüttelte sie den Kopf und legte Edwin die Hand auf die Schulter. Sie zog ihn sanft von seinem Freund weg und drückte ihn zurück auf sein Bett. "Nein, nein. Das müsst ihr nicht. Ihr werdet bleiben, bis ihr wieder auf den Beinen seid. Wenn er jetzt reist, wird er es vermutlich nicht schaffen. Ich weiß nicht, was zwischen euch und John vorgefallen ist, aber selbst er sagte, ich soll tun, was ich muss. Und was ich tun muss, ist euch wieder auf die Beine zu bringen. Er wird euch nicht behandeln, aber dennoch bekommt hier jeder Hilfe."
Sie griff nach einer Decke.
"Und nun müsst ihr Beide ausruhen, ein bisschen schlafen. Ich werde deinem Freund einen Sud einflößen, der das Fieber etwas senkt. Wie heißt ihr eigentlich?"

Edwin

Edwin wollte protestieren als die junge Frau ihn zurück auf das zweite Bett drückte, aber er war zu erschöpft, um wirklich Einwände zu erheben und dann auch dazu zu stehen. Selbst ihrem sanftem Druck hatte er ja kaum etwas entgegenzusetzen.
Edwin schluckte schwer und befeuchtete seine Lippen nervös mit der Zunge. "Wir ... wir haben ihm großes Unrecht getan." murmelte Edwin und starrte auf seine Hände hinab, die wie verloren in seinem Schoß ruhten, so als wüssten sie nicht wohin mit sich. "Es ist nicht richtig, dass wir jetzt Eure Großzügigkeit so ausnutzen."
Er hob eine Hand und fuhr sich mit zittrigen Fingern durch den zerzausten und dreckigen Schopf, ehe er wieder aufsam. "Ich bin Edwin." antwortete er dann gedämpft und sah zu dem Bett nebenan hinüber. "Und das ist Greg." Sein einziger Beistand derzeit und doch auch sogleich so etwas wie sein persönlicher Fluch. Manchmal glaubte Edwin, ohne Greg wäre alles anders gelaufen, nicht nur diese Sache mit dem alten Arzt, einfach alles. Aber vielleicht wäre er dann auch schon vor Monaten irgendwo im Straßengraben verhungert oder von anderem Gesindel erschlagen worden, denn Greg hatte immerhin auf ihn Acht gegeben.

Elena nickte. "Ich ahne es, sonst würde er nicht so reagieren. Das ist nicht seine Art." Sie neigte den Kopf. "Nein, vielleicht nicht. Aber es nutzt auch niemandem etwas, wenn ihr zurück auf die Straße und nach ein paar Meilen zum Sterben im Straßengraben liegt. Dein Freund hier, Greg, wird das sicher nicht schaffen. Also werdet ihr hier bleiben und euch erst ein wenig erholen."
Sie tauchte ein Tuch in Wasser und legte es Greg auf die Stirn. "Dein Freund ist in keinem guten Zustand. Ich werde sehen, wie ich ihm helfen kann."
Aber es war höchste Not, das stand fest.
"Ruh dich aus...Du wirst es brauchen."

Es ging auf die frühen Abendstunden zu als Lucas seinen Vater in dem kleinen Arbeitszimmer des Hospitals ausmachte, wo dieser an dem großen Tisch mit den unzähligen, ständig dort liegenden Büchern saß. Selbst Lucas war aufgefallen, dass sein Vater sich in den letzten Stunden ungewöhnlich rar gemacht hatte und dabei entgingen ihm so häufig Dinge, wenn er in seine Arbeit vertieft war. Elena hatte ihn bei Seite genommen und von den beiden heruntergekommenen Gestalten erzählt, die heute hier angekommen waren und wie sein Vater auf deren Anblick reagiert hatte.
Daher hatte Lucas nun entschieden herauszufinden, was es mit all dem auf sich hatte.
"Vater ..." er trat langsam näher und zog einen Schemel heran, damit er sich setzen konnte. "Elena hat mir erzählt, dass etwas vorgefallen ist." begann Lucas ruhig. "Willst du mir erzählen, was es mit diesen Männern auf sich hat?"

John hatte sich zurückgezogen, weil er seine Ruhe haben wollte. Der Anblick der beiden Gestalten hatte seine inneren Dämonen wieder geweckt, die musste er erst ein wenig in den Griff bekommen. Er war allerdings nicht überrascht, dass er Besuch bekam.
"Komm rein. Ich ahne, warum du kommst..." Er legte die Feder zur Seite und seufzte tief. Er wollte keine Geheimnisse vor seiner Familie haben und das etwas nicht stimmte, war offensichtlich.
"Du erinnerst dich sicher daran, dass ich auf dem Rückweg von Kent hierher überfallen wurde. Nun, Gottes Wege sind unergründlich. Die Beiden sind die Männer, die mich überfallen und fast getötet hätten. Und nun, nun sind sie hier und appellieren an unsere Barmherzigkeit. Das muss ich erst mal verdauen. Ich kann sie nicht behandeln, das ist zu viel verlangt. Aber ich habe sie ja nicht vor die Tür gesetzt."

Lucas sah seinen Vater geruhsam an und nickte dann ernst. "Sicher. Wir waren alle in fürchterlicher Sorge um dich als du so lange verschwunden warst." Erwiderte er und ein Verdacht machte sich in ihm breit, den John auch im nächsten Moment sogleich bestätigte. Lucas wartete bis sein Vater geendet hatte, dann atmete er geräuschvoll aus. "Bei allen Heiligen." Murmelte er leise. "Dein Herz ist wirklich gütig, das kann dir wahrhaftig keiner absprechen." Lucas konnte den Zwiespalt seines Vaters gut verstehen und war sich nicht ganz sicher ob er es fertig gebracht hätte die Männer, die ihn um ein Haar getötet hätten, hier behandeln zu lassen.
"Ich werde mit Elena sprechen und wir sehen zu, dass wir die zwei schnellst möglich wieder auf die Beine bekommen, damit sie gehen können, das verspreche ich dir." Bot Lucas dann an, denn Viel mehr konnte er wohl auch nicht tun. Das Zugeständnis seines Vaters war in seinen Augen ja schon beachtlich.

"Ach weißt du, ich versuche einfach nach Gottes Geboten zu leben. Und dazu gehört nunmal auch, dass man seine Feinde liebt. Das ist etwas viel verlangt, aber sie vor die Tür zu setzen, wäre das Gegenteil gewesen."
John lächelte sanft. "Danke. Ich bin froh, dass ich euch hier habe. Tut, was ihr könnt, aber nicht mehr. Je eher die Beiden fort sind, desto besser. Aber seid vorsichtig. Sie sind gefährlich."
Nicht auszudenken, wenn sie wieder auf den Beinen waren und hier irgendwelches Unheil anrichteten.
"Komm, Lucas, munter mich ein bisschen auf. Erzähl mir von den Kindern."
Denn seine Enkel bereiteten ihm wirklich Freude.

Lucas nickte langsam. "Dennoch, es gehört einiges dazu es auch so zu leben." bemerkte er und winkte dann mit einem kleinen Lächeln ab. "Ach was, das ist nun wirklich nicht der Rede wert." entgegnete Lucas, wurde dann aber ernst und seufzte leise. "Ja, ich glaub's. Ich hoffe nicht, dass sie uns unsere Mildtätigkeit übel vergelten werden, aber wir werden auf der Hut sein und ich werde auch alle hier im Hospital entsprechend anweisen, wir wollen hier ja kein Unglück."
Lucas lehnte sich etwas zurück und grinste dann. "Gern. Aber was hältst du davon, wenn du Mutter heute Abend einfach mitbringst und wir gemeinsam essen? Die Kleinen wären überglücklich und ihr könnt euch all ihre kleinen und großen Abenteuer anhören." schlug Lucas dann vor. "Und bereite dich dann schon einmal darauf vor, dass du Tristans Zähne wirst begutachten müssen. Er ist der festen Überzeugung einer seiner Zähne würde wackeln seit Lilian ihm gestern ihre Zahnlücke gezeigt hat. Ich schätze, er will ihr da in nichts nachstehen." bemerkte Lucas, amüsiert über die kleine Schwäche, die sein Sohn für Robs älteste Tochter zu hegen schien.

John nickte langsam. "Ich schätze, vor einigen Jahren wäre ich vielleicht nicht so besonnen geblieben. Doch es ist wirklich gut, wenn du alle warnst. Ich will keine bösen Überraschungen erleben."
Die Aussicht auf das Essen mit seiner Familie hob seine Stimmung tatsächlich deutlich an. "Das ist eine gute Idee. Darauf freue ich mich sehr. Und deine Mutter sicherlich auch."
Er lachte leise.
"Oh, dann werde ich sie mir ansehen. Du warst genauso, du und Eric, ihr habt immer gewetteifert, wer die meisten Zähne verliert. Aber schön, dass er sich mit Lilian so gut versteht."
Seine Enkel waren ihm wirklich eine große Freunde und bereicherten sein Leben. Das lenkte ihn sogar von den Problemen im Hospital ab.

Edwin

Edwin saß im Garten des Hospitals auf einer Bank und wartete, wartete darauf, dass Greg dort drinnen seinen letzten Atemzug tat und man ihm Bescheid gab. Obwohl die Ärzte hier alles versucht hatten, war es stetig bergab gegangen mit seinem Gefährten und so wie es aussah lag er nun endgültig im Sterben.
Diese Aussicht erfüllte Edwin mit unzähligen, gemischten Gefühlen. Betroffenheit angesichts des bevorstehenden Verlustes, aber auch fast so etwas wie Erleichterung, denn Greg war immer auch wie eine Geißel für ihn gewesen. Er hatte ihn beschützt, aber gleichzeitig immer weiter ins Elend getrieben.
Was ihn aber zusätzlich umtrieb, war die Frage, wie es nun weitergehen sollte. Wenn Greg starb, würde es für Edwin keine Ausrede mehr geben hier zu bleiben, er war weit genug genesen, dass er das Hospital wieder verlassen konnte, aber er fürchtete sich davor. Fürchtete sich davor, dass er dort draußen zu Grunde gehen würde ... und er fühlte sich mehr denn je schuldig für seine Taten und dürstete nach Wiedergutmachung.

Elena seufzte tief und machte sich auf den Weg in den Garten. Edwin saß dort und wartete. Er war wiedersoweit genesen, aber seinem Begleiter war es zunehmend schlechter gegangen. Sie hatten ihm nicht helfen können. Vielleicht hätte John es gekonnt, aber jeder von ihnen hatte Verständnis dafür, dass er sich den Mann nicht ansehen wollte.
Sie sah Edwin auf einer Bank sitzen und begab sich zu ihm. Er war kein von Grund auf schlechter Kerl, hatte sie den Eindruck.
"Er hat es überstanden.", sagte sie leise. Greg war vor etwa einer halben Stunde gestorben. Sein Herz hatte es nicht mehr geschafft. Wohl kein llzu großer Verlust für die Welt, aber dennoch ein verlorenes Menschenleben.
"Du bist also....frei."

Edwin

Edwin hob den Kopf als er leichte Schritte näher kommen hörte. Es war Elena, die junge Ärztin, die ihn und Greg vor einigen Tagen hier aufgenommen und sich auch um sie gekümmert hatte. Er wusste genau, welche Nachricht sie bringen würde und seine Vermutung wurde auch sogleich bestätigt.
Edwin schluckte und bekreuzigte sich, sah dann aber wieder mit mattem Blick zu Elena auf. "Frei von hier zu verschwinden, meint ihr, nicht wahr?" erwiderte Edwin und seufzte leise. Wenn er das Hospital verließ, stand er nicht nur wieder auf der Straße, er würde obendrein auch noch vollkommen allein sein.
Bedrückt sah Edwin auf seine Hände hinab, die lose in seinem Schoß ruhten. "Wann setzt Ihr mich vor die Tür?" fragte er ein wenig unsicher. "Ich meine ... wie viel Zeit bleibt mir noch, um zu überlegen, was ich nun anfangen soll?" Vielleicht sollte er sich einfach von der nächsten Klippe stürzen und diesem elenden Dasein ein Ende machen bevor er langsam irgendwo verreckte?

Elena setzte sich einen Moment zu ihm auf die Bank. "Das habe ich nicht gesagt. Aber ich denke, er war auch oft eine kleine Last für dich, nicht wahr? Vielleicht beginnst du nun dein Leben neu.", sagte sie langsam.
"Weißt du, wenn die Dinge anders wären, könntest du wahrscheinlich hier ein Zuhause finden können. Arbeit haben wir immer. Aber ich glaube nicht, dass John das zulassen würde. Es war schon großherzig, dass er euch hier behandeln ließ. Ihr habt ihn immerhin beinahe das Leben gekostet."
Elena schaute ihn an.
"Hast du denn wirklich keine Idee, wohin du gehen kannst? Du hast doch sicherlich irgendetwas gelernt, mit dem du wieder etwas anfangen kann. Arbeit finden..."
Und auch, wenn sie nicht gutheißen konnte, was sie John angetan hatten, sie hatte Mitleid.

Edwin

Edwin schluckte schwer und zögerte einen Moment, dann nickte er langsam. "Das war er. Ich meine, er hat auf mich aufgepasst, hat mich aus so mancher brenzlicher Situation geholt, aber ... er war immer wie ein Joch, das ich tragen musste. So ... grausam und unbarmherzig wie er war." erwiderte Edwin leise. Er kam sich schäbig vor es auszusprechen, es erschien so undankbar, aber es war nun einmal die Wahrheit.
Edwin senkte betroffen den Blick. "Auch das ist etwas, das ich zutiefst bereue. Es ist vollkommen aus dem Ruder gelaufen damals, weil Greg keine Ruhe geben konnte." Matt sah er wieder auf und schüttelte mutlos den Kopf. "Nein, keine einzige. Wir waren Bauern. Aber es gab zwei Missernten in Folge und unser Gutsherr war unbarmherzig beim Eintreiben aller Abgaben, wir haben mit unseren kleinen Schollen nichts mehr erreichen können und schließlich hat er uns davon gejagt." berichtete Edwin wie es dazu gekommen war, dass Greg und er überhaupt auf der Straße gelandet waren.