William und Joanna ~ 1175

 

Joanna horchte auf, als es klopfte und bat ihren Besuch hinein. Jetzt, wo sie wieder ein bisschen ruhiger war, war das auch wieder möglich.
Sie war ein wenig überrascht, Robert zu sehen. "Robert, natürlich habe ich das. Ich dachte, du seiest mit deinem Sohn im ersten Schnee unterwegs?", fragte sie dann.
Allerdings machte es sie stutzig, wie angespannt Robert wirkte.
"Ist alles in Ordnung? Du wirkst ein wenig unruhig."
Was jetzt wohl kam? Robert wirkte regelrecht nervös, so kannte sie ihn ja gar nicht. Langsam begann sie sich Sorgen zu machen.

Robert nickte knapp. "Das war ich auch, allerdings habe ich dabei etwas ... beobachtet, worüber ich mit dir sprechen muss." erklärte Robert dann langsam und versuchte seine Anspannung unter Kontrolle zu halten. Er bedachte seine Mutter mit einem langen Blick und legte die Stirn in Falten. "Ich habe dich mit dem Italiener gesehen." fuhr er dann fort und die Art und Weise wie er das Wort 'Italiener' betonte, ließ kleinen Zweifel daran, was genau er gesehen hatte. "Was geht da vor sich, hm? Du lässt dich doch nicht wirklich von diesem Kerl um den Finger wickeln, oder?" fragte er und klang dabei eine Spur schärfer. Die Vorstellung, dass sie seinen Vater mit diesem dahergelaufenen Weinverkäufer betrog, war für Robert nahezu unerträglich.

 

Als Robert so ernst blieb, wusste sie schon fast, was nun folgen würde. Nun, damit hatte sie rechnen müssen, auch wenn sie gehofft hatte, es bliebe ihr erspart. Was sollte sie ihm denn auch sagen?
"Ja, und? Wir waren mit den Hunden spazieren und haben geredet." Joanna verschränkte unbehaglich die Arme vor der Brust.
"Ich war traurig und er hat mich getröstet, das war alles." Allerdings gefiel ihr sein Tonfall gar nicht. "Ich lasse mich um den Finger wickeln, von wem ich das möchte und das geht dich auch nichts an, Robert.", erklärte sie ruhig und hoffte, dass die Diskussion auf diesem Niveau bleiben würde. Allerdings hatte sie so ihre Zweifel, dass er sich im Griff hatte.

 

Robert knirschte leise mit den Zähnen. "So nennt man das also neuerdings? Geredet?" erwiderte er misstrauisch. "Ich habe gesehen, was er getan hat und um dich zu trösten hätte er dir sicher keinen Kuss auf die Wange geben müssen."
Er schob die Hände in die Hosentaschen und verengte die Augen ein wenig. "Ach." bemerkte er knapp und maß seine Mutter mit kritischem Blick. "Du denkst aber schon noch daran, dass du verheiratet bist, wenn du dich so von ihm umgarnen lässt, ja?" hakte Robert dann nach.
Als er die Beiden im ersten Moment gesehen hatte, war sein Impuls gewesen hinzu gehen und den Italiener aufzufordern seine Mutter in Frieden zu lassen. Er hatte die Beiden jedoch noch etwas beobachtet und hatte mit ansehen müssen, wie seine Mutter sich bereitwillig von dem Kerl hatte in den Arm nehmen lassen ...

 

"Na und? Ich wüsste nicht, was es dich angeht, wie er mich tröstet, Robert. Und dass ich verheiratet bin, ist mir auch bewusst."
Joannas Augen verengten sich leicht. "Ich weiß allerdings nicht, mit welchem Recht du mir Vorwürfe machst. Deinen Vater habe ich in den letzten Wochen nur ein paar Minuten gesehen. Und jetzt schreibt er auch nicht wirklich. Findest du das besser? Soll ich hier sitzen und mir die Augen aus dem Kopf weinen, weil ich ihm plötzlich egal bin? Anders kann ich kaum interpretieren. Also sei ja vorsichtig, wenn du mit deinen Vorwürfen um dich wirfst.
"Giovanni hat mich getröstet. Ich mag ihn gern und daran ist nichts Verwerfliches."

 

Robert zog eine Augenbraue in die Höhe. "Nein, das finde ich nicht besser." erwiderte er ernst. "Aber das gibt dir immerhin auch noch nicht das Recht, dich gleich dem nächsten an den Hals zu werfen, nur weil ihr gerade eine schwierige Phase durchmacht." bemerkte Robert, auch wenn er wusste, dass er damit ein wenig ungerecht wurde.
Dich zu trösten mag nicht verwerflich sein, aber so vertraut wie ihr miteinander umgegangen seid ... wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich behauptet, du wärst mit ihm verheiratet und nicht mit meinem Vater." erwiderte Robert kühl.

 

Joanna wurde wütend. "Ach, nur weil er mich umarmt hat, werfe ich mich ihm an den Hals? Es ist wohl nicht an dir das zu beurteilen, Robert. Du bist mein Sohn, ja, aber ich habe auch ein Leben und ich habe keine Lust nur trübselig in meinem Kämmerlein zu sitzen und darauf zu warten, dass dein Vater sich irgendwann herablässt wieder Zeit mit mir zu verbringen. Darf ich keine Freunde mehr haben, nur weil ich verheiratet bin? Und selbst wenn da mehr wäre - was es nicht ist - wäre das eine Sache zwischen deinem Vater und mir. Du musst nicht meinen Wachhund spielen, weil dein Vater nicht da ist. Aber es war mir ohnehin klar, dass du zu ihm halten würdest. Es ist also fair, dass er mich behandelt wie ein unliebsames Anhängsel? Und du wunderst dich, dass mich freue, wenn jemand für mich da ist?"
Es ging Robert überhaupt nichts an, was da zwischen Giovanni und ihr war.

 

Robert knirschte erneut mit den Zähnen. Diese Sache machte ihn auf so vielen Ebenen wütend ... er wollte nicht, dass es zwischen seinen Eltern Streit gab, zumindest nicht so. Gestritten hatten sie oft genug, aber sie hatten sich stets wieder vertragen und nie hätte man auf die Idee kommen können, dass die beiden sich nicht mehr liebten, aber heute ...
Robert starrte auf den Boden und ballte die Hände in den Taschen zu Fäusten. "Aber ich habe versprochen, dass ich auf alles aufpasse." erwiderte er dann gepresst. Und ausgerechnet, während er für alles die Verantwortung hatte, kam dieser Italiener daher und machte sich an seine Mutter heran? Das konnte er doch nicht zulassen!

 

Joanna schüttelte den Kopf und bemühte sich dann um einen etwas sanfteren Ton. "Ich weiß. Aber das bedeutet doch nicht, dass du Wachhund für mich spielen musst. Du musst nicht die Eifersucht deines Vaters übernehmen, Robert. Es ist besser, wenn du dich aus dieser Sache heraus hältst."
Das würde nur noch mehr Streit geben, wenn Robert sich nun ständig einmischte und versuchte ihr zu sagen, was sie zu tun und zu lassen hatte. Sie wollte sich nicht ständig unter Beobachtung fühlen. Sie wollte sich frei bewegen können.
"Ich bitte dich, Robert. Ich kann selbst entscheiden, was gut für mich ist und was nicht. Das habe ich mein Leben lang getan."

 

Robert kämpfte mit sich und wäre er noch ein paar Jahre jünger gewesen, hätte er den Kampf vermutlich verloren und wäre vor lauter Wut und Enttäuschung in Tränen ausgebrochen. So aber schluckte er einmal schwer und sah dann wieder auf. "Aber er ist nicht gut für dich." murmelte er dann und nagte auf seiner Unterlippe herum.
"Du ... du wirst Vater nicht verlassen, oder?" fragte er dann, auch wenn er wusste wie töricht er damit klang. Aber im Grunde war genau das seine Sorge, das die Ehe seiner Eltern in die Brüche gehen könnte.

 

"Woher willst du das wissen? Du weißt doch gar nicht, wie er sich mir gegenüber verhält, wenn wir allein sind. Er tut mir gut, Robert. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich deinem Vater gleichgültig bin, so sehr hat er mich die letzte Zeit vernachlässigt.
Sie spürte, wie sehr Robert unter diesem Streit litt und so nahm sie ihn kurzerhand in den Arm.
"Nein..." Dazu waren sie einfach zu lange verheiratet.
"Aber so kann es auch nicht weiter gehen. Ich weiß noch nicht, was ich tun werde. Es ist jedenfalls schwer für mich..."

 

Robert verkrampfte einen Moment lang als seine Mutter ihn in den Arm nah, weil er das Gefühl hatte, gleich doch noch von seinen Gefühlen übermannt zu werden. Es gelang ihm jedoch sich zusammen zu reißen und so legte er die Arme um Joanna und den Kopf an ihre Schulter.
"Ihr müsst das wieder hinbekommen, ich bitte dich." murmelte er leise. Wenn es schief ging, würde nichts wieder so sein wie vorher und er wusste, dass sowohl sein Vater als auch seine Mutter darunter leiden würden ... es wäre einfach für niemanden gut.
"Und bitte, gib wenigstens ein wenig Acht, wenn du mit dem Italiener zusammen bist, ja?" bat er sie dann leise.

 

Joanna seufzte leise und strich ihm durch den Schopf. "Ich versuche es. Aber wenn dein Vater nicht mitzieht, kann ich es nicht ändern. An mir liegt es nicht. Aber mach unsere Sorgen nicht zu deinen. Du hast mit deiner Familie genug zu tun, Robert."
Sie lächelte sanft.
"In Ordnung. Wenn es dir damit besser geht, verspreche ich es dir. Aber weißt du, Giovanni würde nichts tun, was ich nicht will. Er ist ein guter Mensch. Nur oberflächlich aufdringlich, aber er hat ein sehr gutes Herz."

 

"Ich bin sicher, dass er das tun wird. Er liebt dich doch." murmelte Robert und atmete ein wenig erleichtert auf als seine Mutter ihm versprach aufzupassen. Er zwang sich zu einem Lächeln und gab ihr dann einen Kuss auf die Wange. "Ich danke dir, Mama." murmelte er, ehe er sich von ihr löste.
Robert sah sie noch einen Moment lang zögerlich an, dann atmete er leise aus. "Ich sollte gehen, ich muss noch ein paar Dinge erledigen und dann wartet Josie mit den Kindern auf mich ... es ... tut mir Leid, dass ich vorhin so war. Ich mache mir nur einfach Sorgen." erklärte er dann noch einmal.

 

Joanna war im Stall um nach den Pferden zu sehen und streichelte ihrer Rappstute gerade gedankenverloren die Nase. Das Gespräch mit Robert steckte ihr immer noch in den Knochen und zeigte ihr einmal mehr, in welcher Klemme sie steckte.
Die Zeit mit Giovanni tat ihr gut, aber sie hatte William immer von ganzem Herzen geliebt. Das alles war schwer für sie und sie musste einfach abwarten, wohin die Reise führte.
"Nun, Süße...mal sehen, wie ich da wieder raus komme..."

Giovanni d'Arezzo

Giovanni war auf der Suche nach Joanna gewesen und hatte sie nun schließlich in den Stallungen gefunden. Er war unbemerkt eingetreten und beobachtete sie einen kurzen Moment, wie sie ihre Stute streichelte und leise mit ihr sprach, ehe er sich aus dem Türrahmen löste und zu ihr hinüber ging.
"Ah, da seid Ihr ja. Ich hatte schon Sorge, Ihr würdet Euch vor mir verstecken, Contessa!" bemerkte er theatralisch und lachte dann, ehe er nach Joannas Hand griff und ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte. "Allerdings scheint Ihr tatsächlich ein wenig betrübt ... erfreut es Euch denn so wenig, mich zu sehen?" neckte er sie mit amüsiert funkelnden Augen.

 

Joanna drehte sich leicht um und musste lächeln, als sie Giovanni entdeckte. Sie ließ ihn gewähren, als er ihr die Hand küsste und schüttelte dann den Kopf.
"Nein. Ich versteck mich nicht vor Euch, Giovanni. Ich habe nur ein bisschen Ruhe gebraucht und wollte nach meinen Pferden sehen."
Sie seufzte leise und lehnte sich an die Boxentür.
"Das nicht. Aber mein Sohn hat uns das letzte Mal gesehen, als wir im Schnee spazieren waren. Er hat mir Vorwürfe gemacht deswegen."

Giovanni d'Arezzo

Erleichtert legte Giovanni die Hand aufs Herz. "Ah, welch Glück. Ich wäre sonst wahrlich betrübt gewesen, Contessa." erklärte er lächelnd.
Dann lauschte er jedoch Joannas Worten und wurde ernst. "Oh ... das tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass meinetwegen Unfrieden zwischen Euch und Eurem Sohn entsteht, Contessa. Ich hätte mich wohl besser zusammen reißen sollen. Mein Verhalten war nicht unbedingt sehr schicklich, verzeiht." erklärte Giovanni dann mit ernster Miene. Wenn der Junge sie beobachtet hatte, könnte das wahrlich Schwierigkeiten geben. "Ich hoffe, Ihr habt Euch deshalb nicht mit Ihm überworfen?"

 

Joanna musste lächeln. "Nein, keine Sorge. Auch wegen meinem Sohn nicht. Ich habe ihm klar machen können, dass ich selber weiß, was für mich gut ist und was nicht. Er hat sich einfach Sorgen um mich gemacht. Und es ist scher für ihn zu sehen, dass sein Vater und ich im Moment keine so harmonische Ehe führen. Es fällt ihm einfach schwer. Aber es tut ihm leid, dass er mich so angegangen ist. Ich denke nicht, dass er mir weiter Schwierigkeiten macht und mich beobachtet. Es ist nur alles nicht so einfach momentan, aber das wisst Ihr ja selbst, nicht wahr."
Das alles war eine sehr verzwickte Situation, aber sie genoss seine Gesellschaft trotzdem. "Ich bin froh, dass Ihr hier seid..."

Giovanni d'Arezzo

Giovanni hatte die Unterarme auf der Boxentür abgestützt und ließ den Blick über Joannas Stute gleiten. Er nickte nachdenklich. "Ja, ich kann mir vorstellen, dass es dem Jungen nicht leicht fällt." erwiderte er und legte die Stirn in Falten. Er an seiner Stelle würde vermutlich nicht anders reagieren.
Dann sorgten Joannas Worte jedoch dafür, dass er seinen Blick von dem Pferd löste und Joanna mit einem langen Blick bedachte. "Seid Ihr das, ja?" fragte er dann mit samtener Stimme und lächelte leicht. Ja, er war auch froh, dass er hier war ... hier bei ihr ...

 

"Ich meine, er ist zwar erwachsen und hat seine eigene Familie, aber er hängt an uns. Er kennt eine heile Familie und hat jetzt Angst, dass ich seinen Vater verlasse." Und damit würde sie die Familie auseinander reißen.
"Ja, das bin ich. Sonst wüsste ich nicht, wie ich momentan meine Tage überstehen würde. Ich genieße es mit Euch zu sprechen, Euch um mich zu haben, einfach, weil ich mich wohl fühle. Ihr verlangt einfach nichts von mir..."

Giovanni d'Arezzo

Giovanni drehte sich herum und lehnte sich nun mit dem Rücken gegen die Tür, um Joanna besser ansehen zu können. Ein Grinsen huschte über seine Lippen. "Ah, Contessa, über Eure Lippen lassen mich die Worte viel selbstloser klingen als ich es bin." bemerkte er amüsiert. "Aber dennoch erfreut es mein Herz ungemein, wenn ich Euch eine solche Stütze sein kann." fügte Giovanni hinzu und verneigte sich ehrerbietig vor Joanna. "Ich stehe Euch immer gerne zu Diensten, Belladonna."

 

"Ich weiß, Giovanni..." Joanna lehnte sich ihm gegenüber an die Boxentür ihres Schimmels und seufzte. "Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, Giovanni. Ich weiß nicht, was ich für eine Entscheidung treffen soll. Eigentlich...weiß ich gar nichts mehr. Doch...dass ich Euch mag, weiß ich.", sagte sie leise.
Joanna hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Sie wusste, dass ihr diese Entscheidung niemand abnehmen konnte, aber sie wünschte sich, jemand würde es einfach tun.
Damit sie endlich diese ständigen Gedanken in ihrem Kopf los wurde.
"Ich wünschte, ich könnte einfach einmal zur Ruhe kommen..."

Giovanni d'Arezzo

"Nun, zu einer Entscheidung müsst Ihr schon selbst kommen. Die kann niemand sonst für Euch treffen. Aber Ihr müsst sie ja nicht hier und jetzt treffen. Und auch nicht heute. Denkt in Ruhe darüber nach." erwiderte Giovanni, ehe seine Augen kurz aufblitzten. Sie mochte ihn ... "Ich mag Euch auch, Contessa, sehr sogar."
Einen Moment lang sah er sie schweigend an, dann löste er sich von der Tür und trat auf Joanna zu, während sein Blick kurz prüfend die Stallgasse hinauf und hinunter wanderte.
"Ich kann Euch die Entscheidung nicht abnehmen" begann er und blieb direkt vor ihr stehen. "Aber vielleicht, kann ich Euch ja ein wenig helfen." Giovanni legte eine Hand an Joannas Wange und sah ihr direkt in die Augen. "Vielleicht könnte ich die Entscheidung für Euch leichter machen ... möchtet Ihr das?" fragte er leise und ließ sie keinen Moment aus den Augen.

 

Joanna nickte. "Ja, das ist mir bewusst. Nur je mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer scheint die Verwirrung in meinem Kopf zu werden.", erwiderte Joanna nachdenklich.
Seine Augen fesselten sie für einen Moment, als er ihr sagte, dass er sie mochte und auf sie zu trat, die Hand an ihre Wange legte. Sie wusste, was jetzt von ihrer Zustimmung abhing. Aber vielleicht hatte er recht und es würde ihre Entscheidung wirklich erleichtern.
"Ja...ich denke schon..."
Einen anderen Weg würde es nicht geben. Und niemand würde erfahren, was hier geschah, egal, wie ihre Entscheidung später ausfallen würde.