William und Joanna - ab 1182 bis 1183

Alan schluckte. James machte ihm Vorwurf um Vorwurf. War es so falsch gewesen sich von Cedric ein paar Dinge zeigen zu lassen?
"So wie ich jeden Tag für dich gebetet habe. Meine Gebete haben ja auch offenbar gefruchtet, so wie du aussiehst." Offenbar war er sehr erfolgreich gewesen. Und was hatte er vorzuweisen? Gar nichts...ein paar Bilder.
"Ja, ich habe gesagt, du sollst gehen, weil ich wusste, dass du es tun willst und dass du es bereuen würdest, wenn du es nicht tust. Du kannst mir nicht sagen, dass du nicht vorher schon entschieden hattest, dass du gehen willst. Du wolltest nur meinen Segen. Es ist ja auch in Ordnung. Du hast so gelebt, wie du es wolltest und ich so, wie ich es für richtig gehalten habe. Was blieb mir denn auch übrig? Ich war mir keineswegs sicher, wie lange ich noch auf dich warten muss und ob du überhaupt zurückkommst. Du klangst so glücklich. Du selbst hast gesagt, dass ich nicht für den selben Weg geschaffen bin wie du. Dass meine Talente woanders liegen. Und du hast Recht. Es wäre nie gut gegangen, wenn ich versucht hätte dir nachzueifern. Ich bin einfach nicht so gut wie du. Kein Überflieger." Er hatte sich immer ein bisschen minderwertig James gegenüber gefühlt, weil er nicht mithalten konnte. Er war Cedric dankbar, dass er ihm gezeigt hatte, dass er das auch nicht musste.
Unbehaglich senkte er den Blick und fuhr sich über die Oberarme.
"Der Erste, der mir wirklich so viel bedeutet, wärst du ja auch. Natürlich war da noch nichts zwischen uns. Aber auch du hast Erfahrungen gesammelt ohne Verpflichtungen. Ich hätte bei dir immer Angst gehabt etwas falsch zu machen oder mich zu blamieren. Ich musste die Angst vor der Sache an sich erst hinter mir lassen, kannst du das nicht verstehen? Vielleicht kannst du das wirklich nicht....Aber weißt du, ich bin kein Heiliger wie du. Und auch wenn ich dich liebe, es fühlte sich richtig an es auszuprobieren. Ich habe mich verändert."
Er fühlte sich mit einem Mal furchtbar schäbig und ärgerte sich gleichzeitig, dass James es schaffte ihm ein solch schlechtes Gewissen zu bereiten. Dabei war James derjenige gewesen, der ihn allein zurück gelassen hatte und nicht ein einziges Mal gefragt hatte, wie er sich mit dieser Entscheidung fühlte.
"Betrogen ist ein hartes Wort. Du zeigst mir erst, wie gut sich solche Dinge anfühlen und dann verurteilst du mich dazu ein Jahr ganz zu verzichten? Das ist auch nicht fair." Er zögerte. "Ich habe nie geglaubt, dass diese...Bedürfnisse auch in mir schlummern. Es war völlig unvorstellbar für mich. Aber einmal geweckt war es schwieriger als gedacht sie im Zaum zu halten. Es hat mich völlig überrumpelt. Es tut mir leid, dass ich dich damit verletzt habe, denn das wollte ich nicht. Aber ich denke, ich musste einfach ein paar Erfahrungen sammeln um erwachsen zu werden. In dem Punkt warst du mir um einiges voraus."
Seine Lippen wurden schmal und er musste einen Augenblick mit der Fassung ringen. Er hatte sich so lange darauf gefreut, dass James endlich kam und er ihn wieder sah. Und jetzt...jetzt zweifelte dieser daran, dass es seinen Sinn hatte. "Ich denke nicht, dass du das hast. Du bedeutest mir noch genauso viel wie früher. Doch ein Jahr ist eine lange Zeit. Sie geht an niemandem ohne Veränderung vorbei. Auch du bist verändert. Viel ernster und unerbittlicher als früher. Wir müssen lernen wieder miteinander umzugehen. Und du musst dir klar werden, ob du mir verzeihen willst. Und ob unsere Beziehung für dich eine Zukunft hat, wenn du sie so in Frage stellst." All das machte ihn so traurig....

"So wie ich aussehe? Was soll das denn heißen?" fragte James mit einer Mischung aus Verwirrung und Gereiztheit. "Offenbar ist es ja nicht in Ordnung!" widersprach er heftig. "Wenn dem wirklich so wäre, würdest du mir jetzt nicht vorwerfen, dass ich nach Bologna gegangen bin. Aber wieso hast du nichts gesagt, Alan? Weder als wir darüber gesprochen haben, noch in deinen Briefen. Warum nicht?" fragte James mit rauer Stimme.
Er ärgerte sich darüber, dass er die Fassung nicht wirklich wahren konnte, aber all das hier ging ihm einfach viel zu nahe. Er hatte sich so darauf gefreut Alan wieder zu sehen und nun musste er feststellen, dass dieser sich in der Zwischenzeit mit einem anderen vergnügt hatte. Was unweigerlich die Frage aufwarf, wie es denn weiter gehen sollte?
James' Augen weiteten sich. "Angst?" echote er. "Vertraust du mir wirklich so wenig, dass du glaubtest, dich blamieren zu können? Nie im Leben hätte ich mich über dich lustig gemacht! Nein, ich verstehe es nicht. Ich im Gegenzug hatte nämlich gedacht, dass es eine Erfahrung ist, die wir zusammen begehen, dass du mir dafür genug vertrauen würdest." Und ein wenig hatte ihm der Gedanke gefallen, dass er für Alan der erste sein würde, aber das war ja nun hinfällig. "Heiliger!" James schnaubte leise. "Mit Nichten."
James ließ endlich das Kreuz um seinen Hals los und verschränkte stattdessen die Arme vor der Brust. "Ein Jahr ist eine lange Zeit ... ja, offensichtlich. Ich hätte nie erwartet, dass ausgerechnet du dich so verändern würdest. Du hast mir seiner Zeit so vehement ausgeredet mich weiter mit Francesco zu treffen und mich hast du nur in winzigen Schritten an dich heran gelassen, offenbar habe ich deine Standhaftigkeit auf Grund dessen wohl etwas überschätzt." James schloss einen Moment die Augen und seufzte dann leise. "Ich weiß es nicht, sag du mir, ob sie noch eine Zukunft hat? Ich will dich nicht zu etwas verdammen, das dir zuwider ist, aber ich weiß nicht, ob ich den Gedanken ertragen kann, dass du andere Männer - oder meinetwegen auch nur einen anderen - in deinem Bett hast, während ich in Bologna bin und darauf warte, dass wir wieder zusammen sein können. Ich glaube nicht, dass ich dich teilen kann, Alan. So großzügig bin ich dann wohl letztlich doch nicht."

Alan hob die Schultern. "Das soll heißen, dass ich sehr wohl deine neuen Gewänder bemerkt habe und das Kreuz um deinen Hals. Das bedeutet, es kann dir nicht schlecht ergangen sein." Und er war sicher, dass es ein Kreuz war, das an der Schnur um James' Hals hing.
"Ich werfe es dir nicht vor, ich stelle fest. Was hätte es geändert es dir zu sagen? Ich wollte dir nicht im Wege stehen und das hätte ich. Ich weiß genau, wie wichtig Bologna für dich war und ist. Du wärst nur unglücklich gewesen, wenn du diese Chance nicht ergriffen hast.", erklärte er ruhig und fand es mehr als merkwürdig, dass er so ruhig bleiben konnte, beinahe nüchtern. Auch, wenn ihm das hier genauso nahe ging.
"Ich vertraue dir, aber du hast viel mehr Erfahrung als ich. Ich wollte nichts falsch machen. Eine Erfahrung wäre es immer noch, denn im Gegensatz zu dir liebe ich Cedric nicht. Das habe ich nie. Jeder verändert sich in solch langer Zeit. Ich habe dir ausgeredet dich mit Francesco zu treffen, weil ich es für das Beste hielt. Damals. Außerdem wäre es gefährlich geworden, wenn du aufgeflogen wärst. Was glaubst du, wie es ist, wenn man plötzlich anders handeln soll, als man seit Jahren eingebläut bekommt? Und du wunderst dich, warum ich dich nur ganz langsam an mich heran lassen konnte? Du warst über Jahre mein bester Freund. Und plötzlich sollte es mehr sein."
Alan schüttelte bedauernd den Kopf. "Für mich hätte sie es. Warum sollte es mir zuwider sein? Ich habe dich vermisst, du Dummkopf. Weil du mir viel bedeutest. Wer sagt, dass du mich teilen musst? Weil ich es einmal getan habe, heißt das nicht, dass ich es wieder tun muss. Die Frage ist nur...wie lange wirst du mich warten lassen? Wie lange willst du in Bologna bleiben? Ich warte hier auch auf dich, so lange schon. Die Rede war von einem Jahr... Wie also geht es nun weiter?"

James hob ein wenig unbehaglich die Schultern. "Die römische Kurie bezahlt meinen Aufenthalt in Bologna, da wäre es wohl wenig angemessen, würde ich in Lumpen herum laufen." erwiderte er, zögerte kurz und holte das Kreuz dann unter der Kutte hervor. "Und das war ein Geschenk vom Kardinal. Anlässlich ... anlässlich meiner Weihe zum Diakon." erklärte James mit belegter Stimme. Er hatte sich die ganze Zeit über darauf gefreut Alan davon zu erzählen und nun war es zu einer Nebensächlichkeit geworden.
"Es hätte alles geändert, Alan!" erwiderte James heftig. "Ich ... ich wäre nicht gegangen, wenn du offen mit mir darüber gesprochen hättest. Ich wäre für dich geblieben." James' Blick flackerte. "Ich wundere mich nicht darüber, dass du Zeit brauchtest, ich wundere mich nur, dass deine angeblichen Gefühle mir gegenüber unwichtig genug waren, damit du dich mit einem anderen Mann vergnügen konntest. Vielleicht sind wir in dem Punkt auch zu unterschiedlich, aber ich könnte das nicht. Und wenn ich 10 Jahre auf dich warten müsste."
James schüttelte traurig den Kopf. "Das heißt es nicht, aber ich werde mich immer fragen, ob die Zeit dir schon wieder zu lang geworden ist, sobald wir einmal voneinander getrennt sind. Ich habe dir vertraut, Alan. Aber vielleicht hätte ich auch nicht erwarten dürfen, dass du auf mich wartest, du hast wohl ganz Recht damit. Ich bin selber Schuld."
Einen Moment lang zögerte James, dann seufzte er. "Ich hatte dir das eigentlich unter schöneren Umständen erzählen wollen." erwiderte er trocken. "Rizzoli hat dafür gesorgt, dass ich mein Studium in Bologna in vollem Umfang zu Ende bringen könnte. Ich habe die Möglichkeit, noch zwei Jahre dort zu bleiben." James fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. "Und eigentlich hatte ich dich fragen wollen, ob du nicht mit mir kommen willst."

"Nein, das wäre es wohl nicht.", seufzte Alan leise. Und im Vergleich dazu kam er sich in seinen einfachen Kleidern fast schäbig vor. James war immer der Überflieger gewesen und er selbst hatte zusehen müssen. Überrascht hob er die Augenbrauen. "Oh, du bist Diakon geworden? Ich gratuliere dir. Du hast es weit gebracht. Kein Wunder, dass der Kardinal so stolz auf dich ist. Eines Tages wirst du sein Nachfolger werden." James erreichte etwas im Leben und er...er dümpelte immer noch ziellos hier herum und malte.
"Dann wärst du hier geblieben und hättest es mir irgendwann vorgeworfen. Du hättest deine Karriere einfach fortgeworfen. Das hätte ich mir nie verziehen." Er blickte kurz zur Decke und atmete durch. "Sie waren nie unwichtig. Aber du warst so lange fort und Cedric hat es so darauf angelegt. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung. Vielleicht war es wirklich ein Fehler, aber in dem Moment hat es sich nicht so falsch angefühlt.Aber dass du mir unterstellst, ich würde dir nur Gefühle vorspielen..." Das verletzte ihn doch sehr.
"Das st es doch...ich hatte keine Ahnung, wann du dich her bemühst. Wie lange ich warten musste. Und jetzt willst du mir wegen diesem dämlichen Bild und ein bisschen Schwäche nicht mehr vertrauen. Ich war noch nie so stark wie du, James. Und ich werde es auch nie sein. Aber ich habe trotzdem auf dich gewartet, denn ich liebe dich, ob du es glaubst oder nicht."
James' Offenbarung überraschte ihn dann völlig. "Du willst noch zwei Jahre dort bleiben? Du....du willst, dass ich mitkomme? Aber...wie? Was soll ich in Bologna, James? Ich meine, ich wäre sicher gern in deiner Nähe. Aber soll ich dort nur herumsitzen? Von was soll ich dort leben? Ich habe mich mit meinem Vater zerstritten, er wird mir nie wieder helfen. Alles was ich kann, ist malen."

James nickte. "Das bin ich. Meine Weihe fand statt, bevor ich von Bologna aus hier her gekommen bin." erwiderte er und hob dann unsicher die Schultern. "Naja, warten wir es ab. Erst einmal muss ich zunächst Priester werden und dann ... mal sehen. Ich würde gerne wieder nach England kommen, aber vielleicht lässt sich das eine ja mit dem anderen verbinden."
James schüttelte langsam den Kopf. "Ich hätte es dir nicht vorgeworfen." widersprach er und zog dann eine Augenbraue in die Höhe. "Herbemühen ..." wiederholte er. "Das klingt ja so, als hätte ich nicht kommen wollen." Dann schnalzte er mit der Zunge und schüttelte den Kopf. "Unsinn. Du verkennst dich wieder einmal selbst. Du bist stark, Alan. Wenn ich an unsere Vergangenheit denke, bist du eigentlich sogar der stärkere von uns beiden. Ohne dich hätte ich eine ganze Menge nicht durchgestanden."
James atmete geräuschvoll aus. "Ja, noch zwei Jahre." bestätigte er und breitete die Arme aus. "Was sollst du hier?" stellte er die Gegenfrage. "Oh Alan, stell dein Licht nicht unter den Scheffel! Du kannst nicht einfach nur malen, das was du machst, ist fantastisch. Du könntest damit gutes Geld verdienen! Und darüber hinaus bekomme ich genug, um uns beide in Bologna irgendwie über die Runden zu bringen. Im Notfall spreche ich mit meinen Eltern darüber, sie werden sicher auch noch etwas dazu geben können."

Alan lächelte leicht. "Ich sagte doch, du wirst es weit bringen. Du bist noch jung, in ein paar Jahren wirst du Rizzolis rechte Hand sein und dann ist es nicht mehr weit bis zum Kardinal. Es wäre in der Tat schön, wenn du nach England zurückkehren würdest."
Er hob die Schultern. "Naja, ich weiß, wie wichtig Bologna für dich ist. Ich wusste nicht, wann und ob du kommen möchtest."
Er seufzte. "Wenn ich so stark wäre, hätte ich wohl stand gehalten, oder was meinst du? Dann hätte ich Cedric nicht nachgegeben. Ich weiß nicht....hier ist Lorenzo, der mir ein bisschen mehr beibringen kann. Ich weiß nicht, ob mich wirklich jemand einstellt. Ob mir jemand Geld bezahlt dafür. Und ich...ich will dir nicht auf der Tasche liegen und auf dich angewiesen sein. Das ist mir so unangenehm...ich bin doch eigentlich alt genug als dass ich mich selbst versorgen können sollte.", erwiderte er etwas geknickt.

James schnitt eine kleine Grimasse. "Na, wir werden sehen." erwiderte er. Allerdings war es durchaus verlockend was er sich für die Zukunft so ausmalen konnte. Am liebsten würde er ein Bischofsamt in England antreten und dann zum Kardinal ernannt werden. So würde er in seiner Heimat sein können, aber die Beziehungen nach Italien würden nie abreißen.
James machte eine unwirsche Geste. "Unfug, du liegst mir damit nicht auf der Tasche, warum soll ich nicht teilen, was ich ohnehin habe? Und ich bin sicher, dass es nicht lange nötig sein wird, wenn du erst einmal Fuß gefasst hättest." Er fuhr sich langsam über das Gesicht und schüttelte dann langsam den Kopf. "Nun, ich denke, wir beide haben einiges, worüber wir nachdenken müssen. Und ich sollte Mutter und Cathie begrüßen gehen ..."

"Ja, wir werden sehen." Aber Alan war sich mehr als sicher, dass es so kommen würde. James würde es mit seinem scharfen Verstand weit bringen, ganz sicher.
"Aber dann sorgst du für alles und ich komme mir so nutzlos vor. Ich weiß selber, dass mein Talent nicht für die große Karriere geeignet ist. Aber als Straßenkünstler bin ich wohl eher weniger geschaffen. Ich weiß nicht, wie ich Fuß fassen soll. Oder wird gerade eine Kirche dort gebaut?" Er hatte wirklich schwierige Aussichten, auch wenn er James gerne begleiten würde.
Alan biss sich auf die Unterlippe. "Ja....denk darüber nach, ob du mir verzeihst und dann sehen wir weiter."

William atmete tief durch. Als sie am Abend ihr Lager aufgeschlagen hatten, waren sie noch eine halbe Tagesreise von Truro entfernt gewesen und am frühen Morgen hatte er einen Boten los geschickt bevor sie die Zelte abgebaut hatten, damit man von ihrem Kommen unterrichtet war.
So schön und erlebnisreich die Reise auch gewesen war, er konnte es kaum abwarten wieder zu Hause zu sein. Joanna in die Arme zu schließen. Seine Kinder zu sehen ...
Ein freudiges Kribbeln erfasste ihn als er seinen Schimmel den Hügel hinauf lenkte, denn er wusste genau, dass sie von hier aus Truro das erste Mal würden sehen können.
Auf der Kuppel hielt er sein Pferd einen Moment an und sah John mit einem Grinsen an. "Ich weiß, dass es sich eher weniger schickt, aber ich für meinen Teil werde jetzt nicht ruhigen Schrittes auf unser zu Hause zureiten können ..." bemerkte er amüsiert und trieb sein Pferd im nächsten Moment an. Er konnte es kaum erwarten wieder zu Hause zu sein und der kleine Tross, der ihnen folgte, würde ja nachkommen können.
Es tat gut wieder in England zu sein, selbst das verfluchte Regenwetter konnte seiner Laune keinen Abbruch tun und er ließ den Hengst im zügigen Galopp zwischen den Wiesen entlang eilen. Etwas mehr als ein Jahr waren sie fort gewesen, einerseits kam es ihm vor wie eine Ewigkeit, andererseits war ihm hier alles so vertraut als wäre er erst gestern hier entlang geritten.

John hatte in dieser Nacht kaum ein Auge zu getan, so aufgeregt war er über die bevorstehende Ankunft in Truro. Er hatte ein Jahr seine Familie nicht gesehen und inzwischen hatte er Constance wohl verziehen. Er vermisste sie so sehr, dass er einfach nur noch bei ihr sein wollte. Er hatte in Jerusalem seinen Frieden mit all dem gemacht und den Groll zurück gelassen. Nun freute er sich auf seine Kinder und auf seine Frau. Und doch blieb die Ungewissheit, denn er wusste nicht, was ihn erwarten würde.
John lenkte seinen Schimmel neben William, betrachtete andächtig Truro und erwiderte dessen Grinsen. Wie gut er dessen Reaktion doch nachvollziehen konnte. "Ich glaube, ich kann das auch nicht..."
Und so trieb er sein Pferd ebenfalls an, ließ den Rest ihres kleinen Trupps hinter sich. Gleich...gleich würden sie in den Hof reiten und er würde Constance in die Arme schließen können. Endlich wieder, nach einem Jahr.

William lachte und drehte sich halb im Sattel herum. "Es hätte mich auch gewundert, wenn du etwas anderes geantwortet hättest." bemerkte er amüsiert und sah dann wieder nach vorne - seinem geliebten Zuhause entgegen.
Es dauerte nicht allzu lange bis sie durch Truro hindurch kamen und William seinen Hengst zumindest zügeln musste, um nicht Gefahr zu laufen, irgendjemanden über den Haufen zu reiten. Da er nun wieder seine altbewährte Kleidung und sein Wappen trug, erkannten die Leute ihn sofort wieder und so mancher Ruf zur Begrüßung wurde laut. Er bemühte sich, wenigstens per Handzeichen zurück zu grüßen, hatte er doch eigentlich nur Augen für die Burg vor ihnen.
Und endlich war es soweit und sein Pferd trabte in den Innenhof, wo William förmlich aus dem Sattel sprang, kaum, dass der Hengst gehalten hatte. Er atmete tief durch, sog den wohlbekannten Duft ein, da eilte auch bereits ein Stallbursche herbei, um das Pferd zu übernehmen. "Willkommen zu Hause, Mylord." begrüßte dieser ihn mit einem Grinsen und William klopfte ihm lachend auf die Schulter und steckte ihm eine Münze zu. "Ich danke dir."
Dann glitt sein Blick über den Burghof und für einen Moment war er fast überwältigt von den Gefühlen, die in ihm tobten.

Als der Bote sie erreicht hatte, war Joanna voller Unruhe durch die ganze Burg gelaufen. Doch als sie nun Hufgetrappel im Hof hörte, hielt sie nichts mehr. Wie ein junges Mädchen lief sie die Treppen hinab, überquerte die Pflastersteine und warf sich ohne zu zögern ihrem Mann in die Arme. Oh wie sehr sie ihn doch vermisst hatte im letzten Jahr. Es war ihr oft schwer gefallen ihre Aufgaben zu erfüllen ohne ihn, aber sie wusste auch, wie viel diese Reise ihm bedeutet hatte.
Und nun zählte nur noch, dass sie ihn unversehrt wieder in den Armen halten konnte. Sie küsste ihn hemmungslos und lachte dann glücklich auf, unterdrückte gleichzeitig ein Schluchzen. "Du bist wieder da! Endlich..."
John hatte William inzwischen eingeholt und ebenfalls sein Pferd übergeben, doch nun stand er ein bisschen verloren hier. Constance war nicht hier um ihn zu begrüßen, was hatte das nur zu bedeuten? Hatte sie nicht bemerkt, dass sie angekommen waren? Maßlose Enttäuschung brach über ihn herein.

Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus als William Joanna durch die Tür kommen sah. Er eilte ihr entgegen und schlang die Arme um sie, zog sie fest an sich und wirbelte sie einmal lachend herum. "Endlich!" Es klang fast wie ein Seufzen und im nächsten Moment küsste Joanna ihn so innig, dass er gar nicht anders konnte als den Kuss gierig zu erwidern. Er strich ihr über den Rücken und vergrub das Gesicht an ihrem Hals als sich ihre Lippen voneinander lösten. "Oh, Herr im Himmel, wie sehr habe ich mich auf diesen Moment gefreut." murmelte er leise. "Du siehst wunderschön aus, mein Herz." wisperte er und legte eine Hand an Joannas Wange. Er musste schwer schlucken als er ihr in die Augen sah und blinzelte rasch, damit ja keine Träne in seine Augen trat.
Hufgetrappel und aufgeregte Stimmen hatten Cathie ans Fenster gelockt und als sie ihren Vater durch das Burgtor reiten sah, lief sie eilig zur Tür, um ihn begrüßen zu können. Schnell wie der Wind huschte sie nach draußen, lief zu ihm hinüber und warf sich ihm an den Hals. "Vater, endlich bist du wieder da!" Sie küsste ihn auf die Wange und ein paar Tränen liefen ihr vor Freude über die Wangen. Sie war so erleichtert, dass er gesund zurück gekommen war und dass er nun wieder für sie da sein würde.

Joanna war so unendlich glücklich ihren Mann wieder zu haben. Sie lachte auf, als er sie herum wirbelte und vergrub die Finger in seinen dunklen Locken. "Und ich mich erst....Du hast mir so gefehlt. Und wie du aussiehst. Fast wie ein Araber, so braun gebrannt bist du nun.", bemerkte sie amüsiert. "Ich will alles ganz genau wissen, aber nun solltest du dich erst einmal von der Reise ein bisschen erholen. Und die Kinder werden sich so freuen.", stellte sie fest und löste sich von ihm. Kurz nahm sie sich die Zeit auch John zu begrüßen, brachte es aber nicht über das Herz ihm die Wahrheit zu sagen. Nicht so, nicht jetzt.
John schluckte schwer und sein Blick glitt zu den Fenstern hinauf, als endlich doch jemand kam um ihn zu begrüßen. Wenigstens war er offenbar doch vermisst worden. Er zog seine Tochter mit einem glücklichen Lächeln an sich.
"Cathie! Oh, meine Große, wie schön dich wieder zu sehen! Du bist so eine wunderhübsche Frau geworden, es macht mich beinahe sprachlos. Ich habe dich vermisst." Er küsste sie zärtlich auf die Stirn und schloss einen Moment die Augen.
"Wo ist deine Mutter, mein Engel?"

William lachte schallend und hauchte noch einen letzten Kuss auf Joannas Lippen. "Da könntest du wohl Recht haben. Für einen Engländer wird mich wohl keiner mehr halten. Unterwegs dachten die Leute manchmal ich sei Spanier oder so etwas. Niemand wollte glauben, dass ich von unserer wunderschönen grünen Insel komme." bemerkte er amüsiert.
Dann beugte er sich vor, so dass seine Lippen ihr Ohr fast berührten. "Ich werde dir alles ganz genau erzählen, aber nachdem ich die Kinder begrüßt habe, müssen wir beide etwas ganz anderes nachholen. Es ist erstaunlich wie kalt ein Bett selbst in Jerusalem sein kann ohne dich ..."
Cathie lachte über das Kompliment ihres Vaters und wurde sogar ein klein wenig rot. "Ich habe dich auch schrecklich vermisst, Vater! Aber gut siehst du aus, das freut mich." erwiderte sie lächelnd. Doch bei seiner nächsten Frage wurde sie ernst und senkte kurz den Blick. Rasch wog sie ab, was sie sagen sollte und was nicht, dann sah sie ihren Vater wieder an. "Wenn du Mutter sehen willst, musst du wohl oder übel ins Kloster hinüber reiten. Dort ist sie nun schon seit fast vier Monaten." erklärte sie nüchtern.

"Es ist etwas ungewohnt, aber es gefällt mir. Doch wenigstens weiß ich, dass du ein Engländer bist. Mein Engländer. Es wurde wirklich Zeit, dass du endlich zurückkommst. Du fehlst an allen Ecken und Enden.", erklärte Joanna leise und begann dann zu grinsen.
"Oh ja, das müssen wir ganz dringend nachholen...Da gebe ich dir vollkommen recht. Mein Bett war ebenso schrecklich kalt.", flüsterte sie zurück.
John lächelte. "Danke, meine Süße. Ich bin froh, wieder hier zu sein, obwohl die Reise wirklich ein Erlebnis war. Ich habe viel gesehen und es hat mir gut getan." Er legte stirnrunzelnd die Hand an ihre Wange, als sie so ernst den Blick senkte. Furcht griff nach seinem Herzen. Ob Constance etwas zugestoßen war?
"Ins Kloster?", wiederholte er ungläubig. "Was tut sie im Kloster? Und das seit vier Monaten....warum lässt sie dich und deine Geschwister so lange alleine? Seid ihr zurecht gekommen?"
Er hatte nun wirklich nicht gewollt, dass Cathie solche Verantwortung tragen musste.

William nickte. "Dein Engländer. Das war ich, das bin ich und das werde ich immer sein." erwiderte er und küsste Joanna noch einmal liebevoll. "Und von heute an wirst du auch wieder eine Menge von mir haben. Komm, ich möchte die Kinder sehen. Hoffentlich erkenne ich sie überhaupt wieder." scherzte er amüsiert und bot Joanna den Arm da.
Cathie nickte langsam. "Keine Sorge, es war nicht immer ganz einfach, aber Joanna hat mir viel geholfen und Amélie ebenso, wir sind zurecht gekommen." erwiderte sie und seufzte dann. "Sie war der Meinung, sie bräuchte ein wenig Ruhe und Abstand. Sie hat Edmund mitgenommen, weil der ja ohnehin nur die Kirche im Kopf hat. Und ..." Sie zögerte kurz, gab sich dann aber einen Ruck, es half ja nichts, wenn sie es ihrem Vater verschwieg. "Und meinen kleinen Bruder. Constantin." erklärte sie erstaunlich nüchtern. "Kurz nach seiner Geburt hat sie ihre Sachen gepackt und ist hinüber zum Kloster geritten, um dort zu bleiben bis du wieder da bist."

Und während Joanna mit ihrem Mann im Haus verschwand, schaute John seine Tochter fassungslos an. Er würde Joanna und Amélie wirklich danken müssen für ihre Hilfe, aber Cathies Worte irritierten ihn gerade wirklich.
"Kleiner Bruder? Constantin?", wiederholte er ungläubig. "Aber wie ist das möglich? Ich...verstehe das nicht." Sie war schwanger gewesen? Und das hinterließ gleich einen faden Beigeschmack...."Wie alt ist der Kleine?" War es sein Kind? War es Arthurs Kind? So hatte er sich seine Rückkehr nun wirklich nicht vorgestellt. Er beneidete William darum, dass dieser nun mit Joanna hinein ging und einfach unbeschwert sein Zuhause genießen konnte.
"Dann....dann schätze ich, ich sollte nicht lange warten." Er musste einfach Klarheit haben.

Cathie zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ihr wart noch nicht so furchtbar lange weg als sie festgestellt hat, dass sie schwanger ist." erwiderte Cathie. "Er wird bald fünf Monate alt." Ihr lag noch so viel mehr auf der Zunge, aber sie schluckte das meiste davon herunter. "Den Rest kannst du dir selbst zurecht legen ... der Kleine sieht aus wie Mutter." erklärte sie trocken, vielleicht mit einer Spur Abneigung in der Stimme. Sie konnte noch immer nicht verstehen, wie ihre Mutter so etwas hatten tun können und das Gesicht ihres Vaters sprach Bände. Es schmerzte ihn so zu sehen und auch das ärgerte Cathie, dass ausgerechnet sie ihm diese Nachricht hatte überbringen müssen.
Sie nickte langsam. "Ja, besser ist es wohl. Die Kleinen werden noch ein wenig warten können bis du sie begrüßt, ich passe schon auf sie auf." versprach sie dann.

John seufzte schwer. "Es hätte mich auch gewundert, wenn es wirklich so reibungslos verlaufen sollte." Vielleicht war das Gottes Strafe dafür, dass er seine Frau hier zurückgelassen hatte. Aber was ihn beinahe noch mehr schmerzte, war die Verachtung, die aus Cathies Stimme sprach. Cathie, die ihm so nüchtern von den Begebenheiten berichtete.
Er zog sie noch einmal in seine Arme.
"Danke, meine Süße. Ich werde es wieder gut machen, versprochen. Ich bin bald zurück und dann kannst du deine Verantwortung wieder abgeben. Ich werde deine Mutter mitbringen, wenn ich es irgendwie vermag."
Er küsste sie auf die Wange, seufzte erneut und ließ sich dann ein Pferd bringen, damit er ins Kloster reiten konnte...

Constance hatte die Augen geschlossen und kniete vor dem Altar. Sie nutzte die innere Einkehr, um ihre Gedanken zu ordnen, doch auch wenn sie nun schon 4 Monate hier war, es wollte ihr einfach nie richtig gelingen.
Und sie wusste auch genau, dass sich daran nichts ändern würde, solange John nicht zurück war. Solange sie nicht wusste, wie es mit ihr und Constantin weiter ging.
Arthur hatte sich redlich um sie bemüht und ihr Briefe zukommen lassen, doch sie hatte dem Drang widerstanden ihm mitzuteilen wo sie war. Sie wusste, dass es niemanden voran gebracht hätte, wäre er hergekommen.
Und so betete sie nun auch heute einmal mehr darum, dass John endlich nach Hause kam, solange sie Zeit für sich hatte, weil Schwester Sarah sich bereit erklärt hatte auf Constantin Acht zu geben, solange Constance im Gebet war.

Eine der Schwestern hatte ihn in die Kapelle geschickt, dort würde er wohl seine Frau finden. Niemals hatte er sich unwohl gefühlt dabei ein Gotteshaus zu betreten, doch heute war ihm reichlich unbehaglich zumute. Er hatte keine Ahnung, was er vorfinden würde und wie Constance auf ihn reagierte.
Aber es half nichts, er musste Klarheit haben.
John ging leise den Mittelgang entlang, dennoch verursachten seine Stiefel leichte Geräusche auf dem Stein. Und da sah er sie knien.
Seine Gefühle drohten ihn einen Moment wirklich zu übermannen und er rang mit der Fassung. Trotzdem zwang John sich weiterzugehen, bis er kurz hinter ihr stand.
"Da bist du also, Constance..."

Constance hörte die leisen Schritte, doch da hier häufig sowohl Klosterbewohner als auch Besucher ein und ausgingen, wunderte sie sich nicht sonderlich darüber und schenkte dem Besucher keine weitere Beachtung.
Doch dann erklang seine Stimme hinter ihr und Constance riss die Augen aus. War das möglich? So eilig wie ihre, vom langen Knien etwas steifen Knie es zuließen, kam sie auf die Beine und da stand er tatsächlich.
"John!" Ihre Stimme war nur ein Hauchen und sie schlug die Hände vor den Mund. "Bei Gott, du bist wieder zurück." wisperte sie und im nächsten Moment liefen ihr die Tränen über die Wangen. Sie machte einen eiligen Schritt auf ihn zu, stockte dann jedoch, weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde. "Ich habe so gehofft, dass du gesund zurück kommst."

John lächelte leicht, als seine Frau sich zu ihm umdrehte. So sehr hatte er sie vermisst in den letzten Monaten, er konnte es kaum glauben sie endlich vor sich zu haben.
"Constance...." Er schloss sie dankbar in die Arme und genoss das Gefühl einen Moment lang. "Ja, ich bin wieder zurück. Vor ein paar Stunden bin ich angekommen und Cathie schickte mich hierher." Er zögerte einen kurzen Augenblick.
"Hier bin ich wieder, gesund und munter....", erklärte er kurz. "Es ist schön, dich wiederzusehen. Und jetzt sag mir....wie kommt es, dass du einen kleinen Sohn hast? Erzähl mir alles. Wie alt ist er, wie gut hört er, was kann er schon?"
Aber schließlich kam es doch nur auf eine Frage an. "Constance...wer ist der Vater? Ist es mein Kind?"