William und Joanna - ca. 1186 - ?

Helene

"Ich verstehe..." Helene begriff so Einiges, jetzt, da er ihr das offenbart hatte. Ihr war schon aufgefallen, dass Edward dunkle Räume hasste und immer so rasch wie möglich ein Feuer oder eine Kerze entzündete. Jetzt wusste sie, warum.
"Ich wusste es nicht, darum habe ich dich nicht verstanden. Mein Vater hat mich oft in mein Zimmer gesperrt, wenn ich ungehorsam war. Ich kenne es nicht anders, deshalb habe ich versuchte mir irgendwie so Respekt zu verschaffen."
Sie lachte leise auf und küsste ihn auf die Wange. "Oh ich bin sicher, die wirklich mutigen Seiten wirst du mir eines Tages noch zeigen. Bis dahin bin ich einfach mutig genug für uns Beide." Ihr Blick wurde weich. "Gern geschehen...Ich weiß, es ist nicht immer leicht mit mir, aber du hast auch viel mehr Erfahrung als ich. Ich bemühe mich wirklich."

"Natürlich nicht, wie hättest du auch?" Er fand seine Abneigung gegen solch eine banale Strafe ja ebenfalls albern, aber er konnte einfach nicht aus seiner Haut.
Edward lächelte leicht als Helene ihn auf die Wange küsste und mit einem Mal fühlte er eine wirklich starke Zuneigung für sie. Vielleicht war dieser Albtraum heute Nacht in gewisser Weise gut gewesen für sie beide.
Edward strich ihr über die Wange und ließ seine Hand dort einen Moment verweilen. "Das tut du in der Tat." murmelte er leise. Sie bemühte sich und er trat ihre Bemühungen mit Füßen, machte es ihr schwerer als nötig und stand nicht so hinter ihr, wie sie es vermutlich verdient hätte. Edward atmete leise durch. "Weißt du, ich ... habe überlegt, ob ich nicht mit meinem Bruder sprechen sollte. Ihn fragen, ob er noch eine helfende Hand in seinem Haushalt braucht. Vielleicht ... hätte er Verwendung für Hanna." erklärte Edward langsam.

Helene

Helene schloss einen Moment die Augen und glaubte eigentlich, dass sie das Gespräch beendet hätten. Sie mochte es, dass er sie berührte und lächelte in sich hinein.
Dann überraschte er sie völlig. "Du...willst sie wegschicken?" Dieses Einlenken kam in der Tat unerwartet, hatte er sie doch so vehement verteidigt. Es zeigte ihr seinen guten Willen, also sollte sie vermutlich auch ihren zeigen.
Helene seufzte tief. "Das ist eine gute Idee. Aber...vielleicht solltest du erst noch einmal mit ihr sprechen. Ich will nicht, dass sie ihr Zuhause verliert, da sie dir ja schon Jahre gut dient. Aber diese ewigen Auseinandersetzungen gehen mir auf die Nerven. Sie weiß alles besser, kann alles besser und traut mir nichts zu. Wenn sie lernt mich zu respektieren, habe ich nichts dagegen wenn sie bleibt. Wenn nicht...dann wäre es vermutlich wirklich besser."

Edward sah Helene ernst an und nickte dann. "Wenn es sein muss, ja." erwiderte er, musste bei ihrer Antwort dann jedoch lächeln. Er war durchaus erleichtert, dass sie zu einem solchen Kompromiss bereit war, denn leicht gefallen wäre es ihm nicht, Hanna fort zu schicken.
Edward gab Helene einen Kuss. "In Ordnung. Ich werde gleich morgen mit ihr sprechen und dann sehen wir, wie es funktioniert. Und sollte es nicht besser werden, dann sagst du mir Bescheid und ich finde für Hanna eine andere Arbeit."
Edward zog Helene fest an sich und schloss die Augen. Er fühlte sich eigentümlich wohl an ihrer Seite und irgendetwas sagte ihm, dass es von nun an wirklich bergauf mit ihnen gehen würde.

Charles

Charles betrat das Zimmer, schaute sich kurz um und trat dann zu seiner schwangeren Gemahlin an das Fenster. Er begrüßte sie mit einem flüchtigen Kuss, die besorgte Miene verschwand aber nicht von seinem Gesicht.
"Mary....Anne ist krank. Edith kam eben zu mir. Anne hat hohes Fieber und bekommt Ausschlag. Sie meinte, irgendeine Kinderkrankheit und versucht, was sie kann. Ich habe dennoch nach dem Arzt schicken lassen." Er seufzte leise.
"Ich hoffe, sie hat die Anderen noch nicht angesteckt." Das konnten sie gar nicht brauchen, besonders nicht, da seine Gemahlin ein Kind erwartete.

Mary sah von ihrer Lektüre auf als sich die Tür öffnete und Charles herein trat. Sie sah sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, legte das Buch zur Seite in dem sie gerade noch gelesen hatte und erhob sich von der Fensterbank. Sie erwiderte den Kuss, den Charles ihr zur Begrüßung gab nur flüchtig, sorgte sie sich doch um die Neuigkeiten, die ihr Mann da wohl brachte.
"Was?" Es war kaum mehr als ein Flüstern, dass über Marys Lippen kam, noch während Charles sprach. Sie spürte, wie sie blass wurde und nickte schließlich. "Ja, ein Arzt muss unbedingt her. Ich ... ich sehe sie mir an. Vielleicht solltest du jemanden nach Truro ins Hospital schicken." überlegte sie bereits während sie ohne zu zögern an Charles vorbei trat. Es war ja nicht so, dass es hier nicht auch gute Ärzte gab, aber John, Hal und auch Azeem waren in ihren Augen die besten, die man in England bekommen konnte. Und sie hatte einfach mehr Vertrauen in sie, als in irgendeinen Fremden.
"Wir müssen die anderen Kinder vorübergehend in einer anderen Kammer einquartieren. Damit sie sich nicht noch anstecken, falls sie das nicht schon haben." erklärte Mary ein wenig fahrig und eilte zur Tür. Sie musste unbedingt nach ihrer kleinen Tochter sehen.

Charles

Charles nickte langsam. Er wusste um den Ruf des Hospitals und dass Mary die Ärzte gut kannte. Also sollte sie ihren Willen haben. Wenn es der kleinen Anne half, würde er weder Kosten noch Mühen scheuen. "Ich werde einen Boten nach Cornwall schicken, sorge dich nicht."
Charles folgte ihr und hielt sie schließlich am Arm auf, bevor sie aus der Tür verschwinden konnte. "Das sind sie schon. Ich habe das umgehend veranlasst. Aber Mary...."
Er legte beide Hände an ihre Oberarme und sah ihr die Augen. "Du wirst vorsichtig sein und du wirst dich nicht überanstrengen. Ich werde dich meinetwegen gern ablösen, aber du wirst dich zwischendurch ausruhen. Sei vorsichtig, dass du dich nicht ansteckst, sonst gefährdest du das Kleine. Versprich es mir, ja? Ich mache mir Sorgen um dich."
Er küsste ihre Stirn. "Es wird schon gut gehen."

Mary war erleichtert, dass Charles ihrem Wunsch ohne zu Zögern nach kam und nickte kurz. "Danke." Sie würde sich einfach sicherer fühlen, wenn John oder einer der anderen hier war. Vielleicht sollten sie sich langfristig darum bemühen einen Arzt einzustellen, der bei John gelernt hatte ... aber darum würde sie sich später kümmern, jetzt drehten sich ihre Gedanken um ihre kleine Tochter.
Nur ein wenig unwillig ließ sie sich von Charles aufhalten, doch ihr Blick wurde eine Spur weicher bei seinen Worten. "Mach dir keine Sorgen um mich. Anne braucht uns jetzt, mir geht es gut und ich werde schon aufpassen, glaub mir." Dann löste sie sich von ihm und eilte über den Gang hinüber zu dem Gemach der Kinder.
Anne lag in ihrem Bett und Edith war gerade dabei einen nassen Lappen auf ihrer Stirn zu wechseln als Mary eintrat. Sie eilte zu ihrer Tochter und setzte sich neben ihr auf das Bett. Prüfend strich sie Anne über die Stirn. "Mama ..." Die Kleine blinzelte etwas müde und Mary schenkte ihr ein Lächeln. "Ich bin bei dir, meine Kleine, schlaf ein wenig, ja?" murmelte sie leise und küsste Anne auf die heiße Stirn.
"Wie lange geht es ihr schon so, Edith?" erkundigte sie sich und setzte sich so neben Anne, dass sie einen Arm um ihre Tochter legen konnte. Diese kuschelte sich auch sofort zurecht und hustete dann kurz.
"Sie war heute Morgen ein wenig müde, Mylady, aber mehr war noch nicht zu sehen. Vorhin bemerkte ich dann das Fieber und habe sie in ihr Bett gebracht und seit dem ist es gestiegen und ich habe seiner Lordschaft Bescheid gegeben." erklärte die Kinderfrau besorgt.
Mary nickte und nahm Edith das feuchte Tuch ab. "Es ist gut, du hast alles richtig gemacht. Geh und sie nach den anderen, sei so gut. Ich möchte sicher gehen, dass sie sich nicht angesteckt haben. Ich bleibe bei Anne."

Charles

Leise betrat Charles das Zimmer und trat hinter seine Frau, um eine Hand auf ihre Schulter zu legen. Er musterte das schlafende Mädchen im Bett und seufzte lautlos. Anne sah nicht gut aus. Die Wangen unnatürlich gerötet, der Schweiß stand auf ihrer Stirn.
"Wie geht es ihr, Mary?", fragte er behutsam. Eigentlich war es ihm gar nicht recht, dass sie so viel hier saß. Die Angst um sie und das Ungeborene war zu groß.
"Ich bin sicher, morgen wird unser Bote zurückkommen und jemanden aus dem Hospital mitbringen. Vielleicht kommt John ja selbst.", versuchte er sie zu ermutigen.
"Ich bin sicher, sie können ihr helfen."

Mary hörte zwar die Tür und die sich nähernden Schritte, doch sie sah erst auf als Charles zu ihr trat und eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie warf ihm einen traurigen Blick zu, dann sah sie wieder auf ihre Tochter hinab. „Unverändert. Das Fieber sinkt am Morgen immer ein klein wenig, aber spätestens ab Mittag ist es wieder unglaublich hoch ...“ erwiderte sie leise. Anne war nun schon seit drei Tagen krank und Mary machte sich große Sorgen um ihre Tochter. Sie wich ihr so gut wie nie von der Seite, hatte sich auch dafür entschieden hier zu schlafen, weil die Sorge um ihr Mädchen sie ohnehin so sehr umtrieb, dass sie andernorts nicht zur Ruhe kam. „Ich hoffe es Charles, ich hoffe es wirklich … ich weiß einfach nicht, was ich noch tun sollen, damit das Fieber sinkt. Und das muss es unbedingt.“ Sonst sah es schlecht aus für ihre Tochter und darüber wollte Mary lieber gar nicht nachdenken. Sie schluckte schwer und lehnte sich ein wenig gegen Charles. Sie war müde und erschöpft, aber die Angst um ihr Kind gestatteten ihr kaum eine Stunde Schlaf.

Charles

Charles nickte langsam. "Morgen früh müssten sie ankommen und dann wird dem Arzt sicher etwas einfallen, was er noch tun kann um ihr zu helfen und das Fieber zu senken. Mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Sie ist doch eine Kämpferin."
Er strich Mary zärtlich über den Rücken und blieb einfach eine Weile schweigend neben ihr stehen. "Nun leg dich ein bisschen hin und schlaf. Geh in unser Bett. Ich werde hier bleiben und über sie wachen. Du darfst nicht nur an dich denken, denk an das Kleine. Es ist nicht gut, wenn du dir keine Ruhe gönnst. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen? Pass auf dich auf, Liebste. Sie wird nicht allein sein. Ich werde bei ihr sein..."

Mary hielt den Blick weiter auf Anne gerichtet und nickte langsam. „Ja, morgen sollten sie wohl kommen ...“ Sie hatte den Boten extra zur Eile gedrängt und da er allein gewesen war und auf dem Rückweg auch nur zu zweit sein sein würden, sollte die Reise schnell zu erledigen sein.
„Ich kann nicht.“ wandte sie ein und strich Anne dann zärtlich über den verschwitzten Schopf. „Wie soll ich schlafen, wenn mein Kind hier liegt und ...“ Mary brach ab und schluckte schwer. Sie wollte es nicht aussprechen, dann sie hatte das Gefühl, dass es erst dann wirklich zur Wahrheit werden würde. Mary fuhr sich ein wenig fahrig über die Augen. „Gestern … Mittag glaube ich.“ Sie war sich nicht ganz sicher, vielleicht war es auch am Morgen gewesen, es spielte im Moment für sie keine wirkliche Rolle, wenn sie ganz ehrlich war. Sie wollte einfach nur bei Anne bleiben, bei ihrer kleinen, süßen Anne, deren Geburt ihr damals so viel Kummer bereitet hatte, weil es wieder nicht der von Gerard gewünschte Junge geworden war, und die ihr danach so viel Freude bereitet hatte, weil sie ein solch liebenswertes Kind war.

Charles

Charles seufzte. "Mary...du musst dich ausruhen. Sie wird dich in den nächsten Tagen erst recht bei Kräften brauchen. Ich bitte dich. Gönn dir ein bisschen Schlaf und um Gottes Willen, iss etwas. Ich will nicht, dass du dich zugrunde richtest. Damit hilfst du Anne nicht weiter."
Er drehte sie zu sich um und sah ihr in die Augen.
"Ich verspreche dir, ich weiche nicht von ihrer Seite und sobald sich auch nur eine Kleinigkeit ändert, werde ich dich sofort wecken und herholen. Aber bitte, ruh dich aus. Du hast selbst gesagt, sie hängt an mir. Ich denke, sie wird es akzeptieren, wenn ich dich eine Weile vertrete.", versuchte er sie zu überzeugen. Warum musste sie nur so stur sein?

Mary starrte weiter auf ihre Tochter, die so furchtbar blass war, dass sie nur noch wenig von dem weiß der Bettwäsche trennte. Sie biss die Zähne aufeinander und schwieg beharrlich, erst als Charles sie an den Schultern fasste und zu ihm herum drehte, war sie gezwungen ihn anzusehen. Sie sah in seine gütigen Augen und spürte, wie sich ihre Brust nur noch mehr zusammen zog.
„Ich will nicht, dass sie stirbt.“ wisperte sie schließlich leise. „Charles, ich … will nicht, dass Gott mir mein kleines Mädchen nimmt.“ Sie spürte die Tränen in ihren Augen, die Tränen, die sie so lange sorgsam zurück gehalten hatte, wann immer sie hier saß und über ihre Tochter wachte. Aber jetzt, da Charles hier war, fiel es ihr unglaublich schwer nicht in Tränen auszubrechen. Mary war mit den Jahren in ihrer Rolle als Mutter aufgeblüht und ihre schlimmste Angst war, dass sie eines ihrer geliebten Kinder verlieren würde.

Charles

Charles zog Mary ohne weiteres Zögern in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. "Sie wird  nicht sterben, sie ist ein tapferes Mädchen. Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Wir alle hier beten jeden Tag für Anne, das muss doch irgendetwas bewirken, denkst du nicht?"
Er strich liebevoll über ihre Wange. "Solche Dinge darfst du nicht denken. Sie wird es schaffen.", redete er ihr gut zu.
"Komm, schlaf ein paar Stunden. Dann werde ich dich wecken.", forderte er sie auf. "Sie bekommt morgen die beste Hilfe, die wir uns wünschen können und dann willst du doch nicht daneben stehen und beinahe einschlafen."

Als Charles sie an sich zog, schmiegte sie sich haltsuchend an ihren Gemahl und ließ einen Moment lang den Tränen ihren Lauf. Sie musste ihren Kummer wenigstens einmal heraus lassen, denn solange sie alleine neben Anne saß und über sie wachte, gestattete sie sich so etwas nicht.
„Ja, das muss es.“ murmelte sie schließlich leise. „Das muss es unbedingt.“ Mary ließ zu, dass Charles sie tröstete und nachdem sie die Tränen wieder zurück gedrängt hatte, nickte sie. „Du hast ja Recht.“ erwiderte sie leise. „Ich habe nur solche Angst davor, dass ihr etwas zustoßen könnte.“
Mary biss sich unsicher auf die Unterlippe, wie sie es schon als Kind immer getan und nie abgelegt hatte, und sah zu Anne hinab. Gerade schlief die Kleine recht ruhig, das Fieber schien ein wenig gnädig mit ihr zu sein. „Na gut.“ räumte sie schließlich ein. „Aber du weckst mich sobald etwas ist, ganz egal ob zum Guten oder zum Schlechten, hörst du?“ Viel Schlaf würde sie vermutlich ohnehin nicht bekommen, aber sie würde es wenigstens versuchen.

Charles

Charles ließ zu, dass Mary sich ihren Kummer von der Seele weinte und leistete ihr einfach stummen Beistand, indem er ihr über den Rücken strich und sie fest hielt.
"Ich weiß, dass du Angst hast. Weil du sie liebst. Aber wir dürfen einfach nicht aufhören zu hoffen. Also vertrau auf das Gute und lass die bösen Gedanken nicht zu."
Er gab ihr einen sanften Kuss.
"Natürlich werde ich dich wecken. Mach dir keine Sorgen. Aber sie schläft so ruhig, ich denke, das wird sie auch noch ein paar Stunden tun."
Als sie sich abwandte, fiel ihm noch etwas ein. "Und Mary? Edith bringt dir gerade etwas zu essen in unsere Gemächer. Ich wäre froh, du würdest wenigstens versuchen etwas zu essen."

Mary hatte wieder ihren Platz an der Seite ihrer Tochter bezogen. Am gestrigen Tag hatte sie sich Charles' Wünschen gefügt, hatte etwas gegessen und sich anschließend schlafen gelegt. Tatsächlich hatte ihr Körper auch eingefordert was er so dringend brauchte und sie hatte wenigstens ein paar Stunden am Stück geschlafen. Da Charles sie nicht geweckt hatte, kehrte sie schließlich zu Anne zurück, die unverändert in ihrem Bett lag und schlief. Sie hatte Charles' Miene ansehen können, dass er es lieber gesehen hätte, hätte sie noch ein wenig mehr geschlafen, aber er erhob keine Einwände mehr als sie sich wieder zu Anne setzte.
Schon seit dem frühen Morgen war sie unruhig gewesen und als sich nun die Tür öffnete, fuhr ihr Kopf herum – endlich! Es war tatsächlich John selbst, der den Raum betrat. Hätte Mary ihre Tochter nicht gerade in den Armen gehalten, weil diese bis vor wenigen Minuten wach gewesen war, wäre sie aufgesprungen, so blieb sie jedoch sitzen und sah dem Arzt mit banger Miene entgegen. „Oh John, Gott sei dank! Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun soll, das Fieber ist so hoch ...“ erklärte sie ein wenig heiser.

John war geritten, so schnell er konnte, denn er wusste, gerade bei Kindern tat Eile oft Not. Er selbst hatte Mary und Isabella damals zur Welt geholt, wie hätte er Mary eine solch dringliche Bitte abschlagen oder nicht selbst kommen können?
Nun betrat er erschöpft das Krankenzimmer, gönnte sich nur einen Schluck Wasser, um sich dann direkt der kleinen Patientin zuzuwenden.
"Ich sehe sie mir an, Kind. Du weißt, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht." Er fühlte die Stirn der Kleinen und runzelte die seine. Das Kind glühte förmlich, das war nicht gut.
"Was habt ihr schon versucht? Habt ihr Wickel um die Beine gemacht? Weidenrindentee?" Er sagte es nicht, weil er den Kampf nicht zu früh verloren geben wollte, doch seine Hoffnung war nicht allzu groß die Kleine dem Fieber zu entreißen.

Mary nickte John zu. "Ich weiß. Und deshalb habe ich dich auch holen lassen." erwiderte sie. Sie vertraute ihm und wusste, dass er alles tun würde, was möglich war. Wenn jemand ihrer kleinen Anne helfen konnte dann war es John.
Unruhig beobachtete sie, wie der Arzt seine kleine Patientin untersuchte, dann biss sie sich betroffen auf die Unterlippe. "Beides, ja. Ich habe alles getan, was du mir seinerzeit als Mittel gegen Fieber genannt hast, aber ... du siehst es ja selbst, es wird einfach nicht besser." berichtete sie mit banger Miene. "Der Arzt, der sie sich angesehen hat, wollte sie zur Ader lassen, aber das habe ich nicht zugelassen ... ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihr das in dieser Lage helfen soll." Anne war doch ohnehin schon so schwach und ein Aderlass war immer furchtbar anstrengend für den Patienten.

John lächelte sie aufmunternd an. "Ich sehe, was ich tun kann. Ich gebe dir nachher auch etwas für dich. Trink jeden Tag eine Tasse Tee daraus, damit du ein bisschen besser geschützt bist in deinem Zustand. Überanstreng dich nicht, ich bin jetzt da."
Er überlegte kurz, nickte dann aber. "Das hast du gut gemacht. Es war die richtige Entscheidung. In diesem Fall würde ein Aderlass gar nichts nutzen, da hast du recht. Vermutlich würde er es nur noch schlimmer machen. Lass die Diener ein kaltes Bad herrichten. Das Wasser soll ruhig ziemlich kalt sein. Wir müssen sie leider dem aussetzenund den Körper herunter kühlen. Danach werde ich ihr noch ein Mittel zusammen mischen."
Und dann mussten sie hoffen, dass das Mädchen noch Reserven genug hatte um es zu schaffen.

Mary musste gegen ihren Willen kurz lächeln. "Charles hat es dir gleich auf die Nase gebunden, was?" Schließlich war ihre Schwangerschaft noch nicht soweit, dass man es so einfach sehen konnte. Andererseits würde es sie kaum überraschen, wenn John es dennoch so bemerkt hätte.
Sie atmete tief durch und nickte langsam. "Ich sorge dafür." erklärte sie, strich Anne noch einmal über den verschwitzten Schopf und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn, ehe sie sich erhob, um nach einem Diener zu schicken.
Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um Anne zu helfen und sie betete zu Gott, dass es reichen würde. Dass er ihr kleines Mädchen noch nicht zu sich holte.

John lachte leise und legte ihr für einen kurzen Moment die Hand auf den Rücken. "Er erwähnte es, ja. Aber ich habe auch so ein Gespür dafür. Ich kenne dich gut genug, Mary. Ich hätte es dir auch so angesehen. Er macht sich einfach nur große Sorgen um euch."
Während Mary das Bad organisierte, mischte John eine Arznei für die Kleine aus den mitgebrachten Kräutern und eine Salbe, um sie damit einzureiben.
Es würde eine lange Nacht werden, das stand fest. Die ganze Nacht wich John kaum von Annes Seite, doch am Morgen musste auch er sich eingestehen, dass er sie nicht retten konnte. Das Mädchen wurde immer schwächer.
Völlig übernächtigt legte Mary die Hand auf die Schulter und drückte leicht zu. "Wenn das Fieber nicht in den nächsten Stunden doch noch fällt, kann ich nichts mehr tun, Mary. Es tut mir so leid."

Die ganze Nacht über hatte sie mit John gemeinsam versucht Annes Fieber zu senken, aber es tat sich einfach nichts, Anne glühte noch immer heiß und war furchtbar blass. Charles war immer wieder zu ihnen gekommen, hatte auch versucht Mary dazu zu bringen sich noch einmal hinzulegen, doch dieses Mal hatte sie nicht eingelenkt und war nicht von der Seite ihrer Tochter gewichen.
Als John nun die Hand auf ihre Schulter legte, schluckte Mary schwer. "Ich weiß." wisperte sie leise und zog Anne ein wenig dichter an sich. Das Mädchen schlief wieder und Mary wusste, dass das ein Segen war, denn so quälte sie die Krankheit weniger. "Ich ... ich verstehe das nicht, John." brachte sie leise hervor und stille Tränen liefen ihr über die Wangen. "Sie ist doch noch so klein, so unschuldig ... und sie hätte noch so viel vor sich." Mary ertrug den Gedanken kaum, dass sie ihre Tochter verlieren sollte. Erst Gerard, nun Anne ... wie sollte das in ihrem Leben nur weiter gehen?

John legte den Arm um ihre Schultern und betrachtete das kleine Mädchen in Marys Armen. "Wir können nicht verstehen, was Gott für Pläne mit ihr hat. Oft müssen Menschen früher gehen, als sie sollten und womöglich hat es auch einen höheren Sinn, den wir nicht sehen können. Aber verzage nicht, sie wird es an Gottes Seite gut haben. Dort ist sie fernab von Schmerz und Unheil. Eines Tages wirst du sie wiedersehen.", versuchte er Mary ein wenig Trost zu spenden.
"Und pass auf dich auf, Mary. Du musst auch an das Kind denken, das du trägst." Er seufzte. "Ich werde Charles holen. Ich bin sicher, er möchte an deiner Seite sein und sich von Anne verabschieden."