William und Joanna ~ 1175

Marguerite

Marguerite biss die Zähne zusammen. "Weil es mir egal ist, was mit mir passiert. Ich habe einfach keine Kraft mehr für irgendetwas. Ich habe nicht einmal Kraft mich aus dem Bett aufzuraffen. Ich will eigentlich niemanden sehen. Und du hat dich die letzten Tage auch ziemlich rar gemacht."
Sie schüttelte den Kopf. "Du weißt genau, dass ich das nicht tun werde. Und aufstehen möchte ich jetzt trotzdem nicht. Ich bin müde, Philippe."
Sie wollte einfach nur ihre Ruhe...

Philippe

Philippes Augen weiteten sich ein wenig, dann legte er die Stirn in Falten. "Ich habe mich rar gemacht?" wiederholte er ungläubig. "Du wolltest doch niemanden sehen! Und selbst wenn ich hier war, hast du mich die meiste Zeit ignoriert. Und jetzt scheinst du ja auch keinen Wert auf meine Anwesenheit zu legen. Schieb mir ja nicht noch mehr die Schuld in die Schuhe als du es ohnehin schon getan hast, Marguerite."
Philippe schloss die Augen und zählte gedanklich bis zehn. "Na gut." erwiderte er dann und sah sie wieder an. "Wenn du nicht selbst aufstehen willst ..." Kurzer Hand stand er auf, packte Marguerite und hob sie hoch. "Dann werde ich halt dafür sorgen." murmelte er und trat vom Bett zurück.

Marguerite

Marguerites Augen verengten sich ein wenig. "Ich dachte einfach, du wärst für mich da! Dass du mich einfach auch mal in den Arm nimmst. Aber stattdessen ziehst du dich zurück. Natürlich wollte ich keinen sehen. Mich soll ja auch niemand so zu Gesicht bekommen. Aber du...du hast mich schon am Boden gesehen...was macht es also für einen Unterschied?"
Sie seufzte. "Es hat nichts damit zu tun, dass ich deine Anwesenheit nicht will. Aber ich bin müde, ich will einfach nur schlafen. Ich habe keine Kraft."
Sie schrie leise auf, als er sie so einfach hochhob. "Und was soll das jetzt werden?"

Philippe

Philippe sah Marguerite einen Moment schweigend an und wog seine Worte ab. "Der Unterschied ist, dass ich selbst damit fertig werden muss. Im Gegensatz zu dir habe ich kein Recht darauf in Trauer zu versinken, auch wenn ich es liebend gerne tun würde. Mich darf niemand mehr als etwas betroffen sehen, weil es nicht mein Sohn war, der gestorben ist, sondern Henrys und trotzdem fühle ich mich als hätte man mir das Herz ganz langsam mit einem Löffel herausgeschnitten. Und obendrein muss ich auch noch damit zurecht kommen, dass ich auch an allem Schuld bin." erklärte Philippe mit belegter Stimme und trat mit Marguerite auf dem Arm zu dem Tisch hinüber auf dem das Essen auf sie wartete. "Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht einfach so im Bett lasse." erinnerte er sie und stellte sie neben dem Tisch wieder auf die Füße.

Marguerite

"Ich weiß. Es ist schwer für dich. Aber ich kann es nicht ändern. Doch du weißt, wie sehr ich mir seit Jahren ein Kind wünsche. Dann habe ich eines...und es darf nicht leben.", erwiderte sie mit Tränen in den Augen. "Trotzdem...du bist nicht daran Schuld."
Als Philippe sie auf die Füße stellte, wurde ihr erst einmal schwindelig und sie griff haltsuchend nach der Tischkante. Sie hatte einfach in den letzten Tagen zu wenig zu sich genommen und zu viel Zeit im Liegen verbracht.
"Vielleicht hättest du das aber besser."

Philippe

Philippe lachte trocken auf. "Doch. Doch, das bin ich. Das hast du mir selber klar gemacht." erwiderte er heiser und griff nach ihrem Ellenbogen als Marguerite ein wenig schwankte, um sie zu stützen. "Vielleicht. Aber wie ich schon sagte, ich werde das nicht zulassen. Ich habe eine Hälfte von mir verloren und werde die zweite nicht auch noch verlieren."
Aber es war so unendlich schwer. Und er wusste, dass es nicht leichter werden würde. Marguerite eine Stütze zu sein, während er selbst so unglaublich litt, würde schwer werden, aber er musste es irgendwie schaffen. Er hatte es schließlich versprochen und er wollte nicht noch ein Versprechen brechen...

Marguerite

"Nein, das bist du nicht. Ich habe unbedacht gesprochen, weil ich so überwältigt war von meiner Verzweiflung. Und es tut mir leid."
Marguerite setzte sich auf einen Stuhl und fuhr sich über die Augen. "Ich werde schon nicht sterben. Ich glaube, ich werde einfach nur noch etwas Zeit brauchen um wieder auf der Höhe zu sein. Williams Verlust steckt mir in den Knochen. Ich vermisse ihn so sehr...Aber ich weiß, dass du auch leidest und das tut mir weh. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll."

Philippe

Philippe schüttelte den Kopf. "Es braucht dir nicht Leid zu tun." erwiderte er. Immerhin hatte sie damit recht gehabt. Dann legte er den Kopf zur Seite und bedachte Marguerite mit einem langen Blick. "Mach dir um mich keine Sorgen. Ich werde die Zähne aufeinander beißen und irgendwie durchhalten. So wie ich es immer getan habe." bemerkte Philippe und lächelte schwach. "Das ist immerhin das einzige, was man gut lernt, wenn man als Bastard einer verarmten Frau zur Welt kommt, die überall als Hure verschrien ist." Philippe zuckte mit den Schultern.
Irgendwie würde das Leben weiter gehen. Das tat es immer.

Marguerite

Marguerite senkte den Kopf. "Das tut es aber....ich habe dich sehr verletzt. Und das will ich nicht." Es war für sie immer schockierend, wenn sie hörte, woher Philippe eigentlich kam, wie er aufgewachsen war....dennoch liebte sie ihn.
"Ja, vermutlich. Auch, wenn ich das nicht beurteilen kann." Das war nicht ihr Milieu, sie war als Prinzessin aufgewachsen und es war schon schwierig für sie sich vorzustellen, dass man so leben konnte.
"Ich will einfach nicht, dass du leiden musst. Egal, ob du es gewohnt bist oder nicht. Du solltest es nicht mehr müssen."

Philippe

"Wenn du nicht willst, dass ich leide, dann iss endlich etwas!" erwiderte Philippe. "Was glaubst du, wie es sich anfühlt dich so zu sehen?" Philippe legte eine Hand auf Marguerites Schulter. "Bitte, Marguerite, du musst wieder zu Kräften kommen. Niemandem ist geholfen, wenn du dich hier verkriechst und ... und unser kleiner William hätte das auch nicht gewollt." Die letzten Worte waren kaum mehr als ein heiseres Flüstern gewesen, so schwer war es für Philippe sie auszusprechen.

Marguerite

Marguerite seufzte schwer und nickte. "Meinetwegen. Aber ich werde nicht viel herunter bekommen, ich habe wirklich keinen Hunger. So schlimm kann ich doch gar nicht aussehen."
Sie griff nach einem Stück Brot und brach sich davon ein Stück ab. "Möchtest du nicht mit mir essen? Vielleicht macht es mir das etwas leichter..."
Marguerite nickte langsam und blinzelte einige Tränen fort. "Du hast ja Recht...aber es tut mir einfach so weh, dass ich ihn verloren habe..."
Sie hatte ihren Sohn so sehr geliebt.

Philippe

Philippe schüttelte den Kopf. "Ich-" begann er und brach dann ab. Langsam ließ er sich auf dem Stuhl neben Marguerite nieder und griff nach etwas Brot. Es war schließlich absurd zu sagen, dass er keinen Hunger hatte.
"Na bitte. Ich will ja gar nicht, dass du gleich einen ganzen Ochsen verdrückst, aber wenigstens ein bisschen musst du Essen. Du bist furchtbar blass." erwiderte Philippe dann kauend.

Marguerite

Marguerite hatte sich immerhin dazu aufgerafft sich ans Fenster zu setzen und ein wenig in den Hof hinaus zu schauen. Philippe war gegangen um ein paar Dinge zu erledigen, doch lange blieb sie nicht allein.
Henry hatte sich offenbar entschlossen sie zu besuchen.
Sie war davon nicht ganz so begeistert, aber sie konnte es ihm auch nicht verwehren. Es war einfach schwierig die Balance zwischen den beiden Männern zu finden.
Und Henry durfte um den kleinen William trauern, das machte es so schwierig.

Henry

Henry hatte es bisher nicht gewagt Marguerite zu besuchen. Er hatte selbst so sehr mit sich gerungen, dass er ihr nicht hatte unter die Augen treten können. Zwar hatte er sich ständig bei ihren Dienern und Zofen nach ihr erkundigt, doch dass er sie selbst besuchte war nun das erste Mal.
Er klopfte kurz an die Tür und trat dann ein. Marguerite saß am Fenster und fast wäre er erschrocken als er sie sah, hätte er so etwas nicht bereits geahnt. Vermutlich sah er selbst auch nicht unbedingt besser aus.
Zögernd stand Henry mitten im Raum und sah Marguerite schweigend an. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte, weil jedes Wort, das ihm einfiel höhnisch in seinen Ohren geklungen hätte. Er war sich nicht ganz sicher, wie lange er sie einfach nur angesehen hatte, doch irgendwann entschloss Henry sich schließlich zu ihr zu gehen. Henry blieb neben ihr stehen und griff nach kurzem Zögern nach ihrer Hand. Eigentlich hatte er etwas sagen wollen, aber als er Marguerite nun so nahe war, überwältigten ihn seine Gefühle regelrecht und er musste für einen Moment mit den Tränen kämpfen.
Drei Tage lang hatte er geglaubt einen Erben zu haben, drei Tage lang war all der Druck und die Last von seinen Schultern verschwunden gewesen, nur um jetzt doppelt so schwer zurück zu kehren, denn der Verlust war tausend Mal schlimmer als vorher schlichtweg keinen Sohn gehabt zu haben.

Marguerite

Marguerite sah auf, als Henry eintrat. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er noch kommen würde. Dass er noch Interesse an ihr hatte, nachdem sein Erbe tot war. Doch offenbar hatte sie sich geirrt.
Sie seufzte und sah ihn einfach nur an. Dann nahm er ihre Hand und Marguerite war erst recht erstaunt. Doch nach einem Moment drückte sie die Hand sanft.
Er litt auch, auch wenn er nicht der richtige Vater des Kleinen war. Schließlich wusste er nichts von Philippe.
Aber er hatte gehofft, einfach einen Erben zu haben.
"Es tut mir leid..."

Henry

Als Marguerite seine Hand drückte, fühlte Henry sich fast ein wenig erleichtert. Er hatte Sorge gehabt, dass sie ihn ablehnen würde, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Es war so schwierig genug ihr gegenüber zu treten.
Henry sah sie aus müden Augen an und schüttelte den Kopf. "Es ... es muss Euch nicht Leid tun." erwiderte er heiser. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich habe viel nachgedacht und ... vielleicht ist das Gottes Strafe für mich. Für das, was ich Euch angetan habe. Vielleicht ist es mir deshalb nicht vergönnt einen Erben zu haben." murmelte er leise. So viel wie in den letzten Tagen hatte Henry noch nie an sich gezweifelt.

Marguerite

"Vielleicht. Aber mich straft er damit ja auch, denn er weiß, wie sehr ich mir wünsche Mutter sein zu dürfen." Sie seufzte leise.
"Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht...Es ist jedenfalls nicht sonderlich gerecht. Ich vermisse ihn."
Marguerite schluckte schwer.
"Es tut einfach weh...ich dachte, jetzt wäre alles gut."
Und sie hatte das Gefühl in ein Loch zu fallen.

Henry

Henry nickte langsam. "Es tut mir Leid, dass Ihr meinetwegen nur noch mehr leiden müsst." flüsterte Henry und sah Marguerite an. Dann legte er kurzer Hand die Arme um sie. "Ich weiß. Mir geht es genau so. Ich hatte mich so gefreut und nun ist da ein riesiges dunkles Loch von dem ich nicht weiß, wie ich es füllen soll." murmelte er und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. "Marguerite, es tut so weh." keuchte er leise und unterdrückte ein Schluchzen. Er durfte zwar öffentlich trauern, aber trotz allem musste er die Haltung wahren. Aber jetzt konnte er einfach nicht mehr. Er musste es irgendwie heraus lassen können.

Marguerite

Marguerite schüttelte den Kopf. "Was er damit wirklich bezweckte, werden wir erst erfahren, wenn wir vor unserem Schöpfer stehen. Bis dahin...müssen wir nehmen, was uns gegönnt wird. Und vielleicht...vielleicht irgendwann..."
Vielleicht würde sie irgendwann wieder ein Kind bekommen. Aber sie würde immer an William denken müssen. An ihren kleinen Sohn...
Sie war dennoch überrascht, als Henry von seiner Trauer übermannt wurde. Sie strich vorsichtig über seine Wange und nickte.
"Ja, ich weiß...."

Henry

"Ja, das müssen wir wohl." stimmte Henry langsam zu und nickte dann. "Vielleicht." murmelte er, auch wenn ihm dieser Gedanke momentan merkwürdig erschien.
Als sie ihm über die Wange strich atmete Henry tief durch. "Verzeiht. Ich sollte eigentlich viel mehr auf Euch eingehen und Euch nicht auch noch meine Trauer aufhalsen." erklärte er dann und löste sich von Marguerite, um ihr eine Hand an die Wange zu legen. "Vielleicht soll uns Beiden durch diese Sache ein Spiegel vorgehalten werden. Und vielleicht werden wir zwar gebrandmarkt, aber dennoch gestärkt daraus hervor gehen, wenn wir es gemeinsam überstehen."

Marguerite

Marguerite nickte und schüttelte dann leicht den Kopf. "Das muss Euch nicht leid tun, Ihr trauert schließlich auch, Henry. Dennoch... wir werden es schon schaffen. Irgendwie....Und dann geht das Leben weiter. Aber im Moment fällt es mir noch schwer das alles hinter mir zu lassen. Ich werde noch eine ganze Weile daran zu tragen haben. Und Ihr auch."
Marguerite seufzte leise und versuchte sich an einem Lächeln.
"Aber ich werde es überleben..."

Henry

Henry versuchte das Lächeln zu erwidern. "Ja, das werden wir beide." bestätigte er. Dann gab er Marguerite einen Kuss auf die Wange. "Ich werde immer für Euch da sein, wenn Ihr mich braucht, Marguerite. Ich denke, das ist das Mindeste, was ich für Euch tun kann. Nach allem was ich ..." Was er vorher getan hatte.
Henry strich ihr noch einmal über die Wange und schloss sie noch einmal in die Arme. "Ich liebe Euch, Marguerite. Und daran möchte ich mich fest halten in dieser dunklen Zeit. Ich hoffe, dass Ihr ähnlichen Halt in mir finden könnt. Ich will mir zumindest jede Mühe geben es möglich zu machen. Was immer Ihr braucht oder möchtet, lasst es mich wissen."

Marguerite

Marguerite nickte. "Ich danke Euch, Henry. Ich werde Euren Beistand brauchen können, vermute ich. Das alles ist sehr schwer für mich."
Sie bemühte sich mit einem weiteren Lächeln und ließ zu, dass er sie umarmte. "Ich werde versuchen mich darauf zu stützen. Vielleicht werde ich wirklich etwas Halt in Eurer Unterstützung und Nähe finden. Und falls ich etwas benötige, werde ich mich melden. Doch im Moment brauche ich einfach nur....viel Ruhe, schätze ich. Ich will einfach versuchen darüber hinweg zu kommen."

Henry

"Es würde mich freuen, wenn ich so etwas wieder gut machen könnte." erwiderte Henry gedämpft und betrachtete Marguerite lange, ehe er nickte. "Ruht Euch aus, aber zieht Euch nicht zu sehr zurück, das lässt einen nur bitter werden." empfahl Henry und zögerte einen Moment, ehe er mit gesengtem Blick fort fuhr. "Darf ich Euch dennoch besuchen kommen?" fragte er dann ein wenig zögerlich. Er wusste, dass er nicht unbedingt zu Marguerites bevorzugten Menschen gehörte, aber dennoch ...

Marguerite

"Ich denke, das werdet Ihr irgendwann können. Das sagte ich Euch doch schon einmal. Macht Euch keine Sorgen."
Sie sah ihn lange an und nickte dann zustimmend. "Ich werde mich bemühen Euren Rat zu beherzigen. Natürlich dürft Ihr her kommen. Ihr seid mein Gemahl, ich kann es Euch kaum verwehren, selbst wenn ich wollte. Aber ich sehe dazu auch keinen Grund. Ihr trauert schließlich ebenso wie ich."
Henry hatte sich wahrlich geändert. Früher waren solche Worte undenkbar gewesen.