William und Joanna - ab 1183

Claire hatte sich unter der Decke verkrochen, sie bis über den Kopf gezogen, um die Welt auszusperren. Sie konnte ihn einfach nicht begreifen. Nicht eine Sekunde hatte sie an Edwards Liebe gezweifelt. Sie war sicher gewesen, dass Helene Vergangenheit war. Albern hatte sie sich gefühlt, weil sie eiferschtig gewesen war, als er ohne sie nach Dover geritten war. Wie töricht...
Als es klopfte, ignorierte sie es, denn sie wollte allein sein und sich ihrem Kummer hingeben. Es wäre wirklich peinlich, wenn jemand sah, wie sie sich die Augen ausheulte. Dabei hatte jeder sie gewarnt vor Edwards Moral, was Frauen betraf. Aber Helene, die gerade ihren Liebsten verloren hatte....das begriff sie so gar nicht.
Sie erschrank, als plötzlich jemand unaufgefordert eintrat. Josephine....bestimmt wusste sie schon alles. Was hatte Edward davon es jedem zu erzählen?
"Geh weg, ich will allein sein...."

Josephine sah sich suchend um und hörte schließlich eine gedämpfte Stimme, die sie wegschicken wollte. Sie seufzte leise und ging hinüber in die Schlafkammer, wo Claire sich unter der Bettdecke verkrochen hatte. "Ich weiß, Liebes, aber glaub mir, es tut nicht besonders gut in solch einer Situation mit all dem großen Kummer allein zu sein." erwiderte Josephine ruhig und setzte sich auf die Bettkante. Sie hatte durchaus erwartet, dass Claire sie zunächst weg schicken wollen würde, aber so leicht ließ Josephine sich nicht abschütteln. Zumal sie fest überzeugt war, dass es Claire helfen würde ein wenig mit ihr reden zu können.

Claire war wirklich nicht begeistert, als Josephine sich zu ihr begab und sich auf die Bettkante setzte. Sie fühlte sich elend und albern, am liebsten wollte sie das alles mit sich selbst ausmachen.
"Doch, ich glaube schon. Ich will einfach alles vergessen. Aber ich verstehe ihn einfach nicht...." Wie hatte er sie nur so verletzen können?
"Ausgerechnet dieses Miststück..."
Aber wie sollte Josephine sie schon verstehen mit ihrem perfekten Ehemann...Bei ihr schien nie etwas schief zu laufen, sie hatte wundervolle Kinder und einen sanftmütigen Mann, der sie auf Händen trug. Es schien, als hätte Claire sich getäuscht, als sie gedacht hatte, auch so einen Mann zu haben...

"Ja, das verstehe ich nur zu gut." erwiderte Josephine ruhig. "Aber glaub mir, egal wie sehr wir uns wünschen furchtbare Dinge zu vergessen, es geschieht so nie. Die Zeit bringt es irgendwann mit sich, dass wir zunächst nicht mehr ständig daran denken, dann noch etwas weniger und schließlich so gut wie gar nicht mehr. Aber so bedauerlich es ist, es dauert." Und sie wusste schließlich nur zu gut, wie lange es dauern konnte bis man unliebsame Erinnerung halbwegs los wurde, sie hatte schließlich eine ganze Sammlung davon.
Josephine atmete tief durch und nickte. "Es scheint schon merkwürdig, dass er sich ausgerechnet auf sie eingelassen hat, ich weiß." Aber Josephine wusste auch, dass Liebe und Lust zwei ganz verschiedene Dinge waren und letztere besonders die Männer oft in merkwürdigsten Augenblicken übermannte.
"Was hat Edward zu der ganzen Sache gesagt?" erkundigte sie sich schließlich langsam in der Hoffnung Claire ein wenig zu reden zu bekommen.

"Ja, ich weiß...und deshalb weiß ich nicht, wie ich ihm verzeihen soll. Ich werde es nicht vergessen können....Ich wollte nicht hören. Alle haben mich gewarnt, Josephine, und ich wollte einfach nicht hören. Ich dachte, ich könnte ihn ändern und wie naiv war ich doch...Ich dachte einfach, er liebt mich genug um mir treu zu sein."
Claire schüttelte leicht den Kopf.
"Er hat gesagt, er hat sie getröstet...merkwürdige Art das zu tun. Sie wären sich so nah gewesen, weil er ja genau weiß, wie sie sich fühlt. Ich dachte, wenn man gerade seinen Liebsten verloren hat, würde man nicht mit einem Anderen ins Bett gehen....Ich wollte nicht, dass er zu ihr geht, aber er hat mich beschwichtigt und mir gesagt, ich hätte keinen Grund zur Eifersucht. Pah...."

"Nun, du hattest durchaus Recht, du hast ihn geändert. Sehr sogar. Aber er ist nun einmal immer noch Edward. Ich weiß nicht, was es genau mit ihm ist, manchmal kommt es mir vor als würde irgendein kleiner Kobold auf seiner Schulter sitzen und ihm bei den unpassendsten Gelegenheiten etwas einflüstern wogegen er machtlos ist. Er muss immer so gewesen sein, wenn ich mir die Geschichten von seinen Eltern und Rob so anhöre. Schon als kleiner Junge." Erwiderte Josephine bedächtig. "Das rechtfertigt sein Handeln natürlich nicht, aber es macht die Veränderung, die du bewirkt hast noch bedeutsamer."
Josephine seufzte leise und schwieg einen Moment lang. "Eine merkwürdige Art, ja, aber in solchen emotionalen Ausnahmezuständen neigen Menschen dazu merkwürdiges zu tun. Und womöglich war Helene dankbar dafür wieder ein wenig Wärme zu verspüren."
Sachte strich Josephine Claire über den Arm. "Glaub ja nicht, ich würde gutheißen was er getan hat, Liebes. Aber ganz gleich was er getan hat, er liebt dich so sehr, Claire. Und du ihn auch, daß dürft ihr um keinen Preis aufgeben." murmelte Josephine.

Claire lauschte aufmerksam und schnaubte leise. "Denkst du? Das fand ich bisher auch, aber ich bin inzwischen überzeugt, dass ich mich geirrt habe. Dieser Kobold...es ist eine Sache Unsinn anzustellen, aber die Ehe zu brechen und die Frau zu betrügen, der man fortwährend sagt, wie sehr man sie liebt? Ich weiß nicht...Machtlos war er ganz sicher nicht."
Claire biss sich auf die Lippe. "Aber warum ausgerechnet bei meinem Mann?", stieß sie dann hervor. "Soll sie sonstwo Wärme suchen. Sie war grauenvoll zu ihm, hat ihm Hörner aufgesetzt und einen Bastard geboren, während sie mit ihm verheiratet war. Warum muss es also ausgerechnt dieses schreckliche Weibsbild sein?" Claire schüttelte den Kopf.
"Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich einfach nicht gut genug, weil ich immernoch nicht schwanger bin. Vielleicht geht er zurück zu ihr...Vielleicht ist es schon zu spät und er hat schon aufgegeben."

Josephine zögerte kurz, da sie es gerne vermied Erinnerungen an ihr früheres Leben zu wecken, aber in diesem Fall war es für einen guten Zweck also gab sie sich einen Ruck. "Und es war immer die Wahrheit, wenn er dir seine Liebe gestanden hat, Claire. Man sieht es an so vielen Dingen und nicht zuletzt daran wie sehr er gerade unter eurem Zerwürfnis leidet. Liebe und Lust sind zwei Dinge, die zwar zusammen kommen, aber auch einzeln auftreten, besonders letzteres. Oft genug hat sie rein gar nichts mit Liebe zu tun." Und wer wüsste das besser als sie? Wie viele Männer hatte sie schon erlebt, die einfach nur ihre Lust hatten stillen wollen ... nicht wenige von ihnen waren anschließend still und leise und ein wenig verschämt verschwunden, da ihr Eheweib zu Hause wartete ...
Josephine nickte langsam. "Ich glaube nicht, dass sie bei einem Fremden etwas in der Art gefunden hätte. Und du hast Recht, sie hat Edwards betrogen, aber die Medaille hat zweifelsohne zwei Seiten. Er hat sich während seiner Ehe mit Helene fast pausenlos mit anderen Frauen vergnügt und mehr als einen Bastard gezeugt."
Bei Claires nächsten Wochen biss Josephine sich auf die Unterlippe und legte Claire einen Arm um die Schultern, um sie an sich zu ziehen. "Unsinn!" Wisperte sie eindringlich. "Er liebt dich, ganz gleich ob mit Kind oder nicht. Und er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um dich zu kriegen, er würde das um keinen Preis aufgeben und zu Helene zurück kehren. Glaub so etwas nur ja nicht."

Claire hob die Schultern. "Er hat es versucht zu verheimlichen anstatt mir die Wahrheit zu sagen. Das trägt nicht gerade dazu bei mich milde zu stimmen, weißt du. Liebe und Lust...ja, ich weiß. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, Josephine, da sieht man viele Dinge. Aber ich...ich schätze, ich war einfach naiv genug zu glauben, dass ich ihm genüge. Für alles. Ich will ihn nicht teilen, in keiner Hinsicht."
Sie nickte. "Die Beiden waren also ganz und gar nicht glücklich miteinander und trotzdem so etwas? Verzeih, aberich werde das nie begreifen."
Sie vergrub das Gesicht an Josephines Schulter. Sie vermisste ihre Mutter und war daher dankbar, wenigstens diese ältere Freundin an ihrer Seite zu haben.
"Aber warum tut er mir das dann an? Es tut so weh, Josephine....Und ich will ihn für mich haben. Helene soll sich fern halten."

Josephine lächelt matt. "Natürlich hat er das versucht. Wir reden hier über Edward. Er versucht immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, jedenfalls wenn er wieder einmal etwas angestellt hat. Es scheint ihm im Blut zu liegen Unruhe zu stiften, aber er kann nur schwer die Konsequenzen tragen, ganz besonders, wenn sie so folgenreich sind. Er wusste, dass du es schwer nehmen würdest und deshalb hat er es verschwiegen, um dir und ihm das Leben nicht schwer zu machen." erwiderte Josephine kopfschüttelnd.
Josephine sah Claire verständnisvoll an, doch das was ihr durch den Kopf ging, behielt sie in diesem Moment lieber für sich: dass Claire vermutlich irgendwann würde lernen müssen zu teilen, wenn sie an Edwards Seite glücklich sein wollte.
Josephine seufzte leise und strich Claire sanft über den Rücken, froh darüber, dass sich die junge Frau ihr öffnete in ihrem Kummer. "Niemand versteht Edward wirklich, Liebes. Vermutlich nicht einmal er selbst. Er ... lebt meistens nur in dem Moment, handelt so, wie es ihm seine Eingebung in dem Augenblick vorgibt ohne an Folgen zu denken. Das hat schon oft dafür gesorgt, dass er Menschen vor den Kopf stößt und unglücklich macht, aber auch dazu, dass er selbst unglaublich gelitten hat. Und trotzdem scheint er nicht daraus zu lernen. Man könnte denken, dass man sich vom Feuer fern hält an dem man sich einmal verbrannt hat. Nicht so Edward. Er sieht die nächste Flamme und springt geradewegs hinein." murmelte Josephine. "Aber eines kannst du dir sicher sein: er leidet unter eurem Streit. Robert hat ihn irgendwo eingesammelt und in unser Gemach gebracht, damit Edward heute Nacht keine Dummheiten macht und ... er ist wirklich verzweifelt."

Claire seufzte. "Du hast vermutlich Recht. Es sollte mich wirklich wundern, dass er solche Mühen auf sich genommen hat um unsere Ehe zu ermöglichen. Wo er doch sonst keine Schwierigkeiten haben will...Ich wünschte, er hätte mir gleich die Wahrheit gesagt. So komme ich mir noch naiver vor, weil ich nichts geahnt habe."
Sie biss sich leicht auf die Lippe. "Tja, ich habe mich geirrt. Ich dachte, ich verstehe ihn. Ich kenne ihn scheinbar einfach nicht richtig. Wie kann man so...wenig voraus denken? Nur für den Moment leben..." Sie sah ihre ältere Freundin an.
"Tut er das? Gut, dann wenigstens nicht nur ich...Aber das Schlimme ist, dass er leidet, weil ich böse bin und nicht, weil er mich betrogen hat. Ich weiß nicht...Es wird eine Weile dauern, bis ich damit zurecht komme."

Josephine zuckte leicht mit den Schultern. "Vor dem Hintergrund zeigt das nur noch mehr, wie sehr er dich haben wollte, wie verliebt er in dich war ... und das ist er immer noch. Auch wenn er ein Narr ist und schwach geworden ist."
Sie seufzte leise angesichts von Claires Frage. "Tja, darüber wundere ich mich auch immer wieder, wenn ich mit Edward zu tun habe. Zumal es ja auch nicht so wirklich funktioniert, nicht wahr? Er stolpert irgendwie von einem Unglück zum nächsten. Ich dachte wirklich, er wäre nun langsam erwachsen geworden nachdem er dich geheiratet hat, denn er hat sich dank dir wirklich sehr verändert. Aber scheinbar noch nicht genug, um all die alten Muster zu überwinden."
Unweigerlich musste Josephine lächeln und nickte. "Oh ja, das tut er, sei versichert. Und das hat er wirklich verdient angesichts dessen was er getan hat." erklärte sie entschieden, seufzte dann aber. "Ja und nein. Du hast ganz Recht, ich glaube auch nicht, dass er bereut, was er getan hat, aber ... er bereut, dass er dich verletzt hat. Sicher geht ihm die Sache nahe, weil du wütend bist, aber es steckt mehr dahinter, denke ich. Sonst wäre er auch nicht zu James zur Beichte gegangen, sondern hätte es gänzlich geheim gehalten. Ein schwacher Trost, ich weiß, aber vielleicht wenigstens etwas."

"Ich weiß nicht....wir werden sehen. Vielleicht wird er es irgendwann lernen, ein bisschen mehr nachzudenken, bevor er handelt. Aber er sagte mir auch, dass wir es nicht recht verstehen können, weil Helene und er dasselbe durchgemacht haben. Ich hoffe wirklich, dass er nicht auf die Idee kommt, dass er zu ihr zurück will. Ich glaube, er wird einfach niemals erwachsen."
Claire schüttelte leicht den Kopf.
"Ich weiß nicht, warum er das getan hat. Zur Beichte gehen...das tut er nie sonderlich gern. Es muss ihn wirklich beschäftigt haben. Und ich habe es einfach nicht bemerkt.."
Sie grub die Hände in ihre Bettdecke.
"Danke, dass du hier warst. Aber....ich denke, ich wäre jetzt gern ein bisschen allein. Ich muss nachdenken... Es wird Zeit brauchen, bis ich ihm vergeben kann. Soll er sich in Geduld üben...Vielleicht sollte ich meine Eltern einmal wieder besuchen."

"Beten wir zu Gott, dass er es lernt. Das würde uns allen das Leben leichter machen." bemerkte Josephine seufzend, schüttelte dann aber den Kopf. "Das kann ich mir nicht vorstellen. Mag sein, dass sie beide diesen furchtbaren Verlust durch litten haben und einander nun besser verstehen konnten, aber das allein reicht bei weitem nicht aus für eine gemeinsame Zukunft. So närrisch ist nicht einmal Edward, dass er sein Glück mit dir aufgibt für eine ungewisse Zukunft mit Helene." Und worauf sollte das auch schon bauen? Darauf, dass beide jemandem hinterher trauerten und deshalb zusammen lebten? Nein, darauf konnte kein gesundes Verhältnis aufbauen, davon war Josephine überzeugt.
Sie sah Claire einen langen Moment an, dann nickte sie. "Also gut. Aber wenn irgendetwas ist, du weißt, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, nicht wahr? Du musst mit dieser Sache nicht ganz allein klar kommen." erklärte sie und strich Claire noch einmal sanft über die Schulter, ehe sie sich erhob. "Ja, vielleicht ist das keine schlechte Idee. Eine Reise nach Truro ist immer gut und stets dafür geeignet die Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Aber denk auch daran, dass Edward womöglich bald mit dem König in den Krieg zieht. Denk gut darüber nach, wie ihr beiden auseinander gehen wollt." riet Josephine noch, ehe sie sich mit einem letzten kleinen Lächeln verabschiedete.

Charles war beinahe krank vor Sorge und Erschöpfung. Seit Tagen wachte er an Marys Bett, weil sie immer noch fieberte. Auch der Zustand seines Sohnes hatte sich nicht gebessert, er wollte bei der Amme einfach nicht recht trinken und wurde immer schwächer.
Er saß immer noch bei Mary, hielt ihre Hand und wechselte regelmäßig das kühle Tuch auf ihrer Stirn. "Ach, Mary...mach mir keinen Kummer."
Charles wusste nicht, wie er es ertragen sollte, wenn er seine Frau verlieren sollte. Er hatte sie doch erst gefunden und er wollte den Rest seines Lebens mit ihr verbringen.
"Die Kinder brauchen dich...Und das noch lange. Besonders auch unser kleiner William. Also kämpf weiter, Liebste..."
Er wusste nicht, was er noch tun sollte.

Die meiste Zeit hatte Mary nicht die Möglichkeit einen klaren Gedanken zu fassen und zu halten, alles verlief förmlich ineinander und es waren meist wirre Fieberträume, die in ihrem Kopf vorherrschten. Doch wenn sie diese einmal durchdringen konnte, beschlich sie in letzter Zeit immer wieder der Gedanke, dass sie im Sterben zu liegen schien. Es war ein merkwürdiger Gedanke und sie wollte nicht gehen, aber zu ihrer eigenen Verwunderung verspürte sie keine Angst, wenn sie ihn dachte und das kam ihr höchst verdächtig vor.
Vage drang eine tiefe, vertraute Stimme durch den Nebel ihrer Gedanken und Mary spürte eine wohlige Wärme in ihrem Herzen. Sie zwang sich, sich auf diese Stimme zu konzentrieren und öffnete schließlich blinzelnd die Augen. "Charles ..." wisperte sie und lächelte matt.
Es tat so gut ihn zu sehen und der Wunsch noch länger in dieser Welt zu bleiben wurde so übermächtig, dass ihre Kehle noch enger wurde. Doch dann stockte sie als seine Worte ganz zu ihr durchdrangen. "William?" fragte sie leise. "Was ... was ist mit ihm?"
Und mit einem Mal war sie da, die Angst. Nicht um sich selbst, aber um ihren Sohn. Charles hätte ihn nicht erwähnt, ihn nicht extra hervorgehoben, wenn alles in Ordnung wäre. Irgendetwas stimmte nicht. "Was ist mit William?"

Charles hob den Kopf, als Marys Stimme erklang. Es tat gut sie einmal wieder in wachem Zustand zu sehen, nicht versunken in Fieberträumen. Er strich ihr den schweißnassen Schopf aus der Stirn.. "Mary....wie fühlst du dich?"
Er biss sich auf die Unterlippe. Warum hatte er seinen Mund nicht halten können? Er wollte ihr doch nicht noch mehr Sorge bereiten.
"Sorge dich nicht. Wir bekommen das schon in den Griff. Er will...er will einfach nicht richtig trinken bei der Amme und deshalb ist er ein bisschen schwach. Aber es wird schon werden.", versuchte er sie ein wenig zu beschwichtigen und trotzdem nicht anzulügen.
Er wollte Mary einfach nicht verlieren.

Mary lächelte matt als Charles ihr über die Stirn strich, dann verzog sie leicht das Gesicht. "Müde." erwiderte sie gedämpft. Sie schlief und schlief, aber es war nichts erholsames an diesem Schlaf, da er immer mit Fieber einher ging. Und es fiel ihm immer schwerer dagegen anzukämpfen.
Mary sah ihrem Gemahl in die Augen während er antwortete und erkannte so die eigentliche Wahrheit hinter seinen Worten. Ihre Brust zog sich schmerzlich zusammen und ihr drang nach ihrem Sohn zu verlangen wurde beinahe übermächtig. Aber wenn ihr kleiner William ohnehin schon schwach war, war es viel zu gefährlich, wenn er in ihre Nähe kam, er könnte sich im Nu anstecken.
Mary kniff einen Moment die Augen zusammen, dann sah sie Charles wieder an. "Schick einen Boten nach Truro. Einen schnellen." forderte sie dann mit dünner, aber dennoch energischer Stimme.

"Ich weiß...Hast du Durst? Willst du etwas trinken?", fragte er sanft. Charles fiel es so schwer zu sehen, wie sie vor seinen Augen verging, was auch immer sie versuchten.
Plötzlich wurde Mary energischer und mobilisierte einige Kräfte.
"Was immer du willst...Ich werde Will schicken. Aber....wen willst du herholen? Martin hat bei John gelernt, er wird seine Methoden anwenden..."
Charles war besorgt, aber natürlich würde er seiner Frau keinen Wunsch abschlagen. Besonders dann nicht, wenn es möglicherweise helfen konnte.
"Alles wird gut, Mary...." Er musste stark sein für seine Frau und ihr Kraft geben. Das war schwierig, war aber notwendig.

Mary nickte leicht, auch wenn sie glaubte, dass Trinken nicht viel half. Sie fuhr sich mit zittrigen Fingern über das Gesicht und schloss kurz die Augen, ehe sie Charles wieder entschlossen ansah. "Alle, wenn es sein muss." erwiderte sie ernst. "Ich weiß, dass Martin das hat, aber ... aber er ist nicht John. Und seit Martin hier ist, haben sie in Truro doch auch noch diesen Juden, Levi ... wer weiß, was er noch alles an neuen Ideen mitgebracht hat." erklärte sie und bekam einen kleinen Hustenanfall nach so ungewohnt vielen Worten in letzter Zeit.
Erschöpft sank sie wieder zurück in die Kissen als der Husten vorbei war und griff wieder nach Charles' Hand. "Ich bete darum." murmelte sie leise. Vor allem um ihres Sohnes Willen. Er war doch noch so klein und schutzbedürftig.

Charles half ihr dabei ein paar Schlucke Wasser zu trinken. "Du hast Recht. Wir sollten es zumindest versuchen. Will wird sich heute noch auf den Weg machen. John soll entscheiden, wen er am besten schickt oder ob er selbst kommt. John ist auch nicht mehr jung, wir werden sehen. Er wird sicher Levi schicken."
Der Jude hatte auch Marys Vater vor dem Tod bewahrt. Es war ein Strohhalm, aber ein Funken Hoffnung. "So wie ich, meine Liebste... Jeden Tag."
Charles schüttelte den Kopf.
"Sprich nicht so viel...ruh noch ein bisschen. Alles wird gut werden."

Gabriel

Gabriel war ein wenig flau im Magen. Er freute sich durchaus darauf wieder zurück an den Hof seines Dienstherren zu kommen, denn er wusste, dass er dort noch jede Menge lernen konnte und Freunde hatte er dort ebenfalls gefunden. Aber es fiel ihm weitaus schwerer Truro zu verlassen als es das sonst schon immer tat, denn dieses Mal ließ er nicht nur seine Familie zurück, sondern auch Giulia.
Aber es ging nicht anders, er war schon länger hier geblieben als ursprünglich geplant und er musste zurück, ehe Guillaume nach Aquitanien ging.
Und heute war es nun soweit, seine Sachen standen schon gepackt abreise bereit, er musste nur noch eine Sache erledigen und das war, sich bei Giulia zu verabschieden. Womöglich würde sie mit seinen Großeltern zusammen in den Hof kommen, aber er wollte nicht vor aller Augen Abschied nehmen, er wollte vorher noch ein letztes Mal Zeit mit ihr alleine verbringen ehe er abreiste ...

:Giulia:

Giulia war nicht besonders glücklich darüber, dass Gabriel abreisen würde. In den letzten Wochen waren sie sich näher gekommen, als sie je gedacht hatte, weil sie ihn anfang nicht so sehr gemocht hatte. Doch er war wirklich freundlich, hatte eine ganz eigene, ruhige Art an sich, beinahe ein wenig verträumt. Er war anders als jeder Mann, den sie kennengelernt hatte. Es würde etwas fehlen, wenn er nun fort ging.
Gedankenverloren schlenderte Giulia durch die Gärten und fragte sich, ob sie ihm je wieder begegnen würde. Sie würde wohl nicht ewig hier bleiben in England.
Giulia seufzte tief. Sie würde es wohl nie erfahren. Ob er noch Abschied nehmen würde oder einfach die allgemeine Verabschiedung genügen lassen würde?

Gabriel

Da er Giulia nicht in ihrer Kammer angetroffen hatte, versuchte Gabriel den nächstliegenden Ort: die Gärten. Diese übten einfach zu jeder Jahreszeit einen ganz besondere Faszination aus und er wusste, dass Giulia gerne dort unterwegs war, wenn sie freie Zeit hatte.
Und Gabriel sollte Recht behalten mit seiner Vermutung, denn er war noch nicht allzu weit vorgedrungen als er um einen der großen Rosenbüsche bog und Giulia nur wenig von ihm entfernt gedankenverloren zwischen Büschen und Bäumen entlang schlendern sah.
"Giulia!" Obwohl der Abschied bevorstand, zauberte ihr Anblick unweigerlich ein Lächeln auf seine Lippen und er trat langsam näher. "Gut, dass ich Euch doch noch gefunden habe, Signorina." bemerkte er und verneigte sich galant vor ihr.

Giulia

Giulia wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand ihren Namen rief. Sie erkannte die Stimme sofort, es war Gabriel. Und offensichtlich hatte er die selben Gedanken gehegt wie sie.
"Gabriel. Ihr habt mich gesucht?" Sie lächelte leicht und trat ihm entgegen. "Eure Abreise steht an, nicht? Das ist wirklich schade...Ihr werdet mir fehlen."
Und wer hätte das je gedacht...
"Es wäre falsch gewesen, wenn wir uns im Hof zuletzt gesehen hätten, wo alle dabei sind." Sie senkte den Blick einen Moment.
"Was denkt Ihr, wie lange werdet Ihr fort sein? Sehen wir uns wieder?" Sie hatte keine Ahnung, ob das der Fall sein würde. Aquitanien war weit.